Ausgabe 38 · Juni 2024

Solarbetriebenes Lastenrad

von Dr. Nies Reininghaus

Vor etwas mehr als sechs Jahren stand für mich und meine Familie wegen Nachwuchs ein Auto oder ein Lastenrad zur Wahl und ich entschied mich glücklicherweise für das Lastenrad. Nach ersten Fahrten mit dem doch sehr stabil gebauten Bakfiets Long stellte ich fest, dass ich trotz mäßig gutem Trainingszustand selbst auf dem flachen Oldenburger Land nicht mit meinen Freund*innen auf ihren Hollandrädern mithalten konnte.

Also schaute ich mich nach Unterstützung in Form eines Elektromotors um. Meine Wahl fiel damals auf den Tongsheng TSDZ2, da es zu diesem Motor eine breit aufgestellte Community mit einer Open-Source-Firmware gibt. Der Motor passt nicht wirklich gut an das Rad, der Winkel der Kettenstrebe erfordert so viele Spacer, dass die Kettenlinie wirklich grauenhaft ist. Auf der anderen Seite funktioniert das Setup schon seit ca. 12.000 km und läuft seit Firmware-Version 1.0.0 auch stabil. Einzig das Kugellager auf der rechten Seite ist bisher zerbröselt. Mit einem selbst gebauten (gebrauchten) Akku aus 10 in Reihe und jeweils 5 parallel geschalteten 18650-Li-Ion-Zellen unter der Sitzbank war das Lastenrad einsatzbereit (bezeichnet 10S 5P).

Da beim Motor kein Ladeadapter mitgeliefert wurde, stellte sich schnell die Frage nach Lademöglichkeiten. Als solaraffiner Bastler wollte ich das Fahrrad mit Solarzellen ausstatten und schauen, wie weit ich damit komme. Nach einigen Iterationen komme ich nun endlich dazu, über meine Erfahrungen zu berichten.

Die erste Iteration (Bild 1) war der Versuch, die Solarzellen möglichst nah in das Design einzufügen. Dafür habe ich zwei flexible 40-W-Solarzellen mit jeweils 18 V auf Aluprofile geklebt und diese mit Scharnieren an die Seite der Lastenradkiste geschraubt. Bei flexiblen Solarzellen sollte man auf ETFE-Folie als Topschicht achten, da sich das günstigere Polycarbonat unter UV-Strahlung auflöst. Gasdruckfedern halten die »Flügel« offen, während ein starkes Klettband den eingeklappten Zustand sichert (der sich auch nur selten während der Fahrt geöffnet hat). Durch die Verjüngung der Lastenradbox zum Vorderrad hat sich die Breite des Lastenrads mit eingeklappten Zellen nicht wesentlich geändert. Da die zwei parallel geschalteten (rechts und links in Reihe würde wegen Schatten nicht funktionieren) 18-V-Panels keinen 10-S-Akku (häufigster E-Bike-Akkutyp, 30 V leer, 42 V voll) versorgen können, musste ein Boost-MPP-Tracker her, der parallel zur Batterie angeschlossen wird (Kosten ca. 20 €) und die Spannung auf das nötige Niveau hebt.

Bild 1: Erste Version des Solarlastenrads

Interessanterweise reicht für unser Nutzungsprofil die Energiemenge aus den eingeklappten Solarzellen schon völlig aus. Unser Nutzungsprofil bedeutet, dass wir ca. 10 km pro Tag bei relativ niedriger Unterstützungsleistung von durchschnittlich der 0,5-fachen Tretleistung fahren (hier in Oldenburg ist das Gelände sehr flach). Die Unterstützung lässt sich in der Open-Source-Software sehr feinstufig einstellen. Dabei ist das Lastenrad ca. 1 Stunde mittags in der Sonne geparkt und steht den Rest des Tages in der Garage. Leider funktioniert das nicht das ganze Jahr über. Trotz optimiertem Winterwinkel der an den Kasten geklappten Solarzellen reichen die Sonnenstunden von Anfang November bis Ende Februar für den reinen Solarbetrieb einfach nicht aus.

Ein Solarlastenrad sorgt für viel öffentliches Aufsehen, sodass neben vielen Diskussionen (häufig auch an Ampeln) für andere eine Rikscha und ein Lastenrad für eine längere Reise mit Hund (siehe Bild 2) mit dem gleichen System ausgestattet wurden. Anstelle der Gasdruckfedern bewährten sich dabei Klappscharniere, die in beiden Positionen einrasten und so einen sicheren Klappzustand gewährleisten.

Bild 2: Solarlastenrad für eine Reise mit Hund

Aufgrund von Anfragen verschiedenster Menschen für ein ähnliches System habe ich mir auch andere Akku-Motor-Kombinationen auf die Möglichkeit hin, eine Solarzelle zwischenzuschalten, angeschaut. Kurzfassung: Sind Motor und Batterie mit 2 Polen verbunden (+ und -), ist es sehr einfach. Das ist bei den meisten, günstigen Varianten so (Bafang, Tongsheng etc.). Bei Bosch ist es theoretisch möglich, da ein dritter Kontakt zwischen Motor und Batterie nur mit 5 V versehen werden muss, um den Kontakt zur Batterie über das Batterie-Management-System (BMS) freizugeben. Shimano ist da noch restriktiver, sodass es dort kaum möglich ist. Leider erlischt bei diesen Herstellern die Garantie auf die Akkus (AGB), wenn der Akku nicht mit dem Herstellerladegerät geladen wird. Deshalb muss die Solarladung solcher E-Bikes wohl überlegt sein.

Theoretisch könnte man eine mittelgroße Powerbank verbauen, die mit intern verbautem, kleinem Wechselrichter (modifizierter Sinus) dann über das herstellereigene Ladegerät das Lastenrad lädt. Vermutlich funktioniert das bei den meisten Herstellern allerdings nicht während der Fahrt und verursacht durch die Umwandlung von Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom für das Ladegerät wieder zu Gleichstrom für die Batterie hohe Verluste (grob: 10 % Verluste Powerbank laden, 20 % modifizierten Sinus erzeugen, 10 % Batterieladegerät-Verluste, also insgesamt 35 % Wärmeverluste).

Die nächste Iteration des Solar Electric Vehicle (SEV) bedingte sich aus dem zufälligen Fund spezieller Solarmodule. Es gibt für 24-V-Batterien Module mit offener Klemmspannung (Voc) von 42 V und MPP-Spannung von 36 V. Wer aufmerksam gelesen hat, bemerkt, dass diese Spannungen der Nominalspannung bzw. der Maximalspannung einer 10-S-Li-Ion-Batterie entsprechen. Das Solarmodul lässt sich also ohne weitere Elektronik direkt mit der Batterie verbinden. Einziger Nachteil dieser Variante ist die sinkende Effizienz bei niedrigem oder hohem Batteriefüllstand. Die Ladeeffizienz bei voller Sonneneinstrahlung ist bei 36 V Batteriespannung bei 100 % und erreicht 0 % bei 42 V (nicht linear, größter Verlust nahe Voc). Bei Spannungen unterhalb 36 V fällt die Effizienz auf 83 % bei 30 V (linear). Es gibt auch Solarmodule mit Voc leicht über 42 V, dort sollte ein gutes, getestetes BMS verbaut sein, welches zuverlässig bei Zellspannungen oberhalb von 4,2 V die Verbindung zur Batterie trennt. Alternativ kann man die Spannung aus der Solarzelle auch mit in Reihe zur Solarzelle geschalteten Dioden reduzieren. Im Vergleich haben gute MPP-Tracker einen Wirkungsgrad (je nach Ladezustand der Batterie) von über 95 %.

Bild 3: 36-V-Solarmodul als Deckel (links) und zum Einhängen an den Gepäckträger (rechts)

Wie in Bild 3 zu sehen ist, passt das Modul als Deckel auf die Kiste. Durch mitgenommene Ständer lässt sich der Winkel im Stand an den Sonnenwinkel anpassen, kollidiert in der Form leider mit dem Transport zweier Kinder. Als Alternative oder Ergänzung gibt es ein kleines 20-W-Panel, welches sich mit zwei Winkeln an den Gepäckträger hängen lässt. Mit diesen beiden Lösungen lassen sich die meisten Langstreckenfahrten mit Solarladung durchführen.

Abseits mehrtägiger Fahrten oder spontan leerem Akku hat sich jetzt bei uns allerdings das Laden zu Hause durchgesetzt. Auf dem Dach der Garage befinden sich ein senkrecht, südlich ausgerichtetes 180-W-Panel zusammen mit einem westlich ausgerichteten 200-W-Panel, die entweder direkt auf die Batterie des Lastenrads geschaltet werden können oder eine Batterie für die Inselversorgung der Garage speisen, sodass das Lastenrad auch über einen DC-DC-Boost-Konverter aus der 12-V-Garagenbatterie geladen werden kann. In der Garage hängt ein ca. 50 Ah großer 12-V-LiFePo(LFP)-Akku, den ich vor Jahren mal gebraucht gekauft habe. Der Akku läuft bereits seit fünf Jahren und hat auch schon Kapazität verloren, gefühlt aber noch nicht viel. Darüber betreibe ich das Licht, einen Feinstaubsensor, Bandschleifer, Stichsäge und andere Maschinen und lade alle Akkus der kabellosen Geräte, die ich akkulos gebraucht kaufe und dann mit einem Stecker an ein Set Akkus adaptiere (alle XT60). So läuft der Akkurasenmäher z. B. mit einem alten E-Scooter-Akku und hält über 1.000 m² (und könnte auch mit den gleichen Panels wie in Bild 3 mit einem Y-Stecker unterwegs laden).

Das Lastenrad läuft jetzt schon seit drei Jahren nur mit Sonnenenergie. In der Praxis stecke ich das Lastenrad in der Garage an ein von der Decke hängendes Kabel an, wenn der Akku weniger als 36 V Spannung zeigt oder ich am nächsten Tag eine längere Strecke plane. Der Stecker dafür ist in Bild 3 links, rechts neben der Lampe zu sehen (XT60). Ein Microcontroller erkennt den Lastenradakku und schaltet dann den DC-DC-Wandler vom Garagenakku zu, bis der Lastenradakku eine Spannung von 39,5 V erreicht hat. Durch die Überdimensionierung der Solarpanels in Verbindung mit einem MPP-Tracker reicht die Energie sogar im Winter.

Für unseren Einsatz ist die Solarladung zu Hause die optimale Lösung. Es ergibt für uns keinen Sinn, das extra Gewicht überall mitzunehmen. Anders sieht das natürlich für Menschen aus, die mehrtägige Reisen unternehmen und unterwegs keine Lademöglichkeit haben. Um halbwegs autark sein zu können, bräuchte man im Sommer beispielsweise schon ein 100-Wp-Solarmodul, um bei 5 Stunden Sonnenschein einen 500-Wh-Akku nachladen zu können. Dabei ist das System sehr wetterabhängig. Bei bewölktem Himmel reduziert sich die Energie enorm, man kann dann von maximal 10 % Leistung ausgehen und bräuchte demnach 50 Stunden, um den Akku nachzuladen. Das funktioniert dann auch nur mit MPP-Tracker, da bei Bewölkung die Spannung wesentlich niedriger ist. Da die Fläche eines Solarmoduls für sinnvolle Ladeleistungen schon recht groß ist, bieten sich Überdachungen für Lastenräder dabei an. Alternativ könnte man auch ein faltbares Panel im Gepäck mitnehmen und eine längere Mittagspause einlegen. Es gibt ein Solarlastenrad-Projekt auf YouTube, bei dem das Solarpanel sogar während der Fahrt automatisch in Richtung der Sonne gekippt wird.

Zum Autor

Dr. Nies Reininghaus arbeitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in der Sektorenkopplung des Verkehrs, ist passionierter Fahrradschrauber und -fahrer mit einem Faible für Solarzellen.