Ausgabe 38 · Juni 2024

Außentaschen selbst gemacht

Näh- und Montageanleitung

von Stefan Buballa

Viele Reiseradler*innen werden diese Situation kennen: Der Regen ist endlich vorbei, wohin jetzt mit den dreckigen Gamaschen, der triefenden Regenhose und der nassen Jacke? Alles außen draufschnallen? Gerade bei kleineren Sachen ist das nervig. Oder die frisch gewaschenen Socken, auch die brauchen einen luftigen Platz. Und dann am Nachmittag: klebriges Obst oder eine große Tüte Milch fürs Müsli am nächsten Morgen – wohin damit?

Denn: So schön es ist, dass es heute völlig wasserdichte Taschen gibt, gewisse Sachen mag man nicht mit den sauberen, trocknen Reservekleidern oder gar dem Schlafsack transportieren. Milchtüten sind zwar theoretisch dicht, aber wenn nach einem Sturz eine in der Nähe des »Ausgehhemdes« platzt, ist der Frust groß. Selbst wenn das T-Shirt nach dem Regenschauer nicht völlig durchgeweicht ist, so wird man sich gerade bei Taschen ohne jede »Atmungsfähigkeit« sehr hüten, unnötig Feuchtigkeit »hineinzubringen«. Ich selbst habe nach einer Woche schon mal solch »eingesammeltes« Nass aus einer Ortlieb-Lowridertasche schütten können. Schließlich brauchen auch Treckingsandalen oder Flip-Flops, die beim Zelten am Morgen oft schlammig und nass sind, ihren Platz.

Für all diese Zwecke wären – möglichst luftige – Außentaschen ungeheuer praktisch. Was nun, wenn die eigenen Packtaschen keine haben? Neue kaufen?! Nix da, denn im Nu ist eine große Außentasche genäht, die sich sogar ohne jede Perforation des wasserdichten Materials unserer Tasche anbringen lässt.

Grundlegendes Design

Der hier vorgestellte Entwurf ist auf einen Ortlieb-Back-Roller bezogen, er lässt sich sicher auch an andere Taschen und andere Bedürfnisse anpassen. Um im weiteren Verlauf der Beschreibung keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, hier eine kurze Definition der Begriffe: Ich spreche immer von »Außentasche« (= die, die ich nähe) und »Packtasche« (= die von Ortlieb, die ich schon habe). Diese Außentasche hat zwei Gewebelagen: eine innere (die der Packtasche direkt aufliegt) und eine äußere (die keinen direkten Kontakt zur Packtasche hat und die Außenseite darstellt).

Mir war es wichtig, dass die Außentasche flächenmäßig so groß wie möglich ist und neben der Vorderfläche auch die hintere Seitenfläche der Packtasche weitgehend bedeckt. Beim Gebrauch soll sie das Öffnen und Schließen der Packtasche nicht umständlicher machen und leer flach an derselben anliegen

Im Laufe der Fertigstellung der Außentasche merkte ich, dass es nicht so einfach ist, die Veränderungen an der 2-dimensionalen Taschenform beim Bepacken der Außentasche richtig einzuschätzen. Wenn man dicke Sachen einpackt, wölbt sich die Außentasche vor und der obere, äußere Rand »rutscht« nach unten, d. h., die effektive »Tiefe« der Tasche in senkrechter Ebene nimmt ab. Für viele Leser*innen mag dies logisch sein, ich habe es erst gemerkt, als ich zum ersten Mal meine Treckingsandalen übereinander gepackt reingeschoben hatte. Auch meine »tollen« (und überflüssigen) senkrechten »Dehnfalten« brachten da natürlich nichts … waagerecht hätten sie sein sollen ...

Materialien

Die Suche nach geeignetem Netzmaterial fand ich ebenfalls nicht einfach. Die Tasche soll ja einerseits schön luftig sein, andererseits ist gerade die Außenseite der Außentasche einer erhöhten Scheuerbelastung ausgesetzt. Fündig wurde ich bei Extremtextil, wo ich das robusteste der angebotenen Netzgewebe ausgewählt habe. In natura wirkt es dann überhaupt nicht übertrieben dick, sondern gerade richtig.

Bild 1: Außenseite der Packtasche

Zum Verstärken der Nähte und der Aufhängung der Außentasche verwende ich Standardgurtband in 25 mm Breite. Da die Tasche nicht megaschwer beladen wird (werden kann), ist maximale Festigkeit nicht so wichtig. Von daher ist Polyester sinnvoller als Polyamid, da dieses Grundmaterial extreme UV-Belastung besser übersteht. Wichtig für die von mir vorgeschlagene Art der Verarbeitung ist, dass das Band weich und nicht zu dick ist. Sonst wird das Längsfalten um den Rand des Außentaschenmaterials schwierig. Passende Leiter-Dreistegschnallen ergänzen die Materialliste. Zum Nähen verwende ich ein normales schwarzes Polyestergarn.

Aufbau

Um sich die räumliche Situation besser vorstellen zu können, hat es mir geholfen, die Packtasche relativ prall zu befüllen. Die (maximale) Höhe der Außentasche ergab sich aus der Distanz zwischen dem unteren Umlenkhaken auf der Außenseite der Packtasche und dem darüber gelegenen D-Ring. Diese beiden Elemente begrenzen die Höhe der Außentasche.

Bild 2: Netzgewebe

Auch die Breite der Außentasche wurde an der befüllten Packtasche festgelegt. Meine Außentasche sollte die vordere (= die zur Ferse weisende) Seitenfläche der Packtasche freilassen, da es da sowieso häufig mit der Ferse eng wird und eine Außentasche dort nur minimal befüllt werden könnte. Dafür soll neben der Fläche auf der Vorderseite der Packtasche auch die nach hinten weisende Seite der Packtasche optimal genutzt werden.

Als erstes werden also nach diesen Maßen (Höhe [s.o.] und halber Umfang der Packtasche als Breite) Vorder- und Rückseite der Außentasche aus Netzgewebe zugeschnitten. Dann habe ich die senkrechten Kanten jeweils mit beiden Gewebelagen auf ein passendes Stück Gurtband genäht, und zwar so, dass mindestens 12,5 mm nicht von Netzgewebe bedeckt sind. Diesen seitlichen unbedeckten Rand habe ich dann nach vorn über das Netzgewebe gefaltet, leicht angebügelt und erneut von vorne vernäht. Das ergibt eine stabile Naht mit optimaler Einfassung.

Bild 3: Seitenkante mit Gurtband umnäht

In gleicher Weise habe ich dann die unteren Kanten aufeinandergelegt und so auf ein Stück Gurtband genäht, dass dieses wiederum nur halb bedeckt ist und wieder nach vorne umgenäht werden kann (s. o.).

Bild 4: »Befestigungsenden«

Wichtig ist, »links und rechts« das Gurtband üppig überstehen zu lassen (jeweils ca. 40 cm), um diese Enden dann für die Befestigung nutzen zu können.

Bild 5: Äußere und innere Oberkanten

An der Oberkante der Außentasche ist das Vorgehen ähnlich, nur dass das Gurtband vorerst lediglich um die außen liegende Lage des Außentaschengewebes genäht wird. Auch hier sollten die Enden lang bleiben.

Bild 6: »Zusatzbefestigungsgurt«

Anschließend wird auch die Oberkante der innen liegenden Gewebelage der Außentasche mit Gurtband umnäht. Hier macht es eventuell Sinn, das Gurtband nur einseitig auf der Vorderseite der innen liegenden Gewebelage mit Zickzacknaht anzunähen, dann muss man bei der kurzen, senkrechten Naht, die vorderes und hinteres Gurtband an der Oberkante auf beiden Seiten aufeinander fixiert, weniger »tricksen«. Bild 6 zeigt diese problematische Stelle. Zu guter Letzt kann man noch den kleinen, hinteren Teil der Außentasche mit einer senkrechten Naht vom großen, seitlichen Teil trennen. Am hinteren, kleinen Außentaschenteil hatte ich in das obere äußere Gurtband noch einen Kordelzug mit Tanka eingenäht, das ist meines Erachtens aber überflüssig. Um die Last auf einen zusätzlichen Punkt an der Packtasche verteilen zu können und um zu verhindern, dass diese befüllt herunterrutscht, habe ich einen Zusatzgurt in der Mitte der Oberkante der inneren Gewebelage der Außentasche angenäht. Dieser kann dann am D-Ring festgeschlauft werden.

Bild 7: Rückenplattenbefestigung

Die Tasche ist jetzt fertig und muss nun montiert werden.

Bild 8: Detail Rückenplattenbefestigung

Montage

Mein Ziel bei der Montage war, dass das Material der Packtasche nirgends perforiert werden muss und auch keine Schraubverbindungen gelöst werden müssen. Die Außentasche soll nur mit Bändern und Leiterschnallen befestigt werden. Hierzu werden die Bänder oben hinter der Hakenleiste durchgezogen und unten durch die Aussparungen für das Tragesystem gefädelt. Beide von oben und unten kommenden Enden werden mit Leiterschnallen flexibel, aber zuverlässig fixiert.

Bild 9: Detailansicht der fertigen Außentasche
Bild 10: Fertige Außentasche

Fazit

Luftige Außentaschen sind gerade auf Reisen eine unerhört praktische Sache. Die oben beschriebene Konstruktion hat sich in der Praxis voll bewährt und lässt sich einfach nachbauen.

Materialliste

Zum Autor

Stefan Buballa, Arzt, Alltags- und Reiseradler. Selbstbau eines Reiserades und eines Alltags-Kurzliegers. Er ist fasziniert von der Schlichtheit und ökologischen Effizienz muskelkraftbetriebener Fahrzeuge. Besondere Interessen: ergonomische und leistungsphysiologische Aspekte. Besondere Schwächen: Radreisen in Afrika und Nahost …