Ausgabe 9 · Oktober 2009
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Chain???
Nachrüstbare Kettenschutzmöglichkeiten im Praxistest – aber noch nicht alle und noch nicht richtig umfassend
Hier werden einige Lösungen unter dem Gesichtspunkt Wartungsanfälligkeit des gesamten Antriebsstranges betrachtet. Nebenbei findet auch noch eine kleine Exkursion über die dafür aufzuwendenden Antriebsleistungen statt.
Es gibt mehrere kommerzielle nachrüstbare Lösungen, um die Ketten vor
Umwelteinflüssen zu schützen. Nach den unterschiedlichen voluminösen
Kettenkästen der Hollandräder dürfte der Hebie Chainglider (CG) derzeit am
bekanntesten sein. Einen Artikel hierzu hatte Andreas Oehler in einer
Radwelt 2005 veröffentlicht. Dann folgt wohl der Utopia Country. Relativ
neu auf dem Markt ist der Chainrunner (CR), wobei mein Fahrradhändler
meinte, daß es sowas schon vor mehr als
Jede der oben genannten Lösungen stellt einige Anforderungen (vgl. Tabelle 1) an das Fahrrad.
Chainglider | Chainrunner | Country | ||
---|---|---|---|---|
Kette | ≤ |
schmal (3/32) | schmal (3/32) | |
Achsabstand | 445–530 | variabel | variabel | |
Tretlager/ Kettenrad | Zähne | 38, 42, 44 | egal | 38, 44 |
Kröpfung | nein | egal | ja | |
Geschraubt | egal | egal | nein | |
Lager mit Flansch | egal | egal | ja | |
Nabe/ Ritzel | Rohloff | 15–17 | ≥ 16 | |
SRAM 7 | ja | ja | ||
imotion | 18–22 | |||
Shimano7/8 | 18, 22 | |||
diverse | 18–22 | ≥ 17 | ||
Gewicht [g] ca. | 300 | 38 | 418 | |
Preis [€] ca. | 30 | 150 | ||
De-/ Montage | Werkzeuglos | ja | jein | nein |
Einzelteil(e) | 5 | 1 | 68 |
Wozu die Angabe 3/32″ bei CR und Country gut ist, erschließt sich mir nicht. Eher ist die Breite der Bolzen bzw. Höhe und Außenbreite der Außenlaschen interessant. Diese müssen durch die Kettenschützer hindurch. Die 3/32″ zwischen den Innenlaschen sind nicht maßgeblich.
Der Chainrunner funktioniert real auch auf der Rohloff auch mit einem 16er Ritzel.
Hier wird an einem im Alltagsbetrieb eingesetzten Reiserad getestet. Die
Hinterradnabe ist eine Rohloff 500/14 mit 16er Ritzel und flachem 42er
Kettenrad. Der Arbeitsweg umfaßt ca.
Zum Thema Nachschmierintervalle: Selbst bei trockenen, sauberen
Umgebungsbedingungen müssen Ketten regelmäßig geschmiert werden. Beim
Chainglider
Das Rad kommt mit einem CG daher. Er ist werkzeuglos de- und montierbar.
Der CG wird nach

Nach
Der CG ist relativ empfindlich gegen Schmutz im Spritzwasser vom Vorderrad. Vom Kettenblatt aufgesammelt knirscht es unter Umständen stark zwischen Kettenrad und CG. Hier verschafft ein tief reichender Spritzschutzlappen am Schutzblech des Vorderrades meist sofort Besserung.
Einige Benutzer berichten, daß der CG nach einiger Laufleistung sich bei stärkeren Erschütterungen gelegentlich von selber öffnen würde. Das ist hier noch nicht vorgekommen, trotz rabiater Fahrweise und Schlaglochpisten.
Chainrunnner
Der Chainrunner ist ein geschlitzter Wellschlauch, der mit einem
speziellen Kunststoffteil auf die Kette aufgezogen wird. Der
Außendurchmesser beträgt
Die erste Kette ist eine neue verzinkte SRAM PC830. Diese wird die ersten

Die Längung der Erstkette beträgt nach



Der CR wird zwischendurch nicht gereinigt. Außen ist am Ende ein mehr oder minder sandiger Ölfilm. Die Kette wird nur durch den Schlitz mit einer spitzen Tülle der Ölfläschchen geölt.
Der Chainrunner ist zumindest dort, wo die starren Lösungen durch
Randbedingungen nicht einsetzbar sind, von Vorteil. Im Praxiseinsatz sind
keine Probleme zu verzeichnen. Das befürchtete Verdrehen des
Wellschlauches auf der Kette und entsprechendes Zermahlen des Schlauches
in den Kettengliedern ist nicht eingetreten. Der Testeinsatz war
unproblematisch. Die Nachölintervalle sind deutlich größer als bei den
ansonsten eingesetzten offenen Kettenschaltungen. Allerdings ist die Kette
nach
Utopia Country
Der Country besteht aus jeweils einem starren Kasten aus PVC am Kettenrad und am Ritzel. Die Kette läuft zwischen diesen Kästen in zwei Rohren aus Polyethylen (PE). Die Rohre sind mit Faltenbälgen aus Gummi an den Kästen aufgehängt. Die Metallteile sind aus Niro.

Eine Montage an Liegerädern sollte auch funktionieren. Von Dieter Baumann gibt es zumindest ein Radnabel mit Ritzelgehäuse für 13er Ritzel.
Ein etwas »innovationsfeindlicher« Liegeradhändler meinte mal was von »viel zu viele Einzelteile und kompliziert in der Wartung«. Mein Einwand hierzu ist allerdings, wenn die Kette »ewig« hält, was ist dann das Problem? Außer eventuell das Öffnen im Falle eines Plattens.
Ich habe den Country bisher nicht testen können. Allerdings machte er auf der Spezi 2009 einen guten Eindruck: Leise und stabil.
Ob die PE-Rohre gut halten, weiß ich nicht. Meine Erfahrungen mit »Rohren
aus Polyamid (PA) für Kraftfahrzeuge« (DIN 73378) oder »Rohren und
Rohrleitungen aus Polyamid für Druckluftbremsanlagen« (DIN 74324) mit der
Abmessung
Der Country paßt unter Umständen nur an Utopia-Räder, und auch dort nur an neuere! Am Tretlager wird der Country durch den Bund der Tretlagerpatrone gehalten. Hinten ist eine Schraube auf der Innenseite der Kettenstrebe einige Zentimeter vor dem Ausfallende notwendig.
Gegen Spritzwasser von vorne und vom Hinterrad ist der Country dicht. Die größte Öffnung ist auf der Außenseite des Kettenrades vorhanden. Aber von dort kommen i.A. keine Mengen verschmutzen Wassers herein. Auf der Unterseite ist ein kleines Ablaufloch im Sumpf.
Die Kette läuft fast berührungslos und geräuschlos im Country. Die Reibungsverluste sollten deutlich geringer als im Chainglider sein.
Einschränkungen gibt es laut Utopia bei den Kettenschmiermitteln. Diese dürfen die Kunststoffteile nicht angreifen. Hier sind anscheinend die PVC-Teile und die Faltenbälge empfindlich.
Die Faltenbälge seien als Verschleißteil anzusehen. Sie vertrügen nicht allzuhäufig das auf- und abziehen. Dies ist allerdings kaum notwendig.
Bei der Laufraddemontage wird hinten eine kleine Inbus-Schraube gelöst, der Ritzelkasten geöffnet und das Laufrad kann herausgenommen werden.
Er ist durchaus einen ausführlichen Test wert. Nur wann?
Verlustleistungen
Was nützt der beste Kettenschutz, wenn er zu schwer läuft? Also werden auch die Leerlaufleistungsaufnahmen der Kettenschützer und der Antriebstränge ermittelt.
Ein Getriebemotor wird im Kurbelabziehergewinde angeschraubt. Das
Schleppmoment des Motors wird mit einer Federwaage gemessen. Ein
methodischer Fehler kann sein, daß ein Eigenmoment durch den leicht
exzentrischen Schwerpunkt der Antriebseinheit vorliegen kann. Mit einem
liegenden Rad wird aber keine Veränderung der Schleppkraft festgestellt.
Als Trittfrequenz werden vorerst einheitlich
Zum Vergleich werden die Messungen noch an anderen Fahrrädern durchgeführt. So können die Messungen besser verglichen werden. Die Angabe des Reifens ist sinnvoll, da diese auch Strömungsverluste in der Luft erzeugen. Die Einspeichung in den Rädern ist, bis auf das Reiserad mit Rohloff, in 36 Speichen ausgeführt.
Brompton | Hinterradnabe Sachs 3×7 12–28, 44er Kettenblatt und Bromptonreifen (Semislick) |
---|---|
ATB | Reif für die Verschrottung mit verschlissenem Antriebstrang (Nabenlagerung, 38er Kettenblatt, und Kette kurz vor Verschrottung) und gut heruntergefahrenem 37-622 Marathon Sport HS278. |
Dino |
Radius Langlieger mit Conti Sport Contact 37-622. Als Kettenschutz ca.
|

Bei 200–
Die unterschiedlichen Reifendurchmesser gehen in die Gesamtübersetzung mit ein. Die Fahrgeschwindigkeiten sind direkt vergleichbar, nur nicht direkt angegeben.

Für den CR wird schändlicherweise nur ein Meßpunkt mit und ohne CR
aufgenommen. Ja, so ist das mit der ersten Messung, die Materie ist doch
komplizierter als gedacht. Der Unterschied in der Leistungsaufnahme
beträgt dort ca.
Die Leistungspitzen der Rohloff 500/14 bei i ≈ 1,5 kommen aus den vielen
im Eingriff befindlichen Getriebestufen des 5. bis 7. Ganges. Der
Chainglider verursacht eine im Mittel ca.
Beim ATB werden nicht für alle Gänge die Schleppkräfte gemessen. Es sind nicht alle Gänge schaltbar bzw. die Kette läuft nicht sauber.
Daß beim Dino die Verluste in den niedrigen Übersetzung so stark ansteigen, kann mit der stark gespannten Kette erklärt werden. Es sind aufgrund der Länge der Kette alle Gänge schaltbar und nutzbar. Die Leerlaufverluste der Kettenschutzrohre am Dino wurden aus Zeitgründen noch nicht gemessen.
Die Leistungsverluste der getesteten Kettenschützer mit 0,15–
Zusammenfassung
Die Wahl des Kettenschutzes hängt von diversen Randbedingungen ab. Von der Dichtigkeit und Geräuschentwicklung dürfte der Country die beste Lösung sein. Von der Schnellligkeit beim Laufradausbau ist es der Chainrunner. Der Chainglider hat gute Allroundeigenschaften.
Chainglider | Chainrunner | Country | ohne | |
---|---|---|---|---|
Verschmutzung | ++ | o | ? | - |
Kettenschutz | ++ | + | ++ | - |
Im Pannenfall | + | ++ | ? | ++ |
Nachölintervalle | ++/1000 | +/500 | ? | -/30–450 |
Laufradausbau | +/WZL | ++/WZL | ?/kleiner Inbus | ++/WZL |
Die Nachölintervalle in Kilometern sind circa-Werte. Beim CR und CG sind diese noch nicht statistisch abgesichert.
Werkzeuglos (WZL) bedeutet kein Werkzeug zusätzlich zur eigentlichen Nabendemontage notwendig.
Ob man sich für Chainglider, Chainrunner, Country oder ? entscheidet, ist nicht nur von den Randbedingungen am Fahrrad (vgl. Tabelle 1) abhängig. Häufig hört man auch ästhetische Gründe/Einwände, z. B. daß der Chainglider zu »massiv« sei.
Die Kette wird in allen drei Varianten deutlich geschützt und man ist damit einen Schritt zum wartungsfreien Alltagsrad weiter.
Fortsetzung folgt.
Weitere Infos
Zum Autor
Olaf
Schultz, Maschinenbauingenieur, Hamburg-Harburg, renitenter
Großstadtalltags- und Reiseradler, Gründungsmitglied der Fahrrad-AG der
TUHH, Selbstbau von mehreren Liegerädern, seit längerem immer weiter in
den Untiefen der Fahrradbeleuchtung versinkend.