Ausgabe 9 · Oktober 2009
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Lektrisch versus Knatterstink
Authentische Erfahrungen
Der Chef
Noch während der letzten Monate des Kriegs begann er mit einem abenteuerlich entstandenen »Werkzeugpark« zu produzieren. Stahlhelme und anderes Restmaterial wurden zu Töpfen und Sieben und Waschgeräten, die Reste zu Kämmen – die gingen gut in den lausigen Zeiten und die kleine Firma wuchs. Dann kam die Kunststoffverarbeitung dazu, eine Werkzeugmacherei und und …

Nur das Fahrzeug des Chefs blieb über die Jahrzehnte dasselbe, eine
Fuchsinette, ein Fahrrad mit Hilfsmotor, nach dessen frühestmorgendlichem
Startritual man die Uhr stellen konnte. Ein kleiner Hügel wurde mit
Motorhilfe überwunden, dann ging ’s nur gerade oder bergab ohne Motorhilfe
in die Firma. Nur die letzten
Längst hatten die meisten seiner Arbeiter und Angestellten Autos gekauft und der alte Garten im Innenhof der Fabrik war einem Parkplatz gewichen. Immer wieder bedrängten sie ihn, er solle doch auch eins kaufen, aber er blieb beharrlich einspurig bis zu seinem Tod. Erbschaftsstreitigkeiten waren dann das Ende der Firma. Jahrzehnte später war ich mit Freunden unterwegs, die eine aufgelassene Fabrik für einen selbstverwalteten Betrieb suchten, und wir fanden die stark heruntergekommenen Gebäude, den Innenhof mit den eingezeichneten Parkplätzen, alle gleich, nur der vorderste Platz ganz schmal, mit der Aufschrift »Chef« – das musste ich ihnen erklären.
Der Wanderpokal
Ja man sieht, mit wenig Hirnfunktion lebt sich’s besser als mit wenig Herzfunktion – Kommentar meines alten Herrn weil ich für ihn um ihm seine geliebten Fahrradrunderln auch nach einer Herzoperation zu ermöglichen einen elektrischen Hilfsmotor namens ZAP gekauft hatte. Ein kurzer, taxierender Blick seiner Technikeraugen hatte die Herkunft der »zsammgehefteten Lüftermotoren mit integrierter Zwirnspule« entblößt und er wollte natürlich wissen, wie viel ich dafür bezahlt hatte – ich machte auf Gedächtnislücke und auf Probe und so und begab mich an sein Fahrrad zwecks Montage solange er noch im Spital festgehalten wurde. Der ZAP war bald an seinem Platz, die Bleibatterie aus den USA (trotz mehrfach geäußertem Wunsch diese nicht zu schicken) wurde provisorisch mit Panzerband befestigt und die Testerei konnte beginnen.
Sie endete auch schnell wieder, denn es schüttete in Strömen, die
Reibrolle war an den glatten Reifen nahezu traktionslos (nahezu, immerhin
hatten die wenigen Kilometer gereicht, den Reifen auf der Glatze einen
Scheitel zu ziehen). Und die
Vater kam aus dem Spital, benutzt den ZAP einmal, nachdem er zuerst einen ordentlichen Batteriekasten gebaut und montiert hatte, dann wurde alles wortlos demontiert und geschachtelt (den brauch ich vielleicht wenn ich gestorben bin, heb ihn gut auf). Der ZAP landete zuerst im Garten, dann bei einem Nachbarn, dann dessen Freund, dann wieder bei mir, einem meiner Freunde, einem weiteren, dann verlor sich die Spur bis ich hörte, dass er bei jemandem, den ich nicht kannte, sein kümmerliches Leben beendet hätte. Moral hat die Geschichte auch: Glaub nie begeisterten Testberichten von »Usern« im Internetz, sie könnten von einer Firma bezahlt sein.
Tanke schön
Saukalt und die knapp
Und dann sah ich’s – ein demoliertes VeloSolex an die Wand eines kleinen Hauses gelehnt – alles stockdunkel, Haus scheint unbewohnt, zerbrochene Scheiben, ausgehängte Haustür. Tankdeckel des Velos aufgeschraubt, Finger rein – Glück, mindestens halb voll. Schnell war der Benzinschlauch zwecks Absaugung angebracht und etwa ein halber Liter in meinem Tank gelandet.
Den Gegenwert für etwa fünf Liter Sprit lege ich in die Seitentasche des Vehikels, falls es doch noch einen Besitzer hat.
Leergefahrene Solex bedürfen eines geheimen Rituals um wiederbelebt zu werden – es funktionierte, lief – etwa zehn Sekunden, dann ein paar Fehlzündungen, aus. Weiterer Zuspruch, kein Erfolg – also Motor hochklappen, strampeln.
Gerade als mich am nächsten durchaus sanften Hügel wieder ein Krampf packt, hör ich hinter mir das Geräusch eines VeloSolex, aufhalten nicht nötig, Fahrer bleibt auf meiner Höhe stehen und lacht sich eins. Das Haus mit dem Velo vor der Tür war nämlich nicht unbewohnt und er hatte mit Vergnügen zugesehen, wie ich sein altes Vehikel besaugte – wohl wissend, dass da ein Großteil rostiges Wasser drinnen war mit einem Restchen Benzin.
Als er jedoch sah, dass ich irgendetwas in die Tasche steckte, sah er, nachdem ich weg war, nach und entdeckte das Geld. Daraufhin fuhr er mir mit seinem neuen VeloSolex nach und lud mich nun ein, meines mit richtigem Sprit zu betanken und einen Happen zu essen und ein Gläschen zu trinken. Das taten wir dann auch und es war schon sehr Mittag als ich mit Motor und ordentlich betankt nach Hause fuhr.
Wer bremst …
Mein neues Vehikel war so weit. Der Motor vom VeloSolex entnommen, mit anderer Düse zwecks Verwendung von Alkohol und Rizinusöl als Alternativtreibstoff, ein besserer, nochmals deutlich leiserer Auspuff aus Edelstahl und anderen kleinen Veränderungen war an ein altes Bianchi Rennrad montiert und lief leise blubbernd unter Hinterlassung des Geruchs mehrer Fish and Chips Standeln.
Zeit für eine Proberunde – mal mit, mal ohne Motorunterstützung. Ja, lief wie es sollte. Also runter im Schuss um mit dem Tempo den Gegenhügel im Schwung zu nehmen – und grade als ich den Motor ausklappe, überholt mich ein Motorradpolizist und deutet an, dass er mich gern sprechen wolle.
Erst betrachtet er misstrauisch das Vehikel, dann mich. »Nummerntaferl brauch ma net?« Ich erkläre dass ich den Motor nicht benutze und ihn nur als Trainingsgewicht drauf habe, worauf er auf den Motor greift und feststellt, dass dieser heiß sei. Ja klar, meine ich, ich verwend ihn ja als Bremse beim Fahren.
Er fragt wo ich wohne. Ich teil ihm mit, etwa
Alles Lektrisch
Für Elektrofahrräder wird häufig mit den geringen Kilometer-Kosten geworben, ich melde Zweifel an.
Der Neupreis des Vehikels war knapp
Besagtes Pedelec ist nach knapp
Also rund
Zum Vergleich ein VeloSolex, heutiger Neupreis rund
Zum Autor
Lui
Frimmel
Herausgabe in den 40ern des vergangenen Jahrtausends, Schreiber und
Fotograf mit Schwerpunkt Kultur und (Alternativ)Politik für div. Medien.
Viel zu viele Interessen, viel zu wenig Zeit.