Ausgabe 9 · Oktober 2009
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Elektrorad – Energiesparwunder oder Klima-Schwein?
Eine Betrachtung zu Umwelt- und Energieaspekten von Pedelec-Akkus

Seit einigen Jahren liest man ausschließlich Positives zum Thema Elektrorad – sei es in Fahrradzeitschriften, Tageszeitungen oder im Fernsehen:
- Der Tübinger Oberbürgermeister promotet seine CO2-Kampagne »Tübingen macht blau« indem er ein Rennen auf dem Pedelec fährt.
- Die Reutlinger Stadwerke sponsern den Strom für Elektroradbesitzer.
- Der BUND wirbt auf Infoständen für den Klimaschutz gerne, indem er auch Elektroräder zum Ausleihen parat hält (z. B. Kirchentag 2009).
Der Eindruck entsteht, Kauf und Nutzung eines Elektro-Fahrrad seien für den Schutz der Umwelt ein wichtiger Beitrag – schlichtes Fahrrad-Fahren hingegen kaum einer Erwähnung wert. Nachteile werden in der Berichterstattung selten erwähnt. Wenn überhaupt, kommen begrenzte Akku-Reichweite und hoher Preis zur Sprache. Aber die niedrigen Betriebskosten und der hohe ökologische Nutzen – so wird der Eindruck vermittelt – glichen das mehr als aus.

Von: Fahrradladen Transvelo Tübingen
Elektroräder sind sparsam im akuten Verbrauch
Betrachtet man den Stromverbrauch moderner High-End-Pedelecs, so kommt man
nach Angaben des eher Hersteller-freundlichen Instituts Extra-Energy auf
0,5 bis
Ein sparsames Mofa braucht 1–2 Liter Benzin für die Strecke, das
entspricht 10 bis
Selbst wenn man Kraftwerks- und Stromverteilungswirkungsgrade mit
einrechnet und davon ausgeht, dass im Kleinwagen auch mal 2–3 Leute
sitzen, bleiben die direkt zuzuordnenden CO2-Emissionen des
Pedelec bei weniger als
Für Mofas oder Kleinwagen sind diese Kosten mindestens 10 bis 20 Mal höher.
Kurzlebiger Akkupack
Was die Befürworter des Elektrorads aber außer Acht lassen, ist der Akkupack, seine Kosten und seine begrenzte Lebensdauer.
Wie bei Notebooks wird bei hochwertigen Elektrorädern heute ausschließlich
auf Lithium-Ionen-Akkus gesetzt. Grund dafür ist in erster Linie das
günstige Kapazität-zu-Gewicht-Verhältnis. Die führenden Hersteller BionX
(verwendet z. B. von Riese&Müller) und Panasonic (verwendet z.B von
Biketec Flyer) bieten Akkupacks an, die
Beworben werden diese Akkupacks mit »bis zu 500 Ladezyklen«. Direkt
befragte Hersteller solcher Akkupacks nennen als realistisch eher 300
volle Zyklen. Die 500 Zyklen sind erreichbar, wenn die Akkus nur zu
Wer nun werktäglich mit dem Pedelec eine einfache Strecke von
Dabei ist das Akkumanagement in Notebooks aufwändiger und blickt auf eine
längere Entwicklung zurück als bei Elektrorädern. Zudem werden Notebooks
üblicherweise bei 20–25°C betrieben, was als optimal für
Lithium-Ionen-Akkus gilt. Bei höheren Temperaturen steigt die
Selbstentladung und Alterungsprozesse laufen schneller ab. Aber auch bei
20°C altert ein Lithium-Akku unablässig, so dass Hersteller von unabhängig
von der Nutzung eine Akku-Lebensdauer von maximal 3–
Bei tiefen Temperaturen, steigt der Innenwiderstand und die entnehmbare Kapazität sinkt. Bei Frost kann ein Elektrorad keine nennenswerte Motorleistung mehr erzeugen. Bei Temperaturen unter –20°C besteht sogar die Gefahr, dass das Elektrolyt im Akku gefriert und der Akku zerstört wird.
Pedelec pro Strecke so teuer wie ein Kleinwagen
Geht man optimistisch davon aus, dass man die

Verstecktes CO2 aus der Akkuherstellung
Nun könnte man meinen, der CO2-Ausstoß sei aber doch geringer,
wofür man die hohen Akkukosten in Kauf zu nehmen habe. Das blendet aber
wesentliche Aspekte aus:
Die hohen Kosten für den Akku sind nämlich zu einem wesentlichen Anteil
auch dem hohen Energieaufwand der Gewinnung von Lithium und der
Akku-Herstellung geschuldet. Hinzu kommt, dass die Herstellung in Fernost
mittels billigem Strom aus Kohlekraftwerken mit besonders hohem
CO2-Ausstoß erfolgt.

Leider finden sich keine belastbaren Daten zum kumulierten Energieaufwand für Herstellung, Betrieb und Entsorgung von Lithium-Ionen-Akkus geschweige denn eine vollständige Ökobilanz. Bekannt ist allerdings, dass die Lithium-Reserven begrenzt sind.
Zudem gibt es bislang kein Recycling-System für Lithium-Zellen. Bislang
werden sie als Sondermüll behandelt. Als untere Abschätzung des
kumulierten Energieaufwand der Herstellung können die Werte aus einer
Studie zu Umweltauswirkungen von E-Paper-Geräten (mit Lithium-Ionen-Akku)
dienen. Dort wurden für einen
Vermutlich ist unter Einbezug des Lithium der Energieaufwand und CO2-Ausstoß der Produktion deutlich höher. Nach präzisen Zahlen dazu befragt, konnten oder wollten weder Pedelec-Hersteller Flyer, Pedelec-Promoter Extra-Energy, Akkupack-Hersteller BMZ, Ökoinstitut Freiburg, ISI Fraunhofer-Institut Karlsruhe noch das IER Stuttgart antworten.
Selbst die Autoindustrie, die sich in der Krise gerade an den Strohhalm
E-Auto und Hybridantrieb klammert, hat Zweifel an der Eignung des
Lithium-Akkus: Ein Sprecher des Prius-Herstellers Toyota verkündet:
»Die Langzeitstabilität ist noch nicht ausreichend erforscht und die
möglicherweise für immer geltenden limitierenden Kosten dieser Batterie
sowie nicht eindeutig abschätzbare Lithium-Ressourcen zeigen uns Grenzen
auf.«
Toyota setzt deshalb auf die bewährten aber schweren NiMH-Akkus. Schlechte Erfahrungen aus Zeiten, als Notebooks überwiegend mit diesem Energiespeicher bestückt waren, machen diese Lösung allerdings auch nicht wirklich attraktiv.
Sparsamkeit: Elektroantrieb versus Verbrennungsmotor
Nun gibt es aber durchaus Anwendungen, bei denen ein Hilfsantrieb am
Fahrrad wünschenswert ist, seien es Lastenräder, Fahrradrikschas,
Fahrzeuge für Behinderte.
Gäbe es hier Alternativen zum Lithium-Ionen-Akku?
Fahrrad-Hilfsmotoren mit Verbrennungsmotoren wie Saxonette oder Velosolex waren ineffizient, wartungsintensiv, laut und stinkend. Allerdings stehen sie für einen Entwicklungsstand von Motortechnik von vor hundert Jahren.
Was heute machbar ist, zeigen Energiespar-»Rennen« mit Versuchsfahrzeugen
wie der Shell Eco-Marathon. 2004 erreichte hier ein französisches Team mit
einem Fahrzeug, das einem Velomobil-Dreirad ähnlich sieht, eine Strecke
von
Bei Strom aus durchschnittlichem deutschen Kraftwerksmix lägen beide somit beim CO2-Ausstoß des Verbrauchs gleich auf – bei Einberechnung der Akkuherstellung wäre das E-Fahrzeug in jeder Hinsicht unterlegen. Würde man Erdgas, Flüssiggas oder gar Alkohol als Brennstoff für einen modernen Verbrennungs-Hilfsmotor nutzen, kann selbst bei Nutzung regenerativer Energien für den Strom das Elektrorad bei der CO2-Bilanz kaum mithalten.
Elektrorad-Apologeten gehen bisweilen so weit vorzurechnen, dass Elektro-Hilfsantriebe effizienter als der radfahrende Mensch und insbesondere die Nahrungsmittelproduktion für das nötige Mehr an Lebensmitteln seien. Das geht aber völlig an der Realität vorbei. Schließlich ist ein Großteil der europäischen Bevölkerung überernährt und hat zu wenig Bewegung. Mit dem Elektrorad zum Fitnesscenter zu fahren, statt mit dem Fahrrad zur Arbeit ist sicher kein Gewinn für die Umwelt. Zudem besteht mit der Umstellung der Ernährung auf überwiegend vegetarische Kost aus lokalem Landbau Potential, die Umweltbelastung der Nahrungsmittelproduktion erheblich zu reduzieren – unabhängig von der eigenen Mobilität.
Aber alle Antriebe – insbesondere wenn sie moderne Hochtechnologie nutzen – sind anfällig im rauhen Allwetter-Alltagsbetrieb. Ein kleiner Unfall
oder ein im Treppenhaus heruntergefallener Akkupack und der Schaden ist
groß. Das schöne am »normalen« Fahrrad ist gerade sein einfacher,
robuster, reparierbarer Aufbau. Ein Trekkingrad kann gut und gerne
Fazit
Die Werbebotschaft, Fahrräder mit Elektroantrieb könnten dank geringer CO2-Emissionen helfen, das Weltklima zu retten, ist falsch. Auch die Werbung mit niedrigen Verbrauchskosten ist verlogen. Lithium-Ionen-Akkus sind in der Produktion teuer und energieintensiv. Lithium ist eine begrenzte Ressource, die nicht verschwendet werden sollte. Wer CO2 im Verkehr sparen will, sollte in erster Linie das Fahrradfahren fördern und nicht Radfahrern Zusatzantriebe schmackhaft machen.
Literatur
- ExtraEnergy: Technische Daten aktueller Pedelecs. 2009
- Hanspeter Guggenbühl: Das große Rechnen. (Wer vom klassischen aufs elektrisch betriebene Velo umsteigt, braucht Strom und spart Nahrung.) In: Velojournal, 2009, Nr. 3. S. 7–8
- Christian Kamburow: E-Paper – Erste Abschätzung der Umweltauswirkungen. Eine ökobilanzielle Betrachtung am Beispiel des Nachrichtenmediums Zeitung. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung. Berlin, 2004
- Toyota: Lithium-Akku in Hybridfahrzeugen. 2009.
- Peter Trechow: Quer durch Europa mit 1 l Sprit. In: VDI-Nachrichten, 2009, Nr. 20. S. 4
Zum Autor
Andreas
Oehler (40) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim
Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau. Ehrenamtlich leitet
er den ADFC Fachausschuß Technik.