Ausgabe 39 · Dezember 2024
Inkompatible Schaltkomponenten mithilfe von Adaptern »mischen«
von Samuel Littig
Einleitung
Im Artikel Hydraulische Bremsschalthebel mit MTB-Komponenten verbinden wurde auf die Herausforderungen eingegangen, wenn man aus Nachhaltigkeits-, Kosten- oder auch funktionalen Gründen Schaltkomponenten mischen möchte, die nach Herstellerspezifikation eigentlich untereinander inkompatibel sind. Wir nehmen im Folgenden auf diesen Artikel Bezug und setzen dessen vorhergehende Lektüre und Begrifflichkeiten voraus.
In besagtem Artikel wurde die Herausforderung des konkreten Anwendungsfalls mithilfe einer alternativen Klemmung bewerkstelligt, die das Übersetzungsverhalten des Schaltwerks modifiziert. In diesem Artikel geht es um den alternativen Weg von Schaltwerksadaptern, welche die Seilwege mittels einer Umlenkrolle und eines adapterspezifischen Proportionalitätsfaktors (engl. »factor_adapter«) so ändern, dass beim Einsatz eines Adapters folgende modifizierte Schaltwerksformel
gilt.
Das Charmante an dieser erweiterten Schaltwerksformel ist, dass man den Übersetzungsfaktor beliebig umstellen, klammern und neu interpretieren kann. Schreiben wir das also z. B. zu
um und bleiben bei dem konkreten Fall des referenzierten Artikels mit einem 10fach-Shimano-MTB-Schaltwerk mit shift_ratio = 1,2 und einer 10fach-Kassette mit sprocket_pitch = 3,9 mm, so würde ein Schalthebel mit 3,2 mm cable_pull passen (was den 10fach-MTB-Schalthebeln entspricht). Unser 4700er-Tiagra-Bremsschalthebel hat ein cable_pull von 2,8 mm; zusammen mit einem Adapter mit
würde der Tiagra-Schalthebel dann also genau wie ein 10fach-MTB-Schalthebel fungieren.
Vermarktet werden diese Schaltwerksadapter zum Beispiel durch die Firma Wolf Tooth Components unter der Produktbezeichnung »Tanpan« und durch die Firma Jtek unter dem Produktnamen »Shiftmate«. Während es von den Tanpans nur zwei Varianten gibt (um MTB-Schaltwerke mit Rennrad-Schalthebeln 10fach bzw. 11fach anzusteuern, alles Shimano), gibt es von den Shiftmates eine sehr große Auswahl an Varianten für die wildesten Kombinationen alter und neuer Komponenten aus den unterschiedlichsten Fahrradgattungen und von allen gängigen Herstellern. Die Tanpans kosten um die 50 €, für die Shiftmates werden etwa 35 € fällig. Das mag im ersten Moment recht teuer erscheinen, man muss den Preis aber in Relation zur recht kleinen Auflage der Produkte und in Bezug zu der für die Funktion unabdingbaren hohen Fertigungsgüte sehen.
Funktionsweise und Theorie
Die Adapter führen das Schaltseil über eine reibungsarm gelagerte Rolle. Dabei unterscheidet sich der Radius r1 des einlaufenden Seiles von dem Radius r2 des herauslaufenden Seiles. Aus dem Verhältnis dieser beiden Radien ergibt sich dann der Übersetzungsfaktor des Adapters
Die Rolle lässt sich in der Regel wenden, sodass jeder Adapter in zwei verschiedenen Varianten einsetzbar ist, einmal mit Übersetzungsfaktor größer als 1 und einmal mit Übersetzungsfaktor kleiner als 1.
Nach dem gleichen Prinzip arbeiten übrigens auch Umlenkrollen, mit denen man normale V-Bremsen mit Rennbremshebeln oder Cantilever-Bremshebeln ansteuern kann.
Leider deklariert keiner der Hersteller explizit den Übersetzungsfaktor seiner Adapter, sondern es werden explizite Kompatibilitäten benannt, die mit diesen Adaptern gegeben sein sollen. Wenn man sich da aber nicht eins zu eins wiederfindet oder sehr exotische Kombinationen (z. B. selbst geritzelte Kassetten mit ungewöhnlichem Ritzelabstand) verwenden möchte, ist man orientierungslos. Da Jtek auch auf unsere Nachfrage hin nicht willens war, die Übersetzungsfaktoren zu benennen, haben wir selbst etwas gemessen und gerechnet.
Nachgemessen
Dem Autor lag ein Shiftmate 8A vor. Dieser erlaubt, 11fach-Shimano-MTB-Schaltwerke mit Rennrad-STI 11fach (oder Tiagra 10fach, wenn man eine 10fach-Kassette verwendet) anzusteuern. Damit ist dieser Adapter funktional mit dem 11fach-Tanpan identisch.
Die Rolle des Shiftmate 8A hat einen Außendurchmesser von 25 mm, der größere Ring einen Durchmesser von 21,8 mm, der innere von 16,0 mm. Im Rahmen der Messungenauigkeit wurde also ein Übersetzungfaktor von
bzw. (nach Wenden der Rolle)
errechnet. Im ersten Fall lässt sich der Fehler dieses Bestimmungsweges etwa mit 0,03 abschätzen, im zweiten Fall etwa mit 0,016. Doch grau ist alle Theorie, es ist nicht ganz einfach, die Maße der Rolle exakt zu bestimmen und es ist auch nicht so ganz klar, welchen Einfluss die Dicke des Schaltseils selbst hat. Daher haben wir das Übersetzungsverhältnis noch einmal experimentell bestimmt, indem wir den Jtek inline in den Schaltstrang eingebaut haben und analog zur Schaltwegsmessung im Artikel »Hydraulische Bremsschalthebel mit MTB-Komponenten verbinden« die Seilwege vor und nach dem Adapter bestimmt und den entsprechenden Faktor errechnet haben.
Man sieht gut, dass die Linearität in den extremsten Gängen nicht exakt gegeben scheint (dazu unten mehr), in mittleren Bereichen (zwischen Gang 2 und 7) errechnen wir aber einen Faktor von
für die Rolle groß:klein bzw. bei gewendeter Rolle klein:groß dann
was sich sehr gut mit dem obigen Bestimmungsweg über Vermessung der Rolle deckt.
Nachgerechnet
Für die uns nicht vorliegenden Adapter haben wir versucht, die Übersetzungsverhältnisse zurückzurechnen, indem wir die im Internet auffindbaren Werte zu Seilwegen, Ritzelabständen und Schaltwerksübersetzungen in die angegebenen Kompatibilitäten der nach factor_adapter umgestellten Schaltwerksformel
eingesetzt haben.
Dabei ergab sich folgendes Bild:
Shiftmate-Version |
Übersetzungen |
---|---|
Shiftmate 1 |
0,95 bzw. 1,05 |
Shiftmate 2 |
0,91 bzw. 1,09 |
Shiftmate 3 |
0,82 bzw. 1,21 |
Shiftmate 6 (baugleich Tanpan 10Speed) |
0,96 bzw. 1,05 |
Shiftmate 8 (baugleich Tanpan 11Speed) |
0,76 bzw. 1,31 |
Für die Shiftmates 4, 5, 7 und 9 führten unsere Berechnungen basierend auf den auffindbaren Daten zu recht stark variierenden Werten, sodass wir an dieser Stelle auf eine Angabe verzichten.
Kritik
Konstruktiv haben die Adapter ein paar kleinere Schwächen. Die Mitnahme der Rolle erfolgt allein durch die Reibung des um sie liegenden Zuges, rein konstruktiv läuft das auf Reibungsarmut hin optimierten Schaltzügen entgegen. Und obendrein tendieren Schaltzüge ja dazu, sich gerade auszurichten und gegen das Umwickeln um die Rolle »zu sträuben«. All dies macht insbesondere die Einstellung des Shiftmates in den Gängen mit niedriger Seilzugspannung manchmal zu einer Fummelarbeit. Zumal man sehr darauf aufpassen muss, an welcher Stelle der Übergang des Schaltseils vom großen auf den kleinen Radius erfolgt, die mitgelieferte Anleitung zu den Shiftmates weist darauf hin. Außerdem sieht man in Bild 4 gut, dass das System mit dem Adapter gern noch etwas Seilweg im Gangsprung vom kleinsten zum zweitkleinsten Ritzel (also vom größten zum zweitgrößten Gang) zusätzlich aufnimmt und so das lineare Verhalten etwas verfälscht wird. Ein Adapter-Setup muss sich erst setzen und musste in den benutzten Fällen immer noch mal nachjustiert werden. Im Großen und Ganzen hat der Autor das Setup an zwei verschiedenen Rädern aber gut hingekriegt und konnte so sowohl ein 10fach-MTB-Schaltwerk an 11fach-STIs als auch ein 9fach-MTB-Schaltwerk an RS-405-STIs zum Laufen bekommen.
Fazit
Die Schaltadapter von Jtek und Wolf Tooth ermöglichen es, Komponenten zu mischen, die von den Herstellern dafür nicht vorgesehen sind. Die korrekte Auswahl des Adapters ist dabei nicht immer ganz einfach und die Veröffentlichung der Übersetzungsverhältnisse durch die Hersteller könnte hier helfen. Für die Justage und eine eventuelle spätere Korrektur der Adapter sollte man sich Zeit nehmen. Aber der Aufwand kann sich im Einzelfall lohnen, wenn dadurch Geld gespart und vorhandene Ressourcen weiter genutzt werden können oder wenn so eine Funktionalität umsetzbar wird, die man anders nicht bekommen kann.
Quellen
- Maße von Schaltwegen, Übersetzungsverhältnissen, Ritzelabständen und Schaltwerksformel
- Herstellerangaben zur Kompatibilität der Jtek Shiftmates
- Kurzübersicht der Hauptanwendungszwecke der Jtek Shiftmates