Ausgabe 10 · Februar 2010
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Birdy Touring – faltbares Reiserad … oder Techno-Spielzeug für Besserverdienende?
Wieso? oder: Eine Einleitung
Das Birdy ist seit vielen Jahren auf dem Markt und wird von einigen Fahrern heiß geliebt und von anderen eher links liegen gelassen. Im Internet hat es eine große Fangemeinde. Und natürlich gibt es auch unzählige Berichte von Reisen, die mit dem Birdy gemacht wurden.
Nun gibt es vom Birdy auch ein Version, die sich stolz Touring nennt. Außerdem kann der geneigte Kunde neben so profanen Sachen wie Schutzblechen auch einen »Expeditionsgepäckträger« und sogar einen speziellen Lowrider zu seinem Faltkünstler hinzuwählen. Marketingmäßig zumindest scheint Riese und Müller (im Folgenden RM) mit dem Birdy auch im Reisesegment mitfischen zu wollen.
Ist das Birdy also auch ein Reiserad? Ein Faltrad, so möchte man denken, ist doch wohl eher ein Produkt für den Alltagsverkehr, zum Pendeln und dabei beladen mit nicht viel mehr als der Aktentasche oder dem Daypack. Diesen Ambitionen fühlt der Autor an Hand eigener Erfahrungen mit einem brandneuen Birdy Touring 2009 näher auf den Zahn.
Als Teststrecke diente eine kürzere Radreise (250 Kilometer), die mich von Lausanne über Genf und Annecy nach Grenoble führte. Die Strecke ist im ersten Teil bis Genf flach um dann v. a. auf dem Weg nach Annecy einige Steigungen zu überwinden. Mit dabei waren ca. 10–12 kg reduziertes Campinggepäck, welches aus 2 Ortlieb Frontrollern am Lowrider und 2 Rollen für Schlafsack, Zelt und Isomatte auf dem Gepäckträger bestand.
Hinzu kommen erste Alltagserfahrungen beim Einsatz im hügeligen Lausanne und beim Pendeln.
Wohin mit dem Gepäck?
Bevor es auf Reise geht, muss man sich erst einmal überlegen, wie das Campinggepäck auf der Maschine verstaut wird. Wie oben bereits erwähnt, habe ich für diese kurze Tour nur das absolute Minimum mitgenommen, ohne großartig Ersatzteile oder Lebensmittelvorräte einzuplanen. Auf »normalen Reisen« habe ich zwischen 18 und 23 kg dabei, verteilt auf 4 Packtaschen, einen großen Packsack hinten und eine Lenkertasche. Auch eine Trinkflasche muss mit. Im Auge behalten sollte man beim Birdy das niedrige maximal zulässige Gesamtgewicht von 120 kg. Schwergewichtige Birdy-Touristen dürften da rasch an Grenzen stoßen.
In oben beschriebener Ausstattung verfügt das Birdy Touring über einen Gepäckträger und einen Lowrider. Bei beiden gehört das Gepäck zu gefederten Masse, soweit so schön.
Die maximale Zuladung des Lowriders von 10 kg muss man schon ausnützen, will man mehr als die Hälfte des Gepäckgewichts nach vorne bringen. Er besteht aus einem minimalistischen Stückchen Aluminiumdraht, welches seine Funktion jedoch gut erfüllt. Lenk- und Federungseigenschaften bleiben auch beladen gut. Ortlieb Frontroller Classic lassen sich problemlos verwenden und sitzen sicher. Viel Platz haben die Haken (QL1) aber nicht (vgl. Bild 7). Bei sperrigen Befestigungsystemen anderer Hersteller ist ausprobieren angesagt. Aufpassen muss man auch bei dem unten am Ausfallende befestigten Alubügel, um sicherzustellen, das dieser nicht an der Hinterwand der Packtasche scheuert.
Backroller Classic lassen sich ebenfalls an den Lowrider montieren. Allerdings muss man dann die Haken z. B. mit einer Schlauchschelle am Abrutschen nach hinten hindern. Inwiefern dies in der Praxis sinnvoll ist, muss sich auch auf Grund der knapperen Bodenfreiheit erst noch zeigen. Ich habe die Hinterrad-Taschen nur testweise vorne angehängt.
Der Expeditionsgepäckträger verfügt über eine maximale Zuladung von 15 kg, wenngleich dies gefühlsmäßig dem Autor etwas gewagt erscheint. Auf der Ladefläche befindet sich ein verstellbarer Spanngummi, der bei der Befestigung von Reisegepäck jedoch nicht weiterhilft. Zwei große Gepäckrollen lassen sich (mit separaten Spannriemen) gut befestigen. Um zu verhindern, dass das Ganze zu wackelig wird, ist etwas Phantasie von Nöten. Ich habe »den Turm« auch zum Sattel hin abgespannt, um die Ladung »zu beruhigen«.
Backroller Classic passen erstmal nicht, da der Rohrdurchmesser mit 16 mm für die Standardhaken zu groß ist. Ortlieb bietet jedoch auch dafür passende Haken an. Die Fußfreiheit habe ich daher nur grob schätzen können, mit Schuhgrösse 43 dürfte es aber noch gerade klappen.
Lenkertasche: Eine Ultimate-5-Halterung von Ortlieb lässt sich fixieren, Modelle mit Haltebügel dürften dagegen kaum montierbar sein. Das Birdy ist allerdings eines der Räder, bei denen man nur sehr wenig Gewicht in die Lenkertasche packen sollte, um die Flatteranfälligkeit nicht unnötig zu erhöhen. Beim Falten mit Halterung erhöht sich natürlich das Packmaß.
Und die Trinkflasche? Wohin mit diesem Quell der Erfrischung auf langen, heißen Durststrecken? Der Autor ist zwar mitnichten der Meinung, dass ein »anständiges« Reiserad ein ganze Batterie Flaschenhalter braucht, aber eine Flasche griffbereit zu haben ist schon praktisch. Serienmäßig hat unser Falt-Touring-Bike da nix auf Lager. Bastler haben seitlich am Vorbau mit Flaschenhaltern experimentiert. Eine simple Lösung: Eine schnöde 0,5-Liter-PET-Flasche wird kopfüber senkrecht zwischen die Gepäckträgerstreben oder die Schwingenarme nahe des Dämpferwiderlagers geklemmt. Das hält und ist einigermaßen greifgünstig. Nur zum Falten muss man sie natürlich entfernen.
Fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn …
Wie fährt sich das Birdy denn nun?
Das Lenkverhalten ist angenehm agil, ohne dass die Maschine nervös ist. Um Poller oder Drängelgitter lässt sich spielend herumkurven. Ich merke dies immer, da ich für den Weg zur Arbeit oft mal das Birdy und mal mein Reiserad nehme und dabei eine Absperrung überwinden muss. Mit Reiserad komme ich mir da mittlerweile schon sehr plump vor. Auch mit beladenen Lowridern und leichtem Urlaubsgepäck bleibt das Lenkverhalten gut. Wunder sollte man aber nicht erwarten: Auf meinem Reiserad fahre ich sogar beladen freihändig, das klappt auf dem Birdy bereits ohne Packtaschen nicht.
Erfreulich ist außerdem, dass der Rahmen für einen 1,85 Meter großen Fahrer auch beladen ausreichend steif ist – das Brompton fand ich demgegenüber bereits ohne Gepäck etwas wackelig. Lange Strecken machen vom Fahrverhalten her Spaß, in dieser Hinsicht habe ich beim Birdy nichts vermisst. Als Bremsen sind vorne und hinten V-Brakes von Avid montiert. In Verbindung mit Zwei-Finger-Hebeln kommt man damit beladen auch in steilem Gelände gut zurecht.
Für viele ist die Vollfederung ein besonderes Highlight am Birdy. Ob diese auch an einem Faltrad ein Muss ist, bezweifelt der Autor. Off-Road-Einsatz wird von RM schließlich ausdrücklich verboten und ist sicher bei den meisten Birdys die absolute Ausnahme. Auf meiner Testfahrt ging’s auch mal ein kurzes Stückchen über einen holperigen und steilen Waldweg. Mit dem ungefederten Reiserad wäre das locker zu machen gewesen, mit dem Birdy war (auf Grund der kleinen Laufräder) der Spaß ziemlich schnell vorbei – Fully hin oder her.
Aber ansonsten gibt sich das Birdy beim Thema Federung keine Blöße: Die geschobene Schwinge der Gabel spricht sehr fein an und neigt beim Bremsen nur wenig zum Eintauchen und nicht zum Aufbäumen. Auch »hinten« beeinflussen sich Federung und Antrieb kaum, bravo! Beladen änderte sich das Ansprechverhalten nur wenig, insgesamt wurde die Federung ein Bisschen weicher – für mich ein angenehmer Nebeneffekt. RM bietet für vorne 2 und für hinten 3 unterschiedliche Federhärten an. Die Elastomere sind für ca. 12 € erhältlich und werkzeuglos austauschbar.
Ergonomie
Auf einem Reiserad muss man sich in erster Linie den ganzen Tag lang wohlfühlen – inwieweit erfüllt das Birdy Touring diese Kriterien? Inwieweit nicht?
Zur Lenk- und Sitzgeometrie habe ich mich bereits im vorherigen Abschnitt geäußert, sie ist auch auf längeren Strecken einwandfrei. Der Komfortvorbau stößt allerdings bei 1,85 Meter Körpergröße an seine Grenzen. Ich habe ihn in erster Linie gewählt, um die Maschine gemeinsam mit meiner 1,60 Meter großen Frau nutzen zu können. Und das funktioniert aufgrund der guten Höhenverstellbarkeit von Vorbau und Sattel auch ganz ordentlich.
Noch größere Fahrer sollten aber den Sportvorbau erwägen, den es (einmal ohne Aufpreis!) als Option wählbar gibt und der den Sitzabstand je nach Lenkerhöhe um bis zu 130 mm erhöht. Auch lässt sich die Sattelstütze um 180° drehen, was aber leider nicht nur den Sitzabstand, sondern auch das Packmaß um 20–30 mm verlängert. Dafür sind dann die Einstecktiefenmarkierungen auf der richtigen Seite …
Besonders wichtig sind auf längeren Stecken die Kontaktpunkte Mensch-Maschine. Was bietet da das Birdy im Einzelnen?
Der Sattel erwies sich als nicht so unbequem, wie erwartet, doch nach 40 km sehnte ich mich zurück auf meinen Brooks-Flyer. Fairerweise ist anzumerken, dass ich auch bei anderen Reiserädern nicht auf Anhieb glücklich geworden bin.
Wie beim Sattel so auch bei den Griffen
ist das Touring-Modell leider nicht speziell auf längere Strecken angepasst. Es kommen die gleichen Teile wie für die anderen Modelle zum Einsatz. Die ergonomisch anmutenden Griffe fixieren den Fahrer in genau einer Position, was auf längeren Strecken völlig unzureichend ist. Eine elegante Hörnchenlösung mit Schnellspanner zwecks besserer Faltbarkeit, wie sie Enthusiasten (z. B. unser Redaktionskollege Peter de Leuw) mühevoll selber hinzugebastelt haben, hätte ich da schon erwartet. Mit GrabOns und kurzen Hörnchen lassen sich größere Distanzen schon viel besser abspulen.
Ohne weitere Tricks (siehe oben) erhöht sich das Faltmaß dadurch jedoch ein wenig, sodass sich z. B. die Birdy-Rucksacktasche nicht mehr ganz schließen lässt.
Auch beim Pedal gibt’s nur ein Einheitsmodell. Bei Nässe ist es ziemlich rutschig. Für ein Touring-Modell wäre ein Möglichkeit, den Fuß zu fixieren, sinnvoll. Da sie das Faltmaß nicht beeinträchtigen, sind hier Powergrips oder Kombi-Systempedale eine gute Option.
Bei der Schaltung trifft man schließlich auf den wesentlichen Unterschied zwischen dem Touring und den anderen Modellen:
Da RM beim Birdy Standardklemmbreiten verwendet (100/135 mm), ist man in Bezug auf die Auswahl der Schaltung generell sehr viel weniger eingeschränkt als bei einigen anderen Falträdern. Von diversen Nabenschaltungen (inkl. Rohloff) bis hin zu verschiedenen Kettenschaltungen ist vieles montierbar – für mich ein wichtiges Kaufargument. Das Touring bietet hier die SRAM Dual-Drive, eine 8-fach Kettenschaltung kombiniert mit einer 3-fach Nabenschaltung. Dadurch verfügt die Maschine über einen erfreulich großen Übersetzungsumfang.
Leider nutzt RM diese Möglichkeiten nicht, um eine wirklich berg- und gepäcktaugliche Minimalübersetzung anzubieten. Vielmehr soll sich der Kunde an Steigungen mit einer Entfaltung von 1,73 m zufrieden geben, welche ihn bei einer Trittfrequenz von 90/min zu einer Geschwindigkeit von über 9 km/h zwingt. Was der Reiseradler mit 8,81 m Entfaltung für den schnellsten Gang anfangen soll, erschließt sich dem Autor erst recht nicht.
Ich habe daher den – vermeintlich – simpelsten Weg zur Anpassung genommen und einfach das Kettenblatt ausgetauscht und auch die Kette entsprechend gekürzt.
Diese Maßnahme verschiebt den Übersetzungsbereich hin zu kleineren Entfaltungen. Eine Minimalentfaltung von 1 m wird nicht erreicht, aber 1,30 m helfen am Berg schon weiter.
Faltbarkeit/Transport in ÖPNV
Beim Thema Faltbarkeit kommt es auf die Erwartungshaltung an. Das Falten an sich geht einem rasch in Fleisch und Blut über und lässt sich auch recht flott bewerkstelligen. Das Vorderradschutzblech und die Schwingenkante werden auf Dauer etwas abgescheuert, hier fehlen die sonst sehr sorgfältig verteilten »Protektoren«. Dies vor Allem, weil sich die Vorderradschwinge nur mit etwas »Nachhilfe« in Faltposition drehen lässt. Man kann an der Schwingen-Lagerung zwar das Spiel einstellen, zu sehr wollte ich diese jedoch auch nicht lockern.
Von den Faltmaßen war ich jedoch erstmal etwas enttäuscht: So klein wie ein Brompton ist das Birdy nicht. Auch trägt es sich im gefalteten Zustand nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte. Aber für kurze Strecken geht’s. Sehr geschickt ist das Schwenken der Träger gelöst; weder Lowrider noch Expeditionsgepäckträger erhöhen das Faltmaß!
Erfreulicherweise gibt es seit einigen Jahren am Expeditionsgepäckträger kleine Rollen, die es z. B. auf Bahnsteigen erlauben, das gefaltete Rad wie einen Rollkoffer zu ziehen. Das Birdy zieht man dabei »quer« und nicht »längs« (wie beim Brompton), im Mittelgang von Großraumwagen hilft das Feature also nicht weiter. Dafür ist die Maschine so kippstabiler. Wie gut sich das Rad ziehen lässt, hängt dabei auch von der Körpergröße und der jeweiligen Lenkerhöhe ab.
Mal was Konstruktives …
Im Detail wurde das Birdy über die Jahre wieder und wieder verbessert. Schwingen brachen, Gelenke wackelten und immer gab es etwas zu optimieren. Insgesamt hat man den Eindruck, ein bis ins Kleinste ausgeklügeltes Produkt in den Händen zu halten. Und doch gibt es einige Stellen, an denen man sich im Dienste der Haltbarkeit oder der Wartbarkeit eine andere Detaillösung gewünscht hätte.
Schaltseil
Reifengröße
Auch wenn das Reifenangebot heute besser ist als früher – hätte man nicht bei 305er oder 406er Laufrädern bleiben können statt eine neue Exotengröße einzuführen? Wo bitte finde ich unterwegs (»Touring«!) Reifen der Größe 37-355? Das Brompton ist da leider auch nicht besser (37-349).
Beleuchtung
Beim Birdy gibt’s ab Werk aus mir unerfindlichen Gründen nur Lösungen mit Batterierücklicht – wer seine Beleuchtungsanlage komplett per Dynamo betreiben möchte, muss die (etwas fummelige) Verlegung des Rücklichtkabels selber vornehmen.
Tuning?
Eigene Verbesserungen sind bei einer derart ausgeklügelten Konstruktion wie einem Faltrad nur mit Vorsicht zu genießen. Einiges, was einem im Kopf herumschwirrt, lässt sofort unangenehme Nebenwirkungen bei Faltbarkeit und Funktion befürchten.
Als Beispiel sei hier der oben beschriebene Austausch hin zu einem
kleineren Kettenblatt genannt, der zunächst unkritisch zu sein scheint:
Zuerst montierte ich das kleinere Kettenblatt in der gleichen Position wie
das Original, also »außen«. Als Kettenschutzscheibe nahm ich ein dünnes,
flexibles Modell, dass ich lediglich mit Kabelbindern befestigt hatte. Zum
Schutz der Hose hätte dieses Teil völlig ausgereicht. In der Praxis führte
das jedoch dazu, dass auf meiner Testreise andauernd die Kette absprang,
und zwar v.a. dann, wenn ich mit wenig Last hinten auf ein kleineres
Ritzel geschaltet habe. Also musste zum Austausch-Kettenblatt auch
mindestens (!) eine steife (!!) Kettenschutzscheibe geordert werden – in
exotischen Größen eine kostspielige Angelegenheit. Im Alltag mit häufigem
Falten sollte man innen (wie im Original) eine zweite Kettenschutzscheibe
montieren, denn einmal pro Woche fällt die Kette dann doch ab. Aber
Achtung: Das Schwingenlager lässt nicht viel Platz. Aufgrund des kurzen
Hinterbaus reagiert das Birdy übrigens sehr empfindlich auf Veränderungen
der Kettenlinie – auch von daher sollte man sich mehrmals überlegen, was
man tut. Leider lässt sich der Kettenhalter, der die Kette beim Falten am
Kettenrad hält, nicht weit genug nach unten verschieben – wieder ist
Nachbessern angesagt.
Weiteres Beispiel:
Als ich den roten Elastomer gegen einen weicheren gelben eintauschte,
stellte ich fest, dass das Hinterrad nun weiter einschwingt und bei der
neuen Kettenlinie die Kette jetzt im kleinsten Gang ganz leicht an
Schwinge schleift … usw. usf. – eine unendliche Geschichte.
Modell- und Preispolitik
Was bekommt man für sein Geld?
Erst mal ziemlich wenig – das Birdy »an sich« ist ein erschreckend nacktes Rad: weder Licht, Ständer noch Schutzbleche sind inklusive. Und dies bei einem Fahrzeug, das vom Konzept her KEIN Sportgerät ist, sondern normalerweise im Straßenverkehr zu Hause sein dürfte. Auf der Website soll der Käufer sich dann »sein« Birdy über einen »Online-Konfigurator« maßschneidern. Das funktioniert übrigens nur mit aktiviertem Java-Plugin, was ärgerlich ist. Die Seiten, die ich normalerweise ansteuere, lassen sich jedenfalls auch ohne Java, Javascript oder Flash benutzten (wie z. B. auch Fahrradzukunft.de).
Beim Brompton, meines Erachtens einer der schärfsten Konkurrenten, erhält man bereits für 999 € bzw. 1099 € (3- bzw. 6-Gang-Version RD) eine vollausgestattete und StVZO-konforme Maschine – Gepäckträger und Luftpumpe natürlich inklusive! Wer auf einen Gepäckträger verzichtet, ist schon ab 917 € alltagstauglich mit dabei. Ohne sich durch den Konfigurator hangeln zu müssen, fix und fertig als Modell LD3. Und das, obwohl das Brompton im Gegensatz zum Birdy inklusive Rahmen komplett in Großbritannien (und nicht in Fernost) produziert wird.
Bei RM muss man demgegenüber jede Kleinigkeit einzeln dazu ordern. Kein Werkzeug, keine Pumpe, nix ist standardmäßig dabei. Nur einen simplen Klettriemen zum Hosenschutz gibt’s dazu – angesichts des Preises etwas mager. Das hier getestete Rad lag dann auch ohne Beleuchtung bereits bei ca. 1.800 €. Komplett mit SON 100 XS und Diodenrücklicht sind dann nochmal ca. 300 € mehr zu investieren.
»Hals- und Beinbruch!« – Oder: Wer liest schon das Kleingedruckte?
In der Bedienungsanleitung wird der stolze Besitzer zu engmaschigen Inspektionen beim autorisierten (siehe unten) Fachhändler aufgefordert, um nicht seinen Garantieanspruch zu verlieren.
Zitat Bedienungsanleitung:
»Ansprechpartner für Reklamationen und Serviceleistungen ist ausschließlich der riese und müller-Fachhandel. Auf Anfrage teilen wir Ihnen gerne einen Händler in Ihrer Nähe mit.«
»Nun ja, ein verantwortungsvoller Hersteller also«, könnte man da noch entgegenhalten. Als ich aber las, dass ich »bitteschön« alle 3 Jahre (auf eigene Rechnung, versteht sich!) den Gabelschaft austauschen lassen müsse, war ich doch etwas sauer. Ein Faltrad ist doch kein Rennfahrzeug! Ich erwarte von Fahrrädern für die Alltagsnutzung, dass sicherheitsrelevante Teile so konstruiert sind, dass sie dauerfest sind. Punkt. Und wenn die Maschine dann halt 300 g schwerer wird.
Wenn der Hersteller einen solchen Austausch in der Wartungsanleitung vorschreibt, tut er dies aber sicher nicht nur, um seine Kunden vor Unheil zu bewahren. Vermutlich will er sich schlicht vor lästigen Produkthaftungsansprüchen von Birdy-Fahrern schützen, die meines Erachtens zu Recht davon ausgehen, dass die strukturellen Elemente ihres Rades auf Dauer sicher sind. Dies finde ich unverantwortlich.
Ins Bild passt da für mich auch, dass meine schriftliche Anfrage an RM, wo ich denn nun in Lausanne oder Umgebung einen zur Wartung autorisierten Händler finde, bis heute unbeantwortet blieb …
Das Birdy Touring im Alltag
In Lausanne benutze ich das Birdy täglich zum Pendeln. Morgens geht’s mit viel Speed runter zum Bahnhof, steile Straßen mit 15 % Gefälle sind da keine Seltenheit. Die V-Brakes haben mich auch bei Regen stets problemlos zum Stehen gebracht. Abends ist dagegen 200 Höhenmeter »klettern« angesagt. Ein Grund, warum für mich auch im Alltag die Schaltungsptionen ein wichtiger Vorteil des tourings sind.
Bei der Fahrt zur Arbeit ist es im Gegensatz zum Einsatz auf Reisen noch wichtiger, das Fahrer und Kleidung sauber bleiben. Die Kettenschutzscheibe trägt dazu etwas bei, Vorsicht ist da jedoch bei allen Falträdern angesagt. Die Finger bleiben beim Falten weitgehend sauber (Sattelstütze und Vorderrad sind da noch am Riskantesten, die Felge sollte man natürlich tunlichst meiden). Wenn da was »schief geht«, dann am ehesten beim Falten der Vorderradschwinge. Der Gummispanner auf dem Gepäckträger erweist sich als praktische Hilfe für Kleinigkeiten, die man »eben mal schnell« mitnehmen will. Wenn er nur nicht beim Falten oft runterfallen würde …
In den schweizer ICNs passt das Birdy Touring genau in den Kofferstellplatz, aber leider nicht zwischen die Rückenlehnen im Großraumwagen. Ein Ecke findet sich aber immer. Tipps, wie man das Birdy Touring in den fahrradfeindlichen ICEs am Besten unterbringt, finden sich auf birdy-freunde.de. Mit der gewählten Beleuchtungsoption bin ich sehr zufrieden, alles funktioniert zuverlässig ohne groß darüber nachzudenken. Auch beim Falten gibt’s damit keine Probleme.
Neben dem problemlosen Falten ist im Alltag auch der einfache Transport des gefalteten Rades wichtig. Das Birdy greift sich gut, beim Tragen macht sich aber die Breite des »Paketes« unangenehm bemerkbar. Inwiefern dies bei anderen Produkten besser gelöst ist, kann ich jedoch nicht sagen. Die Rolloption (siehe unten) ist jedenfalls eine willkommene Hilfe. Der Kauf des Birdy-Rucksacks sollte aber genau abgewägt werden – sooo leicht sind Falträder dann doch nicht. Schade ist dabei, da er mit Birdy drin nur als Umhängetasche und nicht mehr als Rucksack zu tragen ist.
Fazit
Birdy fahren ist ein Vergnügen – allerdings ein ziemlich teures. Wer in erster Linie ein Faltrad für Kurzstrecken mit gutem Preis-Leistungsverhältnis sucht, ist mit dem Brompton sicher besser bedient.
Dafür bietet das Birdy langstreckentaugliches Fahrverhalten bei guter Faltbarkeit. Auch die Kompatibilität zu fast allen marktgängigen Schaltsystemen ist ein großes Plus – da kommt gerade das Brompton nicht mit.
Zum vollwertigen Reiseradersatz wird es aber trotzdem nur mit viel gutem (u. a. Bastel-)Willen. Für ein echtes »Touring« sollte RM einen langstreckentauglicheren Lenker, System-Pedale (siehe oben) und eine bergtauglichere Übersetzung anbieten – und das bitte »inklusive« und nicht nur gegen einen saftigen Aufpreis!
And last not least: Keine Winkeladvocatentricks in der Bedienungsanleitung – sicherheitsrelevante Teile von Alltagsrädern haben gefälligst dauerfest zu sein!
Links
Zum Autor
Stefan Buballa, Arzt, Alltags- und Reiseradler, Selbstbau eines Reiserades und eines Alltags-Kurzliegers. Er ist fasziniert von der Schlichtheit und ökologischen Effizienz muskelkraftbetriebener Fahrzeuge. Besondere Interessen: Ergonomische und leistungsphysiologische Aspekte. Besondere Schwächen: Radreisen in Afrika und Nahost …