Ausgabe 10 · Februar 2010
Diesen Artikel als PDF
Radfahren in der Schwangerschaft: Eine Hebamme berichtet
Als die Wehen bei meinem dritten Kind losgingen, war ich gerade im Freibad. Mit dem Fahrrad natürlich. Ich saß auf einer Bank und beobachtete die anderen im Becken. Ich freute mich: es war ein Tag über den errechneten Geburtstermin, das Kind war groß genug, es durfte kommen. Ich bin dann noch eine Weile sitzen geblieben, habe weitere Wehen abgewartet, dann unsere Siebensachen zusammengepackt und bin mit den Kindern nach Hause gefahren. Auch auf dem Fahrrad bekam ich hin und wieder eine Wehe, noch nicht allzu stark – gut auszuhalten. Ich fühlte mich super, und fit genug für die Geburt.
Während der ganzen Schwangerschaft bin ich Fahrrad gefahren, was meiner Fitness, aber auch meinen Beinen mit den Venenproblemen und meinem Kreislauf ausgesprochen gut getan hat.
Als Hebamme freue ich mich immer wieder, wenn schwangere Frauen mit dem
Fahrrad zu mir zur Vorsorge oder in die Geburtsvorbereitung kommen.
Meistens sind es Frauen, die weniger unter Schwangerschaftsbeschwerden
leiden und häufig auch leichter gebären. Gesunde Schwangere, die aus Sorge
um ihr Kind, oder vielleicht auch, weil sie in falschen Ratgebern gelesen
haben, dass sie sich
Es sollte in der Schwangerschaft natürlich nicht darum gehen, Höchstleistungen zu erreichen oder für ein Rennen zu trainieren – am Berg kann frau auch mal absteigen und schieben, aber eine gemäßigte körperliche Anstrengung tut jeder gesunden Schwangeren gut.
Ich empfehle Schwangeren mit Kreislaufproblemen, Rad zu fahren (vorausgesetzt, sie sind auch vor der Schwangerschaft schon Fahrrad gefahren). Sie bewegen sich an der frischen Luft, durch die Bewegung der Beine werden die Venen aktiviert und Stauungen wird vorgebeugt. Das ist besonders für Frauen, die zu Varizen (Krampfadern) neigen, wichtig: Beim Treten ziehen sich die Muskeln zusammen und pumpen das Blut zum Herzen. Das Gefühl der »schweren Beine« lässt nach, weil die Venen entlastet sind.
Die Bewegung hat außerdem positive Auswirkungen auf die Cholesterinwerte – auch der Blutzuckerspiegel wird gesenkt und die Gefahr einer Schwangerschaftsdiabetes somit reduziert. Es kommt seltener zu Wassereinlagerungen und Wadenkrämpfen.
Für die Gelenke, die durch das zunehmende Körpergewicht mehr leisten müssen, ist Fahrradfahren (schwimmen auch) die ideale Bewegungsart.
»Ich habe mich beim Fahrradfahren immer so leicht gefühlt – ich bin sogar
die paar Meter zum Bäcker mit dem Rad gefahren«, erzählte mir kürzlich
eine Frau im Wochenbett, die in der Schwangerschaft fast
Für manche Frauen mit zunehmend größer werdendem Bauch ist es eventuell wichtig den Sattel und den Lenker etwas zu verändern, so dass sie eine aufrechtere Körperhaltung einnehmen können und die Blutzirkulation im Beckenbereich optimal funktioniert. Die Erfahrung zeigt aber, dass Frauen gut spüren, wenn’s irgendwo klemmt, und dass sie ihr Fahrrad dann passend einstellen.
Eine andere »meiner« Schwangeren berichtete, dass sie sich krank gefühlt hätte, wenn sie mit Beginn der Schwangerschaft nicht mehr hätte Fahrrad fahren können. Für sie gehört das Fahrradfahren zum Alltag, und nicht mehr zu fahren hieße, dass etwas nicht stimmt, nicht in Ordnung ist. Und dass Schwangerschaft keine Krankheit ist, ist hoffentlich allen bewusst …
Immer wieder werde ich von Schwangeren gefragt, ob die Stöße beim Fahrradfahren auf holperigen Straßen nicht gefährlich für ihr Baby sind. Ich denke, nein: wenn die Schwangere gesund ist und keine Frühgeburtsbestrebungen (vorzeitige Wehen) hat, kann man davon ausgehen, dass das Baby im Fruchtwasser gut geschützt ist, und ein paar Meter Kopfsteinpflaster oder ein unebener Waldweg nichts ausmachen. Aber wer fährt schon gerne länger Fahrrad auf Kopfsteinpflaster? Auch ich, im nichtschwangeren Zustand, schiebe da unter Umständen mein Fahrrad lieber mal ein Stück oder meide solche Strecken überhaupt.
Fazit
Ich finde, dass fahrradfahrende Schwangere häufig etwas Positives ausstrahlen: ein gutes Körperbewusstsein, eine positive Einstellung zu ihrer Schwangerschaft und eine Zuversicht, dass »schon alles gut gehen wird«. Die Zeit der »guten Hoffnung« steht ihnen sozusagen ins Gesicht geschrieben.
Zur Autorin
Andrea
Hadwiger, Jahrgang 1965 wohnt in Tübingen und arbeitet dort seit 1994
als freiberufliche Hebamme und Babymassage-Kursleiterin.