Ausgabe 17 · Februar 2014

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NuVinci und andere – Wirkungsgrad-Messungen an Nabenschaltungen – Teil 2

von Andreas Oehler

Einleitung

In Fahrradzukunft Ausgabe 16 habe ich den Aufbau eines Prüfstandes für Wirkungsgradmessungen an Fahrrad-Antrieben vorgestellt. Die dort angesprochene Problematik der schlecht ablesbaren, schwankenden Kraftmessungen wurde mittlerweile durch den Austausch des Wägekontrollers gegen ein Modell mit gleitender Mittelwertbildung gelöst. Diese Verbesserung zusammen mit der Beschränkung auf eine Tretlagerdrehzahl von ausschließlich 60 U/min sorgt für eine bessere Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse.

Von verschiedenen Lesern wurden weitere Messungen gewünscht – an einfacheren, fettgeschmierten Getriebenaben, aber speziell auch an der NuVinci N360. Das Funktionsprinzip der NuVinci-Nabe ist als System ohne Zahnräder ungewöhnlich. Stufenlose Getriebe gelten gemeinhin als verlustreich und bislang gibt es keinerlei veröffentlichte Wirkungsgradangaben. Diesem Missstand soll hiermit abgeholfen werden.

Bild 1: Laufrad mit NuVinci N360 im Prüfstand
Bild 2: Das Nabengehäuse der N360 ist schlicht zylindrisch gestaltet. Zwischen Ritzel und Ausfallende sieht man den Schaltbetätigungsring, an dem hier gerade keine Schaltzüge montiert sind.

Funktionsprinzip der NuVinci-Nabe

Die Firma Fallbrook aus San Diego, USA , arbeitet seit über 10 Jahren an der Idee eines stufenlosen Getriebes für das Fahrrad. Die Getriebenabe NuVinci N360 ist seit 2010 auf dem Markt. Das »360« im Namen weist auf ihr Übersetzungsverhältnis von 360 % hin. Der Aufbau unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Getriebenaben, aber auch von industrieüblichen stufenlosen Getrieben (siehe Bild 3). Ein etwa 10 cm großer Antriebsring, der mit dem Antriebsritzel verbunden ist, setzt sechs über den Umfang verteilte Edelstahlkugeln in Rotation. Nach innen stützen sich die Kugeln auf einen weiteren Ring ab. Auf der anderen Nabenseite befindet sich ein gleich großer Abtriebsring, der fest mit der Nabenhülse verbunden ist. Die Kugeln sind jeweils auf schwenkbaren Achsen gelagert. Der Schwenkwinkel kann dabei stufenlos verstellt werden (siehe Bild 4). Durch dieses Schwenken ändern sich die wirksamen Radien der Kugeln zum An- und Abtriebsring und damit die Übersetzung. Liegt die Kugel-Drehachse parallel zur Nabenachse, so ist die Übersetzung 1:1. Die kleinste Untersetzung beträgt 0,5:1, die größte Übersetzung 1:1,8.

Bild 3: Funktionsprinzip des stufenlosen Getriebes der N360
(Quelle: Fallbrook Technologies Inc.)
Bild 4: Änderung der Übersetzung durch Schwenken der Kugel-Achsen
(Quelle: Fallbrook Technologies Inc.)

Entscheidend für die verlust- und verschleißarme Funktion ist ein spezielles Transmissions-Fluid Dieses synthetische Öl schmiert einerseits alle bewegten Elemente der Nabe, verfestigt sich aber im Spalt zwischen Kugeln und Ringen, um dort ohne direkten Metallkontakt hohe Scherkräfte zu übertragen.

Im Gegensatz zu Planetengetriebenaben gibt es bei der NuVinci N360 einen gewissen Schlupf zwischen An- und Abtrieb. Für den Radfahrer ist das nicht wahrnehmbar. Auf dem Prüfstand stellt man aber fest, dass bei Erhöhung der Antriebsleistung von 50 auf 250 Watt bei unveränderter Kurbeldrehzahl die Fahrgeschwindigkeit um ca. 10 % sinkt. Dieser Schlupf ist natürlich mit Verlusten verbunden.

Verglichen mit modernen Vielgang-Getriebenaben ist die NuVinci eher einfach aufgebaut und hat vergleichsweise wenig bewegte Teile.

Erfahrungen mit der NuVinci N360 in der Praxis

Werner Kropf vom Fahrradladen »Transvelo« in Tübingen stellte mir dankenswerter Weise sein Alltagsrad mit NuVinci N360 für eine Woche zur Verfügung. Es handelt sich um ein Mountainbike mit üblicher 3-fach-Kurbel, Umwerfer und Kettenspanner. Da das Rad auch zum Ziehen eines Kinderanhängers in hügeligem Terrain genutzt wird, wurde die vom Hersteller für die Nabe vorgegebene minimale Primärübersetzung von 1,8:1 (also z. B. Kettenblatt mit 38 Zähnen und Ritzel mit 21 Zähnen) erheblich unterschritten. Das kleinste Kettenblatt hat hier 22 und das Ritzel 24 Zähne. Dies hatte im jahrelangen Alltagsbetrieb bislang keine Schäden zur Folge.

Vom Hersteller selbst werden Ritzel von 16 bis 22 Zähnen für die Nabe angeboten, die in ihrer relativ dicken Ausführung nur mit 7-fach Ketten sinnvoll zu nutzen sind. Allerdings ist die Aufnahme-Zahnung an der Nabe kompatibel zu HG-Kassetten, sodass man sehr leicht auch größere Ritzel aus ausgedienten Ritzel-Kassetten montieren kann.

Bild 5: HG-Ritzel und NuVinci-Ritzel
Bild 6: montiertes HG-Ritzel auf der NuVinci N360

Das Fahren mit der N360 macht Spaß. Die Nabe arbeitet vollkommen geräuschlos und die Betätigung der Schaltung geht im mittleren Übersetzungsbereich sehr leicht. Um zu den extremen Übersetzungen zu gelangen, muss man im Stillstand oder bei hoher Antriebsleistung etwas Kraft aufwenden.

Um das Hinterrad auszubauen, müssen die beiden Schaltzüge an der Nabe ausgehängt werden, was aber auch ohne Anleitung kein Problem darstellt. Wenn man allerdings (versehentlich oder weil man das Ritzel tauschen will) den Schaltbetätigungsring abzieht und später wieder montieren will, muss man genau auf dessen richtige Lage achten, da man sonst sehr leicht den nutzbaren Übersetzungsbereich einengt, ohne dies sofort zu bemerken.

Die Nabe ist wie Rohloff Speedhub und Shimano Alfine11 mit Öl gefüllt. Im Gegensatz zur Konkurrenz ist bei der NuVinci aber ein Ölwechsel durch den Nutzer oder eine Radwerkstatt nicht vorgesehen. Man liest von Fällen, wo auch an der NuVinci ungewollt etwas Öl austritt. Wenn dies ein gewisses Maß überschreitet, muss die Nabe zum Hersteller-Service.

Shimano Inter-8

Zum Vergleich wurden mit dem verbesserten Prüfstand erneut Rohloff Speedhub und Shimano Alfine11 vermessen. Die Speedhub stellt unzweifelhaft dank Wälzlagerung aller bewegter Teile, Ölschmierung, hochwertiger Dichtungen und verlustarmer (aber in manchen Gängen lauter) Geradverzahnung die effizienteste Nabenschaltung am Markt dar. Dicht darauf folgt die prinzipiell ähnliche, teilweise aber schrägverzahnte Alfine11. Erheblich preisgünstiger sind Nabenschaltungen mit klassischer Fettschmierung und gleitgelagerten Planetenradsätzen. Recht beliebt und weit verbreitet ist das einfachere Modell der Shimano 8-Gang-Nabe, die Inter-8.

Bild 7: Shimano Nexus Inter-8 im Prüfstand

Wir testeten die Ausführung SG-8R31, freundlicherweise ganz kurzfristig durch den Tübinger Spezialisten für moderne Hollandräder »Tretmühle« zur Verfügung gestellt. Die Nabe war nur wenige Dutzend Kilometer in einem langen, einspurigen Kinder/Lastenrad von bakfiets.nl gefahren worden. Die Probefahrt verlief unerwartet positiv. Über 40kg Leergewicht, dick gummierte Reifen, billiger Nabendynamo, sehr aufrechte Sitzposition – trotzdem hat man sofort ein Grinsen im Gesicht, denn das Fahrverhalten ist vollkommen unproblematisch und die Sitzposition sorgt dafür, dass man ganz selbstverständlich mit 15 bis 20 km/h in der Ebene zufrieden ist statt gegen den Wind zu kämpfen. Die Schaltung lässt sich leichtgängig betätigen und tut nahezu geräuschlos ihren Dienst. Jedem, der eine solche Nabe mal länger genutzt hat, bleibt nicht verborgen, dass der vierte Gang erheblich ineffizienter als der fünfte Gang funktioniert. Der Fünfte ist der direkte, bei dem kein Planetengetriebe zum Einsatz kommt. Schaltet man zurück auf den vierten Gang, so kann man zwar 16 % schneller treten, benötigt aber keine wirklich geringere Antriebskraft, denn hier sind mehrere Getriebestufen gleichzeitig im Eingriff.

Ergebnisse

Bild 8: Wirkungsgrad von Kettenantrieb und Schaltung im Vergleich. Breite Linien stehen für 200 Watt Antriebsleistung, dünne Linien für 50 Watt.

Gemessen wurde stets mit 60 U/min Tretlagerdrehzahl, relativ geringer Kettenspannung, einige 100 Laborkilometer eingefahrener originalgeschmierter Kette und dem selben 42-Zähne-Kettenblatt. Die Nabenschaltungen wurden ohne Kettenspanner betrieben. Die NuVinci-Nabe und die beiden Shimano-Nabenschaltungen waren mit 20-Zähne-Ritzeln versehen. Die Speedhub war mit dem gängigen 16-Zähne-Ritzel ausgerüstet. Als Singlespeed-Testfall ließen wir die Kette ohne Kettenspanner auf dem 21-Zähne-Ritzel einer 9-fach Kassette laufen. Im Кettenschaltungs-Testfall kam zusätzlich ein deutlich gebrauchter, aber mit sauberen Gleitlager-Röllchen versehener Sachs »Neos« Kettenspanner zum Einsatz, der sich nicht signifikant von heutigen Mittelklasse-Kettenspannern unterscheidet.

Bild 9: Testfall »Singlespeed«

Wie schon 2007 von der Stiftung Warentest gemutmaßt, liegt der Wirkungsgrad der NuVinci N360 bei mittleren Übersetzungen (nahe 1:1) bei passablen 84–86 %. Bei kleinsten und größten Übersetzungen sinkt der Wirkungsgrad auf 78–82 %. Bei niedriger Antriebsleistung ist der Wirkungsgrad somit nicht wesentlich schlechter als bei der Alfine11 oder den ungünstigen Gängen von fettgeschmierten Nabenschaltungen. Bei hoher Antriebsleistung steigt der Wirkungsgrad aber nicht so stark an. Für leistungsstarke Fahrer ist die NuVinci somit weniger gut geeignet. Der Tübinger Fahrradladen »Transvelo« berichtete von signifikant geringerer Reichweite von Pedelecs (bei denen ja selbst schwächere Menschen mit mehr als 200 Watt Antriebsleistung unterwegs sind) mit NuVinci-Nabe gegenüber Kettenschaltungen. Das können die Prüfstandmessungen nun bestätigen. Die mit geringer Handkraft stufenlos wählbare Übersetzung zusammen mit der geräuschlosen Funktion sorgt aber für das gutes Gefühl, immer den angenehmsten Gang nutzen zu können. Gut möglich, dass dies einen Teil der Wirkungsgrad-Nachteile wieder ausgleicht.

Bei der Shimano Inter-8 fallen insbesondere der fünfte und vierte Gang ins Auge. Der direkte fünfte Gang erreicht einen Wirkungsgrad auf dem Niveau von Speedhub und Kettenschaltung. Der vierte Gang hingegen ist 10 % ineffizienter. Das merkt man auch deutlich beim Fahren!

Der seit dem letzten Artikel verbesserte Prüfstand zeigt, dass die Alfine11 doch deutlich ineffizienter als die Rohloff Speedhub arbeitet. Sind es die Dichtungen oder die Schrägverzahnung, die hier Wirkungsgrad kosten? Bei der Speedhub überrascht, dass Gang Nr. 8 (reproduzierbar) noch etwas effizienter als der Direkt-Gang Nr. 11 arbeitet.

Der Singlespeed-Fall ohne Kettenspanner mit recht geradem Kettenverlauf erreicht 97 % Wirkungsgrad. Wesentlich dabei sind die Verluste der Kettengelenke bei Winkeländerungen unter Zug. Dieser Wert ist nahezu unabhängig von der Antriebsleistung.

Kommt ein etwas verschlissener Kettenspanner hinzu, so hat man (bei 60 U/min eines 42-Zähne-Kettenblatts) konstant 2–3 Watt höhere Verluste, was natürlich insbesondere bei niedriger Antriebsleistung zu Buche schlägt. Zu bedenken ist, dass Kettenschaltungen aber unterschiedlich hohe Wirkungsgrade in verschiedenen Gängen erzielen. Die hier gewählte Übersetzung von 42:21 bedeutet eine relativ gerade laufende Kette und recht große Kettenräder. Mit ausgeprägterem Kettenschräglauf und kleineren Zähnezahlen sinkt der Wirkungsgrad. Dies wurde hier aber nicht im Detail untersucht.

Andererseits stellt der Kettenspanner sicher, dass die Kette nicht zu stramm gespannt ist. Eine recht spielarm gespannte Kette bei Singlespeed oder Nabenschaltung, wie man sie zur Vermeidung von Klappergeräuschen in engem Kettenkasten durchaus montieren würde, macht sich mit drei bis vier Watt höheren Verlusten bemerkbar (nicht im Diagramm dargestellt).

Fazit

Während die Rohloff Speedhub (insbesondere ohne Kettenspanner und mit eher geringer Kettenspannung montiert) in allen Leistungsbereichen vergleichbar effizient wie eine Kettenschaltung arbeitet, zeigen preisgünstigere Nabenschaltungen doch deutlich höhere Verluste. Das ungewöhnliche Funktionsprinzip der NuVinci N360 kann in der Praxis zwar durch angenehm leichtgängige, stufenlose Wahl der Übersetzung und geräuschlosen Betrieb gefallen, insbesondere bei kräftigem Antritt ist die N360 aber erheblich verlustreicher als die Konkurrenz. Für sportliche Fahrer ist sie somit uninteressant.

Zum Autor

Andreas Oehler (42) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.