Ausgabe 16 · September 2013
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Wirkungsgrad-Messungen an Nabenschaltungen
Während Messungen an Nabendynamos und Scheinwerfern nahezu jährlich veröffentlicht werden, wurde der letzte größere Prüfstand-Test an Nabenschaltungen im Jahre 2001 veröffentlicht. Damals war die Rohloff Speedhub recht neu auf dem Markt und ihr Wirkungsgrad wurde intensiv diskutiert. Dann passierte einige Jahre nichts grundlegend Spannendes am Nabenschaltungs-Markt. Mittlerweile gibt es aber mit der Shimano Alfine11 ein Produkt, was dank Ölbad und recht großem Übersetzungsbereich eine Konkurrenz zur Speedhub darstellen könnte. Allerdings wird der Wirkungsgrad der Alfine 11 infolge der verwendeten Schrägverzahnung des Getriebes aber als vermutlich schlechter eingeschätzt. Nuvinci mit ihren stufenlosen Getrieben und Pinion mit dem 18-Gang-Stirnradgetriebe im Tretlagerbereich sind ebenso schwierig in ihrer Effizienz einzuschätzen. Es wäre deshalb reizvoll, mit schmalem Budget an Zeit und Geld einen Prüfstand zu realisieren, um vergleichende Wirkungsgrad-Messungen an Fahrradantrieben zu ermöglichen.
Hier soll nun ein neu aufgebauter Prüfstand vorgestellt werden samt ersten Messungen, Fehlerbetrachtung und Verbesserungsmöglichkeiten. Detaillierte Messergebnisse zu unterschiedlichsten Antriebslösungen sollen in den nächsten Ausgaben der Fahrradzukunft folgen.
Überlegungen zum Prüfstanddesign
Rahmenbedingung für den Bau war ein Budget von
Beliebige, gängige Naben bzw. Hinterräder sollten verbaut werden können.
Die Bremse muss feinfühlig, leise, gleichmäßig, dauerstandfest und leicht
regelbar mit 0 bis
Grundidee war der Antrieb am Tretlager mit Hilfe eines
Drehstrom-Winkelgetriebemotors, der direkt mit der Tretlagerwelle
verbunden ist. Solche Motoren sind als Antrieb von Rolltoren oder
Kettenantrieben in der Industrie weit verbreitet und gebraucht sehr
preisgünstig. Ein solcher Motor mit
Schwieriger war die Auswahl eines geeigneten Prinzips für die Bremse. Da
in erster Linie nur ausgeliehene Naben vermessen werden sollen, darf die
Nabe nicht beschädigt und auch kein aufwändiger Adapterbau notwendig
werden. Mechanische Felgen- oder Scheibenbremsen verschleißen bei
Dauerbremsung mit über
Zur Drehmoment-Messung war zunächst daran gedacht, sehr preisgünstig
erhältliche digitale Koffer-/Angler-/Hängewaagen zu verwenden. Allerdings
stellte sich heraus, dass diese stets mit verschiedenen Automatiken
versehen sind, die einen einmal gemessenen Maximalwert fix anzeigen oder
sich gar nach einer Minute ausschalten. Eine Mittelwertbildung bei leicht
schwankendem Messwert ist bei diesen Geräten nicht vorgesehen. Die Wahl
fiel deshalb auf robuste Wägezellen mit Dehnungsmessstreifen-Brücke und
Die Komponenten wurden nun an die Schwinge eines ausgemusterten Baumarkt-Fully montiert, Ein daran geschraubtes Aluminium-Rechteckrohr ermöglicht das Einspannen des Prüfstand in einen Schraubstock und die Befestigung der Wägezellen.





Leistungs-Messung
Die Antriebs- oder Bremsleistung berechnet sich als:
Mit F als mittels Wägezelle gemessener Kraft, l dem wirksamem Hebelarm zwischen Schwingendrehpunkt und Wägezelle sowie n der Drehzahl. Letztere ermittelt man sowohl am Tretlager wie auch am Laufrad simpel mit einem Fahrrad-Tachometer, der auf Zehntel km/h genau anzeigt. Verluste im Getriebemotor wie auch im Riemen und Generator schaden nicht, weil auch diese sich an der jeweiligen Schwinge abstützen. Allein die Luftverwirbelungsverluste der Speichen und Felge müssen mittels Vergleichsmessungen der uneingespeichten Nabe und der (ohne Zahnriemen, ungebremsten) Nabe im Laufrad einmal ermittelt werden.
Gemessen habe ich im wesentlichen bei 60 U/min Kurbeldrehzahl, im
Ausnahmefall auch bei 90 U/min. Vor jeder Mess-Session muss die
Wägezellen-Messkraft genullt werden. Ausgleichsgewichte an Auslegern an
den Schwingen helfen dabei. Gemessen habe ich i.A. bei 50, 100, 150 und
Messungen an Singlespeed, Kettenschaltung mit Schaltwerk, Speedhub, Alfine11
Als erster Versuch zum Test des Prüfstand wurden nur vier verschiedene Antriebssysteme verglichen. Stets kommt eine im Laborbetrieb eingefahrene Kette KMC Z9X-RB mit Original-Schmiermittel zum Einsatz. Der Singlespeed-Antrieb ohne Kettenspanner und weitere Verlustquellen liefert erwartungsgemäß den besten Wirkungsgrad. Der Wirkungsgrad steigt mit zunehmender Antriebsleistung, was sich mit leistungsunabhängigen Verlusten in der Kette, Tretlager und Nabe begründet.
Die Verluste mit montiertem Kettenspanner sind deutlich erhöht. Verwendet
wurde ein gebrauchtes (ca.
Die Speedhub war ein interessantes Referenzmuster, weil hierzu gute
Vergleichsdaten veröffentlicht sind. Die verwendete Nabe ist ca.
Die Shimano Alfine 11-Gang-Nabe ist ca.

Versuche mit variierter Kettenspannung
Wer schon mal ein Nabenschaltungslaufrad ohne Kettenspanner montiert hat weiß, dass
die Wahl der optimalen Kettenspannung nicht ganz trivial ist. Zu hohe Kettenspannung fühlt sich unangenehm an und bedeutet höhere Verluste, zu geringe Kettenspannung kann Klappergeräusche oder gar eine abspringende Kette bedeuten. Bei unrund laufendem Kettenblatt kann sogar beides bei gleicher Nabenposition auftreten.
Wieviel Verluste entstehen nun durch zu hohe Kettenspannung? Wir vermaßen die Alfine 11 zum einen mit relativ loser Kette und zum anderen mit von Hand kräftig gespannter Kette (mit Handkraft in den waagerechten Ausfallenden nach hinten geschoben, während die Achsmuttern angezogen wurden). Bei 60 U/min Kurbeldrehzahl konnten unabhängig von der Antriebsleistung um fünf bis sechs Watt erhöhte Verluste ermittelt werden.
Fehleranalyse
Die hier ermittelten Wirkungsgrad-Werte sollten mit Vorsicht betrachtet werden, da es doch eine große Zahl von Fehlerquellen bzw. Grund für Abweichungen zu älteren Veröffentlichungen zum Thema gibt. Zum einen unterliegen Fahrrad-Komponenten recht großen Toleranzen. Zum anderen sind die Prüfbedingungen nie 100% dokumentiert und vergleichbar: Kettenspannung, Verschleißzustand der Komponenten, Schmierstoffe der bewegten Teile, Radialkraft auf das Nabenlager, Verluste durch angeregte Schwingungen, etc. – das alles müsste noch auf seinen Einfluss untersucht werden. Es ist anzunehmen, dass die Messungen bei niedriger Antriebsleistung kritischer sind, da hier leistungsunabhängige Fehler größeren Einfluss haben. Dazu zählen die Verluste im Tretlager, die Verluste durch die Kettenbewegung ohne Last und Ungenauigkeiten bei der Korrekturfunktion für die Luftverwirbelungsverluste von Felge und Speichen.
Abschätzen kann man den maximalen Fehler verschiedener Aspekte des Messverfahren:
Hebelweg Drehmomentmessung | ±1 % |
---|---|
statische Meßwert Kraftmessung | ±0,5 % |
Mittelwertbildung bei schwankendem Kraft-Messwert | ±3 % |
Drehzahl Hinterrad | ±1 % (bei |
Drehzahl Tretlager | ±2% (bei 60 U/min) |
Da der Hebelweg nicht verändert wird, entsteht kein Fehler beim Vergleichen unterschiedlicher Antriebe auf genau diesem Prüfstand. Da sich das Drehmoment bei kleinen Drehzahländerungen kaum messbar ändert und die Übersetzung bei den hier betrachteten Antrieben jeweils bekannt ist und konstant bleibt, spielt der Ablesefehler der Drehzahl keine nennenswerte Rolle.
In der Praxis zeigte sich die Mittelwertbildung bei schwankendem Kraft-Messwert als problematischste Fehlerquelle. Ein Wägekontroller mit einstellbarer gleitender Mittelwertbildung sowie Minimierung von Unwucht aller bewegter Bauteile verspricht hier Besserung. Für zukünftige Messungen sollte an dieser Stelle weiter optimiert werden.
Fazit
Mit einem Budget von
Die Rohloff Speedhub ohne Kettenspanner erreicht bei höherer Antriebsleistung ähnliche Effizienz wie eine Kettenschaltung mit leicht verschlissenem Schaltwerk. Shimanos Alfine11 liegt im Wirkungsgrad nur unwesentlich schlechter als die Rohloff Speedhub.
Literatur
- Kyle Chester, Frank Berto: The mechanical efficiency of bicycle derailleur and hub-gear transmissions. In: Human Power, Bd. 52, 2001
- Bernhard Rohloff, Peter Greb: Efficiency Measurements of Bicycle Transmissions a neverending Story? In: Human Power, Bd. 55, 2003
- Josef Keller: Der Wirkungsgrad im Fahrradantrieb. In: Pro Velo, Bd. 5, 1987
Zum Autor
Andreas
Oehler (42) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim
Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.