Ausgabe 16 · September 2013

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Königsklasse der Nabenschaltungen

Darf’s ein bisschen mehr sein?

von Dipl.-Ing. Norbert Haas

Ein Erfahrungsbericht, geschrieben im Juni 2013, mit persönlicher Einschätzung zu Nabenschaltungen der Königsklasse im direkten Vergleich:

  • NuVinci N360 (Fallbrook Technologies)
  • Shimano Alfine 11
  • Rohloff Speedhub 500/14

Mein erstes, neu gekauftes Radl war ein 26 Zoll Victoria mit Torpedo-Dreigang-Nabenschaltung, wahrscheinlich das Modell 515. Es hatte den roten Klickschalter mit der Leerlauf-Einstellungsmarke und Rücktrittbremse. Mit 186 % Gesamtübersetzung und 2 × 36 % Gangsprung ließ sich auf mittleren Touren schon der eine oder andere Hügel bezwingen. Als dann in den 1980ern die ersten Мountainbikes auftauchten, gab es wieder ein neues Radl: das erste Alurad von Kettler, mit 18-Gang Shimano SIS Kettenschaltung, damals 1200 DM. Den Rahmen habe ich noch heute, allerdings musste die Kettenschaltung im Laufe der Zeit dem Fortschritt weichen, es kam eine 9-Gang i-Motion von SRAM rein. 340 % Gesamtübersetzung und 14 bis 17 % Gangsprünge – als Rücktrittversion allerdings ziemlich gewichtig. Der Anschluss an die Oberklasse war geschafft. Heute läuft eine Alfine 11 von Shimano zu Testzwecken darin.

Den Einstieg in die Königsklasse hatte ich allerdings schon 2004 mit meinem Mountainbike geschafft, einem Fully mit der Rohloff Speedhub 14-Gang Nabenschaltung. Im letzten Jahr kam noch die stufenlos schaltbare NuVinci Getriebenabe N360 in die Testflotte. Der musste meine 2. Rohloff vorübergehend im KTM-ATB weichen.

Bild 1: Bavaria mit Shimano Alfine 11 und 3-fach Kettenblatt, KTM mit Rohloff Speedhub (alternativ war NuVinci 360 eingebaut) und 2-fach Kettenblatt

Mit allen drei Fabrikaten habe ich etliche hundert bis einige tausend Kilometer abgespult und bin manchen Schweißtropfen und Fluch losgeworden. Meinen Standard-Trail, den ich zuerst mit meinen Rohloff-MTB und -ATB entwickelt habe, bin ich mit allen drei Fabrikaten, mit dem einen oder anderen auch mal schiebend, gefahren.

Natürlich hat sich die Frage nach meinem Lieblingsgetriebe gestellt und nach der Sinnhaftigkeit der Anzahl der Gänge. Deshalb die Überlegung:
Darf’s ein bisschen mehr sein?

Um sich an die Beantwortung heranzuarbeiten, ein kurzer Ausflug in die Grundlagen des Radfahrens in Zusammenhang mit dem menschlichen Körper, der Ergonomie, der Physiologie, der Physik.

Ziel einer effizienten Fahrweise wird es sein, den Antrieb Mensch, wie auch einen Verbrennungsmotor, in seinem optimalen Leistungs- bzw. Drehzahlbereich laufen zu lassen. Früher ist man beim Radfahren von einer optimalen Trittfrequenz von ca. 60 Kurbelumdrehungen je Minute ausgegangen, um den menschlichen Körper mit seinen Muskeln und Gelenken möglichst effizient einzusetzen. Heute ist man der Auffassung, dass eine höhere Frequenz von 80 bis 90 U/min günstiger für Ausdauer und effizienten Energieumsatz ist. Spitzensportler fahren mit Trittfrequenzen von über 100 U/min. Für einen sportlichen Normalfahrer wird eine Trittfrequenz von 70–80 machbar sein. Ich finde schnelles Kurbeln aber schon anstrengend, da zwar die Kraft geringer ist, was die Gelenke schont, aber der Nährstoff- und Sauerstoffbedarf der Muskeln erhöht ist – und das muss erst einmal im Blutkreislauf und durch das Herz ermöglicht werden.

Ein weiterer Aspekt, der beim effizienten Radfahren eine Rolle spielt, sind die Gangsprünge zwischen den einzelnen Schaltstufen. Meine geliebte 2-Gang-Duomatik hat einen Gangsprung von 100 % auf 136 %, also 36 % – wie auch die alte Torpedo 3-Gang-Nabe. Das macht in der eher flachen Stadt Spaß und ist vertretbar, auch weil es nur 2 Gänge sind. Bei mehr Gängen wären so große Sprünge eine absolute Schinderei, denn bei einer angenommenen Trittfrequenz von 80 U/min fällt diese bei gleichbleibender Geschwindigkeit während des Heraufschaltens auf ca. 60 U/min ab. Die Trittfrequenz gerät damit in den physiologisch ungünstigeren Bereich.

Bild 2: Zwei meiner Spaßräder: 70er Jahre Klappis mit DUOMATIC

In der Literatur finden sich die Angaben, dass Gangsprünge von 14–17 %, gelegentlich auch von 11 % als angenehm empfundenen werden. Sprünge von unter 10 %, die sich oft bei Kettenschaltungen durch die Überschneidungen der Blatt-Ritzel-Kombinationen ergeben, sind kaum als Geschwindigkeitszuwachs oder, beim Herunterschalten, Zuwachs der Steigungsfähigkeit spürbar.

Tabelle 1: Gangsprünge
Quelle: Hersteller (Inter 4: nach Sheldon Brown)
Hinweis der Redaktion: Die ursprüngliche Tabelle enthielt Fehler. Sie wurde auf Wunsch des Autors einen Tag nach Erscheinen der Ausgabe 16 durch diese Tabelle ersetzt

Schaltungen mit hoher Gangzahl bieten bei gut ausgelegten Gangsprüngen über ein breites Geschwindigkeitsspektrum die Möglichkeit, sich leistungsmäßig im physiologisch günstigen Bereich zu bewegen. Das gilt sowohl für jene Radler, die sportlich unterwegs sind, aber auch für jene, die einfach nur ihre vorhandenen Ressourcen optimal einsetzen wollen, z. B. auch bei gesundheitlichen Problemen, sei es mit Knie oder Herz. ABER, und das ist ganz wichtig, die Gänge müssen dann auch (fleißig) geschaltet werden.

Tabelle 2: Entfaltung bei einem Radumfang von 2,20 m, einem 38-Zähne-Kettenblatt und einem 20-Zähne-Ritzel. Für eine Trittfrequenz von ca. 85 U/min lässt sich durch Multiplikation mit fünf die Geschwindigkeit in km/h errechnen.
Hinweis der Redaktion: Die ursprüngliche Tabelle enthielt Fehler. Sie wurde auf Wunsch des Autors einen Tag nach Erscheinen der Ausgabe 16 durch diese Tabelle ersetzt

So habe ich die drei Kandidaten hinsichtlich technischer Details, die den allgemeinen Gebrauch, den effizienten Einsatz und den Spaß am Fahren beeinflussen, in Erfahrung gebracht.

Detaillierte Bewertungen

Tabelle 3: Umfangreicher Vergleich der drei Naben Alfine 11, NuVinci und Rohloff
Alfine 11 NuVinci Rohloff
  • Runterschalten:
  • Hochschalten:
  • Bewertungsskala: –– – o + ++
  • Keine Bewertung: /
Schalter
Aufbau/Funktion

Triggerschalter mit 2 Hebeln

Drücken mit Daumen:
jeweils 1-fach, max. 2-fach

Drücken mit Daumen oder ziehen mit Zeigefinger:
jeweils 1-fach, max. 2-fach

1-zügig

Drehschalter

Drehen nach hinten

Beim Fahren: komplette Gesamtübersetzung in einem Dreh (ca. 270°) möglich – 2× Umgreifen

Im Stand: nur ca. 50 % der Gesamtübersetzung schaltbar

2-zügig

Drehschalter

Drehen nach vorne

Beim Fahren und im Stand: komplette Gesamtübersetzung in einem Dreh (ca. 270°) möglich – 2× Umgreifen

2-zügig

Indizierung

+

Dauerhaltbarkeit ungeklärt

/

entfällt, da stufenlos

/

entfällt, da in der Nabe

Komfort

+

Schaltunterstützung in der Nabe

+

Schaltwiderstand einstellbar

+

Schalter leichtgängig, jedoch Schaltwiderstand durch Indizierung in Nabe

Kraft

+

geringe Schaltkraft durch Vorspannung in Nabe

mit einem Finger zu betätigen

o

geringe bis mittlere Schaltkraft gegen Vorspannung in Nabe

mit einem Finger zu betätigen

+

geringe Schaltkraft

Drehbewegung mit ganzer Hand möglich

Schaltwiderstand einstellbar

o

geringe bis mittlere Schaltkraft

Drehbewegung mit ganzer Hand möglich

Geräusch

o

Klackergeräusch

Vibration im Schaltzug

+

Klickgeräusch

+

geräuschlos

/

entfällt, da Indizierung in der Nabe: dort deutlich hörbar

Ergonomie

+ 1fach

Drücken mit Daumen

o 2fach

Drücken mit Daumen

Hand-
gelenk muss geknickt werden

+ 1fach/2fach

Daumen/
Zeigefinger

+

Drehbewegung

bis 1/3 des Schaltumfangs

+

Drehbewegung

bis 1/3 des Schaltumfangs

Durchschalten
mit 100 % des Schaltumfangs

mind. 5× auslösen

o

2× umgreifen

o

2× umgreifen

Handschuheignung

o

+

+

Haptik

+

Kunststoff

z.T. konkave Hebelmulden

rutscharme Beschichtung

+

Gummi rund

+

Gummi

Dreiecksquerschnitt gewöhnungsbedürftig

neue Ausführung(2012) ist rund

Anzeige

+

aber nur 1 6 11

+

variierendes Steigungssymbol

o

1 2 3 … 14 schwer lesbar

+

bei neuem Schalter 2012 gut zu lesen und haltbarer

Funktionalität

o

Hebel: max. zwei Gänge auf einmal

Hebel 1: nur drücken

Hebel 2: drücken und ziehen

+

Durchschalten 100 % des Schaltumfangs (Nabe bewegt)

+

Durchschalten 100 % des Schaltumfangs

Einstellen/Justieren

+

2 gelbe Marken am Schaltelement

1 Einstellschraube am Schalter

Justieren im 6. Gang

o

2 Züge: loses Kabel muss in schmaler Bandbreite eingestellt werden

2 Einstell-
schrauben am Schalter

+

Schalt-
widerstand kann eingestellt werden

+

Nabenseitiges Spiel muss in mittlerer Bandbreite eingestellt werden

Einstellelemente

o

1 Einstellschraube am Schalter

o

2 Einstellschrauben am Schalter

+

2 Einstellschrauben am Seilzuggegenhalter

Anbau

+

am Lenkerende aufschieben mit Schraube, klemmen, Griffbreite bleibt erhalten

+

am Lenkerende aufschieben, mit Schraube klemmen

Drehgriffbreite muss beim Griffgummi abgeschnitten werden: Nachteil bei ergonomischen Griffen

+

am Lenkerende aufschieben, mit Schraube klemmen

Drehgriffbreite muss beim Griffgummi abgeschnitten werden: Nachteil bei ergonomischen Griffen

Optimal Positionieren

o

Position der Schalter muss erprobt werden wegen der langen Schaltwege beim 2fach-Schalten

+

Ganganzeige im Gesichtsfeld positionieren

+

Ganganzeige optimal im Blickfeld positionieren

Schaltelement (Verknüpfungselement zwischen den Schaltzügen und dem Schaltmechanismus in der Nabe)
Montage

+

einfach

––

sehr aufwändig

/

entfällt, da in Nabe integriert – nur bei Austausch der nabenseitigen Schaltseile entsteht Montageaufwand.
Alternativ: externe Schaltbox mit mittlerem Montageaufwand.

Nabe
Schalten-Rückmeldung
Nabe-Kettentrieb

+ bis o

gering bis spürbar

++

gut, sehr gering

konstruktionsbedingt harmonische Übergänge

+ bis o

gering bis spürbar

Schaltgeräusch

+

gering, aber Geräusch im Schalter

++

lautlos

deutlich hörbar

Laufgeräusch

+

nahezu lautlos, auch bei ruhenden Pedalen (durch den Rollen-Freilauf) – kann nachteilig sein, da man (z. B. beim Überholen ) nicht gehört wird

Klackern beim Rückwärtsschieben

+

konstruktionsbedingt nahezu lautlos – kann nachteilig sein, da man (z. B. beim Überholen ) nicht gehört wird

bei ruhenden Pedalen Freilaufklickern

+ bis -

kaum bis deutlich hörbar

Lautstärke hängt vom gewählten Gang und von der Rahmenkonstruktion als Resonanzkörper ab

Öl dämpft.

bei ruhenden Pedalen Freilaufklickern

Schalten im Stand

+

o

nur 50 % des Schaltumfangs

+

Schalten unter Last

+ bis o

++

o bis –

Schalten bei verminderter Last, bzw. mit Schaltentlastung oder OT/UT-Schalten

+

++

+

Schaltcharakteristik
Schaltreaktion

o

verzögert bis gering verzögert

+

direkt

+

direkt

Denkfreies
Komfortschalten
max. 100 Pkt.

85

90

80

Fun: Ampelsprint

++

++

++

Hinterradausbau/einbau
Vorgehen

o

Schaltzug entspannen (11 Gang)

Schaltelement»hebel« gegen Vorspannung verdrehen (rechts herum)

Mitnehmer aus der Schaltelementaufnahme heraus kippen

Schaltseil aus Führung nehmen

Drehmomentstütze als »Beilagscheibe«

Einbau analog

––

Schaltelement in gut zugängliche Position drehen

Feder des Übersetzungsschnappers (ÜS) nach links kippen

ÜS mit Schaltzug 1 aus Interface heraus kippen

Schaltzug 2 mit Nippel aus Schaltelement heraus kippen

Leichte Verbesserung in Modell 2012

Drehmomentstütze als »Beilagscheibe«

Einbau analog

+

die beiden Schaltzüge über die beiden Bajonettverschlüsse trennen

bei externer Schaltansteuerung mittels Rändelschraube Schaltbox lösen (14. Gang)

Drehmomentstütze von Gegenhalterung lösen/herausziehen

Drehmomentstütze als Hebel an der Nabe

Einbau analog

Festziehen der Achse / Drehmoment-
abstützung

o

Festziehmoment muss stimmen, da keine spezielle Drehmomentstütze.

Hebel des No-Turn Washers sehr gering.

Achse kann sich schlimmstenfalls durch hohes Tret-Drehmoment aus dem Ausfallende herauswinden

o

Festziehmoment muss stimmen, da keine spezielle Drehmomentstütze.

Hebel der Nasenscheibe sehr gering.

Achse kann sich schlimmstenfalls durch hohes Tret-Drehmoment aus dem Ausfallende herauswinden

+

Schnellspanner (alternativ Achse mit Muttern) darf nicht zu fest angezogen werden (Gefahr einer Nabenverspannung mit Schaltfehlern)

Zusätzlicher Aufwand für Befestigung/Einhängen der speziellen Drehmomentstütze

Wartung und Pflege
Handbuch

nicht vorhanden

+

++

Service

/

keine Aussage

brauchbare Information von Paul Lange

/

keine Aussage

brauchbare Information von Fallbrook

Englischsprachiges Forum

++

sehr gute Informationspolitik

Wartungsintervall

+

alle 5.000 km oder 2 Jahre

o

Wegen der möglichen Ölverluste ist eine jährliche Ölkontrolle empfehlenswert

++

Nabe lebenslang wartungsfrei

Freilaufmechanismus kann gewartet werden

o

einmal pro Jahr

Wartungskosten

o

Ölwechsel-Kosten ca. 10–15 €

++

o

Ölwechsel-Kosten ca. 10–15 €

Performance
Laufleistung

/

noch nichts Verlässliches bekannt, einmal von 15.000 km gelesen

/

noch nichts bekannt

++

es gibt Naben, die die 100.000-km-Marke bereits geknackt haben

Aufgetretene Probleme
Schalten

-

wiederholt Leertritte (1/16 bis 1/8 Kurbelumdrehung) unmittelbar beim Schalten aber auch erst nach vielen Metern
Noch keine Lösung gefunden. Evtl. abhängig von Ölkonsistenz/niveau
Update August 2013 – Das Rohloff-Experiment:
Nach ca. 3.000 km Fahrt mit dem dünnflüssigeren Rohloff-Ganzjahresöl (Spülung mit Rohloff-Spülöl) und bewusstem Schalten mit Entlastung, d. h. maximal mittlere Last, scheinen sich die Schaltfehler auf fast Null reduziert zu haben. Liegt es am Öl oder/und am Schalten? Keine Haftungsübernahme bei Fremdölverwendung!

o

gelegentlich Schaltfehler
(Handbuch macht Schaltvorgaben: beim Schalten entlasten)

Rahmen

––

(Rahmenproblematik)
Achse aus Ausfallende herausgedreht
(Befestigungsdrehmoment war nicht ausreichend, bzw. Länge der Achsaufnahme für Nasenscheibe zu kurz)
Abhilfe: zusätzliche Sicherungslasche

––

(Rahmenfehler)
Drehmomentaufnahme am KTM-Rahmen gebrochen (Rahmenfehler)

Dichtigkeit

––

Ölverlust: Ritzel verölt, Mitnehmer der Schalteinheit verölt, Öl auf Felge

o

Ölschwitzen möglich

Technische Daten

Tabelle 4: Technische Daten von Alfine 11, NuVinci und Rohloff
Alfine 11 NuVinci Rohloff
Gesamt-
übersetzung

409 %

360 %

526 %

Gangzahl

11

stufenlos

14

Gangsprünge

1. zu 2. Gang: 29 %

restliche: 13–14 %

13,6 %

direkter Gang

Ohne

11.

verfügbare Ritzel

Nexus: 16, 18, 19, 20, 21, 22, 23

Alfine: 18, 20

16 bis 22

13

Wenderitzel: 15, 16, 17

minimale Kettenübersetzung

1,9 »empfohlen«

1,8

2,4 »zulässig«

Gewicht komplett: Nabe bis Schalter, mit Zügen, ohne Bremsscheibe

ca. 2.100 g

ca. 2.950 g

ca. 2.100 g

Achsbefestigung

Gewindeachse

Gewindeachse

Schnellspanner oder Gewindeachse

Speichenlochzahl

32 & 36

36

32 & 36

Sonderausstattung: xfach Kettenblatt
möglich mit Kettenspanner

3

2

2

Sonderausstattung: Kettenspanner

Ja

Ja

Ja

Besonderheiten

läuft im Ölbad

»Shifting Power Modulator«

»Gear Change Support«

»Torque Limiter«

ein Planetengetriebeset schrägverzahnt

Stufenlosgetriebe

läuft im Ölbad

für Tandembetrieb und MTB-Einsatz zugelassen:
hohes zulässiges Eingangsdrehmoment

Getriebeschutz vor Überlastung durch Kunststoff –Kuppelbolzen, die bei unzulässigem Drehmoment abscheren.

lt. Hersteller ist Betriebssicherheit auch bei geringem Ölstand gewährleistet

Fazit

Meine persönliche Einschätzung mit meinem sehr breiten Anforderungsprofil, vor allem in Richtung Steigungen, ist nun die: Mein Favorit ist die Rohloff Speedhub: Beste technische Daten, zuverlässig, ganz selten gibt es mal einen Schaltfehler, mit hohem Vertrauenspotenzial in die Technik (Tandemzulassung) und einem hervorragenden Service. Sie ist nicht perfekt, aber sehr gut und preiswert.

Allerdings macht auch die Alfine 11 Spaß, schaltet sich gut, ist in der Gesamtbersetzung nicht für alle meine Zwecke brauchbar, könnte jedoch mit einem Dreifach-Kettenblatt aufgebohrt werden, was dann aber die Grenzen der empfohlenen Kettenübersetzung sprengen kann. Durch die schwächere Dimensionierung der Bauteile im Vergleich zur Speedhub wage ich es allerdings nicht, so bedenkenlos reinzutreten.

Den Normalfahrer muss das nicht belasten, allerdings gibt Shimano weder Daten zum zulässigen Eingangsdrehmoment preis, noch gibt es eine Zulassung für den Tandembetrieb. Dass sie sich nur in Zweierschritten durchschalten lässt, ist vor allem im innerstädtischen Stop- und Go-Verkehr unpraktisch. Eines fehlt meiner Alfine 11, bzw. gleich beiden: Das Vertrauenspotenzial in die Qualität des Produktes. Immer wieder einmal passiert es, dass es unvermittelt einen kleinen Leertritt gibt, als ob der Gang erst nachträglich richtig reinspringt. Das ist ein Phänomen, das ich nicht reproduzieren kann, aber bei vielen Anwendern auftritt, mit denen ich Kontakt hatte oder deren Berichte ich gelesen habe. Es ist einfach lästig und verunsichert ein wenig.

Die stufenlose NuVinci ist von der Technologie her interessant, zeigt das homogenste und komfortabelste Schaltverhalten, konstruktionsbedingt auch unter Last. Man findet durch die stufenlose Entfaltung zu 100 % die optimale Trittfrequenz. Auch hier habe ich zur Erweiterung der Gesamtübersetzung ein zweites Kettenblatt angebaut (händisch umzulegen). Die stufenlose Ausführung kann sich allerdings zum Nachteil wenden, wenn man auf der ständigen Suche nach der günstigsten Übersetzung permanent den Drehgriff hin und her dreht. Fallbrook bietet denn auch neuerdings einen elektrischen Schaltservo namens Harmony an, der das Schalten automatisch übernimmt. Da dies dann aber in Stufen erfolgt, wird das Prinzip der stufenlosen Entfaltung obsolet. Für Gewichtsfreaks ist die NuVinci nicht das ideale Angebot, für Dahingleiter, die einen absolut wartungsfreien Antrieb wünschen, schon eher. (Die Kette bleibt aber immer noch ein Pflegekind!)

Aus der vorliegenden Tabelle und meiner Einschätzung lässt sich für einen Interessenten noch keine eindeutige Entscheidung herleiten. Dies gilt umso mehr, da aufgrund der technischen Daten (die Speedhub hat eine ca. 1,5-fach größere Gesamtübersetzung als die NuVinci) und der Anschaffungskosten (eine Rohloffausstattung kostet ca. 2 bis 2,5 mal so viel wie eine Alfine 11 oder eine NuVinci) ein Vergleich 1:1 nicht zulässig wäre.

Basis für eine persönliche Entscheidung ist das Anforderungsprofil in Form eines Geländeprofils, das man fahren möchte. Wer hauptsächlich auf dem flachen Land fährt, braucht keine Gesamtübersetzung von über 500 %, dem reicht eine 3-Gang-Schaltung mit 186 % Gesamtübersetzung. Wenn man den ersten Gang auf 15 km/h einstellt, kann man bei gleicher Trittfrequenz im 3. Gang immer noch 28 km/h fahren. Wird es ein bisschen hügelig und gibt es vor allem einen häufigen Wechsel von Hügelauf und Hügelab, kann die Gesamtübersetzung einer NuVinci von 360 % mit feinen Gangsprüngen schon in Frage kommen.

Werden Steigungen von > 10 % angestrebt, wird es selbst mit 360 % Gesamtübersetzung knapp. Fährt man diese Steigung mit einer Geschwindigkeit von ca. 9 km/h hinauf, was doch schon anstrengend ist, reicht es bei gleicher Trittfrequenz noch zu 32 km/h Höchstgeschwindigkeit. In den Alpen kann es auch mal bis 20 % Steigung gehen, Münchens Olympiaberg bietet bis 35 %!

Bei meinem Standard-Trail komme ich mit meinem Rohloff-Mountainbike bei guter Konzentration und Tagesform den steilsten Part im Nähmaschinenmodus hinauf, mit der Alfine 11 und der NuVinci (ohne zweites Kettenblatt) habe ich keine Chance.

Zu guter Letzt will ich noch einen Punkt ansprechen, der sich aber noch nicht mit Zahlen belegen lässt, für ein effizientes Vorankommen aber ebenfalls entscheidend ist: der Wirkungsgrad der Getriebenaben. Wie viel Verlust entsteht durch die doch recht aufwändige Kraftumleitung über mehr oder weniger zahlreiche Zahnräder? Mit einer gut gepflegten Kette geht man bei einer Kettenschaltung von bis zu 99 % Wirkungsgrad aus. Auch Rohloff macht dazu eine Aussage: Bei den vorgegebenen Testbedingungen konnte über die einzelnen Gänge hinweg ebenfalls ein Wirkungsgrad von bis zu 95–99 % erreicht werden. Fallbrook als Hersteller der NuVinci verweigert hartnäckig Aussagen zum Wirkungsgrad der NuVinci und auch zur Alfine 11 konnte ich nichts finden. Mein persönlicher Eindruck bei beiden war, dass sie sich gelegentlich etwas zäh fuhren. Da dies meine Neugierde geweckt hat, arbeite ich am Entwurf eines Prüfstandes zur vergleichenden Messung der Wirkungsgrade von Fahrradgetriebenaben (der Königsklasse). Die Finanzen und die Motivation lassen aber erst zu einem späteren Zeitpunkt Aussagen darüber zu.

Nachtrag

Er ist aus Neugierde und Experimentierfreudigkeit notwendig geworden und betrifft die Alfine 11.

Das Rohloff-Experiment

Nachdem bei meiner A11 die Bemühung, Leertritte und verzögerte Gangwechsel durch exakte Einstellung in einem umfangreichen Versuch nicht zu durchschlagendem Erfolg führten, war ein nächster Schritt angesagt. Nach jedem Ölwechsel hatte ich den Eindruck, dass Schalten und Fahren zumindest für eine Weile optimal liefen. Also Ölwechsel – und zwar radikal: Spülen mit dem im Vergleich zum Shimano-Öl wesentlich dünnflüssigeren Rohloff-Spülöl und Fahren mit dem auch noch dünnflüssigeren Rohloff-Ganzjahresöl.

Ergebnis: Auf ca. 500 km 12 Schaltfehler und 4 ml Ölverlust. Nicht schlecht, aber auch nicht optimal.

Der Ölverlust ist allerdings relativ gut, hatte ich doch gegenüber der Restölmenge von 21 ml beim vorherigen Shimano-Ölwechsel nur 18 ml, also 7 ml Verlust (Totalentleerung, nicht über die Ölablassschraube!). Die Ölmenge wurde wieder ergänzt auf 25 ml Rohloff-Ganzjahresöl. Da ja die vorhergehende Versuchsreihe mit der Feinjustage nicht erfolgreich war, folgte jetzt noch eine trial and error-Versuchsreihe mit bewusster Verstellung der Justage: Eine halbe Umdrehung der Einstellschraube am Schaltgriff raus: auf einer Strecke von 150 km 7 leichte Schaltfehler. Auf Null zurück und ein halbe Umdrehung rein: auf einer Strecke von 160 km 9 leichte Schaltfehler

Die Anzahl der Schaltfehler hat sich eindeutig erhöht. ABER: Bei diesen Fahrten wurde absichtlich häufig, auch unnötig geschaltet. Bei bewusstem Schalten mit bewusstem Entlasten ließen sich etliche Kilometer Schaltfehler frei fahren. Bei bewusster, schon mittlerer Belastung beim Schalten, ließen sich leichte Leertritte produzieren, sodass ich davon ausgehen, dass eine Justage in einer Bandbreite von ± einer Viertel Umdrehung hinnehmbar ist. Eine schaltfehlerarme Fahrweise durch bewusstes Schalten wird am ehesten mittels Entlastung, also nur leichtem Pedaldruck erreicht. Auch ein optimales Ölniveau könnte dazu beitragen (Vermutung).

Bei der ganzen Schaltproblematik habe ich die der Alfine 11 eigenen Features im Verdacht: »Gear Change Support«, »Shifting Power Modulator« und »Torque Limiter«? Was das Rohloff-Öl betrifft, könnte es eine Besserung gebracht haben. Der Ölverlust hat sich dabei offensichtlich nicht verschlimmert, der Verlust nach der 2. Testphase über 310 km brachte noch 23 ml Restöl also 2 ml Verlust. Das darf man jetzt nicht proportional hochrechnen, aber gelegentliches Nachfüllen scheint bei einer Wechselrate von 5.000 km opportun.

Eindeutig sichtbarer gemacht wird der Abrieb des Getriebes durch Verwendung des Rohloff-Spülöls. Brachte die erste Spülung vor der gesamten Rohloff-Testphase nach längerer Zeit ein Sediment (magnetisierbar) von ca. 1 ml, so brachte die Spülung nach der gesamten Testphase etwa eine Messerspitze Metallschlamm, ebenso wie die darauf folgende mit 40 ml Spülöl.

Eine Empfehlung Rohloff-Öle zu verwenden kann ich nicht geben, da ich nicht weiß, ob sich die Öle mit evtl. vorhandenen Kunststoffteilen in der Alfine 11 vertragen! Bei diesem Exemplar der Alfine 11 werde ich erst einmal dabei bleiben, die andere wird mit originalem Öl gefüttert.

Zum Autor

Dipl.-Ing. Norbert Haas, Studium des Maschinenbaus an der Technischen Universität in München. Einige Semester Innenarchitektur an der Akademie der Bildenden Künste. Einige Jahre künstlerisches Arbeiten in Holz, Keramik, etwas Malerei vor, neben und nach der beruflichen Laufbahn. 25 Jahre CAD- und IT-Spezialist bei einem Autobauer. Seit ca. 3 Jahren intensive Beschäftigung mit Fahrrad-Technik einschließlich Ergonomie. Mitarbeit in der Selbsthilfewerkstatt des ADFC-München.