Ausgabe 17 · Februar 2014
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Winterradfahren in Lappland
Also dann ein kleiner Bericht über den Winter und das Radfahren in
Nordlappland


Reifen
Die größten Probleme macht der Winteranfang mit überfrierender Nässe. Dann
gibt es das gefährliche »schwarze Eis«, eine wenige Millimeter dünne
Eisschicht auf dem Asphalt. Ohne gute Spikereifen geht da gar nichts. Die
besten mit 288 Spikes per Reifen sind hier um
Züge
Erste Hilfe für eingefrorene Brems- und Schaltungsgriffe ebenso wie für die Schaltwerke selbst ist Türschlossenteiser. Sollte Feuchtigkeit schon in die Züge selbst eingedrungen sein, hilft nur Ausbau oder tagelanges Austrocknen – ohne Erfolgsgarantie. Auch das kapillare Eindringen von Nässe oder Kondensfeuchtigkeit können Ursachen von Totalausfällen sein.
Einen guten Schutz bieten Silikon beschichtete Brems- und Schaltungsseile, die in Seilzügen mit innenliegenden Kunststoffröhren gleiten. Etwas Teflonspray erhöht die Gleitfähigkeit – ein Universalschmiermittel für alles, wie wir noch sehen werden.
Schaltung und Bremse
Am robustesten ist eine Kettenschaltung. Einen Schutz für die Zahnkränze gibt es wohl, aber für die technisch hoch ausgereiften Schaltwerke habe ich noch keine Schutzabdeckung gefunden. Dort befinden sich dutzende von Lagerstellen die vereisen können und völlig ungeschützt sind.
Und wie ist das mit den hübschen Nabenschaltungen? Die meisten frieren
zwischen 12 und
Der einfache Drehschaltgriff ist wohl die brauchbarste Wahl. All die netten Schalthebelchen der anderen Schaltsysteme bietet vielfache Möglichkeiten zum Eindringen von Eis und Schnee. Und wer kann diese auch mit Fausthandschuhen bedienen? Nur normale, wenn auch gefütterte Fingerhandschuhe schützen nicht vor der Kälte. Zweifingerbremshebel lassen sich damit ebenfalls nicht greifen. Also ordentliche Bremshebel müssen es schon sein.
Und zu den Bremsen selbst: Felgenbremsen, gleich welchen Systems, sind nur bedingt brauchbar. Mit Scheibenbremsen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht. Egal ob mechanisch oder hydraulisch: Die bremsen einmal gut, aber das war’s dann auch. Der Bremszylinder geht nicht zurück und man hat eine Dauerbremse. Übrigends bleiben hier auch oft Lkw wegen eingefrorener Bremsen liegen.
Ja, und die beste Bremse ist die gute alte Trommelbremse vorne in Verbindung mit einer Rücktrittnabe oder ebenfalls Trommelbremse hinten.
Winter
Kommen wir jetzt zum richtigen Winter, wo Temperaturen zwischen 15 und
Es sind ja nicht nur die Kälte und das Eis: Fahrrinnen, die wie Gleise sind, Schneestürme und Schneeverwehungen, in denen man sich fest fährt, bringen weitere Erschwernisse. Ich schreibe hier nicht über irgendwelche sportlichen Extremleistungen; sondern vom täglichen Radfahren von Punkt A nach B und zurück, zehn bis zwanzig Kilometer.



Schmierung und Lager
Bei einem Winterrad, welches zu anderen Zeiten nicht gefahren wird, habe ich die Nabe völlig entfettet – auch die Kugellager! Lediglich der Bremskloben bekommt etwas Bremsfett, damit er nicht blockiert. Alles Sonstige bekommt nur reichlich Silikonspray; auch die Kugellager bekommen KEIN Fett sondern ebenfalls nur Silikonspray.
Und das Wichtigste von allem: Die Achsen müssen merkliches Spiel haben.
Mir ist schon mal eine Hinterradachse bei
Ebenso hat auch das Vorderrad kein Fett; die Konen haben Spiel und an die Lager kommt nur Silikonspray. Das gleiche gilt auch für die Kette. Ab und zu etwas nachsprühen und das Rad ist auch bei großer Kälte relativ leichtgängig.
Beleuchtung
Da hier in der sogenannten Kamoszeit die Sonne nicht über den Horizont kommt, braucht man fast immer auch Licht, um selbst zu sehen und vor allen Dingen auf sich aufmerksam zu machen. Natürlich ist eine gute LED-Beleuchtung einfach das beste heutzutage. Kühlprobleme gibt es auch nicht für die LEDs.
Dazu zwei Lithium-Akkupacks in der Rahmentasche. Ich habe die Kapazität erhöht: Anstatt 2 mal 2 hab ich einfach ohne weitere Modifikation 2 mal 3 Akkus zusammengelötet. Wenn ein Akkupack schlapp macht, einfach auf das andere umschalten und nach ’ner Zeit wieder zurück. So holt man auch bei Kälte noch was aus den Akkus. Die alten NC-Akkus halten Kälte zwar noch besser aus, aber wer will die noch? Die Akkus befinden sich in einer Rahmentasche, die mit Klettband befestigt ist. Bringt ein Akku keinen Saft mehr, Tasche mit rein nehmen und einfach mit ganz normalen Steckernetzladern aufladen. Ich hab noch nie einen Akku zuvor erwärmt oder aufgetaut. Normal reichen mir die Akkus eine Woche und die bleiben die ganze Zeit am Rad draussen im Unterstand. Oft ist es ja so kalt, das selbst am Lampengehäuse keine Erwärmung spürbar ist, von den Akkus erst gar nicht zu reden.
Seitenläuferdynamos kann man naturgemäß vergessen. Erst drehen sie durch, dann wird das Reibrad warm, um anschließend, nach ein paar Minuten, vereist zu sein. Wegen der Bremsenprobleme habe ich das Winterverhalten von Nabendynamos noch nicht getestet. Jetzt werd’ ich einen Nabendynamo mit Trommelbremse mal ausprobieren. Da hier der Winter so sechs Monate dauert, Zeit genug.
Kleidung
Mit der Zwiebelschalenbekleidung, eine Lage über der anderen, klappt es ganz gut. Dennoch lassen sich manchmal steifgefrorene Finger oder kalte Füsse nicht vermeiden. Als mal die Ohrenklappe meiner Pelzmütze nicht richtig zugebunden war, ist mir auf der Windseite ein Ohr unbemerkt angefroren. Das sieht dann wie ein abblätternder Sonnenbrand aus. Über Schmerzen spreche ich nicht. Das Ohr war dann lange Zeit sehr kälteempfindlich.
Das Gesicht kann man ganz gut mit einer Neoprenmaske schützen. Wenn die
Wimpern zusammen frieren weiß man sicher, jetzt ist’s kalt :) Kam ich
einmal von einer Winterreise in meine Holzhütte zurück. Drinnen war alles
auf minus
Nach dem langen Winter kommt das Frühjahr so im Juni. Wieder die Probleme mit Tauwetter, überfrierender Nässe und Glatteis wie zum Winteranfang. Dann kann das tolle Sommerrad endlich seinen Winterschlaf beenden.

Zum Autor
Ingo
Pollack, Ivalo (Finnland), Abenteurer, Schlauchbootkapitän,
Lebenskünstler im Rentenalter. Was ich alles mache? Glaubt mir sowieso
kein Mensch – auf jeden Fall Vieles.