Ausgabe 17 · Februar 2014

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Mit Hand und Fuß: HF-Bikes

Eine neue Fahrradgattung entsteht …

von Carsten Hoffmann

Persönliche Vorbemerkungen

Vor einigen Jahren beschloss ich, meinen täglichen Arbeitsweg – immerhin 24,3 km (einfach) – nicht mehr mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad zurückzulegen. Hauptmotivation war für mich, mir zu meiner vorwiegend sitzenden beruflichen Tätigkeit einen regelmäßigen körperlichen Ausgleich zu verschaffen. Es erschien mir ein guter Deal, die 35 Minuten, die ich täglich mit Fahren, Stop-and-Go und Parkplatzsuche im Auto verbrachte, gegen 70 Minuten Radfahren in der Natur einzutauschen. Wer eine ähnliche Entwicklung einmal durchlaufen hat weiß, dass ein zuvor wenig trainierter Körper einige Zeit benötigt, um sich an das tägliche Bewegungsprogramm zu gewöhnen. So fuhr ich oft nicht an der Leistungsspitze, sondern »bummelte« auch viel. Bei diesem »Bummeln« fand sich jedoch viel Zeit, darüber nachzudenken, ob und wie man das Fahrrad als Fortbewegungsmittel optimieren könnte oder ob es alternative Fahrräder gäbe, die meinen Bedürfnissen besser entsprechen würden. Da ich bereits bei der Auswahl meines Trekkingrades die Erfahrung gemacht hatte, dass man Fahrräder selbst und buchstäblich am eigenen Leibe er-fahren muss, nutzte ich jede Gelegenheit, alternative Fahrräder Probe zu fahren – und testete so Rennräder, Liegeräder, Liegedreiräder, Pedelecs, S-Pedelecs und viele andere. Zudem schwirrte mir bei meinen täglichen Fahrten zur Arbeit auch der Gedanke im Kopf herum, dass es doch nutzlos sei, dass die Arme so gar nichts für den Vortrieb tun und ob man daran nicht etwas ändern könnte …

Der erste Funke

Im April 2010 hatte ich auf der Spezialradmesse im Germersheim erstmals die Möglichkeit, zwei Fahrräder mit zusätzlichem Handantrieb selbst Probe zu fahren. Besonders fasziniert war ich damals vom Bionic Body Bike von Dominik Weigel. Da dieses nicht käuflich zu erwerben war, beschloss ich, es selbst nachzubauen. Zudem recherchierte ich nächtelang im Internet nach anderen Fahrrädern mit zusätzlichem Handantrieb und kontaktierte die jeweiligen Ingenieure. Diese reagierten durchweg sehr erfreut über mein Interesse und ermöglichten mir allesamt gerne die Möglichkeit, ihre Fahrräder zu testen. So hatte ich die Gelegenheit, die verschiedenen Antriebskonzepte selbst zu er-fahren und konnte mir ein Bild über die jeweiligen Vor- und Nachteile machen.

Eine neue Fahrradgattung entsteht

Da ich die meisten Ingenieure nun persönlich kannte und ich es angesichts meiner persönlichen Begeisterung sehr schade fand, dass diese Fahrräder auf dem allgemeinen Fahrradmarkt doch eher ein Schattendasein fristeten, lag es aus meiner Sicht nahe, hier Energien und Potentiale zu bündeln und die Ingenieure an einem »runden Tisch« zusammenzubringen.

Im April 2013 trafen sich so im Schatten der Spezialradmesse ca. 20 Ingenieure aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz in Germersheim. Und da das gemeinsame Kind noch keinen Namen hatte, sollte als erster Schritt ein gemeinsamer Begriff für »Fahrräder mit zusätzlichem Handantrieb« gefunden werden. Nach zahlreichen Vorschlägen und Diskussionen wurde der Begriff des »HF-Bikes« (Hand-and-Foot-bikes, Hand-und-Fuß-Fahrräder) für diese Fahrradgattung etabliert. Der ebenfalls diskutierte Begriff »Full-Body-Bike« erschien nicht nur weniger spezifisch, sondern erwies sich zudem auch als Eigenname eines britischen Herstellers.

Motivation

Angesichts der Etablierung einer neuen Fahrradgattung stellt sich natürlich die Frage: Braucht man das? Welchen Mehrwert hat dieses Konzept gegenüber den bereits etablierten Fahrradgattungen? Auf meiner oben beschriebenen Pendelstrecke testete ich verschiedene Fahrradgattungen. Normale Pedelecs kamen für mich nicht in Frage, da nach etwas Training der Geschwindigkeitszuwachs gegenüber meinem Trekkingrad nur marginal war und der Trainingseffekt durch den zusätzlichen Motor reduziert wurde. Mit einem S-Pedelec fuhr ich meinen Arbeitsweg ebenfalls einige Male – hatte aber das Gefühl, halb Roller, halb Fahrrad zu fahren und das befriedigende Gefühl, »etwas geschafft zu haben« blieb bei der Ankunft aus. Zudem war natürlich auch hier der Trainingseffekt einschränkt. Auch Liegeräder und Liegedreiräder testete ich. Die Sitzposition empfinde ich bei beiden nach wie vor als sehr angenehm, in der Praxis überwiegt für mich jedoch der Nachteil, dass man gerade bei dichtem Verkehr weniger Übersicht hat. Zudem ist es mit Liegerädern und gerade Liegedreirädern bedeutend schwieriger, irgendwo »durchzuhuschen« oder spontan zwischen Radweg und Fahrbahn hin- und herzuwechseln. Rennräder und Triathlonräder ermöglichen zwar ebenso wie die vorgenannten Fahrradgattungen ein schnelleres Vorankommen als mit dem Trekkingrad, allerdings muss man darauf in einer möglichst tief gebeugten Sitzhaltung zu fahren. Eine solche Sitzhaltung macht es jedoch erforderlich, die Rückenmuskulatur entsprechend zu trainieren, damit dies auch über einen längeren Zeitraum (hier 70 Minuten) durchgehalten werden kann. Um die Strecke täglich mit dem Rennrad in Unterlenkerposition fahren zu können, hätte ich also zusätzliche Übungen und Training für meine Rückenmuskulatur einplanen müssen. Letzteres lief jedoch meiner ursprünglichen Motivation entgegen: Ich wollte nicht 2 × 70 Minuten am Tag Fahrradfahren und anschließend noch zur Stärkung der Rückenmuskulatur in ein Fitnessstudio gehen, sondern durch das Radfahren meine körperliche Fitness verbessern. Also sollte auch das Training für Oberkörper-, Rücken- und Armmuskulatur während des Radfahrens stattfinden. Der Mehrwert von HF-Bikes gegenüber anderen Fahrradgattungen besteht somit darin, dem Fahrer ein Training des ganzen Körpers zu ermöglichen und nicht nur der Beinmuskulatur. Und wenn sich dabei noch ein Geschwindigkeitszuwachs erzielen lässt, ist das natürlich ein willkommener Nebeneffekt.

Der Test – große Übersichtstabelle mit technischen Erläuterungen

In der folgenden Tabelle sind die HF-Bikes, die ich bislang Probe gefahren bin, gegenübergestellt. In den horizontalen Zeilen der Tabelle sind jeweils verschiedene Charakteristika der jeweiligen HF-Bikes aufgeführt, die ich im Folgenden erläutern möchte. In den vertikalen Spalten der Tabelle sind die jeweiligen HF-Bikes genannt – zu jedem Bike findet sich weiter unten auch eine Kurzbeschreibung.

Leider konnte ich bislang noch nicht alle bekannten HF-Bikes probefahren. Nicht aufgenommen wurden beispielsweise das »Korbike« von David Price (USA), das »Full Body Bike« von der Stanford University (USA), das »Round Rowing Bike« von Uli Siegel (D), das »Nykarus« von Luc Bortels (B), Modifikationen des »Berkelbikes« von Rik Berkelmans (NL) sowie das HF-Bike von einem geheimnisvollen »Mr. T.« aus Spanien.

Übersichtstabelle mit allen HF-Bikes
Modell/
Website
4strikebike AlEx Amboss AlEx Harmony Bionic Body Bike Dopo-Bike Exycle Gildasfire Novosport Moveo Raxibo Rowingbike THYS 222 Ruderrad Tetrad Varibike
Konstrukteur Lex van Stekelenburg Carsten Hoffmann Carsten Hoffmann Dominik Weigel Joachim Berger Bernd Monno Gildas Failler Ulrich Albert Lothar Dickenscheid Derk Thijs Klaus Schorn Veit Lehmann Martin Kraiß
Antriebsrad (durch Handantrieb) Hinterrad Hinterrad Vorderrad Vorderrad Hinterrad Vorderrad Hinterrad Hinterrad Hinterrad Hinterrad Hinterrad Vorderrad Hinterrad
Lenkung normal und durch Gewichts-Verlagerung normal normal normal normal normal normal normal durch Gewichts-Verlagerung und Kippen des Lenkers durch Gewichts-Verlagerung und Kippen des Lenkers normal normal durch Gewichts-Verlagerung
Nutzung des Handantriebs optional (versetzte Handpositionen) optional optional optional obligatorisch optional optional obligatorisch optional (Zweitlenker) obligatorisch optional optional (versetzte Handpositionen) optional (versetzte Handpositionen und Zweitlenker)
Handantriebs-
Bewegung
alternierend rotierend synchron vertikal synchron rotierend synchron rotierend alternierend vertikal gespiegelt lateral alternierend vertikal synchron proximal (rudernd) alternierend rotierend synchron proximal (rudernd) synchron proximal (rudernd) alternierend vertikal synchron oder alternierend rotierend
Änderung der Übersetzung des Handantriebs über Fußantriebs-Schaltung über Fußantriebs-Schaltung eigene Schaltung eigene Schaltung über Fußantriebs-Schaltung keine über Fußantriebs-Schaltung über Fußantriebs-Schaltung über Fußantriebs-Schaltung über Fußantriebs-Schaltung eigene Schaltung und über Fußantriebs-Schaltung eigene Schaltung über Fußantriebs-Schaltung
Handantriebs-
Kraft in Relation zum Fußantrieb
variabel synchron variabel synchron variabel synchron schaltbar asynchron vorgegeben synchron asynchron variabel synchron vorgegeben synchron vorgegeben synchron vorgegeben synchron variabel synchron schaltbar asynchron variabel synchro

Antriebsrad (durch Handantrieb)

Die Fußantriebskraft wird bei allen angegebenen HF-Bikes auf das Hinterrad eingeleitet. Hier wird angegeben, ob die Handantriebskraft auf das Vorderrad oder auf das Hinterrad eingeleitet wird. Isoliert betrachtet bringt dieser Parameter weder Vor- noch Nachteile mit sich, wichtiger ist das Gesamtkonzept.

Lenkung

Hier wird angegeben, inwiefern normal gelenkt werden kann oder aber eine Änderung der Fahrtrichtung durch Verlagerung des eigenen Körpergewichtes oder Kippen des gesamten Lenkers zu einer Seite herbeigeführt wird. Das Fahren mit HF-Bikes, bei denen nicht normal gelenkt werden kann, ist tendenziell schwieriger zu erlernen und bringt z. B. im Großstadtverkehr ein gewisses Gefahrenpotential mit sich.

Nutzung des Handantriebs

Die Nutzung des Handantriebs kann optional, obligatorisch oder durch einen Zweitlenker erfolgen. Bei einem optionalen Handantrieb kann die Handantriebsbewegung jederzeit ausgesetzt werden. Bei versetzten Handpositionen (sog. alternierender bzw. Alternate-Antrieb, siehe unten) liegt bei Aussetzen des Handantriebs allerdings das ganze Oberkörpergewicht auf einem Arm. Bei obligatorischer Nutzung muss der Handantrieb immer mitbenutzt werden – den Handantrieb bewegt sich also bei jeder Bewegung des Fahrrades mit. Bei manchen HF-Bikes gibt es auch extra einen Zweitlenker, um die Nutzung des Handantriebs aussetzen zu können. Eine Möglichkeit, den Handantrieb aussetzen zu können wird gerade Anfängern entgegenkommen, da hier die entsprechende Muskulatur noch nicht hinreichend trainiert ist. Zudem kann es in brenzligen Situationen wichtig sein, die Handantriebsbewegung aussetzen zu können. Optimal ist meines Erachtens ein optionaler Handantrieb, da hierbei in Gefahrensituationen auch das Umgreifen entfällt.

Handantriebsbewegung

Die Handantriebsbewegung wird zunächst dadurch spezifiziert, ob sich die Hände gleichmäßig (synchron) bewegen oder ob die Bewegung wie bei üblichen Fußantrieben entgegengesetzt (alternierend) erfolgt. Beim Exycle bewegen sich die Hände aufeinander zu (gespiegelt).

Ferner unterscheidet sich die Richtung der Bewegung: Hier gibt es die Rotation (wie beim normalen Fußantrieb), die vertikale Auf-und-ab-Bewegung, die laterale, d. h. seitlich (entlang des Lenkers) verlaufende Bewegung und die proximale, d. h. zum Körper hin verlaufende Bewegung ähnlich dem Rudern.

Alternierend rotierende Bewegungen setzen die Handantriebskraft sehr gut um, sind jedoch schwieriger zu erlernen und haben auch ein gewisses Gefahrenpotential, da hier die Handantriebskraft wechselweise in Lenkrichtung eingebracht wird. Bei synchron rotierenden Bewegungen kann die Antriebskraft aus den Armen (synchron stable) oder dem Rücken (synchron dynamic) bezogen werden – darüber, was hier besser ist, gibt es im Bereich der Handbikes (für Behinderte) eine breite Diskussion. Bei synchron rotierenden Bewegungen fällt die Aufwärtsbewegung zuweilen schwer, die Abwärtsbewegung entsprechend leichter. Die synchron proximale Bewegung entspricht der aus dem Rudersport bekannten Bewegung. Die optimale Bewegung hängt von der individuellen Präferenz ab.

Änderung der Übersetzung des Handantriebs

Durch eine Schaltung kann die Frequenz der Handbewegung an die Fahrtgeschwindigkeit angepasst werden. Erfolgt dies gemeinsam mit der Frequenz des Fußantriebs (Trittfrequenz), so müssen sich Hand- und Fußantrieb in der Regel synchron bewegen – es sei denn, es gibt wie beim Ruderrad zusätzlich eine eigene, gekoppelte Schaltung für den Handantrieb. Bei einer separaten eigenen Schaltung für den Handantrieb ergibt sich die Schwierigkeit, diese optimal auf den Fußantrieb abzustimmen. Eine Ausnahme bildet hier die beim Alex Harmony verbaute Nuvinci N360 Harmony, die dies automatisch und stufenlos macht.

Handantriebskraft in Relation zum Fußantrieb

Dieser Parameter gibt an, wie sich die Arme im Verhältnis zur Trittfrequenz der Beine bewegen müssen. Hierdurch wird bestimmt, wie harmonisch Hand- und Fußantrieb aufeinander abgestimmt sind. Bei einer vorgegebenen Synchronizität müssen sich die Arme im gleichen Rhythmus mit der Rotationsbewegung der Füße bewegen. Dies hat z. B. beim Raxibo den Vorteil, dass der Fahrer gezwungen ist, sich so zu bewegen, wie dies durch den Kreuzgang des Menschen angeboren ist. Der Nachteil ist, dass hierdurch ein kurzfristiges Aussetzen der Handantriebsbewegung nur durch Umgreifen auf einen Zweitlenker möglich ist. Die variable Synchronizität gibt dem Fahrer hier mehr Spielraum, erfordert je nach Gesamtkonzept aber auch mehr Übung, einen Bewegungsablauf zu finden, der sowohl ergonomisch passend ist als auch die Handantriebskraft effektiv nutzt. Bei den asynchronen Antrieben sind Handantrieb und Fußantrieb unabhängig voneinander – hier erfolgt die Einleitung der Handantriebskraft fast zwangsläufig auf das Vorderrad. Einerseits ist der Fahrer hierdurch sehr flexibel bezüglich des Einsatzes des Handantriebs, andererseits macht es diese Konzeption erforderlich, dass bei höherer Fahrtgeschwindigkeit auch der Handantrieb schneller bewegt wird. Dieser Effekt kann durch eine am Vorderrad verbaute Schaltung reduziert werden. Wenn die Schaltung nicht gerade eine stufenlose wie die Nuvinci N360 ist, ist auf Dauer jedoch kaum ein synchroner und gleichzeitig krafteinleitender Bewegungsablauf möglich. Optimal ist meines Erachtens die variable Synchronizität.

Vorstellung der einzelnen HF-Bikes

… in der Reihenfolge des Vorkommens in der Tabelle (alphabetisch).

4strikebike

Bild 1–2: 4strikebike – Cockpit und Gesamtansicht

Alle Fotos dieses Artikels stammen vom Autor bzw. den Konstrukteuren.

Bei der Entwicklung des 4strikebike lag dem niederländischen Arzt Lex van Stekelenburg ein medizinisch sinnvoller Bewegungsablauf sehr am Herzen. Trotz der normalerweise mehr Übung erfordernden alternierend rotierenden Handantriebsbewegung lässt sich das Fahren mit dem 4strikebike schnell erlernen. Möglich wird dies durch einen Lenkungsdämpfer und eine spezielle Lagerung des Lenkers, die auch bei Nutzung des Handantriebs Lenkbewegungen ermöglicht. Das 4strikebike ist gut für das Erreichen hoher Geschwindigkeiten in der Ebene geeignet. Auffallend ist die dem Rennrad oder Triathlonrad vergleichbare Sitzhaltung des Fahrers, die zwar höhere Geschwindigkeiten begünstigt, die Armkraft aber durch zusätzliche Abstützung des Oberkörpergewichtes auch zusätzlich beansprucht.

AlEx Amboss

Bild 3–4: AlEx Amboss – Cockpit und Gesamtansicht

Bei diesem Prototypen des Autors wird die Handantriebskraft nur bei Abwärtsbewegung synchron vertikal eingeleitet – der Lenker rotiert also trotz des Tretlagers im Vorbau nicht, sondern wird bei der Aufwärtsbewegung quasi rückwärts gedreht. Möglich wird dies durch ein Freilaufritzel an der linken Fußkurbel. Ziel dieser Konzeption ist es, die im Artikel Antriebe und Erfinder (vgl. Fahrradzukunft, Ausgabe 16) beschriebene Zusatzbelastung des Herz-Kreislaufsystems dadurch zu minimieren, dass die Gravitationskraft des Oberkörpers für den Vortrieb genutzt wird. Ähnlich wie bei einigen (»synchron-dynamic«, siehe oben) Handbikes wird die zusätzliche Antriebskraft somit weitgehend aus der Rückenmuskulatur bezogen. Auch wenn sich der Prototyp vielversprechend fahren lässt, stößt er zum jetzigen Zeitpunkt doch an seine Grenzen, da die Übersetzung zwischen Hand- und Fußantrieb noch weiter herabgesetzt werden müsste und das Basisfahrrad für die erreichbaren Geschwindigkeiten nicht ausgelegt ist. Zur Spezi 2014 ist eine überarbeitete Version geplant. Der Name »AlEx« steht für »Alle Extremitäten«.

AlEx Harmony

Bild 5–6: AlEx Harmony – Cockpit und Gesamtansicht

Dreh- und Angelpunkt dieses Prototypen des Autors sind zwei Nuvinci N360 Harmony-Schaltungen, die im Vorder- und Hinterrad verbaut sind. Diese automatischen Nabenschaltungen ermöglichen es, dass Hand- und Fußantriebskräfte bei jeder Geschwindigkeit automatisch aufeinander abgestimmt werden. So genial dieses System dank der Nuvinci N360 Harmony ist, bedingt eben diese Schaltung in der Praxis gleichzeitig auch nennenswerte Nachteile: ein hohes Gewicht der beiden Nabenschaltungen, ihr vorne und hinten spürbarer Wirkungsgradverlust (siehe auch der Artikel Wirkungsgradmessungen an Nabenschaltungen – Teil 2) und last but not least die Erfordernis, die Schaltungen durch einen Akku mit Strom zu versorgen.

Bionic Body Bike

Bild 7–8: Bionic Body Bike – Cockpit und Gesamtansicht

Das Bionic Body Bike von Dominik Weigel war das HF-Bike, welches meine Begeisterung für diese Fahrradgattung entflammen ließ. Die Optionalität des Handantriebs und die synchron rotierende Antriebsbewegung erlauben ein schnelles Erlernen und einen spürbaren Kraftzuwachs, vor allem beim Beschleunigen. Toll ist, dass der Lenker inzwischen in jeder Position fixiert werden kann – das erhöht die Alltagstauglichkeit des Bionic Body Bikes noch mehr. Trotz der eigenen Schaltung für den Handantrieb ist es in der Praxis nicht einfach, sowohl für den Hand- als auch für den Fußantrieb eine passende Übersetzung zu finden.

Dopo-Bike

Bild 9–10: Dopo-Bike – Cockpit und Gesamtansicht

Beim Dopo-Bike ist der Fahrer ab dem ersten Moment gezwungen, auch die Handbewegung auszuführen, da sich die Lenkerenden abwechselnd und im Rhythmus der Trittfrequenz auf und ab bewegen. Dennoch lässt sich das Dopo-Bike überraschend einfach fahren und sicher manövrieren. Man erhält sofort ein sehr gutes Gefühl dafür, dass die zusätzliche Handantriebskraft auch effektiv auf der Straße ankommt – Grund dafür ist unter anderem der mit viel Detailliebe und großen Sicherheitsreserven ausgeklügelte Umlenkmechanismus des Ingenieurs Joachim Berger. Der zwangsläufige Handantrieb ist gewöhnungsbedürftig und verlangt nach etwas Training, um weitere Strecken zurückzulegen, beim Abbiegen und in brenzligen Situationen kann man nicht treten und der Lenker steht schief. Insgesamt ein tolles Rad, das zu neuen Geschwindigkeitsrekorden einlädt und ein gewisses Suchtpotential beinhaltet: Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, ist es sehr ungewohnt, wieder ein normales Rad zu fahren, bei dem der Lenker stillsteht.

Exycle

Bild 11–12: Exycle – Cockpit und Gesamtansicht

Das Exycle ist die erfolgreichste Fahrradentwicklung des Ingenieurs Bernd Monno. Es begeistert dadurch, dass es jeder sofort fahren kann und der Handantrieb jederzeit in der End- oder Mittelstellung der sich seitlich auseinander bewegenden Handgriffe ausgesetzt werden kann. Meine erste Probefahrt umfasste direkt eine 80-km-Tour durch die Oberhavel. Genial ist auch, dass der Exycle-Handantrieb auch auf zahlreichen anderen Fahrrädern als Nachrüstsatz montiert werden kann. Einziger Wermutstropfen bleibt die fehlende Änderung der Übersetzung des Handantriebs – bei höheren Geschwindigkeiten muss man daher sehr schnell mit den Armen sein, damit noch Zusatzenergie auf der Straße ankommt.

Gildasfire

Bild 13–14: Gildasfire – Cockpit und Gesamtansicht

Das schicke Gildasfire hat der Franzose Gildas Failler entwickelt, um sich damit an den Stränden in der Bretagne besser fortbewegen zu können. Der Bewegungsablauf entspricht dem des Dopo-Bike, allerdings mit dem Unterschied, dass der Handantrieb hier nicht zwangsläufig eingesetzt werden muss – zur Not gibt es sogar eine Einrastfunktion. Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass der Fahrer selbst einen passenden Rhythmus finden muss. Insgesamt ein überzeugendes Gesamtkonzept, das auch den Offroad-Einsatz nicht scheut.

Novosport Moveo

Bild 15–16: Novosport Moveo – Cockpit und Gesamtansicht

Beim Moveo können die Fußkurbeln sowohl alternierend als auch synchron montiert werden. Entwickler Ulrich Albert von Novosport empfiehlt die synchrone Montage, wodurch ein gleichförmiger, dem Rudern ähnlicher Bewegungsablauf möglich ist. Diesen zu erlernen dauert ca. 15 Minuten, dann gleitet man in dem vollgefederten Sesselrad über die Straße – bis man erschöpft bemerkt, dass den eigenen Arm- und Bauchmuskeln für diesen Bewegungsablauf einiges an Training fehlt. Wenn man die Kraft mitbringt oder Arm- und Bauchmuskulatur gezielt trainieren will, kann man dies auf diesem Rad mit der Bequemlichkeit eines Sesselrades und einem recht angenehmen Gesamtbewegungsablauf kombinieren.

Raxibo

Bild 17–18: Raxibo – Cockpit und Gesamtansicht

Das Raxibo wurde in der Schweiz entwickelt – und eignet sich dementsprechend hervorragend, um in den Bergen zu klettern. Der Ingenieur Lothar Dickenscheid macht mit dem in mehreren Farben erhältlichen Rad aber auch mehrtägige Touren durchs Flachland. Unter den HF-Bikes gehört das Raxibo zu den Fahrrädern, die vergleichsweise viel Übung erfordern, um es problemlos fahren zu können. Der Zweitlenker hilft beim Erlernen ebenso wie in brenzligen Situationen. Ein Tip: Beim Bergauffahren lernt man den Bewegungsablauf am leichtesten. Der Bewegungsablauf ist übrigens wie beim 4strikebike dem angeborenen Kreuzgang des Menschen nachempfunden.

Rowingbike THYS 222

Bild 19–20: Rowingbike THYS 222 – Cockpit und Gesamtansicht

Das Rowingbike THYS 222 weist im Vergleich zu den übrigen HF-Bikes in diesem Vergleich einige Besonderheiten auf: Der Fußantrieb des Liegerades findet nicht mehr durch rotierendes Kurbeln statt und die Kraftübertragung erfolgt für den Hand- und Fußantrieb durch Dyneema-Seile. Für die Änderung der Übersetzung hat der Konstrukteur Derk Thijs eine spezielle Schneckenschaltung entwickelt. Der sehr stark dem Rudern ähnelnde Bewegungsablauf und die Lenkung durch Kippen des Lenkers erfordern Übung, die durch die zwangsläufig zu verwendenden Klickpedale zusätzlich erschwert wird. Hat man den Dreh einmal `raus kann man sich mit diesem Rad sehr schnell und in einer sehr gleichmäßigen Ganzkörperbewegung fortbewegen – es gibt sogar spezielle Ruderradmeisterschaften. Das auch mit Carbonrahmen erhältliche Rad ist bestens für Wettkämpfe und Training geeignet – bei Benutzung im Alltag treten jedoch die liegeradtypischen Nachteile von eingeschränkter Manövrierfähigkeit und reduzierter Übersicht über das Verkehrsgeschehen in den Vordergrund.

Ruderrad

Bild 21–22: Ruderrad– Cockpit und Gesamtansicht

Der sehr flache Sitzrohrwinkel bedingt, dass der Fahrer beim Ruderrad ähnlich wie bei einem Hollandrad sehr aufrecht sitzt. Hierdurch brauchen Arme und Hände keine Haltearbeit zu verrichten. Da der Handantrieb optional ist, kann man sich »draufsetzen und losfahren« – und dann während der Fahrt einfach mal damit beginnen, mit den Händen zu rudern. Die Lenkung bleibt auch während der Ruderbewegung sicher und problemlos. Etwas Übung erfordert es, den nicht fix mit dem Fußantrieb gekoppelten Handantrieb so zu timen, dass dieser nicht am toten Punkt der Umlenkung stecken bleibt. Der Handantrieb verfügt über eine eigene, zusätzliche Schaltung, die optimale Abstimmung auf den Fußantrieb ist allerdings nicht ganz einfach. Der Kölner Klaus Schorn hat hier ein vollgefedertes HF-Bike entwickelt, das sämtlichen Anforderungen im Alltag einer Großstadt problemlos gewachsen ist. Neuerdings ist es auch als E-Bike und als Tandem verfügbar.

Tetrad

Bild 23: Tetrad Gesamtansicht

Das Tetrad des inzwischen verstorbenen Ingenieurs Veit Lehmann kann demnächst im Fahrradmuseum Pedalwelt in Heimbuchenthal besichtigt werden, wo der Sammler Ulrich Teige eins der letzten Exemplare ausstellen wird. Dankenswerterweise durfte der Autor eine Probefahrt mit dem Museumsstück absolvieren. Der Handantrieb erfolgt über sich wechselseitig auf und ab bewegende Lenkerhälften, von denen die Handantriebskraft über eine Kettenschaltung auf das Vorderrad übertragen wird. Das Erlernen des Bewegungsablaufes dauert ca. 15 Minuten, die ersten Male erschreckt man fast beim Wechsel der Hände. Da hier zusätzlich das Gewicht des Oberkörpers eingebracht werden kann und der Handantrieb über eine separate Schaltung verfügt, kann viel Kraft effizient eingesetzt werden, was sich in einem deutlichen Geschwindigkeitszuwachs – und deutlich mehr Erschöpfung – äußert. Die Lenkung bei gleichzeitiger Nutzung des Handantriebs ist gewöhnungsbedürftig, letztlich aber problemlos, da man den Handantrieb jederzeit aussetzen kann. Insgesamt ein sehr durchdachtes, leider nicht mehr erhältliches Gesamtkonzept.

Varibike

Bild 24–25: VariBike – Cockpit und Gesamtansicht

Beim Varibike von Martin Kraiß können die Handantriebskurbeln mit den ergonomisch geformten Handgriffen sowohl synchron als auch alternierend montiert werden. Dies erlaubt in Kombination mit der Optionalität des Handantriebs und dem kleinen Zusatzlenker eine Vielzahl an unterschiedlichen Haltungen und Antriebsvarianten. Das Lenken durch Gewichtsverlagerung bedarf der Übung – auch wenn dies durch den Nachlauf der Gabel und den Lenkungsdämpfer erleichtert wird. Der Anfänger wird sich somit viel an dem kleinen Zusatzlenker festhalten, auf den auch in Notsituationen und zum Bremsen und Schalten umgegriffen wird. Die rot eloxierten Hand- und Fußkurbeln und die Shimano-XT-Gruppe machen das Varibike zu einer perfekt designten Trainingsmaschine für den ganzen Körper.

Fazit

»Und, welches ist denn nun das beste HF-Bike?« wird der neugierige Leser fragen. Gegenfrage: »Gibt es das beste Fahrrad?«. Nein, gibt es nicht, denn welches Fahrrad »das Beste« ist, hängt natürlich vom jeweiligen Einsatzzweck und auch von individuellen Präferenzen des Fahrers ab. Auch wenn die hier vorgestellten Bikes natürlich die verbindende Gemeinsamkeit haben, dass sie allesamt sowohl über einen Fußantrieb als auch über einen Handantrieb verfügen, so gibt es untereinander doch eine so große Bandbreite, wie man in dieser Form normalerweise nicht in einem Vergleich wiederfinden würde. Ein Vergleich von Rennrädern mit Mountainbikes ist schließlich ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Und weil solche Vergleiche nur wenig Sinn machen, kann es auch nicht DAS HF-Bike geben.

Demnach können die getesteten HF-Bikes hier nur grob für verschiedene Einsatzzwecke eingeteilt werden, also gewissermaßen in HF-Rennräder, HF-Mountainbikes, HF-Liegeräder, HF-Alltagsräder usw. Wem es vor allem auf Speed ankommt, dem würde ich das 4strikebike, das AlEx Amboss, das Dopo-Bike, das THYS 222 oder das Varibike zum Testen empfehlen. Wer auf Geländetauglichkeit nicht verzichten möchte oder viel in den Bergen unterwegs ist, könnte mit dem Gildasfire oder dem Raxibo glücklich werden. Wer als ungeübter Fahrer bereits größere Touren plant, könnte dies mit dem AlEx Amboss, dem Bionic Body Bike, dem Exycle, dem Raxibo und dem Ruderrad angehen. Für den dichten Verkehr einer Großstadt sind meines Erachtens das Alex Amboss, das AlEx Harmony, das Bionic Body Bike, das Exycle und das Ruderrad am besten geeignet.

Bei HF-Bikes sollte man sich aber auch hier nochmal den eigentlichen Sinn von HF-Bikes ins Gedächtnis rufen, der ja darin besteht, beim Radfahren ein Training sämtlicher Muskelgruppen zu ermöglichen. Dieser Zweck überschattet diese Differenzierung der vorhandenen HF-Bikes: Durch das prägende Element des zusätzlichen Handantriebs sind individuelle Präferenzen bezüglich des Handantriebs und auch des jeweiligen Gesamtkonzeptes in der Regel wichtiger als die Einordnung des jeweiligen HF-Bikes. Wer z. B. eine Ruderbewegung mag, sollte das Moveo, das THYS 222 oder das Ruderrad probieren. Wer einen dem Kreuzgang des Menschen nachempfundenen Bewegungsablauf wünscht, kann dies am besten mit dem 4strikebike, dem Dopo-Bike und dem Raxibo erreichen. Beim Gildasfire, beim Tetrad und beim Varibike geht dies auch, man muss aber selbst den Rhythmus finden – dafür kann man bei diesen Rädern den Handantrieb jederzeit unterbrechen.

Welches Bewegungs-, Antriebs- und Gesamtkonzept am besten passt, kann nicht im Rahmen eines theoretischen Artikels beantwortet werden. Oder, anders gesagt: Fahrräder muss man er-fahren. Dies gilt für HF-Bikes sicherlich umso mehr, damit man als Fahrer ein Gefühl für die unterschiedlichen Antriebskonzepte entwickeln kann und individuell entscheiden kann, welches HF-Bike am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt. Eine hervorragende Gelegenheit, die verschiedenen HF-Bikes einmal live zu erleben wird es am 26. und 27.4.2014 auf der nächsten Spezialradmesse in Germersheim geben.

Danksagung

Mein aufrichtiger Dank gilt allen genannten Konstrukteuren, die mir in bester HF-Biker-Solidarität nicht nur das Er-Fahren der verschiedenen HF-Bikes ermöglicht haben, sondern für diesen Artikel freundlicherweise auch Fotomaterial zur Verfügung gestellt haben.

Zum Autor

Carsten Hoffmann ist Psychotherapeut, Fahrradentwickler und Alltags- und Tourenradler aus Köln. Mit zwei Freunden fährt er die Grenzlandtour und radelt die deutsche Staatsgrenze ab. Neben einem allgemeinen Interesse für Spezialräder faszinieren ihn seit 3 Jahren insbesondere die Konstruktion und praktische Nutzung von HF-Bikes. Kontakt: alex-bikes@arcor.de