Ausgabe 13 · April 2011

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Wetterbekleidung

Ein Erfahrungsbericht aus den letzten 30 Jahren

von Juliane Neuß

Jugendsünde: Gummistiefel

Als Jugendliche lebte ich im Oberharz und wir fuhren selbstverständlich alle Strecken mit dem Fahrrad. Unsere 20-Zoll-Klappräder, die wir als Kinder fuhren, bekamen im Winter »Schneeketten« aus Wäscheleine. Auf festem Schnee fuhren wir mit blanken Reifen, aber Anfang der 80er Jahre auch schon mit Spikes. Das heißt, wir sind auch wirklich bei jedem Wetter gefahren. Allerdings waren die Strecken nie sehr lang, es genügten Windjacken oder Anoraks. Regenhosen gab es für uns damals nicht. Gummistiefel waren obligatorisch.

Bild 1. Von: ers

Job diktiert Dresscode

Anders wurde das, als ich nach meiner Berufsausbildung in Hamburg anfing. Der Arbeitsweg war ca. 6 km und ich musste möglichst trocken und »anständig« ankommen. Ich habe für den Weg zur Arbeit nie, auch nicht, als die einfache Strecke 15 km betrug, extra Radklamotten angezogen. Ich bin immer in den Sachen gefahren, die ich auch bei der Arbeit tragen wollte.

In der ersten Zeit benutzte ich bei Regen einen Poncho. Die Nachteile waren nach wenigen Tagen offensichtlich. Der Poncho produziert einen großen Windwiderstand und wenn die Plane über dem Lenker liegt (so ist das gedacht), dann sammelt sich vor einem in der dort entstehenden Senke ein beachtliches Wasserreservoir, was bei jeder Bremsung auf die Füße schwappt. Auch wenn man das Rad verlässt, fließt das gesammelte Wasser über die Unterschenkel.

Der Poncho wurde daher sehr schnell von einer orangefarbenen Motorradkombi abgelöst (die ich noch im Schrank hatte). Sehr schnell störte mich, dass ich mich nur so mühsam aus dem Einteiler rausschälen konnte und ich kam mir darin ziemlich astronautenmäßig vor, wenn ich nach der Arbeit noch in ein Geschäft zum Einkaufen gehen wollte. Auch das Schwitzen in der Kombi machte sich unangenehm bemerkbar. Nach der Regenkombi fuhr ich mehrere Jahre mit einer Hosen-Jacken-Kombination von Helly Hansen. Die Sachen waren PU-beschichtet und sehr handlich und leicht, die Jacke konnte zur Belüftung auch offen getragen werden und anscheinend reichte das damals für den kurzen Arbeitsweg. Die Hose zog ich nur selten an, weil es gar nicht so oft so schrecklich regnet.

Reiseklamotten

Ende 1986 (drei Jahre nach Jobbeginn) plante ich eine längere Radtour durch den Nordosten der USA und im Rahmen dieser Vorbereitung gönnte ich mir die erste atmungsaktive Jacke, damals noch die »Billigversion« des Gore-Patents, nämlich Texapore von Jack Wolfskin. Es kann sein, dass ich damals schon eine Regenhose von »The North Face« dazu kaufte, oder ich fuhr in den USA noch die Helly-Hansen Regenhose. Da wir dort im Frühjahr unterwegs waren, wo es bei schlechtem Wetter auch oft unter 10°C kalt wurde, hatten wir keine Probleme mit dem Nassschwitzen unter den Jacken.

Angenehm war, dass man, wenn man nassgeregnet und auch ein bisschen nassgeschwitzt war, beim Zeltaufbauen die Jacke anließ und ohne auszukühlen unter der Jacke wieder trocken wurde. Dafür reicht die Atmungsaktivität auf jeden Fall aus und dies ergibt einen erheblichen Komfortfaktor, wenn man in dem feuchten Zeug nicht frieren muss. Später habe ich mal die Beobachtung gemacht, dass ich nach einem sehr verregneten Eisschnellauftraining mit nassen Rennklamotten in meine Gore-Tex-Hose gestiegen bin und mit dem Rad eine Stunde nach Hause gefahren bin. Als ich ankam, waren meine Klamotten unter der Hose getrocknet.

Die erste Texapore-Jacke hielt ungefähr drei Jahre, dann war die Membran durchgescheuert. Die nächste Jacke wurde dann eine »echte« Gore-Tex, mit der ich viele Jahre zufrieden Rad gefahren bin. Ich habe dann nochmal aus farblichen Gründen (ich wollte eine durchgehend gelbe Jacke, um besser gesehen zu werden) eine T3000 von Jeantex gekauft, von der ich maßlos enttäuscht war. Sie war weder richtig atmungsaktiv noch wirklich regendicht und das Außenmaterial nahm jeden Schmutzpartikel gierig auf und gab ihn auch nach mehrfachem Waschen nicht mehr her. Ich habe die Jacke dann bei Jeantex reklamiert und mich von dem Material distanziert.

War meine erste Jacke noch im Stil eines Anoraks, änderte sich das sehr schnell. In den letzten Jahren habe ich fast ausschließlich einlagige Gore-Tex-Jacken im sportlichen Blousonstil gekauft (Sugoi oder die Kolibri von Gore). Zum Radfahren reicht mir diese Jacke als Wind und Wasserschutz. Die Wärmeregulierung erfolgt über die Schichten, die darunter angezogen werden konnten. Wichtig ist mir bei den dünnen Jacken die Unterarmbelüftung, ein eng abschließender Kragen und weitenverstellbare Ärmelbündchen, die so weit sein müssen, dass man sie über die Handschuhe ziehen kann. Auf Kapuzen kann ich verzichten. Unterm Helm trage ich dünne Stirnbänder oder »Schlauch-Schals« (Buffs).

Hosen und Alternative

Regenhosen sind viel schwieriger zu finden. Meine erste Gore-Tex-Hose von North Face ist bis heute unerreicht. Das Material war strapazierfähig genug, um vom Radfahren nicht durchgescheuert zu werden und sie hatte eine gute Passform für meine breiten Hüften mit den kurzen Beinen. Das Beste war aber der durchgehende Seitenreißverschluss! Man konnte sich die Hose anziehen, ohne mit den Schuhen durch die Hosenbeine steigen zu müssen. Einfach im Bündchen mit Druckknöpfen verbinden und anschließend die Seitenverschlüsse schließen. Heute bekommt man diese Art von Hose nur fürs Wandern, was bedeutet, dass der Hosenboden nicht fürs Radfahren verstärkt ist, was sehr schnell zum Verlust der Wasserdichtigkeit führt.

Bild 2. Von: Andreas Oehler

Das andere Problem bei Regenhosen ist, dass die Größenauswahl, besonders das Verhältnis von Beinlänge und Hüftbreite nicht variabel gestaltet ist. Ich bin noch nicht mal übergewichtig und muss trotzdem viel zu lange Hosenbeine in Kauf nehmen, was extrem lästig ist.

Alternativ habe ich seit zwei Jahren die »Rainlegs« in Benutzung. Dieser reine Oberschenkelschutz ist besonders bei warmem Sommerregen ideal, weil man kaum darunter schwitzt. Das Anlegen dieser »Schürze« finde ich immer noch umständlich, obwohl ich nicht wüsste, wie man es besser machen sollte. Ich ziehe sie im Sommer deutlich häufiger an als ich eine Regenhose anziehen würde.

Regenklamotten erhöhen den Fahrtantrittsaufwand

Damit meine ich den Aufwand, der notwendig ist, bis man mit dem Rad auf der Straße ist (aus dem Keller holen, Tasche befestigen, Wetterkleidung anziehen, Leuchtgurt und Hosenbänder umlegen, Helm auf …). Daher muss Regenkleidung so einfach wie möglich anzuziehen sein. Auf jeden Fall muss der Fahrtantrittsaufwand im richtigen Verhältnis zur zu fahrenden Strecke stehen. Je länger ich fahren muss, desto mehr Aufwand nehme ich in Kauf. Interessant war die Zeit, als ich mit dem Liegerad und einer Verkleidung (Streamer) gefahren bin. Bei einem Arbeitsweg von 15 km einfache Strecke hielt sich der Vorteil des Streamers die Waage mit dem zu ertragenden Mehrgewicht und mit der größeren Unhandlichkeit des Fahrrades wegen des Streamers. Es war jedes Mal nett, keine Regenhose anziehen zu müssen. Kurzfristig hatte ich mir sogar aus Isomatte einen langen »Kragen« gemeufelt, den ich umlegen konnte und so die Lücke bis zum Streamer schließen konnte. Das war bei Sommerregen angenehm, weil ich darunter nur ein T-Shirt brauchte. Allerdings war das Anlegen des Kragens dann doch zu umständlich, deshalb habe ich ihn nur wenige Male benutzt. Genau an der Stelle kippte das »System« wegen zu viel Aufwand und zu geringem Nutzen.

Das andere Extrem war eine Zeitlang ein Arbeitsweg von knapp 4 km. Da habe ich so gut wie nie spezielle Regenklamotten dabeigehabt, weil es sich wirklich überhaupt nicht lohnte. Damals habe ich mich immer über die zu kurze Fahrtstrecke geärgert, weil sie mich dazu verleitete, mich nicht passend anzuziehen und ich sehr häufig nass, durchgeschwitzt oder verfroren ankam. Die Folge war, dass ich bei der nächsten Wohnungssuche Wert darauf legte, dass der Arbeitsweg zwischen 10 und 15 km lang wurde.

Wegen des Fahrantrittsaufwands habe ich auch selten Regenüberschuhe benutzt. Nur bei sehr starkem Regen greife ich zu den kurzen oder sogar langen Gamaschen. Auch hier gibt es ein Größenproblem. Wenn die Gamaschen von der Fußlänge her passen, sind sie in der Wade für mich nicht weit genug. Gummistiefel kommen kaum in Frage, weil ich darin nicht gerne den ganzen Tag rumlaufe.

Unter normalen Umständen (mittlerweile nur noch 10 km Arbeitsweg) fahre ich auch im Winter mit leichten Turnschuhen und packe ein paar trockene Wollsocken(!) ein. Wolle deswegen, weil sie auch im feuchten Zustand warm hält und gut abtrocknet. Baumwolle bleibt zu lange nass und kalt. Im Sommer habe ich entsprechend dünne Wollsocken, weil das Problem dasselbe ist.

Handschuhe

Ein besonderes Thema. Fahren im Herbst und Winter macht mir nur Spaß, wenn meine Hände dabei warm und trocken bleiben. Sobald die Temperaturen regelmäßig unter 10°C liegen, ziehe ich lange Handschuhe an, auch wenn sie nur ganz dünn sind. Im Winter waren für mich lange Zeit die einfachen Lammfell-Handschuhe, die man damals regelmäßig bei Aldi kaufen konnte, ideal. Mittlerweile muss man schon richtig suchen, bis man gute Fausthandschuhe findet. Bei wirklich kaltem Wetter sind Fausthandschuhe unschlagbar. Alternativ kann man die »Lobster«-Dreifingerhandschuhe nehmen, die eine Trennung von Mittel- und Ringfinger haben, sodass man besser schalten und bremsen kann.

Bild 3. Von: Daniel Guip

Trotzdem bleiben immer zwei Finger zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Ich habe in den letzten Jahren einiges an Geld investiert, um für jede Wetterlage die richtigen Handschuhe zu haben. Im vergangenen Winter verbesserte ich den Wärmeschutz mit ein paar Merinowolle-Handschuhen, die ich unter die normalen Handschuhe anzog. Ähnlich wie die Merino-Unterwäsche ist immer eine trockene Schicht auf der Haut. Handschuhe mit sehr langen Stulpen, die man nicht unter die Ärmel zwingen kann haben den Nachteil, dass Regenwasser am Jackenärmel nach unten läuft und sich in der Stulpe sammelt und in den Handschuh eindringt (gilt nur für Aufrecht-Fahrer, nicht für Liegerad). Auch eine Schneewehe im Handschuh ist unangenehm.

Kopf und Augen (Brille!)

Regenschutz für den Kopf brauche ich extrem selten. In den Helm dringt kaum Wasser ein und ich habe auch genug Haare auf dem Kopf, die mich vor Auskühlung schützen. In der kälteren Jahreszeit fahre ich mit Fleece-Stirnbändern und ganz selten ziehe ich einen Gore-Überzug über den Helm. Bei einer meiner Jacken hatte ich mal eine dünne Kapuze, die man gut unterm Helm tragen konnte. Der Helm sorgte dafür, dass die Kapuze eng am Kopf anlag und beim Umschauen nicht die Sicht versperrte, was sonst bei Kapuzen oft der Fall ist.

In den kühleren Jahreszeiten fahre ich viel lieber und viel mehr Rad als im Sommer. Das liegt nicht nur an den angenehmen tiefen Temperaturen, sondern auch daran, dass bei kühlem Wetter nicht so viele Anfänger auf den Radwegen rumeiern, man kommt einfach viel besser voran. Und bei Schnee kann man auf der Straße fahren, wenn man die Pöbelei der Hamburger Autofahrer erträgt.

Es gibt Wetterlagen, z. B. der sehr ergiebige und sprühfeine Nieselregen, der direkt von der Küste kommt, bei denen man auf Hamburger Radwegen herrlich einsam ist. Dieser Regen ist aber auch eine Herausforderung für mich als Brillenträgerin. Die feinen Tropfen (ähnlich auch wie die Feuchtigkeit von dichtem Nebel) können einen fast völlig blind machen. Große Regentropfen sind da gar nicht so schlimm. Es hängt auch vom Sehfehler ab, wie stark einen die Regentropfen stören. Wer weitsichtig ist wie ich, fokussiert auf Brillenglas-Ebene noch gar nicht, sodass die Regentropfen nur wie ein Grauschleier wirken. Ein gutes Hilfsmittel gegen Regen war der »Speed Screen«, der lange von Riese und Müller vertrieben wurde. Man kann sich aber behelfsmäßig so eine Scheibe auch aus Verglasungsfolie selber herstellen und mit einem kräftigen Klettband an der Vorderkante des Helms befestigen. Wenn man die Folie dabei etwas erwärmt, nimmt sie die Krümmung des Helms an und löst sich nicht so schnell vom Klettverschluss.

Diese Regenscheibe kann man schnell mit der Hand abwischen und hat dadurch wieder bessere Sicht. Allerdings habe ich noch keine Möglichkeit gefunden, den Helmspiegel mit dem Regenschutz zu kombinieren

Es soll mal eine geniale kleine Erfindung gegeben haben, deren Markteinführung aber aus Sicherheitsgründen verboten wurde:

Jemand hatte ein Stückchen Auto-Scheibenwischerblatt mit einem »Fingerling« kombiniert. Auf den Zeigefinger geschoben, konnte man damit sein Brillenglas freiwischen. Angeblich war dieses Lenker-Loslassen-und-mit-der-Hand-über-die-Augen-Wischen der Grund, warum es nicht auf den Markt gekommen ist, aber jeder kann das für sich ausprobieren.

Bild 4. Von: Andreas Oehler

Fazit

Regenschutz ist etwas sehr Individuelles. Die Wahl des perfekten Schutzes hängt von der zu fahrenden Strecke, von den eigenen Kleidungsansprüchen und von einigen anderen Faktoren, wie Fahrradtyp, Wegstrecke und typische Windverhältnisse ab. Jeder muss für sich aus den gegebenen Möglichkeiten und letztendlich auch aus den finanziellen Umständen heraus seinen Regenschutz finden. Schlechtes Wetter ist jedenfalls kein Grund, nicht Rad zu fahren. Erfahrungsgemäß brauche ich viel weniger wärmende Kleidung, wenn ich im Winter Rad fahre, als wenn ich mir im Winter an der Bushaltestelle die Beine in den Bauch stehe und mich dann in der gefüllten U-Bahn vollhusten lasse. Wer noch nie bei kühlen Temperaturen Rad gefahren ist, weil es ihm zu kalt ist, hat noch nie die Erfahrung gemacht, wie angenehm warm man beim Radfahren wird und wie wenig die niedrigen Temperaturen das Wohlbefinden beeinflussen.

Ein bisschen Experimentierfreude gehört natürlich dazu, den richtigen Regenschutz für den Alltag zu finden, an Angeboten mangelt es jedenfalls nicht.

Zur Autorin

Juliane Neuß, von Beruf Technische Assistentin für Metallographie und Werkstoffkunde. Ihre Berufung: Fahrradergonomie. Betreibt seit 1998 nebenberuflich die Firma Junik – Spezialfahrräder und Zubehör, hat 6 Jahre lang die Filiale eines Fahrradladens in Hamburg geleitet und schreibt regelmäßig die »Tech Talks« für die Radwelt (ADFC). Lebt autofrei mit 8 bis 12 Fahrrädern und 8.000 bis 10.000 km pro Jahr.