Ausgabe 13 · April 2011
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Stefans Faltverkleidung
Bequem UND trocken?
Mal wieder patschnass geworden. Es ist morgens, kurz nach sechs, und mir fällt erst auf dem Weg zum Fahrradschuppen auf, dass es »ein bisschen« regnet. »Bis zum Bahnhof wird’s schon gehen«, denke ich. Wie immer in Eile und ganz ohne Lust, den Poncho rauszukramen, den ich für den Fall eines Falles immer im Rucksack habe.
Vor Kälte zitternd fällt mir im Zug sitzend ein, dass ich doch vor einigen Jahren, in Werner Stiffels Fußstapfen tretend, einen oben gelenkten Kurzlieger gebaut hatte. Und war ich nicht damals der festen Überzeugung, DAS Alltagsrad schlechthin »erfunden« zu haben? Genauso kompakt wie ein Upright, mit Platz fürs Gepäck und natürlich effektivem Regenschutz!
Nun, da ich mehrere Jahre mit schlechten Abstellmöglichkeiten und starken Steigungen auf meinen Alltagsstrecken kämpfen musste, hatte diese »geniale« Konstruktion lange Zeit ein Schattendasein gefristet. Aber nun, im flachen Biel wohnend, sollte sich das Regenschutzproblem mit dieser Maschine doch in den Griff bekommen lassen!
Grundsätzliche Überlegungen
Welche Anforderungen sind mir im städtischen Alltagsverkehr wichtig?
Die Verkleidung soll:
- auch die Füße und Beine gut schützen (spezielle Regenhosen und Gamaschen finde ich auf kurzen Strecken besonders umständlich).
- sollte »oben« nicht viel mehr als Kopf, Schultern und der Brustbereich ungeschützt lassen (bei schlechtem Wetter eine atmungsaktive Regenjacke anzuziehen ist für mich in Ordnung, aber ansonsten möchte ich im Alltag keine spezielle Fahrradkleidung tragen müssen).
- beim Auf- und Absteigen und Anhalten so wenig wie möglich stören (gerade auf Kurzstrecken macht man das schließlich andauernd).
- das »im Fahrradkeller unterbringen« oder »im ÖPNV mitnehmen« möglichst wenig beeinträchtigen.
Was davon mit einem für den Alltagsverkehr konzipierten Kurzlieger realisierbar ist, soll im weiteren Artikel dargestellt werden.
Trial and Error
Anfangs hatte ich eine Zzipper-artige Frontverkleidung montiert (US-Fabrikat von »Müller«), und diese nach oben mit einem angekletteten Stück Isomatte verlängert. Dank der Obenlenkung glaubte ich, mich an einer aufwendigen Halterung »vorbei schummeln« zu können … und der Regenschutz war gar nicht so schlecht. Allerdings: die Beine waren bei starkem Regen nur mäßig geschützt, da die Verkleidung seitlich kaum nach unten reichte, also von der Seite gesehen sehr »flach« war. Auch war das Auf und Absteigen etwas nervig. Nach einiger Zeit merkte ich, dass diese Lösung u. a. daran krankte, dass die Verkleidung »mitschwenkt«, da sie unten am Gabelausfallende befestigt war. Das »Mitlenken müssen« machte die Maschine nicht gerade agil …
Was mich aber besonders ärgerte, war die »Sperrigkeit« des ganzen Fahrzeugs. In Bezug auf die »Länge über Alles« war ich meines Erachtens noch im grünen Bereich (< 1.900 mm, was einem lang gebauten Reiserad mit 622er Laufrädern entspricht), aber die Breite von 550–600 mm war doch sehr lästig. Gerade wenn man häufig durch Türen muss, vielleicht noch mit Rucksack auf dem Rücken, wurde es eng. Meine quietschgelbe, hübsche Heckbox machte dabei natürlich alles nur noch schlimmer. Mir fiel bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal bewusst auf, dass »Uprights« meist nur am Lenker etwas breiter sind und sich sonst erfreulich »dünn« machen. Klar, wenn man sein Rad nur selten im ÖPNV mit nimmt, es draußen am Laternenpfahl parken kann oder gar über eine geräumige Garage verfügt, ist das ziemlich egal. Ansonsten kann allein schon die schlichte »Breite« eines muskelkraftbetriebenen Alltagsfahrzeugs ganz schön unpraktisch sein.
Kurzum, der Zzipper wurde demontiert und schon war mein Lieger zumindest vorne wieder schlank.
Falten?!
Eine neue Teilverkleidung sollte her. Das Prinzip von Werner Stiffels »Rotem Falter« gefiel mir eigentlich sehr gut: klappbare Stoffverkleidung auf Stahlrohrgestell.
Genial finde ich insbesondere das blitzschnelle Falten bei gleichzeitig gutem Regenschutz und beim Aufsteigen stört sie auch nicht. Allein, breit war diese Verkleidung leider auch. Also nix. Was gibts sonst noch? Sehr gut gefiel mir eigentlich immer der Allwetterschutz (siehe auch Lösungen von Alfred Schaefer).
Seit neuestem gibt es ihn angeblich auch für Kurzlieger und die Miniversion zur Kombination mit einem Zipper finde ich auch nicht schlecht. Wenn da nicht das »Einsteigen« wäre. Eine Weile hatte ich also oben genannten Müller-Zzipper mit einem leichten Wanderponcho kombiniert. Da er sich unten (wie ein US-Armee-Poncho) ganz aufknöpfen ließ, konnte man ihn erstaunlich gut anpassen und schon eine provisorische Befestigung mit Duct-Tape funktionierte sehr gut. Auch bei Wolkenbrüchen blieb alles trocken (außer den Beinen wg. der Zipperform, siehe oben) und beim Fahren störte nichts. Bis zum ersten Anhalten. Wegeketten in der Stadt sind damit leider kein Vergnügen, im Gegensatz zum Poncho am Upright musste man sich aus diesem Nässeschutz bei jedem Stop mühsam herausschälen.
Ich habe daher in den Tiefen der Geschichte der Human Powered Vehicles gestöbert und fand eine Konstruktion von Arndt Last (Anfang der 90er), die schon mehr nach meinem Geschmack war: Stoff über in Längsrichtung angeordnete Stäbe aus faserverstärktem Kunststoff gespannt.
Das Ganze war an einem Langlieger montiert, der Befestigungspunkt vorne braucht dabei natürlich keinen speziellen Ausleger. Nichts anziehen und nichts befestigen zum Aufsteigen – super.
Wie wäre es also, die Verkleidung in Längsrichtung faltbar zu machen? So stört sie nicht groß, wenn sie nicht gebraucht wird, ist aber immer dabei und bei Regen blitzschnell ausgefaltet. So dachte ich mir das jedenfalls …
»Drachen«-Stäbe fand ich spontan sympathisch, allerdings schreckte mich etwas die Splittergefahr bei Unfällen. Auch hatte ich hier vor Ort keine passende Bezugsquelle gefunden.
Die Konstruktion
Deshalb entschied ich mich für ein in Längsrichtung zusammenfaltbares »Grundgerüst« aus vier relativ dicken Aluminiumrohren kombiniert mit einer Textilbespannung. Diese Halterung ist mit großen Schlauchschellen parallel am Zentralrohr drehbar angebracht.
Die Textilbespannung ist aus Zeltstoff genäht. Ich habe mich für ein silikonbeschichtetes Außenzeltgewebe aus Polyester entschieden. Es ist sehr stark wasserabstoßend, angeblich UV-stabil und mit ca. 100 g/m2 eher von der robusten Sorte. Das Material scheint mir optimal, allerdings erfordert es etwas Nachdenken bei hoch belasteten Nähten und an typischen Scheuerstellen (siehe unten).
Über die Befestigung habe ich mir ziemlich lange den Kopf zerbrochen, da ich wollte, dass der Stoff besonders schnell abnehmbar ist. Das ist vor allem am Anfang, wenn man oft auf- und abbaut und die Bespannung anpasst, wichtig. Hinterher allerdings, wenn alles fertig ist, bleibt Textilbespannung sowieso immer am Rad und die rasche Abnehmbarkeit verliert an Relevanz. Ich habe also unten kleine Taschen
für die Enden der seitlichen Rohre genäht und zusätzlich fünf Fastexschnallen angebracht. Die Konstruktion mit den Steckschnallen war auch wegen der aufwendigen Verstärkungsdreiecke viel zu kompliziert. Heute würde ich eher mit Druckknöpfen (entweder direkt ans Rohr geschraubt oder in Form eines »aufknöpfbaren« Stofftunnels) experimentieren.
Vielleicht kann man einen verstärkten Randsaum auch direkt mit kleinen Schrauben am Rohr fixieren und während der »Bauphase« den Stoff einfach mit großen Klammern oder Duct-Tape (eventuelles Problem: die Silikonbeschichtung, auf der nichts haftet) provisorisch fixieren? Ein Klettverschluss zieht sich auf Grund der schräg angreifenden Zugkräften an den seitlichen Unterkanten der Textilverkleidung wohl im Gebrauch auf.
Sinnvoll wäre in jedem Fall eine Befestigung auf der Unter- oder der Innenseite der seitlichen Rohre. So wie ich es konstruiert habe, wird der Verkleidungsstoff, der auf Außenseite der Rohre aufliegt, beim Umfallen oder versehentlichem Kontakt mit der Wand im Treppenhaus rasch durchgescheuert.
Ein weiteres Problem war die zunächst fehlende Fixierung oben an den beiden zentralen Rohren. Wenn die Verkleidung nicht am Lenker fixiert wird, was ich mittlerweile für besser halte, rutscht der Stoff sonst beim Öffnen der Verschlüsse zur Seite. Optimal wären vermutlich Stoffkanäle für diese Rohre. Diese sind jedoch relativ aufwendig zu nähen. Auch ist eine exakte Positionierung nicht ganz trivial. Ich habe daher selbstklebendes Klettband verwendet, auf der Stoffseite zusätzlich vernäht. Die exakte Position habe ich direkt an der Verkleidung bestimmt und dann das Klettband direkt mit Stecknadeln fixiert.
Kopfzerbrechen hat mir auch die Stabilisierung oben bereitet. Eine knapp genähte Tasche, in die ein Stück Isomattenmaterial Zwecks Versteifung eingeschoben wird, sorgt hier für einen »freitragenden« Rand, der für guten Regenschutz im Brustbereich sorgt. Die Verkleidung lässt sich außerdem links und rechts oben am Spannsitzgestell mit Fastexschnallen fixieren.
Die Form und der Regenschutz sind so optimal, alleine auf Kurzstrecken muss man sich halt mit dem Öffnen und Schließen eines Verschlusses anfreunden. Auch ist ein gewisses »eingepackt sein« Gefühl um die Schultern gewöhnungsbedürftig. Ich habe daher auch mit einer elastischen, verstellbaren Befestigung an den recht langen Lenkerenden experimentiert. Zum Aufsteigen schon etwas besser, die Auswirkungen auf die Lenkung hielten sich in Grenzen, waren aber lästig.
How To
Zuerst habe ich grob den Kurbelkreis (mit Fuß auf dem Pedal ausgemessen und dann den Platz für die Knie geschätzt. Danach habe ich die beiden seitlichen Rohre auf einem speziellen Rohrbieger (»Robend« 20 mm v. Rothenberger, siehe unten) gebogen.
Die beiden mittleren Rohre habe ich in Ermangelung einer Biegelehre mit passendem Radius »in Etappen« gebogen und das erste der Rohre als Schablone für das zweite genutzt. Da ich eine Obenlenkung habe, habe ich die oberen Rohrenden einige Zentimeter vor dem Lenker abgelängt. Hier macht es Sinn, etwas Nachdenken zu investieren, denn: Die Rohrenden sollen einerseits die Bespannung nebst Aussteifung gut und ohne Stufe abstützen. Zum Anderen sollen sie das Vorklappen des Lenkers nicht behindern. Eventuell ist es sinnvoll, die Rohre noch ein gutes Stück über den Lenker hinweg nach hinten zu führen oder stärker zu kürzen. Mir waren diese Zusammenhänge zunächst nicht ganz klar. Beim Lieger mit Unterlenkung ist man natürlich freier in der Positionierung der Rohrenden.
Um die Stoffverkleidung zu nähen, muss man erstmals eine Idee haben, wie die einzelnen Segmente aussehen müssen. Ich habe daher zunächst mit einer (zu) steifen Folie und Packband eine provisorische Verkleidung über das Verkleidungsgerüst gespannt.
Diese habe ich dann aufgeschnitten und fertig war das Schnittmuster.
Stoff von ähnlicher Steifigkeit wie das eigentlich zu verwendende Verkleidungsmaterial ist übrigens als Schnittmustermaterial besser geeignet. Insgesamt sollte man sich darum bemühen, unnötige Nähte zu vermeiden, wenngleich die Situation nicht so kritisch wie z. B. bei einem Zelt ist. Genäht habe ich mit einem Corespun-Garn (Polyester mit Baumwollhülle). Es quillt bei Nässe etwas und dichtet den Stichkanal ab. Zum Vernähen der Segmente habe ich einfache Kappnähte verwendet, ein guter Kompromiss zwischen Aufwand und Festigkeit. Genäht wurde auf einer normalen Haushaltsnähmaschine. Das Saumband, das den unteren Rand verstärkt, ist etwas elastisch, was bei der Montage der Stoffhülle sehr praktisch ist.
Die fertige Verkleidung
Klipp-klapp
Fazit
Der Regenschutz ist sehr gut: Zusammen mit einer Regenjacke bleibt alles trocken. Zusammengefaltet macht sich das Rad auch schön schlank. Zudem geht das Falten flott (20 Sekunden) vonstatten und auch gefaltet stört nichts beim Fahren. Genau so etwas hatte ich mir damals, als ich noch jeden Tag 2 × 60 Minuten von Montreux ins Unterwallis gependelt bin, immer gewünscht!
Alles perfekt also?
Nicht ganz: Das Auf und Absteigen ist immer noch nicht so easy, wie es sein könnte, die Schwenkbarkeit des Vorbaus nicht einzuschränken, bedarf einiger Tüftelei. Die anfangs sehr langen Lenkerenden des speziellen Liegeradlenkers habe ich mittlerweile radikal gekürzt, was das Aufsteigen vereinfacht hat. Die Fastexschnallen oben am Spannsitz, die ich der Fixierung am Lenker zurzeit vorziehe, finde ich auf meinen derzeit sehr kurzen Alltagsdistanzen (in der Regel < 10min) jedoch immer noch etwas umständlich.
Am besten wäre irgendwas Steifes, was ohne weitere Befestigung mit dem Lenker in Position schwenkt. Aber wie dann Falten? Und blöderweise regnet es hier ja auch nicht täglich, jetzt, wo die Verkleidung fertig ist ;-). Aber vielleicht ist das alles nur Gewöhnungssache; es ist schließlich nur ein einziger Verschluss (der Linke), den man zum Aus- und Einsteigen bedienen muss.
Insgesamt kann ich mich allerdings der ernüchternden Erkenntnis nicht ganz verschließen, dass ein stinknormales Upright mit Poncho in der Stadt auf Kurzstrecken in Bezug auf Bequemlichkeit/»Aufwand« versus »Regenschutz« nur schwer zu schlagen ist.
In diesem Sinne: Es bleibt noch jede Menge Raum zum Experimentieren!
Stückliste
- 4 Aluminium-Rohre z. B. 20 × 1 mm ca. 1.000–1.500 mm
- 4 Schlauchschellen 70 mm (für 50er Zentralrohr und 4 × 20er, abhängig u. a. vom Durchmesser des Zentralrohrs)
- 4 Schlauchschellen 20 mm (Fixierung der inneren Abspannschnur)
- 3–4 m Saumband (leicht elastisch)
- 4 Rohrendkappen 20 mm
- Außenzeltstoff (z. B. bei Extremtextil) ca. 150 cm × 200 cm
- eine Rohrbiegezange (z. B. von Rothenberger)
Zum Autor
Stefan Buballa, Arzt, Alltags- und Reiseradler, Selbstbau eines Reiserades und eines Alltags-Kurzliegers. Er ist fasziniert von der Schlichtheit und ökologischen Effizienz muskelkraftbetriebener Fahrzeuge. Besondere Interessen: Ergonomische und leistungsphysiologische Aspekte. Besondere Schwächen: Radreisen in Afrika und Nahost …