Ausgabe 7 · Dezember 2008

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Wildcampen: Mit Zelt »on tour«

von Stefan Buballa

»Mais ne me fait pas du camping sauvage, Stefan!« (»Aber bitte mach mir kein Wildcamping, Stefan!«)

Diesen furchtsamen Ausspruch meiner lothringischen Großtante habe ich noch in den Ohren. Damals war ich Abiturient und kam auf meiner Alpensolotour auch in ihrem verschlafenen Dörfchen 30 Kilometer südöstlich von Metz vorbei. Tja, alles furchtbar gefährlich, irgendwie illegal und überhaupt: Diese Schmarotzer!

Bild 1: Endlich Morgensonne – nach einer eiskalten Nacht auf dem Altiplano

Kann man zu diesem Thema überhaupt allgemeingültige Tips geben? Gibt es da Spezielles für ReiseradlerInnen? Einige der Anregungen sind schließlich auch für’s Übernachten auf Campingplätzen gültig. Ob Wildcampen nun verboten, nur was für Selbstmörder oder gar unmoralisch ist, damit möchte ich jedoch nicht beginnen. Das muss jedeR selber entscheiden. Eines ist Ehrensache:
Beim Besitzer – so es einen gibt – eines Grundstückes frage ich natürlich vorher um Erlaubnis.

Sich irgendwo ein Plätzchen für die Nacht zu suchen, bietet sich gerade auf Reisen per Rad an. Schließlich ist frau per Rad doch die meiste Zeit auf dem Land unterwegs. Wildzelten vergrößert die Freiheit, Etappen flexibel zu gestalten. Je nach Route gibt es manchmal auch gar keine Alternative, zum Beispiel wenn über mehrere 100 Kilometer keine Siedlung existiert.

Wo denn nun?

Diesen Abschnitt hatte ich eigentlich bereits rausgeworfen, möchte an dieser Stelle jedoch einmal einige der ungewöhnlicheren Plätze erwähnen, die etwas jenseits des »sonnige Wiese«-Ideals liegen.

Bild 2: Aufstieg zum Nufenen

Gezeltet habe ich:
auf dem Gelände eines Priesterseminars, im Wald, bei Gauchos, hinter einem Hügel Straßenbauschutt in der Wüste, unterhalb diverser Passhöhen jenseits der Baumgrenzen, neben einem verlassenen Bahnarbeitercamp in den Anden (auf Windschutz hoffend), in einer Gärtnerei, an einem Wadi, bei Bauern im Heu und im Stall, am Strand (nur in einsamen Gegenden zu empfehlen) – und natürlich auch auf unzähligen sonnigen Sommerwiesen :-)!

Bild 3: Wildcampingfreuden

How-To …

Fließend Wasser zum Waschen und Kochen gibt es nicht immer, daher muss man sich rechtzeitig danach umsehen. 5 bis 10 Liter sollten reichen. Als Behälter haben sich leichte Säcke (z. B. von Ortlieb) bewährt, wenn sie zwei gegenüberliegende Befestigungsmöglichkeiten haben.

Bild 4: Unser Sohn auf Wassersuche – damit die Eltern abends seine Klamotten waschen können

Denn den doch recht schweren, schwabbeligen Sack sicher am Rad zu befestigen ist nicht ganz ohne, insbesondere wenn man noch einige Kilometer über Feldwege zum Schlafplatz hoppelt. Das Geld für einen Brausevorsatz kann gespart werden – meist fehlt der hohe Aufhängpunkt und große Duschpartys kann man mit 10 Liter sowieso nicht veranstalten. Der Verschluss sollte mit einer Hand dosierbar sein. Eventuell hilft es, Dichtringe und Gewinde mit Vaseline einzufetten. Wenn das Rad vernünftig steht, hänge ich den Sack meist mit einem Griff über den Sattel.

Beim Wildcampen ist ein Rad praktisch, das auch auf der Wiese oder auf Sand stabil steht. Eine mir bekannte Globetrotterin meinte zwar, den Ständer könnte man doch einsparen, schließlich könne man das Rad überall anlehnen und hinlegen. Gerade auf mitteleuropäischen Wiesen bin ich jedoch dankbar, einen trockenen Ablageplatz zu haben, der ausreichenden Abstand vom taufeuchten Boden hat.

Neben einer Parkbremse ist dafür ein ausreichend ausladender Ständer nebst Ständerfuß hilfreich. Wenn der Ständer trotzdem im Boden einsackt, hilft ein flacher Stein oder auch ein Zelthering (natürlich kein runder, sondern ein V-förmiger) ungemein.

Bild 5: Wasserhahn unterwegs

Eine Stirnlampe (auch ein simples Modell reicht) erleichtert die Orientierung im Zelt. Auch kann man in ihrem Licht recht gut kochen, wenn es mal spät geworden ist. In Bezug auf Orientierung und Ordnung sollte man außerdem auch den Tau sowie den freien Blick nach Osten im Auge behalten.

Bild 6: Morgens im Val Livigno

Verdammt, alles nass!

Panisch zusammenzupacken, wenn es abends zu tauen beginnt, muss nicht sein, wenn man noch in der Nachmittagssonne überlegt, was über Nacht draußen liegen bleiben kann und was unbedingt mit ins Zelt muss.

Bild 7: Je nach Höhenlage ist nicht nur Tau ein Problem, dahinter: Rad als Wäscheständer

Vorsichtig bin ich sowohl mit Kleidern als auch mit Papierkram wie Straßenkarten. Wenn Karten einmal nass werden, zerfallen sie im rauhen Tourbetrieb schnell. Am Besten lässt man sie nur selten aus ihrer Klarsichtgummizelle raus.

Es zahlt sich übrigens auch aus, immer gleich zu packen und klar zu kennzeichnen. Noch besser ist es, die Sachen, die man abends und morgens braucht, in der richtigen Reihenfolge in eine der Taschen zu packen: zum Beispiel Waschmäppchen, Unterwäsche, Socken und den Schlafsack. So liegt alles parat, denn nachts um 22 Uhr, wenn alles überraschend kalt und nass ist, sucht niemand gerne.

Feucht wird es außerhalb der Sahara oder dem Altiplano immer. Auch den allmorgendlichen Weg zurück zur Straße lohnt es sich zu bedenken. Wie überquere ich diese triefende Wiese, ohne später tagelang in nassen Radschuhen zu fahren? Ganz extrem habe ich das Problem mal in der Türkei erlebt:
An einem sonnigen Frühlingsabend fanden wir ein ruhiges Plätzchen bei einem Acker nur 500 Meter von der Straße entfernt. Nach einer durchregneten Nacht hatte diese Stecke es aber in sich: Im Nu waren die Reifen mit zähem Schlamm überzogen, ziehend und zerrend kämpften wir uns – völlig verschmiert – zurück auf die Straße …

Go east

Abendsonne ist was Tolles. Nach einem harten Tag müde vorm Zelt liegen, Tagebuch schreiben, die Route für morgen planen oder einfach vor sich hindösen – wunderbar.

Bild 8: Auch Kleinkinder finden wildcampen spannend – in Paraguay

Aber der nächste Morgen kommt bestimmt. Und wer dann zeitig weiterfahren will, sollte sich schon bei der Stellplatzsuche überlegen, wohin morgens die Sonne scheint.

Bild 9: Hält das Wetter? – Morgens im Wallis

So macht das Aufstehen mehr Spaß. Vor allem aber hilft es bei dem Hauptproblem des Zeltens: Wie trocknet man das Zelt und alles andere, was versehentlich nass wurde? Übrigens: Auch die Farbe von Textilien entscheidet über Trockenzeiten – meine Kleider wurden daher von Tour zu Tour dunkler und baumwollärmer!

Die Ökofrage

Im Unterschied zum Campingplatz fehlt natürlich nicht nur der Laden für die Brötchen, sondern auch der Mülleimer und die Toilette. Mit akribischem Müllsammeln und dem Verwenden von biologisch abbaubarer Seife ist man schon auf der sicheren Seite.

Bleibt das »Geschäft«. Vergraben ist keine schlechte Idee, eventuell auch das Papier mitnehmen. Obgleich ich Plastiktüten im Alltag hasse, auf Reisen freue ich mich über jede einzelne. Zum Schutz vor Feuchtigkeit und als mobile Mülltonne findet sie auf dem Gepäckträger (rutschsicher!) angebunden ihre zweite Verwendung.

Die Hardware

Tja, jetzt muss ich wohl auch mal was zum Zelt selber sagen. Eigentlich gibt es dazu ja schon jede Menge Informationen in Outdoormagazinen und vieles ist genauso für das Wandern und das Übernachten auf Campingplätzen gültig. Auch hängt die Auswahl stark von Jahreszeit, Region und dem eigenen Geldbeutel ab.

Ich mag ja Gelb und Rot und Lila – aber ein Zelt zum Wildcampen sieht anders aus. Grün, Braun, Sand – das sind geeignetere Farben. Das gilt übrigens auch für andere große Ausrüstungsgegenstände wie Schlafsäcke und Handtücher.

Nützlich finde ich noch zahlreiche Abspannmöglichkeiten, da man eher auf freiem Feld übernachtet und daher oft stärker dem Wind ausgesetzt ist. Spezielle Radzelte mit Radstellplatz halte ich dagegen für überflüssig, wenngleich etwas mehr Platz gerade bei schlechtem Wetter sicher nett ist. Ich schätze es, wenn ein Eingang auch bei strömendem Regen voll zu öffnen ist, das erleichtert neben dem Lüften auch das Kochen aus dem Zelt heraus.

Sozialkontakte …

In Puncto Ruhe ist es ratsam, wenn der Platz abends und nachts von der nächsten Straße nicht einsehbar ist. Morgendlicher Besuch ist weniger unangenehm, da es dann schon hell ist und man eigentlich ja bereits einpacken könnte. Klar ist: Wildcampen in Großstädten und Umgebung muss man sich hinsichtlich der Sicherheit sehr genau überlegen. Besonders riskant sind großstadtnahe Strände.

Aber glücklicherweise bewegt sich ein Reiseradler (im Gegensatz zum Backpacker) zu einem großen Teil ausserhalb von Städten. Inwiefern man seine Ruhe hat, hängt neben der Bevölkerungsdichte auch davon ab, ob man als zeltender Reiseradler eine besondere Attraktion darstellt oder nicht. Im Niltal hat man auch in dem tollen Versteck hinter Zuckerrohrfeldern viel schlechtere Karten als auf einer Alm in den französischen Alpen.

Bild 10: Abendstimmung …

Fazit

Zelten fernab von Campingplätzen hat seinen eigenen Charme. Der Preis der fehlenden Infrastruktur wird durch die größere Unabhängigkeit, das Naturerlebnis und manchmal auch nette Bekanntschaften mehr als aufgewogen.

Sicherheitspanik ist in den meisten Fällen unbegründet: Komischerweise sind 99,5 Prozent der Menschen auf der Erde genau wie Sie und ich:
eigentlich ganz nett, hilfsbereit und nicht die Spur kriminell.

Weitere Informationen zum Thema.

Zum Autor

Stefan Buballa, Arzt, Alltags- und Reiseradler, Selbstbau eines Reiserades und eines Alltags-Kurzliegers. Er ist fasziniert von der Schlichtheit und ökologischen Effizienz muskelkraftbetriebener Fahrzeuge. Besondere Interessen: Ergonomische und leistungsphysiologische Aspekte. Besondere Schwächen: Radreisen in Afrika und Nahost …