Ausgabe 7 · Dezember 2008

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Selbstbausitze – günstig und individuell

von Christoph Dörffel

Warum selber bauen?

Heutzutage gibt es viele gute Liegeradsitze in verschiedenen Preisklassen zu kaufen, wodurch die Motivation zum Selber bauen sinkt. Diese Sitze stoßen aber an ihre Grenzen, wenn es darum geht spezielle Anforderungen an die Ergonomie oder die Montage zu erfüllen. Solche Anforderungen können z. B. breitere Sitzlehnen, stärkere der Lordosenunterstützung und Sitze für Kinderliegeräder und Prototypen sein.

Meine persönliche Motivation zum Sitzbau, war der Wunsch nach einem preisgünstigen Spannsitz, der bei meinem hohen Liegerad die Sitzhöhe kaum vergrößert und gute Einstellmöglichkeiten bietet.

Alle mir bekannten käuflichen Liegeradsitze erfüllten diese Anforderungen nicht:

  • Unter 130 € bekommt man keine neuen Spannsitze und gebrauchte Spannsitze sind äußert rar
  • Auch bei käuflichen Modellen ist ein Anpassung des Sitzes an das Rad notwendig, wobei die Befestigung an den verwendeten dünnwandigen Rohren problematisch ist
  • Eine geringe Bauhöhe der Sitzfläche hat von den mir bekannten Spannsitzen nur der Flevo Basic Sitz und der Sitz der Greenmachine
  • Eine Verstellmöglichkeit der Lehnenneigung gibt es nur beim Sitz der Greenmachine

Meine Sitzerfahrungen

Da ich schon seit ein paar Jahren Liegerad fahre, habe ich Erfahrungen mit verschiedenen Sitzen und Polstern gesammelt. Am Anfang hatte ich auf meinem Liegerad einen selbst ausgesägten Zephyrholzsitz verbaut, der mit einem offenporigen Schaumstoff gepolstert war. Der Sitz war an sich bequem aber die Polsterung war nur mittelmäßig und wurde später durch eine deutlich bessere Pedalkraftmatte ersetzt.

Da die Sitzbefestigung öfter Probleme bereitete, wurde sie regelmäßig verändert. Im dicken Sperrholz des Sitzes waren zwar Bohrung unproblematisch, aber durch eine ungenügende Abstützung bekam der Sitz einen Riss und musste mit zwei Sperrholzplatten geflickt werden, hielt dann aber wieder.

Bild 1: Liegerad mit Zephyrsitz nach diversen Umbauten

Als ich ein Liegetriketandem baute, verwendete ich einen gebrauchten Novosport GFK-Sitz. Er war deutlich schmaler als mein Zephyrsitz und passte daher nicht ganz so gut. Da ich das Tandem sehr wenig nutzte, sammelte ich mit diesem Sitz kaum Erfahrungen. Meine Frau bekam einen einfachen Alu-PE-Sandwichsitz, mit dem ich allerdings aufgrund des Größenunterschieds nicht fuhr.

Bild 2: Mein Liegetriketandem mit Novosportsitz und Alu-PE-Sandwichsitz

Als meine Frau nach dem Verkauf des Tandems auch ein Liegerad wollte, kauften wir in Holland ein gebrauchtes Flevo Basic. Als ich es für die Überführungsfahrten zu den Bahnhöfen nutzte, war ich begeistert vom Komfort des Spannsitzes. Aber durch die Anpassung des Rades an meine Frau (Ausleger und Kette kürzen, kurze Kurbeln) kann ich das Rad nicht mehr fahren, auch wenn es mir sehr gut gefällt. Für mich war aber klar, dass ich für mein Rad auch einen Spannsitz wollte.

Bild 3: Flevo Basic (Sonderform mit Federung) mit gutem Spannsitz

Letzten Winter bekam ich einen gebrauchten Selbstbauspannsitz geschenkt. Das Gestell war aus dünnem Stahlrohr und mit Autogurten bespannt. Vom Fahrgefühl her war er wunderbar. Leider zeigten sich an den Schweißnähten bald Risse, da meine Befestigung nicht optimal war, die Schweißnähte nur per MAG und nicht per WIG geschweißt waren und der Sitz unter meinem recht hohen Gewicht und den schlechten Straßen hier in Chemnitz litt.

Bild 4: Mein Eigenbauliegerad mit Gurtspannsitz

Also kam erstmal der Zephyrsitz aus dem Keller wieder auf mein Rad und ich machte mir Gedanken über eine einfache Spannsitzkonstruktion.

Mein Sitzkonzept

Der Sitz sollte eine Low-Tech Variante des Sitzes der Greenmachine werden, also ein verstellbare Stofflehne und eine feste Sitzfläche. Als Material für Sitzfläche und Rahmen wählte ich Holz aus, da es leicht und ohne Spezialwerkzeug zu bearbeiten ist und die Anbringung von Befestigungselementen im Vollmaterial unproblematisch ist.

Sitzfläche und Lehne sind nur über eine Achse verbunden, was zwar die Gesamtsteifigkeit des Sitzes mindert, aber es ermöglicht die Lehnenneigung zu ändern ohne die Sitzfläche zu kippen. Dieser Punkt war mir wichtig, da ich eine für mich optimale Sitzposition finden wollte.

Der Sitz ist aus leicht austauschbaren Einzelteilen aufgebaut, damit diese im Falle eines Defektes ersetzt werden können, ohne den kompletten Sitz erneuern zu müssen. Dies war mir besonders wichtig, weil ich in Internetforen öfter von Problemen mit Sitzgestellen gelesen hatte und auch bei meinem ersten Spannsitz das Gestell an den Schweißnähten gerissen war. Da ich bei einzelnen Spannsitzen an den Nähten gerissene Bespannungen gesehen habe, bleiben die Nähte der Bespannung kraftfrei. Die Bespannung wird durch Schrauben fixiert und durch die Lehnenteile geklemmt.

Die Maße für die Lehnenlänge, die Sitzfläche und die Position der Lordosenstütze (die Biegung im Rückenbereich) übernahm ich vom Zephyrsitz.

Bild 5: Mein Spannsitz in der ursprünglichen Variante kurz nach der Fertigstellung

Umsetzung

Nachdem meine Planungen abgeschlossen waren ging es ans Bauen. Der eigentliche Bau war an einem Tag erledigt und umfasste folgende Arbeitsschritte:

  1. Vorbereitung
    Für die wichtigen Freiformteilen (Lehnenseitenteile, Sitzstreben, Sitzfläche) werden Pappschablonen ausgeschnitten, um Teile anzureißen.
  2. Aussägen der Teile.
    Die angerissenen werden mit einer Stich- oder Bandsäge ausgesägt. Bei den Lehnenteilen empfiehlt es sich immer 2 zusammen zu sägen, damit sie hinterher einigermaßen deckungsgleich sind.
  3. Bohren
    Alle Einzelteile werden mit den notwendigen Bohrungen versehen. Es empfiehlt sich auch hier die Lehnenteile Paarweise zu bohren.
  4. Lackieren der Einzelteile
    Die Einzelteile sollten vor dem Zusammenbau lackiert werden, damit sie vollständig lackiert sind und auch in den Spalten keine Feuchtigkeit ins Holz eindringen kann. Vor dem Lackieren müssen natürlich alle Teile geschliffen werden.
    Bild 6: Zu Versuchszwecken montiertes Sitzgestell
  5. Nähen
    Der Stoff wird großzügig gesäumt, damit später die Einschlagösen genug Material haben. Die groben Abmaße des Stoffes erhält man durch das Zusammenlegen der Lehneneinzelteile und das Anlegen einer Zeitung als Schnittmodell
  6. Montage
    Die Innenteile der Sitzlehnen werden mit den Querstreben durch Spaxschrauben verbunden und die Schlossschrauben durch ihre Bohrungen gesteckt. Die Schrauben dienen zum ermitteln der Position der Löcher für die Einschlagösen im Bespannstoff.
    Die Positionierung der Löcher im Stoff erfordert etwas Augenmaß, da der Stoff einerseits gespannt werden soll, anderseits aber nicht sehr dehnbar ist. Es empfiehlt sich hier Loch für Loch vorzugehen. Durch die Wahl des Lochabstandes lässt sich die Sitzhärte sehr gut einstellen. So habe ich im Bereich der Lordosenstütze, wo die Kraft beim Treten abgestützt wird, den Stoff sehr straff gespannt. Im Schulterbereich, wo ich etwas Spielraum zum Bewegen benötige ist der Stoff nur minimal vorgespannt.
    Insbesondere das Lochen des Stoffes ist mit dem mitgelieferten Werkzeug recht problematisch. Wenn man kein Profiwerkzeug hat, sollte man diesen Arbeitsschritt evtl., von einem Schuster oder Sattler erledigen lassen. Nach dem Bespannen des Gestells werden die Außenteile der Lehne aufgeschraubt.
    Die Sitzfläche wird mit den kleinen Spaxschrauben auf die formgebende Unterkonstruktion geschraubt und dann mit der Lehne durch die Einschraubgewinde und die M8 Schrauben verbunden.
  7. Befestigung des Sitzes
    Die Sitzfläche wird mit einer Schelle am Rahmen befestigt und die Lehne gelenkig mit dem Rahmen verbunden. Zusätzlich wird die Lehne mit langen Aluprofilen am Hinterbau abgestützt. Diese Methode ist aber nur für mein Rad geeignet und musste später noch geändert werden. Daher gehe ich erst bei den Änderungen auf die Details und die mögliche Anpassung für andere Räder ein.
    Für alle, die Interesse an einem Nachbau haben: Im Liegeradforum gibt es eine detaillierte Dokumentation des Baus.

Für den Bau eines Sitzes benötigt man folgendes Material:

Stück Material
1 Vierkantholz 4,5 cm × 4,5 cm × 240 cm (Querstreben)
(1 m reicht eigentlich auch, aber es gab halt nur 2,4 m Stücken und ich hatte Reserve für misslungene Teile)
1 Vierkantholz 5,2 cm × 3,4 cm × 30 cm (für das Unterteil der Sitzfläche) –> wurde später entfernt
1 Bastelsperrholz A4 (Sitzfläche) –> wurde später durch ein Stück 250 mm × 300 mm × 6 mm Buchensperrholz ersetzt
1 Brett 1,8 cm × 10,0 cm × 250 cm (Seitenteile der Lehne)
1 Bespannstoff von Pedalkraft 60 cm × 80 cm
8 Schlossschraube M6×50
8 Mutter M6
8 Karosseriescheibe di 6,4 mm
6 kräftige Spaxschraube –> 2 entfielen beim späteren Umbau
8 Spaxschraube 3 × 20 mm –> entfielen beim späteren Umbau
2 Einschraubgewinde M8 –> entfielen beim späteren Umbau
2 Schraube M8×50 –> wurden beim Umbau durch 2 Holzschrauben mit Sechskantkopf 8 × 70 mm ersetzt
2 Karosseriescheibe di 8,5 mm
8 Einschlagöse 8 mm

Für die späteren Umbauten wurde noch folgendes zusätzliches Material benötigt:

Stück Material
2 Schlossschraube M6×50
4 Schlossschraube M6×20
2 10 cm Aluwinkelprofil 30 mm × 30 mm
1 Isomatte ca. 50 cm × 30 cm

Für das Material habe ich unter 50 € ausgegeben. Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln, da einiges »aus der Kiste« kam. Hinzu kommt noch das zur Befestigung benötigte Material.

Erfahrungen und Änderungen

Nach dem Bau ging es an die Erprobung des Sitzes. Die Passform stimmte und die Bespannung erfüllte meine Erwartungen, mehr Komfort auf schlechten Straßen und bessere Belüftung des Rückens. Nach ein paar Versuchen fand ich auch eine für mich günstige Lehnenposition. Die etwas aufrechter als beim Zephyrsitz war. Durch die im Stadtverkehr (90 % meiner Strecken) sehr angenehme aufrechte Sitzposition bekomme ich auf längeren Strecken allerdings einen Recumbent-Butt.

Allerdings war der Sitz im Originalzustand nicht stabil genug daher wurden einige Änderungen notwendig. Ein Großteil der Probleme wäre mit einer genaueren Planung vermeidbar gewesen. Generell empfiehlt es sich härteres Holz zu verwenden als ich, da so die Haltbarkeit der Schraubverbindungen deutlich gesteigert wird. Folgende Teile wurden geändert:

  • Sitzfläche
    • Die Verbindung der eigentlichen Sitzfläche mit der Querstrebe wurde mit Aluwinkelprofilen verstärkt. Das dünne Bastelsperrholz wurde nach einem Bruch durch 6 mm Buchensperrholz ersetzt.
    • Die Längstrebe der Unterkonstruktion wurde dabei entfernt, da sich 6 mm Buchensperrholz nicht in ausreichendem Maße biegen lässt.
    • Die Sitzfläche wurde mit einer gewölbten Polsterung aus Isomatte versehen.
    • Die Querstrebe der Sitzfläche wurde ersetzt, da die Einschraubgewinde aus dem Holz gerissen waren und die Lehne beschädigt hatten.
    • Die Verbindung Lehne Sitzfläche wurde durch zwei Holzschrauben mit Sechskantkopf ersetzt
  • Befestigung
    • Die Querstrebe der Sitzfläche wurde durch eine zusätzliche Schelle befestigt.
    • Die Lehne wurde im oberen Bereich durch zusätzliche Aluprofile abgestützt, um die Verbindung zwischen Sitz und Lehne zu entlasten, nachdem diese ausgebrochen war.

Der Sitz ist damit durch je eine Schelle an der Sitzfläche und an der Lehne gegen ein Verschieben in Längsrichtung gesichert. Die zusätzliche Schelle an der Lehne verhindert, dass sich die Sitzfläche um die Querachse dreht. Dieser Teil der Befestigung lässt sich für fast alle Liegeräder übernehmen. Der Schellendurchmesser muss dabei passend zum Durchmesser des Rahmenrohr gewählt werden.

Die Streben, die den Sitz am Hinterbau abstützen verhindern vor allem das Verdrehen der Lehne und der mit ihr verbundenen Sitzfläche. Außerdem nehmen sie einen Großteil der Trittkräfte auf. Um eine einfache Montage und eine gute Knickstabilität zu erreichen, habe ich L-Profile ( 30 mm × 30 mm und 25 mm × 25 mm) verwendet. Damit der Sitz verstellbar bleibt, sind die Befestigungslaschen am Rahmen und das obere Paar der Stützstreben mit Langlöchern versehen.

Bei Liegerädern mit starrem Hinterbau könnte die Abstützung auch an der Hinterachse befestigt werden. Dazu müssten allerdings beide Strebenpaare mit Langlöchern versehen werden. Ich habe extra Laschen zur Sitzabstützung an meinen Rahmen gelötet, da die Achslänge der Sachs 3×7 Schaltung nicht ausreichend war um eine Anhängerkupplung (die mittlerweile auch an den Befestigungen für die Stützstreben angeschraubt ist) und Stützstreben zu befestigen. Bei Heckgefederten Liegerädern bleibt muss ein anderer Befestigungspunkt wie z. B. das Schwingenlager gefunden werden.

Ein Teil der Trittkräfte nimmt die Befestigung an der Querstrebe auf. Sie besteht aus einem in den Rahmen eingeschobenen Rohr und zwei Edelstahl Verstellwinkeln. Dieser Teil der Befestigung lässt sich nicht auf andere Liegeräder übertragen. Da die Lehne in der aktuellen Version durch zwei Strebenpaare gut gestützt wird und die Verbindung der Querstreben mit den Seitenteilen der Lehne nur durch Spaxschrauben erfolgt, könnte man diesen Teil eventuell weglassen. Da der Sitz im Moment aber hält, habe ich das noch nicht ausprobiert.

Bild 7: Mein Spannsitz im aktuellen Zustand mit zusätzlichen Stützstreben. Die überstehenden Enden der hinteren Streben ermöglichen das Anhängen von Taschen und Rucksäcken an den Sitz.

Andere Selbstbaukonzepte

Natürlich bin ich nicht der erste der sich mit dem Bau von Liegeradsitzen beschäftigt. Einige besonders interessante Konzepte sind von:

  • Christian Kuhtz
    Er stellt in seinem »Einfälle statt Abfälle« Chopperheft, einige Sitze vor, vom simplen Sperrholzsitz, über den klassischen Spannsitz (»Gartenstuhlsitz«) bis zu einem sehr interessantem Klappsitz.
  • Aus Tschechien kommt ein besonderer Schalensitz:
    Er wird ebenfalls aus Holz gebaut. Zwei Längsrippen geben dabei die Sitzkontur vor. Sie sind durch Rundstäbe verbunden. Diese Konstruktion ermöglicht es einen individuell angepassten, festen Schalensitz mit sehr guter Belüftung mit einfachen Mitteln zu bauen. Die Befestigung des Sitzes am Rad erfordert aber noch etwas weitere Bastelei.
    Auf seiner (leider tschechischen) Homepage sind Schablonen für die Rippen und Bilder vom Bau verfügbar.
  • Thomas Drösser
    legt seinen Schwerpunkt auf die perfekte Passform des Sitzes. In einem recht aufwendigen Verfahren formte er seinen Rücken ab und nahm die Abformung als Modell zum Laminieren eines Schalensitzes:
    Beschreibung des Verfahrens
  • Olaf Schultz wies mich darauf hin, dass auch Werner Stiffel in seiner Ausarbeitung »Liegeräder, Hinweise zu Konstruktion und Bau« auf den Sitzbau eingeht und auch ein Spannsitzmodell mit variabler Lehnenneigung beschreibt.

Zum Autor

Christoph Dörffel studiert Maschinenbau an der TU-Chemnitz und ist Alltags-, Tourenradfahrer und Fahrradbastler.