Ausgabe 5 · April 2008
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»Rechts abbiegende Lkw und Radfahrer. Feldversuche zum Blickverhalten von Lkw-Fahrern.« von H. Leser & S. Icke
Ein Spiegel am Lkw allein rettet keinen Radfahrer – die Fahrer müssen ihn auch nutzen
H. Leser, S. Icke:
Rechts abbiegende Lkw und Radfahrer. Feldversuche zum Blickverhalten von
Lkw-Fahrern.
In: VDI-Berichte, Bd. 1986, 2007.
S. 3–17.
98,00 €.
ISBN 978-3-18-091986-7
Der »klassische tote Radfahrer« liegt unter einem nach rechts abbiegenden Lkw. Gegen das Überrollen im hinteren Bereich sind inzwischen Abweisvorrichtungen vorgeschrieben. Allerdings zeigen Analysen, dass bei 40 % der Unfälle der Radfahrer vorne rechts oder vorne an der Seite des Lkw überrollt wird.
In einem Feldversuch in Berlin wurde untersucht, wie Lkw-Fahrer einen Weitwinkelspiegel nutzen. Dazu fuhren sechs Fahrer, die mit dem Fahrzeug vertraut waren, einen Sattelzug. Auf der zu befahrenden Strecke mussten sie fünfmal nach rechts abbiegen; an vier der fünf Abbiegepunkte verlief ein Radweg. Wohin der Fahrer schaute, wurde mit einer Blickbewegungskamera erfasst. Aufgenommen wird das Bild, das sich dem Fahrer bietet; dort hinein wird der Fixationspunkt projiziert, sodass man für jeden Augenblick weiß, wohin der Fahrer geschaut hat und was währenddessen passiert ist. Kameras, die an den Kreuzungen aufgebaut waren, erfassten, wo sich der Lkw während des Abbiegevorgangs jeweils befand.
Eine Serie von Bildern verdeutlicht beispielhaft einen Abbiegevorgang, wobei in der Veröffentlichung die Bilder 1–4 zweimal und die Bilder 5–8 leider gar nicht erscheinen.
In der Regel bogen die Fahrer recht zügig ab, was die Autoren als logisch
bezeichnen, weil der Fahrer das, was er vor dem Einknicken gesehen hat,
nachher nicht mehr sehen kann. Die Beobachtungen der Autoren sind
erschreckend:
Sie fanden drei Typen von Lkw-Fahrern, die den Spiegel extrem
unterschiedlich nutzten:
- kurzer Blick in den Weitwinkelspiegel,
- häufiger Gebrauch des Weitwinkelspiegels,
- keine Nutzung des Weitwinkelspiegels
Jeder Fahrer hat eine feste Strategie, die unbeeinflusst von der Gestaltung der Kreuzung ist. Die relevante Information (Ist da ein Radfahrer?) ist jeweils zu einem anderen Zeitpunkt des Abbiegevorgangs zu finden. Allerdings fanden sich keine Unterschiede zwischen der Kreuzung, bei der der Radweg unmittelbar neben der Fahrbahn verlief, und derjenigen, bei der er erst kurz vor der Kreuzung an die Fahrbahn herangeführt wurde.
Die Autoren schlussfolgern, dass bereits die vorhandenen Spiegel von den Fahrern nicht optimal genutzt werden und dass in der Weiterbildung und Sensibilisierung der Fahrer größeres Potenzial liegt als im Anbau zusätzlicher Spiegel.
Zur Rezensentin
Carmen Hagemeister arbeitet an der TU Dresden in der Psychologie und liest u. a. Literatur mit politischen und planerischen Themen mit Fahrradbezug, die vielleicht auch für andere Fahrradzukunft-LeserInnen interessant ist.