Ausgabe 3 · November 2006

Diesen Artikel als PDF

Schwertransport per Rad? Ein Profi berichtet

von Stephan Thonett

Einleitung

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Lasten per Fahrrad zu transportieren.

Die meisten Radfahrer haben einen mehr oder weniger großen Rucksack auf dem Buckel. Die sonst häufig zu beobachtende und gleichzeitig nicht ungefährliche Methode ist das Anhängen von Taschen oder Tüten an der Lenkerstange. Sehr oft zu sehen ist die einfach auf dem hinteren Gepäckträger unter geklemmte Tasche, die dann die Tendenz hat, nach einer Seite herunterzufallen, sobald ein paar Unebenheiten überfahren werden. Viele Radfahrer benutzen Packtaschen, sowohl am hinteren Gepäckträger als auch an speziellen Halterungen neben dem Vorderrad. Immer öfter werden Fahrradanhänger zum Transport verwendet. Hierzulande eine Ausnahme ist der Transport von Lasten auf dem Kopf. Gleichwohl kann man immer wieder Radfahrer beobachten, die mindestens eine Hand benötigen, um ihr Transportgut zu halten oder zu tragen. Nicht selten wird ein Fahrrad auch so beladen, daß es nur noch geschoben werden kann (oder auch nur noch geschoben werden sollte). Weitestgehend unbekannt ist jedoch, daß man auch Lasten von mehreren hundert Kilogramm mit besonderen Fahrrädern und Anhängern sicher transportieren kann.

Überblick

Die meisten Optionen gibt es naturgemäß für kleine kompakte Lasten bis 5 kg. Eine besondere Ausrüstung ist nicht zwingend nötig. Ein Fahrrad genügt, dazu ein Rucksack oder Packtaschen, ein Korb oder auch nur ein Gepäckträger mit Klammer oder Strippe.

Für mehrere Gepäckstücke oder einfach mehr Transportgut braucht man dann schon ein entsprechend ausgestattetes Fahrrad, ein Lastenfahrrad oder/und einen Anhänger. Das normale Fahrrad mit einem oder zwei guten Gepäckträgern und eventuell noch Packtaschen reicht für das Einkaufen und ähnliche Dinge noch aus, aber die Kapazitäten sind begrenzt, die Gesamtlast muß verteilbar sein und das Rad braucht einen guten Ständer (zweibeinig).

Es gibt aber auch spezielle Lastenfahrräder mit besonderen Lastträgern, die Einzellasten bis 40 kg tragen. Beispiele sind Räder vom Typ »Bäckerrad« oder auch das Kemper Filibus, sowie das legendäre »Long John« welches auf dem Hauptgepäckträger eine Ladung von 100 kg erlaubt. (Siehe besonderen Bericht an anderer Stelle dieser Ausgabe.) Mein Lastenvierrad BROX hat eine maximale Zuladung von ca. 180 kg auf einer selbstgefertigten Holzpritsche oder ca. 150 kg in der Original BROX Kiste. Anhänger bieten ebenfalls viele (gegebenenfalls zusätzliche!) Möglichkeiten, je nach Modell und Verwendungszweck.

Hier ein paar Worte zur Kupplung bzw. Deichsel: Bei der älteren Variante befindet sich die Kupplung (anhängerseitig) an einer langen zweimal gebogenen Deichsel, ziemlich weit oben, meist an der Klemme der Sattelstange (fahrradseitiger Teil).

Die lange doppelt gebogene Deichsel begünstigt ein Aufschaukeln des Anhängers als Reaktion auf die Trittfrequenz. Der hohe Punkt der Anbringung hat zur Folge, daß der Anhänger in einer Kurve in erheblichem Maße seitwärts schiebt und dadurch mit großem Hebel (mehr als der ganze Hinterraddurchmesser von Bodenkontakt bis Kupplungskopf) das Fahrrad nebst Radler aus der Senkrechten wirft. Der Vorteil einer obenliegenden Kupplung ist die einfache Handhabung als Handkarren ohne irgendwelche Umbauten.

Die neuere Variante hat eine relativ kurze Deichsel mit meist nur einem Bogen von ca. 135°, wobei die Kupplung an der linken Seite der Hinterradnabe befestigt ist. Das Fahrverhalten ist deutlich besser und daher wesentlich sicherer, da z. B. in der Kurve der Hebel (Reifenberührung der Fahrbahn bis Höhe Hinterradachse) nur weniger als halb so lang ist wie bei der unter dem Sattel befindlichen Kupplung.

Man muss sich allerdings daran gewöhnen, daß enge Kurven (z. B. wenden) nur links herum möglich sind, da andersherum die Deichsel an das Hinterrad stößt und dieses bremst oder stoppt.

Bei allen Variationen sind für den sicheren Transport diverse Dinge zu beachten:

Beladen

Zum Beladen muß das Rad bzw. der Anhänger bzw. beide sicher stehen! So kann z. B. je nach Art der Kupplung ein Umfallen des Zugfahrrades schon die Beschädigung der Kupplung verursachen. Darüberhinaus vertragen Fahrräder das Umfallen auch nicht immer schadlos. Wenn ein mit ca. 30 kg beladenes Lastenfahrrad (Model »Bäckerrad« oder das Kemper Filibus) umfällt, ist sicher etwas zu Bruch gegangen, z. B. ein Bremsgriff, ein Schalthebel, die Lenkstange oder auch die Ladung! In dieser Hinsicht ist das Lastenfahrrad »Long John« mit seiner tiefen Ladefläche, dem stabilen Hauptständer und der Kippsicherheit (ohne Ständer) fast unschlagbar, es wird hierbei nur vom mehrspurigen Lasten- bzw. Zugfahrrad mit niedrig angekuppeltem Anhänger übertroffen.

Beim Beladen von Anhängern sollte man darauf achten, gleichmäßig zu laden. Es muß vermieden werden, daß das Gespann umfällt, bevor man überhaupt mit dem Laden fertig ist, d. h. nicht hinten anfangen zu beladen, sondern vor der Mitte des Anhängers, damit immer ein wenig Druck auf der Deichsel ist. Schwere Sachen nahe vor oder auf die Radachslinie und leichtere Dinge eventuell weiter vorne oder hinten. Ebenso sollten die schweren Sachen möglichst weit unten liegen um den Schwerpunkt nicht zu weit nach oben zu bringen, was schnell zum Umkippen des Hängers führen kann, sowohl bei geneigter Fahrbahn (Bordstein) als auch in Kurven.

Nach dem Beenden des Beladens sollte unbedingt eine geringe aber positive Stützlast auf der Kupplung liegen. Zuwenig Stützlast entlastet das Hinterrad und damit den Bodenkontakt und fördert das Aufschaukeln. Zuviel Stützlast verbessert zwar den Bodenkontakt, belastet aber das Material der Deichsel, der Kupplung und Teilen des Zugfahrrades. Bei seitlicher Kupplung fällt das Rad bei zunehmender Stützlast eher um.

Die Ladung muß natürlich auch gesichert, d. h. festgebunden werden. Die Ladung könnte durch Hüpfen des Anhängers, durch Fliehkräfte in Kurven, durch Trägheitmomente beim Bremsen und Losbrechkräfte bei Schrägfahrten in ungewollte Bewegung geraten und zur Gefahr für Menschen, Tiere und Sachen werden. Beim Entladen darauf achten, daß man nicht VOR der Achse anfängt zu entlasten.

Fahren mit beladenem Anhänger

Einigermaßen gefährlich wird’s, wenn mit negativer Stützlast gefahren wird, das heißt wenn der Anhänger so beladen ist, daß die Deichsel das Zugfahrrad anheben will. Falls die Ladung aufgrund ihrer Größe nach hinten herausragt und dadurch den Schwerpunkt nach hinten verlegt, sollte man zum Ausgleich ein Gegengewicht nach vorne laden, welches mindestens ein Gleichgewicht herstellt. Bei ausladenden Lasten besteht ein gewisses Risko des Aufschaukelns, wobei der Anhänger während der Fahrt an zu wippen fängt, was sowohl die (Fahr-)sicherheit beeinträchtigt als auch die Struktur des Anhängers bzw. der Deichsel und ihrer Befestigung gefährdet. Durch verändern der Trittfrequenz kann man versuchen das Schaukeln abzumildern bzw. zu stoppen.

Nach meinen Erfahrungen ist es wirklich sehr gefährlich einen Anhänger mit einem normalen (einspurigen, zweirädrigem) Fahrrad zu ziehen sobald das Gesamtgewicht des Anhängers das Gewicht des Fahrers übersteigt. Wenn man z. B. in einer Kurve Bremsen muß, schiebt der Anhänger seitwärts (!), was um so verheerender wirkt, wenn die Deichsel oben (z. B. unter dem Sattel) befestigt ist. Sollte man nun auch noch gezwungen sein, die Füße auf den Boden zu stellen und aus dem Sattel zu steigen, dann hat man verloren (!) und zwar die Kontrolle über das ganze Gespann! Ich habe lange über Bremsen am Anhänger nachgedacht und auch damit experimentiert. Es ist sehr umständlich zu realisieren und wirkt nur mäßig. Viel wirksamer ist die Verwendung eines mehrspurigen Fahrrades als Zugmaschine. Wobei dann z. B. mit einem schweren Lastenvierrad auch sehr schwere Ladungen sehr sicher zu transportieren sind.

Voraussetzungen hierfür sind allerdings: sehr gute Bremsen am Zugfahrrad und eine gut abgestufte Schaltung mit wirksamen kleinen Gängen.

Schaltungen für Lastentransporte

Wichtig: Der Gang muß im Stand gewechselt werden können! Hat man mit einer Kettenschaltung am Berg im falschen Gang angehalten, geht nichts mehr! Was mit einem Fahrrad und ein wenig Gepäck noch geht, nämlich einfach ein bisschen abstoßen und mit mehr oder weniger Gewalt den kleineren Gang reinwürgen, ist mit schwere Last schlichtweg unmöglich.

Bei einem einspurigem Zugfahrrad im falschen Gang kann es zu der Situation kommen, daß man nicht ohne Hilfe wegkommt, da man eventuell gar nicht absteigen kann ohne daß das Gespann wegrutscht. … Ursprünglich war mein BROX Lastenvierrad mit einer 3×7 von SACHS ausgestattet, was meist auch ganz gut funktioniert hat. Aber es gab auch etliche Situationen mit der Schwierigkeit, daß der erste Gang der Nabe nicht gereicht hat, weil die Kette zuletzt auf einem der kleineren Ritzel angekommen war. Ein Freund aus England hat mir die Nabe dann umgebaut, so daß der mittlere Gang zum Leerlauf wurde und man nun im Stand die Kettenschaltung auf einen beliebigen Gang schalten konnte. (Hierzu muß in der Getriebenabe eine bestimmte Feder entnommen und eine andere Feder an einer anderen Stelle eingesetzt werden.) Die Ultimative Lösung ist jedoch die Verwendung einer Rohloff 14 Gang Getriebenabe unter Verwendung von zwei Kettenblättern. Außerdem habe ich an der Hinterachse des BROX drei statt einem »Ritzel« angebracht, so daß ich insgesamt auf 2 × 14 × 3 = 84 Gangstufen komme, die sich natürlich mehrfach überlappen. Je nach »Vorwahl« habe ich dadurch jedoch 14 wunderbar abgestufte Gänge im genau richtigen Lastbereich zur Verfügung, ob ich nun mit 300 kg Nutzlast (ca. 425 kg Gesamtgespanngewicht + Fahrer (65 kg) = nahezu eine halbe Tonne) oder leer (45 kg BROX ohne Aufbau + Fahrer) unterwegs bin.

Die Erfahrungen mit mehrspurigem Zugfahrrad im Schwerlastbereich haben mich auch dazu veranlasst, ein Liegedreirad mit leichtem Anhänger für kleinere, leichtere Transporte bis 40 kg zu probieren. Seither mag ich gar nicht mehr anders arbeiten. Das Liegedreirad hat diverse Vorteile gegenüber einem einspurigen Fahrrad (zum Teil auch gegenüber Einspurliegern):

  • Es fällt im Stand nie um (!), auch nicht mit viel Gepäck im Anhänger, an einer Steigung, beim Be- oder Entladen oder durch Windböen.
  • Notbremsungen sind bei allen Fahrverhältnissen erheblich unkritischer, da es nicht zum Sturz kommt!
  • Es ist windschlüpfrig, von vorne wehender Wind wird quasi »unterfahren«. Ein Anhänger rollt im Windschatten, (das macht richtig viel aus.)
  • Man sitzt bequem, ob man nun fährt oder anhält. (Das erhöht u. a. die Akzeptanz von roten Ampeln und sonstigen Stopps ungemein.)
  • Man hat die Hände frei sobald man anhält. Zum Vergleich die Vorstellung: Anhalten z. B. mit 40 kg auf einem Gepäckträger eines Bäckerrades oder eines »Filibus«! Oder: Anhalten am Berg und in ’ner Kurve mit einem voll beladenen Anhänger (auf einem Zweirad sitzend).
  • Angenehmes und dauerhaft schmerzfreies Sitzen durch großflächigen Sitz und daher auch viel weniger Verschleiß an den Hosen.

Nachteile sollen hier nicht verschwiegen werden.

  • Die niedrige Sitzhöhe bei meinem Liegedreirad bewirkt, daß man selber schlechter sehen kann und auch schlechter gesehen wird, besonders bei höheren Geschwindigkeiten. Daher verwende ich einen Wimpel bzw. einen bunten im Wind rotierenden Windsack, um besser gesehen zu werden. Bei meinem BROX ist die Sitzhöhe nicht ganz so tief, so daß sich ein Vorteil ergibt: Gleiche Augenhöhe wie die PKW FahrerInnen, was die visuelle Kommunikation verbessert. Außerdem fährt man mit dem BROX in der Regel nicht so schnell, es ist viel größer und daher viel besser sichtbar.
  • Man ist den Abgasen der Kraftfahrzeuge etwas mehr ausgesetzt. Das verstärkt sich manchmal durch einen weiteren Nachteil:
  • Man kommt nicht so gut an den stehenden Fahrzeugen vorbei, was mit dem Dreirad sogar noch schwieriger ist, da sich eine Spur in der Mitte befindet. Mit dem Brox kann man oft mit zwei Rädern auf dem Gehweg und zwei Rädern auf der Fahrbahn bis vorne vorbeifahren, was mit dem Dreirad eben etwas schlechter geht.

Nach fast 13 Jahren professionellem Betrieb meines Fahrrad-Last-Kurierdienstes haben sich für mich folgende »Standards« herausgebildet.

Bild 1

Ich mag selber keinen Rucksack mehr tragen, mein Kuriergut wiegt meist zwischen 5 und 30 kg und meine Packtaschen sind mit meinen eigenen Sachen bestückt. Also nehme ich den Anhänger sowieso mit um einen eventuellen Folgeauftrag ausführen zu können ohne das Transportgerät wechseln zu müssen.

Bild 2

Kleinere (kompakte) Ladungen zwischen 0 und ca. 40 kg transportiere ich nun vorzugsweise mit einem kleinen Anhänger, der sich auch als Handwagen benutzen lässt (Weitertransport z. B. in Gebäuden), an meinem Liegedreirad.

Bild 3

Mittlere (teilbare) Ladungen zwischen 40 und 80 kg (z. B. Kartons mit zigtausend Bogen Briefpapier) werden mit meinem Filibus (Kemper) Lastenfahrrad plus Anhänger (2 mögliche Anhängertypen) befördert. Hierbei wird die Ladung möglichst gleichmäßig auf Lastrad und Anhänger verteilt, jedenfalls möglichst nie alles im Hänger und nichts auf dem Rad.

Bild 4

Maschinen, Hausgeräte oder Lasten zwischen 80 und 150 kg und sperriges Zeug werden mit meinem BROX Lastenvierrad bewegt. Gegebenenfalls wird ein Faltkarren mitgenommen um einen zügigen Weitertransport innerhalb von Gebäuden, z. B. auch in Aufzügen zu erleichtern.

Bild 5

Maschinen, Hausgeräte oder Lasten zwischen 80 und 150 kg und sperriges Zeug werden mit meinem BROX Lastenvierrad bewegt. Gegebenenfalls wird ein Faltkarren mitgenommen um einen zügigen Weitertransport innerhalb von Gebäuden, z. B. auch in Aufzügen zu erleichtern.

Bild 6

Möbeltransporte und dergleichen, welche zwei Personen zum Laden und Tragen erfordern, werden manchmal mit dem kurzfristig zum Tandem umgebauten BROX und einem großen Anhänger durchgeführt.

Bild 7

Spezialaufträge die nur zum Teil aus Transporten bestehen sind ebenso per Fahrrad möglich, hier das Anbringen von Sandwichpostern an Laternenpfähle im Auftrag der »Grünen« bei diversen Wahlkämpfen.

Bild 8

Personentransporte sind nicht mein Broterwerb, machen aber gelegentlich viel Spaß, insbesondere mit dem BROX als Tandem nebst Zwei-Passagier-Anhänger.

Bild 9

oder auch eine schöne Hochzeitsfahrt mit Blumen, Musik und Sekt …

Zum Autor

Stephan Thonett, Jahrgang 1958, Fahrrad-Last-Kurier, betreibt seit nahezu 13 Jahren die Firma »RadLast«, den einzigen Fahrradkurierdienst in Köln, der Lasten bis 300 Kilogramm mit dem Fahrrad transportiert.