Ausgabe 26 · Januar 2018
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Steckdose unterwegs – Teil 6
Neue Ladelösungen aus aller Welt – Messehype und Wirklichkeit
Nach munteren Fortschritten in der Leistungsausbeute von USB-Ladeadaptern für Nabendynamos in den ersten fünf Jahren nach Beginn der Artikelserie »Steckdose unterwegs«, hörte man in den letzten zwei Jahren wenig Neues. Auf der Eurobike 2017 gab es nun aber gleich drei spannende neue Produkte zu sehen: Tout Terrain präsentierte »The Plug V«, NC17 hatte den »AppCon3000« dabei und Neco zeigte stolz einen 15-Watt-Drehstrom-Nabendynamo für USB-Versorgung namens »Rove«. Alle drei beinhalten eine Powerbank im Gabelschaftrohr und geben eine hohe Ladeleistung an. Jeder der drei Hersteller verspricht, wesentlich mehr zu bieten als jedes zuvor am Markt angebotene Produkt, sowohl elektrisch als auch mechanisch. Muster wurden Fahrradzukunft für Anfang Oktober 2017 zugesagt. Wir bereiteten somit alles für einen neuen Test vor.
Von Neco aus Taiwan kam nach der Eurobike keinerlei Reaktion auf E-Mail- Anfragen. Der deutsche Importeur Messingschlager hatte zur Messe exakt zwei Mustergeräte erhalten und diese umgehend an Fahrradhändler weitergegeben. Wie es mit dem Rove-System und seinem Vertrieb in Europa weitergeht, sei aber nicht klar. Von NC17 hieß es, die Prototypen des Appcon3000 seien doch noch nicht weit genug gediehen um sie uns zu geben. Tout Terrain antwortet sehr zurückhaltend und will momentan (Stand Dezember 2017) kein Muster liefern. Ohne ein einziges Testmuster hätte der Artikel nun hier enden müssen.
Nun ergab sich aber, dass eines der Muster des Neco Rove in die Hände von Fahrradzukunft-Leser Horst Koschuta geraten war, der es uns dankenswerter Weise zum Test zur Verfügung stellte. Dann lief uns der chinesische Zjego Reibraddynamo mit USB-Ausgang und integriertem Pufferakku zu. Hinzu kam das Angebot von Kai Stollberg, seinen aktuellen »Dynalader Digital« zu testen – der Name ist noch bekannt aus dem ersten Artikel der Serie.
Statt drei real käuflichen High-End-Systemen zum Einbau in die Gabel testen wir nun somit einen aufwändigen taiwanesischen Prototyp mit völlig unklarer Zukunft, ein billiges Reibrad-Schnäppchen aus dem Internet-Handel und eine seriöse, regulär käufliche Ladeschaltung eines kleinen deutschen Elektronik-Entwicklers – alle drei mit integriertem Pufferakku.
Neco Rove – der erste getriebelose Drehstrom-Nabendynamo mit USB-Ausgang
Bislang kennt man Neco als Hersteller preiswerter aber brauchbarer Tretlager, Steuerlager und Pedale aus Taiwan. Für einen Neueinsteiger im Bereich Fahrrad-Elektrik ist der Nabendynamo durchaus beeindruckend: In der ansprechend gerundeten Nabenhülse mit Bremsscheibenaufnahme sitzt ein Stahlrohr und darin finden sich eingeklebt 20 Neodym-Eisen-Bor-Quadermagnete dicht an dicht nebeneinander. Der Stator um den diese rotieren basiert auf 44 gestapelten Generatorblech-Sternen mit 18 Wicklungen. Jeweils 6 Wicklungen sind in Reihe geschaltet, als Sternschaltung verbunden und in einem dreiadrigen Kabel dicht neben der Achse nach außen geführt. Beim Öffnen der Nabe oder auch nur beim Montieren des Laufrad in einer Gabel besteht so leider ein hohes Risiko das Kabel abzuscheren. Der Nabendynamo wiegt 933 Gramm – doppelt so viel wie ein SON28 und schwerer als selbst ein billiger Shimano DH-3N20. Der Stator enthält eben – typisch für diese Bauform – relativ viel schweren Stahl und Kupfer. Wenn man die Achse ohne angeschlossene Last dreht, fühlt man nur geringe Rastmomente.
Die drei Phasen des Drehstrom werden mit sechs simplen 1N4007 Silizium-Dioden gleichgerichtet und in einem 1.000-µF-Kondensator gepuffert. Als Step-Down-Wandler dient ein mit AH8663 gekennzeichneter chinesischer Baustein. Die wenigen verfügbaren Informationen dazu lauten: 4,5–55 Volt Eingangsspannung, maximal 3 Ampere Ausgangsstrom, Kurzschlussschutz, Soft-Start und ein Wirkungsgrad von bis zu 92 %. Der Wandler ist somit prinzipiell in der Lage, wie beworben bis zu 15 Watt an 5 Volt zu liefern.
Speist man den Eingangselko mit 10–20 Volt Gleichspannung, so lassen sich bei 5–10 Watt Eingangsleistung auch wirklich Wirkungsgrade um die 90 % in Richtung des 5-Volt-Ausgangs messen. Bei Betrieb am Nabendynamo kommen dazu aber noch die Verluste des Gleichrichter.
Die Neco Powerbank besteht aus einem zylindrischen Aluminiumgehäuse mit 20 mm Durchmesser und 90 mm Länge. Als Kapazität nennt der Hersteller 3.000 mAh. Vermutlich befindet sich eine 18650 Lithium-Ionen-Zelle im Gehäuse. Auf der unteren Stirnseite findet man zwei konzentrische Kontaktringe – worüber federnde Kontakte in der ins Gabelschaftrohr montierten Aluminiumhülse die 5 Volt vom Ausgang des Schaltreglers zur Powerbank leiten. Auf der nach oben weisenden Stirnseite gibt es eine USB-A-Buchse zum Anschluss von Verbrauchern und daneben eine Mikro-USB-Buchse zum optionalen Aufladen per Netzteil. Im Inneren scheint es blinkende Status-LEDs zu geben, die aber bei eingestecktem USB-Kabel nicht mehr erkennbar sind. Leider sind die elektrischen Eigenschaften enttäuschend: Die Powerbank nimmt maximal 1,1 Ampere Ladestrom auf und liefert nur maximal 0,5 Ampere am Ausgang. Zudem schaltet sie den USB-Ausgang aus, während sie aufgeladen wird. Mit dieser Powerbank lässt sich das ganze Neco Rove-System nicht sinnvoll nutzen. Nötig ist eine Powerbank, die höhere Ein- und Ausgangsströme sowie den gleichzeitigen Betrieb von Ein- und Ausgang ermöglicht. Wir haben versuchsweise eine preisgünstige Intenso S10000 angeschlossen, die 2.1 Ampere an Ein- und Ausgang zulässt. Damit lässt sich deutlich mehr Leistung vom Nabendynamo ernten und es ist echter Pufferbetrieb mit gleichzeitigem Laden und Entladen möglich.
Zjego USB – der knallgrüne Reibraddynamo für 23 €
Das leuchtend grüne Kunststoffgehäuse des Zjego Reibraddynamo wirkt nicht sehr vertrauenerweckend. Die Einrück-Mechanik ist den Union-Dynamos der späten 70er Jahre nachempfunden. Als Generator wird aber nicht der klassische, einphasige Klauenpolgenerator verwendet sondern ein winziger, flacher Drehstromgenerator. Gelagert ist er in zwei Gleitlagerbuchsen, die im Stator und oben im Kunststoffgehäuse angeordnet sind. Direkt unter dem Generator – und damit leider auch direkt der ungesunden Abwärme ausgesetzt – sitzt der Pufferakku aus zwei Lithium-Polymer-»Tütenzellen« mit 1.000 mAh nomineller Kapazität in Reihenschaltung. Der Generator liefert bis zu 3,7 Watt in den Puffer. An den beiden USB-Buchsen kann insgesamt maximal 5 Watt entnommen werden. Mit 145 Gramm ist er nicht schwerer als klassische Reibraddynamos.
Mit der weichen Gummikappe läuft der Dynamo verglichen mit billigen Reibraddynamos recht geräuscharm. Nimmt man die Kappe ab und lässt das profilierte Kunststoffreibrad auf dem Reifen laufen, wird das Geräusch ähnlich unangenehm wie man das von schlechten Dynamos kennt.
Dynalader Digital – robustes Metallkästchen mit fettem Pufferakku
Der Dynalader hat mit drei 18650-Zellen insgesamt 24 Wh Pufferkapazität. Fernöstliche Powerbank-Hersteller würden schlechteres mit »10.000 mAh« bewerben. Die Zellen sorgen zusammen mit dem stabilen, etwas über Zigarettenschachtel großen Gehäuse aber auch für 315 Gramm Gewicht. Zwei in Reihe geschaltete 470-µF-Kondensatoren die per Relais in die Zugangsleitung geschaltet werden, sorgen für ordentliche Ladeleistung an herkömmlichen Nabendynamos. Der Hersteller gibt einen Ladebeginn ab 12 km/h und maximal 6,8 Watt Ladeleistung an. Die Status-LED signalisiert nur ob geladen wird oder nicht. Informationen, wie viel Ladung noch im Akku schlummert, gibt es nicht. Das Gehäuse sieht keine Befestigung am Fahrrad vor. Sinnvoll erscheint die Nutzung in einer Lenkertasche. Erhältlich ist das Gerät im Direktvertrieb für 129 €.
Prüfaufbau und Messergebnisse
Vermessen wurde die Dynamos und die daran angeschlossene Ladeelektronik auf dem Ausroll-Prüfstand bei Schmidt Maschinenbau in Tübingen. Damit kann die mechanische Antriebsleistung und die elektrische Ausgangsleistung von Dynamos vermessen werden. Der Neco Rove und der SON28 (mit angeschlossenem Dynalader Digital) konnten uneingespeicht vermessen werden. Der Zjego Reibraddynamo lief an einem 28″-Laufrad mit Schwalbe One-Reifen der Dimension 28-622. Die elektrische Ausgangsleistung der Dynamos sowie die Lade-/Entladeleistung in den Pufferakku des Ladeadapter wird mit jeweils einem GMC Metrahit 29S gemessen. Als USB-Verbraucher wird die programmierbare elektronische Last Array 3711A verwendet. Sie ermöglicht es, die USB-Verbrauchsleistung auf 0,1 Watt genau einzustellen sowie Spannung und Strom zu messen.
Der Dynalader Digital am SON28 zeigt sich bei 15-20 km/h vergleichbar leistungsstark wie der aktuelle Forumslader, dem leistungsstärksten System am Markt. Oberhalb von 23 km/h sinkt die Leistungsausbeute des Dynalader wieder ab. Er ist somit weniger gut als Forumslader oder Dynamo Harvester Plus dafür geeignet, bei schnellen Abfahrten viel Energie in den Akku zu holen. Der Ladevorgang startet bei knapp unter 10 km/h. Die Angaben des Herstellers zur maximalen Ladeleistung können bestätigt werden. Der Ladevorgang beginnt sogar bei niedrigerem Tempo als beworben. Hut ab vor solch seriösem Understatement!
Der Zjego Reibraddynamo beginnt mit montierter Gummikappe erst bei knapp unter 15 km/h zu laden. Um mit besseren Nabendynamo-Ladeadaptern bezüglich der Ladeleistung mithalten zu können, müsste man ihn laut heulend ohne Gummikappe betreiben.
Der Neco Rove Nabendynamo mit Vorschaltelektronik beginnt erst ab 15 km/h im 28″-Rad nennenswerten Ladestrom zu liefern. Die in der Neco-Werbung genannten 12 km/h sind somit als die Minimalgeschwindigkeit für einen Ladevorgang im 26″-Rad zu verstehen. Dort werden dann aber nicht – wie leicht misszuverstehen – 15 Watt, sondern nur 0,15 Watt geliefert. Erst bei über 20 km/h kommt man in den Bereich von über 2 Watt, die ein modernes Smartphone im Betrieb benötigt. Die beworbenen 15 Watt an USB werden erst bei 50 km/h erreicht. Wenn nun noch eine Powerbank mit entsprechenden Verlusten nachgeschaltet wird, schneidet das Neco-System noch entäuschender ab.
Der Dynalader Digital kann hingegen auch große, leistungshungrige Verbraucher dauerhaft mit 1 Ampere versorgen, wenn man meist mit 20–30 km/h unterwegs ist.
Der Zjego kann zwar kurzfristig 5 Watt aus dem Akku liefern. Da dieser aber nur mit bis zu 3,7 Watt nachgeladen wird, sind selbst bei schneller Fahrt maximal 700 mA an USB lieferbar,
Alle hier betrachteten Ladeadapter sind relativ verlustarm wenn es darum geht, aus dem Pufferakku wieder USB-Spannung für einen Verbraucher zu generieren. Der billige Zjego hat bei niedrigen Leistungen hier sogar die Nase vorne. Die Powerbank des ausgeliehenen Neco Rove konnten wir nicht zerlegen und somit auch nicht vermessen.
Der Neco Nabendynamo läuft mit angeschlossenen Verbrauchern bei langsamen und mittlerem Tempo relativ leicht – weil eben auch wenig elektrische Leistung erzeugt wird. Der kräftig ladende Dynalader Digital am SON28 bremst bei 15–20 km/h um ein Mehrfaches. Im elektrischen Leerlauf ist der Neco verlustreicher als hochwertige, herkömmliche Nabendynamos wie SON28 oder Shimano DH-3N80. Bessere Powerbanks wie die Intenso S10000 holen bei schneller Fahrt deutlich mehr Leistung aus dem Neco als die mitgelieferte.
Der Reibradantrieb ist verlustreich, wie schon das Geräusch vermuten lässt. Aber auch der Generator arbeitet ineffizient. Bei einer Minute Betrieb mit 50 km/h werden deshalb Temperaturen über 80°C erreicht, was dem direkt darunter liegenden Akkupack nicht gut tun wird.
Fazit
Drehstromgeneratoren sind dank ihrer geringeren Rastmomente und der wenig welligen gleichgerichteten Ausgangsspannung reizvoll am Fahrrad. Wie man am technisch recht hochwertig ausgeführten Neco Rove sieht, machen die geringe Leistung bei niedriger Drehzahl und das hohe Gewicht diese Bauform als getriebeloser Nabendynamo aber wenig reizvoll. Als Reibraddynamo mit entsprechend hoher Drehzahl hat das ganze aber durchaus Potential, wie der mechanische sehr einfach aufgebaute Zjego zeigt. Der Dynalader Digital ist das einzig durchgehend erfreuliche Produkt dieses Tests: Er hat deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient!
Zum Autor
Andreas Oehler (Jg. 1966) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.