Ausgabe 26 · Januar 2018
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Lieblingsrad
Die Geschichte, wie ich zum Liegerad kam, ist ganz einfach: Ich habe Rücken! 2012 sah ich im Schaufenster eines Mainzer Fahrradladens ein dreirädriges Fahrrad mit Sonnenliege, ein Liegerad-Trike. Da war es um mich geschehen. Kein Jahr später hatten meine Frau und ich jeweils ein eigenes Trike um die Gegend zu erkunden. Mein Rücken hat es mir gedankt. Bei der Wahl des Rades war nach einigen Probefahrten auf den »Reitschulpferden« klar: Besser ohne Federung, denn in scharf gefahrenen Kurven droht das Gefährt mit übergewichtigem Fahrer und hohem Schwerpunkt zu kippen. Um ohne Federung trotzdem komfortabel unterwegs zu sein, bekam das Rad ein paar dicke Big Apple Reifen.
Einen weiteren Komfortfaktor stellt auf langen Strecken eine zuverlässige Stromversorgung des Fahrradnavis dar. Für die einseitig gelagerten Vorderräder des Trikes gibt es einen Nabendynamo von SON, dazu ein Vorderlicht mit Pufferakku, um das Smartphone kontinuierlich mit Spannung zu versorgen.
Wir wohnen im Rheinhessischen Hügelland, oben, weswegen ich für mein Traumgefährt drei Schaltungen mit insgesamt 81 Gängen wählte. Gegen das Schwitzen und den auf dem Liegerad typischen nassen Rücken half das allerdings wenig. Ich habe nach anderthalb Jahren einen elektrischen Radnabenmotor nachgerüstet, auch um meine Knie zu entlasten. Durch den gewonnenen Rückenwind ist es seitdem ein Leichtes, auch größere Lasten komfortabel auf dem Fahrradanhänger zu transportieren. Dafür benötigte ich eine spezielle Weber-Kupplung, denn die Motorsteuerung hätte durch die einseitig eingeleiteten Lastwechsel einer an der Nabe befestigten Kupplung gestört werden können. Für höhere Ladungen sollte der Hänger mit Batterierücklicht aufgerüstet werden, da das Rücklicht bei 20-Zoll-Rädern sehr tief hängt und im Verkehr von der Ladung verdeckt wird. Ein sicherer und sinnvoller Zusatz beim niedrigen Trike stellen die großen, reflektierenden Wimpel mit Flatterbändern dar. Sie bringen eine höhere Aufmerksamkeit bei AutofahrerInnen, da sie diese an die Wimpel von Kinderanhängern erinnern.
Insgesamt nutzen meine Frau und ich unsere motorisierten Trikes als nahezu vollständigen Autoersatz; wir fahren auf Seitenstraßen und in Parks ohne Gestank, Feinstaub und Stickoxide an allen Staus vorbei. Besonders schön ist für uns eine Fahrt mit den Rädern im Schatten derselben Windkrafträder, aus denen wir auch unseren Ladestrom beziehen. Einzig die großen Auflagen an bedrucktem Papier unserer Druckerei müssen wir mit dem Auto ausliefern. Allerdings arbeiten wir für die Zukunft an einer Lösung mit einem Lastenrad.
Zum Autor
Jürgen Linde ist Gestalter, Drucker und Geschäftsführer einer kleinen Druckerei sowie Verleger eines Kleinverlages in Mainz, er fährt aktiv Rad für die Verkehrswende, im VCD Rheinhessen und für die Grünen in Hechtsheim und Mainz.