Ausgabe 26 · Januar 2018
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Neufassung der StVZO zur Fahrradbeleuchtung
Verwirrspiel in guter Absicht
Am 1. Juni 2017 trat in Deutschland die Neuregelung der Vorschriften zur Fahrradbeleuchtung in Kraft. Der Bundesrat hatte sie schon im März 2017 beschlossen (Bundesratsdrucksache 771/16(B)).
Die Vorlage zu dem Beschluss (Bundesratsdrucksache 771/16) stammt aus dem Jahr 2016. Zur Begründung der Änderung wird angeführt, dass »Klarstellungen zur Anbringung der Beleuchtungseinrichtungen und eine Anpassung der Vorschriften an den Stand der Technik, insbesondere hinsichtlich der verwendeten Betriebsspannung für aktive Beleuchtungseinrichtungen« erforderlich wären. Doch die tatsächliche Sensation ist, dass die Pflicht zum ständigen Mitführen eigener Scheinwerfer und Rücklichter aufgehoben wurde. Diese Vereinfachung, die in andereren europäischen Ländern schon lange üblich ist, hatten Fahrradaktivisten schon seit Jahrzehnten gefordert. Außerdem wurden detaillierte Regelungen der Beleuchung an Fahrradanhängern oder von Sonderfahrrädern wie »Bierbikes« aufgenommen. Einfacher werden die Vorschriften damit nicht, die Formulierungen werden unverständlicher. Alleine der geänderte § 67 ist fast doppelt so lang wie bisher; zusammen mit den neuen Bestimmungen zu Fahrradanhängern (§ 67a StVZO) sogar drei- bis viermal so lang. Die versprochene »Klarstellung« bleibt aus.
Ausrüstungspflicht entfällt
Die einschneidendste Änderung versteckt sich tief in Absatz 2 Satz 4 des § 67 StVZO »Lichttechnische Einrichtungen an Fahrrädern«: »Scheinwerfer, Leuchten und deren Energiequelle dürfen abnehmbar sein, müssen jedoch während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, angebracht werden.« Man muss diesen Satz zwischen anscheinend entgegengesetzen Sätzen wie »Fahrräder dürfen nur dann im öffentlichen Straßenverkehr in Betrieb genommen werden, wenn sie mit den vorgeschriebenen und bauartgenehmigten lichttechnischen Einrichtungen ausgerüstet sind.« (Absatz 1 Satz 1) und »Die lichttechnischen Einrichtungen müssen [...] ständig einsatzbereit sein« (Absatz 2 Satz 2) finden und den Zusammenhang richtig interpretieren. Nur Absatz 1 Satz 2 gibt einen kleinen Hinweis: »Für abnehmbare Scheinwerfer und Leuchten gilt Absatz 2 Satz 4.«
Im Wesentlichen bedeutet das, dass die permanente Beleuchtungspflicht für Fahrräder aufgehoben wurde. Bisher mussten an Fahrrädern bei Tag und Nacht Scheinwerfer, Rückleuchten und deren Energieversorgung – bis 2013 sogar ausschließlich per Dynamo – angebracht und betriebsbereit sein. Die Begründung des Bundesverkehrsministeriums in der Händlerzeitschrift Radmarkt war angeblich: »Radfahrer könnten von einer plötzlich einsetzenden Sonnenfinsternis überrascht werden.« So wird es zumindest seit vielen Jahren in Radfahrerkreisen kolportiert. Der Wahrheitsgehalt ist schwer zu überprüfen. Aber auch wenn es sich dabei um eine urban legend handeln würde, beschreibt die Aussage doch recht anschaulich die jahrzehntelang vorherrschende deutsche Beamtenmeinung zu Fahrädern. Umso überraschender war es, dass die lang eingeforderte Erleichterung, Leuchten nur dann am Fahrrad zu haben, wenn sie gebraucht werden, nun durch das Bundesverkehrsministerium selbst vorgeschlagen wurde. Seit dem 1.6.2017 st es nun so weit: Eigene Beleuchtung ist an Fahrrädern nur noch dann vorgeschrieben, wenn sie notwendig ist, also wenn die Licht- und Sichtverhältnisse es erfordern.
Entsprechend wurden auch in § 31b StVZO »Scheinwerfer und Schlußleuchten« von Fahrrädern aus der Liste der mitzuführenden Gegenstände gestrichen. Und der Bundesrat war sogar so schlau, dazu gleich § 23 StVO anzupassen, indem er dort die zugehörige Regel für Radfahrer entfernte. Selbst die Pflicht, Ansteckleuchten auch am Tag mitzunehmen, wie sie bei Rennrädern üblich war, ist damit entfallen. Wer in die Dämmerung gerät oder beabsichtigt bei Nacht zu fahren, sollte allerdings Leuchten dabei haben, egal ob fest montiert oder in der Gepäcktasche – oder das Fahrrad stehen lassen. Tagsüber jedenfalls sind keine Leuchten am Fahrrad mehr nötig. Millionen von Fahrrädern fallen damit aus der Illegalität und eventuelle Versuche von Versicherungen, Radfahrer wegen Ausrüstungsmängeln nach Unfällen zur Mithaftung heranzuziehen dürften seltener werden.
Beleuchtung, Reflektoren und Unfälle
Vieles andere aber bleibt beim Alten. Das »Reflektorzeug« ist fast unverändert weiterhin vorgeschrieben und muss auch tagsüber am Fahrrad angebracht sein. Sobald ein solches Fahrrad in das Scheinwerferlicht eines anderen Fahrzeugs gerät, leuchtet es wie ein Weihnachtsbaum auf. Doch dann ist es meist entweder zu spät und der Bremsweg reicht nicht aus, einen Zusammenstoß zu vermeiden. Oder die Fahrzeuge sind so weit entfernt, dass sie am virtuellen Punkt des Zusammentreffens gar nicht mehr gleichzeitig eintreffen. Ein wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit von Reflektoren unterschiedlichster Art oder gar die Vielzahl von Reflektoren an Fahrrädern steht jedenfalls aus. Das Bundesverkehrsministerium verweist bei Nachfrage zu diesem Thema auf die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und die BASt beantwortet die Anfrage mit Allgemeinplätzen anstatt konkrete Untersuchungsergebnisse anführen zu können.
Überhaupt ist auch die Wirksamkeit aktiver Fahrradbeleuchtung zur Verhinderung von Unfällen umstritten. Eine Untersuchung aus Dänemark (Proceedings of the international velo-city’89 conference, p. 216) zeigte schon vor fast 30 Jahren, dass Radfahrer mit Beleuchtung (in Dänemark) häufiger in Unfälle verwickelt wurden. Ähnliches gibt auch die offizielle deutsche Unfallstatistik her: Im Jahr 2016 wurde 245 Radfahrern vorgeworfen, unfallursächlich ohne ausreichende Beleuchtung gefahren zu sein. Bei 472 Radfahrern trugen technische Beleuchtungsmängel zu Unfällen bei. Insgesamt wurden 3.772 Radfahrer bei Dämmerung und 10.401 bei Dunkelheit verletzt. Geht man davon aus, dass alle Unfälle, bei denen Beleuchtungsmängel ursächlich waren, bei Dämmerung und Dunkelheit geschehen sind und dass bei diesen Unfällen in der Regel nur ein Radfahrer verletzt wurde, dann traten Beleuchtungsmängel an Fahrrädern nur bei 717 von 14.173 relevanten Unfällen, also bei fünf Prozent als Ursache auf. Nun fahren weit mehr als fünf Prozent der Radfahrer bei Dämmerung und Dunkelheit ohne eigene Beleuchtung, wie aus Zählungen und den Wehklagen von Polizei und Politik hinreichend hervorgeht. Wären beispielsweise 30 Prozent der Radfahrer mit Beleuchtungsmängeln unterwegs und hätte das gar keinen Einfluss auf die Unfallhäufigkeit, müssten auch 30 Prozent der Unfallbeteiligten durch Beleuchtungsmängel auffallen. Wirkt die fehlende eigene Beleuchtung Gefahr erhöhend, müssten sogar mehr als 30 Prozent in den Unfällen auftauchen. Dass es tatsächlich höchstens fünf Prozent sind, gibt zu denken. Fahren vielleicht Radfahrer ohne eigenes Licht in dem Wissen, dass sie übersehen werden können, vorsichtiger und defensiver? Wahrgenommen werden Sie trotzdem regelmäßig, wie jeder Autofahrer anschaulich bestätigt, der sich darüber aufregt, dass er wieder einen »Radler ohne Licht« gesehen hat.
Hätte ich diese Zusammenhänge besser nicht beschreiben sollen? Denn damit habe ich möglicherweise dazu beigetragen, dass sich nicht leuchtende Radfahrer sicherer fühlen und dieses Sicherheitsgefühl durch eine riskantere Fahrweise umsetzen – Stichwort: Risikohomöostase. Trotzdem ist eigene Beleuchtung am Fahrrad sinnvoll, selbst wenn sie eventuell keine Unfälle verhindern kann. Wer ein Fahrrad als Verkehrsmittel begreift und damit als Alternative zu anderen Verkehrsmitteln, muss dafür sorgen, dass es eine möglichst taugliche Alternative darstellt. Eigene, helle und weitreichende Beleuchtung trägt dazu bei, dass ein Fahrrad zu allen Zeiten zügig vorankommt und verbessert so entscheidend seinen Aktionsradius und seine Einsatzmöglichkeiten. Schon von daher ist sie wichtig.
Unmögliche Forderungen
Zurück zu § 67 StVZO. Viele der bisherigen Unmöglichkeiten blieben immer noch drin. Die prominenteste Unmöglichkeit sind die »nach vorn und hinten wirkenden Pedalreflektoren« (Absatz 5 Satz 1), die wie alle Beleuchtungseinrichtungen nicht verdeckt sein dürfen (Absatz 2 Satz 3). An den meisten Liegerädern ist das nicht umzusetzen. Selbst wenn man dort mit aufwändigen Konstruktionen Reflektoren an den Pedalen anbrächte, die nach oben und unten weisen, damit sie bei senkrecht stehenden Pedalen nach vorn und hinten wirken, werden sie nach hinten von den Füßen des Fahrers oder spätestens durch den Fahrer selbst verdeckt. Liegeräder bleiben also in Deutschland streng genommen »illegal«. Mit Velomobilen, deren Pedale in der Karosserie versteckt sind, möchte ich gar nicht erst anfangen.
Andere Vorschriften wurden hingegen trotz Einspruchs der angehörten Verbände noch verschlimmert. Statt sinnvolle Maximalwerte für die Beleuchtungsstärke festzulegen, wurde die Regel, wie Scheinwerfer einzustellen sind, völlig unbrauchbar umformuliert: »Der Scheinwerfer muss so eingestellt sein, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht blendet« (Absatz 3 Satz 2). Welche Verkehrsteilnehmer sind hierbei heranzuziehen? Der Autofahrer oben im SUV oder gar der Lkw-Fahrer noch weiter oben? Der entgegenkommende Fußgänger, Radfahrer oder eventuell der tief sitzende Liegeradfahrer? Die Blendempfindlichkeit steigt zudem mit dem Alter. Als Kriterium ist solch eine subjektive Regel unbrauchbar. Es steht zu befürchten, dass sie nach Unfällen missbraucht wird, indem man dem beteiligten Radfahrer erst einmal vorwirft, sein Licht hätte die anderen geblendet, ohne dass objektiv nachgeprüft werden kann, ob die Bestimmungen eingehalten wurden.
Wenigstens die Vorschrift, dass Dynamos für Fahrräder eine Bauartprüfung durchlaufen müssen, konnte im Vorfeld gerettet werden. Andernfalls wären Inkompatibilitäten zwischen Dynamo und Leuchten zu befürchten gewesen. Billigdynamos mit irregulärer Kennlinie hätten Scheinwerfer bei 5 km/h dunkel gelassen und bei höheren Geschwindigkeiten durch Überspannungen zerstören können. Da die angehörten Verbände sich für die Bauartprüfung und Zulassungspflicht der Dynamos eingesetzt haben, wurde sie wieder in den Entwurf aufgenommen.
Einer, mehrere oder keiner?
Es sind jetzt bis zu zwei Scheinwerfer für Abblendlicht zulässig, aber immer noch keiner für reines Fernlicht an Fahrrädern. Bastellösungen für Fernlicht (vgl. Fahrradzukunft Ausgabe 5) bleiben weiterhin verboten. Fernlicht und ebenso Tagfahrlicht sind nur in Kombination mit den Abblendlicht-Scheinwerfern erlaubt. Die Frage, ob Tagfahrlicht sinnvoll ist, sollte hier gestellt werden. Warum sollten Radfahrer die lichttechnische Aufrüstung am hellichten Tag mitmachen, wo doch schon an der Wirksamkeit der eigenen Beleuchtung bei Dunkelheit Zweifel bestehen? Radfahrer können die zunehmende Beleuchtungseskalation gegen die vergleichsweise unbegrenzte Leistung von Kraftfahrzeugen nur verlieren. Wäre es nicht sinnvoller, allen Verkehrsteilnehmern deutlich zu machen, dass auf Radfahrer (und Fußgänger!) auch geachtet werden muss, wenn sie nicht durch die Gegend funkeln?
Nach hinten, der wichtigsten Richtung, in der ein Reflektor eventuell unfallverhütend helfen könnte, reicht nun ein einziger roter Großflächenrückstrahler aus. Der darf höher sitzen als bisher, bis zu 1,20 m hoch (vorher maximal 60 cm). Eine höhere Anbringung heißt aber auch, dass er erst bei kürzerer Distanz im nach unten gerichteten Abblendlicht eines nachfolgenden Fahrzeugs aufleuchtet, möglicherweise zu spät. Dafür sind nun nach hinten beliebig viele Rücklichter erlaubt. Wie wäre es mit einer Anordnung der Rücklichter in Pfeilform, die signalisiert »links vorbei«?
Auf den vorderen Reflektor hätte man dagegen verzichten können, wenn der Scheinwerfer wie heutzutage üblich eine Standlichtfunktion hat.
Blinken
Blinkende Leuchten werden nun ausdrücklich und nicht nur indirekt über die Bauartvorschriften verboten. Und das ist gut so, denn blinkenden Lichter können die Wahrnehmung bei Nacht erschweren und stellen so eine permanente Gefährdung dar.
Fahrtrichtungsanzeiger dürfen dagegen selbstverständlich blinken. Aber sie dürfen nicht mit anderen Leuchten kombiniert werden, um Verwechslungen auszuschließen. Erlaubt sind sie nur an mehrspurigen und verkleideten Fahrädern (»Aufbau, der Handzeichen verdeckt«). Das erfährt man erst, wenn man einen Satz über 17 Zeilen mit 157 Wörtern bis zum Schluss durchgelesen hat, dessen Aussage in den letzten 16 Wörtern steckt – und das allerletzte Wort ist »zulässig«. Auch »Bremsleuchten«, also Rückleuchten, die beim Bremsen etwas heller aufleuchten, sind nun zulässig, ohne dass jemals deren Wirkung an Fahrrädern untersucht wurde.
Kleine Verbesserungen
Sinnvoll ist die Klarstellung, dass die Beleuchtunganlage auch aus dem Pedelec-Akku versorgt werden darf. Das durfte sie schon seit längerem, aber die wenigsten haben verstanden, dass ein Pedelec-Akku auch ein »wieder aufladbarer Energiespeicher« im Sinn von Absatz 1 Satz 2 ist. Auch sinnvoll ist die tabellarische Darstellung der Anbringungshöhen von wichtigen Einrichtungen. Sie erleichtert die Lesbarkeit der Vorschrift.
Positiv an der ganzen Novelle zu vermerken ist weiter, dass erstmals eine Definiton von »Fahrrad« in die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) aufgenommen wurde (§ 63a StVZO) und auch die Gleichstellung von Pedelecs mit Fahrrädern festgeschrieben wurde. Damit wurden einstmalige Unklarheiten wie zum Beispiel, ob ein Pedelec eine Anfahrhilfe besitzen darf, beseitigt. Und die bisher nur durch die Rechtsprechung gefestigte Frage, was ein Fahrrad ist, wird einfacher aufzufinden.
Fazit
Die wesentliche Vereinfachung ist ausgeblieben. Die Regeln wurden komplizierter, noch detailverliebter und bleiben starr anstatt praxisbezogen. Verständlich geht anders.
Zum Autor
Bernd Sluka, Diplom-Mathematiker, tätig als Berufsschullehrer (Mathematik, Physik, Technologie in der Oberstufe), Alltagsradfahrer, verbandlich gebunden im VCD Landesverband Bayern, Fachgebiete: Verkehrsrecht, Radverkehr, Verkehrsplanung und -beruhigung, Autoverkehr.