Ausgabe 25 · August 2017
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Radfahren in der Schwangerschaft und mit Baby
Radfahren mit Baby – Hintergrund
Radfahren mit Kindern ist in vielen deutschen Städten inzwischen Alltag – aber Radfahren mit Baby? Geht das denn? Ist das nicht zu gefährlich? Fahren Eltern überhaupt mit ihrem Baby Rad?
Radfahren mit Baby ist tatsächlich (noch) ein Randthema – und zwar nicht nur in der gelebten Praxis von Familien, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Forschung und in der Verkehrsplanung. Nichtsdestotrotz ist es von Bedeutung: Zum einen wollen viele Eltern mit ihrem Baby Fahrrad fahren, sind sich aber unsicher, ob und wie dies möglich ist. Zum anderen ist die Geburt eines Kindes eine Umbruchsituation im Leben und damit ein Anlass, Routinen wie auch das Mobilitätsverhalten zu ändern – nach der Geburt eines Kindes wird z.B. deutlich weniger Fahrrad gefahren. Es lohnt sich also einen genaueren Blick auf das Radfahren mit Baby zu werfen. Dies macht derzeit das Verkehrsplanungsbüro »Verkehr mit Köpfchen« (ein Nachfolger des Planungsbüros »Verkehrslösungen«). Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts (Juni 2015 bis Mai 2018) sollen Antworten auf folgende Leitfragen gefunden werden:
- Was hemmt junge/werdende Eltern, Fahrrad zu fahren?
- Wie können diese Hemmnisse überwunden werden?
- Wie kann (ggf. gemeinsam mit Hebammen und Geburtskliniken) die Fahrradnutzung gefördert werden?
Ziel ist es, das Radfahren nach der Geburt zu fördern und zu stärken. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans.
Öffentliche Wahrnehmung
Radfahren mit Baby ist vor allem in privat betriebenen Blogs im Internet ein Thema, in Elternzeitschriften und -literatur findet es (fast) keine Beachtung. Das ist das Ergebnis einer Literaturrecherche im Sommer 2015. Thematisiert wird Radfahren mit Kindern beinahe ausschließlich als Freizeitaktivität und kaum als Alltagsaktivität. Die Babymitnahme spielt keine Rolle. Lediglich in den Online-Angeboten von Elternzeitschriften und in deren Internetforen wird das Thema Radfahren mit Baby behandelt. Dabei gibt es Tipps zum Radfahren im Winter und Empfehlungen für Fahrradanhänger.
Untersucht wurden 29 Elternratgeber in Buchform, sechs Elternzeitschriften (jeweils ein Jahrgang) und zwölf Internetseiten mit der Zielgruppe Eltern auf die Themen »Radfahren mit Baby« und »Radfahren in der Schwangerschaft«. Auf der Projekthomepage fahrrad-und-familie.de kann die vollständige Literaturliste angesehen und heruntergeladen werden.
Mobilität von Familien aus Sicht der Wissenschaft
Auch in der Wissenschaft ist Radfahren mit Baby bzw. Mobilität mit Baby kaum erforscht. Bei den meisten Studien geht es höchstens um die Mobilität von Familien. Laut der Studie »Mobilität in Deutschland« [infas/DLR 2010] haben Haushalte mit Kindern eine um 14 % höhere Pkw-Verfügbarkeit als Haushalte ohne Kinder und mehr Autos im Haushalt. Diese werden für einen größeren Anteil der Wege genutzt als in Haushalten ohne Kinder [Herget 2012]. Frauen – in geringerem Umfang auch Männer – nutzen nach der Geburt eines Kindes deutlich seltener das Fahrrad, dafür wird mehr Auto gefahren und zu Fuß gegangen [Scheiner et al. 2012] . Qualitative Untersuchungen zeigen, dass auch die ÖPNV-Nutzung nach der Geburt des ersten Kindes abnimmt [Lanzendorf 2010] .
Befragung unter Schwangeren und Eltern mit Baby
Da es keine Untersuchung zum Radfahren und Mobilitätsverhalten mit Baby gibt, wurde 2016 im Rahmen des Projekts eine bundesweite Online-Umfrage unter Schwangeren und Eltern mit Baby zum Thema Radfahren durchgeführt. Ziel war es, Hemmnisse und Bedürfnisse zum Radfahren in der Schwangerschaft und mit Baby herauszufinden. Die Erhebung erfolgte mit zwei verschiedenen, aber sehr ähnlichen teilstandardisierten Fragebögen, einem für Eltern mit Baby, einem für Schwangere. Ca. 650 Personen nahmen an der Befragung teil, davon ca. 420 Eltern (80 % Mütter, 20 % Väter) und etwa 230 Schwangere - vor allem fahrradaffine Menschen. Rund 98 % geben an gerne Fahrrad zu fahren und über 60 % sind vor der Schwangerschaft bzw. Geburt ihres Kindes täglich oder fast täglich Fahrrad gefahren (zum Vergleich: deutschlandweiter Durchschnitt im Jahr 2008: 19 % [infas/DLR 2010]).
Aus der Anzahl und der Fahrradaffinität der Teilnehmenden lassen sich keine bundesweit repräsentativen Daten ablesen. Die Umfrage ist jedoch aus mindestens zwei Gründen trotzdem interessant: Zum einen, da sie bundesweit die erste zu diesem Thema ist und zum anderen, weil selbst die radfahrfreudigen Umfrageteilnehmenden eine ganze Reihe von Hemmnissen und Bedürfnissen bezüglich des Radfahrens benennen und ihr Mobilitätsverhalten zu Ungunsten des Radfahrens verändern. Anhand der erfassten Aussagen können Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs abgeleitet werden.
Parallel zur Befragung wurden Gesprächsrunden in Kliniken mit Gynäkologie- und Geburtshilfestationen zum Thema Radfahren in der Schwangerschaft und mit Baby durchgeführt. Die Gesprächsrunden fanden vor oder nach einem Kurs (Geburtsvorbereitungskurs, Rückbildungskurs) oder im Rahmen eines Stillcafés statt. In diesen Gesprächsrunden konnten auch Eltern, die weniger radaffin sind, erreicht werden. Insgesamt nahmen etwa 50 Personen an den Gesprächsrunden teil.
Hemmnisse und Bedürfnisse von Schwangeren und Eltern mit Baby
Ein Ergebnis der Befragung und der Gesprächsrunden zum Radfahren in der Schwangerschaft ist, dass es als eine angenehme Möglichkeit der Fortbewegung empfunden wird. Vor allem mit wachsendem Bauch wird es als angenehmer als zu Fuß zu gehen beschrieben. Schwangere geben an, dass sie aufgrund eines gesteigerten Verantwortungsgefühls defensiver Rad fahren. Die Umfrage ergibt, dass vor allem Personen aus dem sozialen Umfeld (Partner und sonstige Familienmitglieder), aber auch Fremde (z.B. Passanten) Schwangeren vom Radfahren abraten, vor allem aus einer subjektiven Einschätzung heraus und weniger aus medizinischen Gründen. Aus einer Umfrage unter 34 Hebammen und Interviews mit fünf Ärztinnen und Ärzten im Rahmen des Projekts wird deutlich, dass während einer normal verlaufenden Schwangerschaft nicht auf das Radfahren verzichtet werden muss, solange sich die Frau dabei wohl fühlt. Das befragte Gesundheitspersonal gibt an, dass Radfahren eine gesunde, den Beckenboden und Gelenke schonende Bewegungsart ist.
Zum Radfahren mit Baby geben die befragten Eltern an, dass es schön ist wieder mobil sein zu können, aber die oft mangelhafte Radinfrastruktur für Fahrradanhänger und Lastenräder sowie das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmenden den Spaß eindämmen. Mit diesen Problemen geht eine Änderung der Verkehrsmittelwahl einher, obwohl die Teilnehmenden der Umfrage wie berichtet sehr radaffin sind. Während der Schwangerschaft fahren etwa die Hälfte der Frauen weniger Rad: 32 % etwas weniger und 14 % viel weniger. Mütter fahren noch weniger Fahrrad: 25 % fahren etwas weniger und 27 % viel weniger (siehe Bild 1). Bei Vätern ist die Veränderung bei allen Verkehrsmitteln deutlich geringer, daher werden sie hier nur am Rande betrachtet.
Neben gesundheitlichen Aspekten, beispielsweise Geburtsverletzungen, ist davon auszugehen, dass die Veränderungen auch mit einem veränderten Alltag zu tun haben. So sind Schwangere in den letzten sechs Wochen vor der Geburt im Mutterschutz, also nicht erwerbstätig, und nach der Geburt immer noch diejenigen, die deutlich häufiger und länger Elternzeit nehmen. Sie legen also andere Wege zurück als in der Zeit vor der Schwangerschaft, was auch die deutliche Zunahme der Wege zu Fuß erklärt (siehe Bild 1). Mutterschutz und Elternzeit können jedoch nur einen Teil der Veränderungen erklären.
Für die Zeit nach der Geburt ist auch zu unterscheiden, ob die Frau mit oder ohne Baby unterwegs ist. Manche Frauen sind in den ersten Monaten nie ohne ihr Baby unterwegs (27 % der befragten Mütter, darunter überwiegend Mütter mit Babys unter einem halben Jahr, aber auch mit älteren Babys). Sie sind für die erste Fahrradfahrt nach der Geburt darauf angewiesen, ihr Baby mitnehmen zu können. Andere Mütter legen ihre erste Fahrradfahrt nach der Geburt ohne Kind zurück, um ihr Baby zu einem späteren Zeitpunkt mitzunehmen. Von den befragten Müttern fuhr bereits über ein Drittel nach einem Monat wieder Fahrrad, nach drei Monaten waren es bereits knapp 70 %. Dies ist sicher keine repräsentative Zahl, sondern mit der Fahrradaffinität der Befragten zu erklären. Auch bei dieser fahrradfreudigen Gruppe zeigt sich jedoch, dass das Baby tendenziell erst etwas später das erste Mal mit dem Fahrrad mitgenommen wird (43 % der Babys innerhalb der ersten drei Monate).
Wenn Eltern ihr Baby noch nicht mit dem Rad mitgenommen hatten und sich die Mitnahme nicht vorstellen konnten, wurde nach den Gründen gefragt [1]. Insgesamt haben 172 Personen diese Frage beantwortet. Die fünf häufigsten Antworten sind:
Weitere Hemmnisse sind:
- die Angst, Radfahren mit Baby könne schädlich für den Rücken des Kindes sein
- Angst, dass das Baby zu viele Abgase einatmen könnte
- die Unkenntnis, ab wann das Baby mitgenommen werden kann
- Eltern, die sich den Babytransport per Rad nicht zutrauen
- die Ängste, dass die zurückzulegenden Wege zu lang sind, es körperlich zu anstrengend werden könnte und die Technik zu kompliziert ist.
Es werden weitere Gründe genannt, die auf mangelnde Information zurückzuführen sind, z.B. »Man sollte ein Baby erst mit dem Fahrrad mitnehmen, wenn es sicher und stabil sitzen kann« [2] oder pragmatischer Natur: »Noch keine Babymatte für den Anhänger vorhanden« und »der Kinderwagen ist praktischer« [3].
Obwohl die deutliche Mehrheit der Teilnehmenden dem Rad sehr zugewandt ist, geben 34 % an, eher schlecht über das Thema Radfahren mit Baby informiert zu sein. 14 % fühlen sich gar nicht informiert. Gewünscht werden Informationen zu
- den verschiedenen Modellen und Möglichkeiten, wie ein Baby mit dem Fahrrad mitgenommen werden kann,
- ab wann ein Baby mit dem Rad mitgenommen werden darf,
- der Sicherheit bei der Mitnahme und
- den gesundheitlichen Folgen (Rücken, Wirbelsäule) für das Baby.
Diese Hinweise sind wichtige Ansatzpunkte für das Projekt zur Förderung des Radfahrens mit Baby.
Zur Gewinnung weiterer Ansatzpunkte für gezielte Maßnahmen im Projekt wurde gefragt, was sich ändern muss, damit das Baby überhaupt bzw. noch häufiger mit dem Rad mitgenommen wird. Zur Bewertung der freien Texteingaben wurden die Antworten geclustert, um diese grafisch darstellen und gezielter auswerten zu können. Die fünf häufigsten Nennungen sind [4]:
Unter dem Sammelbegriff »bessere Radinfrastruktur« sind u.a. die folgenden häufigen Nennungen zusammen gefasst: die Verbreitung der Radwege, großzügige Umlaufgitter (zum Durchfahren mit Anhängern und Lastenrädern geeignet), Absenkung von Bordsteinen und das Schließen von Lücken im Radwegenetz. Diese Aussagen bilden eine Basis zum Entwickeln gezielter Maßnahmen, um das Radfahren mit Baby zu stärken.
Damit diese Förderung zum richtigen Zeitpunkt stattfindet, ist es wichtig zu wissen, wann sich die Zielgruppe mit dem Thema beschäftigt und offen ist für Angebote. Aus der Befragung geht hervor, dass die meisten Personen bereits während der Schwangerschaft begannen, sich mit dem Thema Radfahren mit Baby zu beschäftigen (35 %). Eine weitere große Anzahl ist mit dem Thema so vertraut, dass sie sich nicht erinnern kann, wann die ersten Informationen darüber genannt wurden (21 %), siehe Bild 4. Diese hohe Anzahl ist auf die hohe Anzahl fahrradaffiner Beteiligter an der Befragung zurückzuführen.
Eine Beschäftigung mit dem Thema fand bei fast der Hälfte der befragten Eltern also bereits vor der Geburt statt – ein wichtiges Indiz dafür, dass Schwangere bei der Ansprache zu diesem Thema berücksichtigt werden sollen.
Angebote zur Förderung des Radfahrens mit Baby
Aus den Ergebnissen der Befragung und der Gesprächsrunden sind in einem Austausch mit dem Projektbeirat [5] drei Hauptschwerpunkte für geplante Maßnahmen entstanden.
Diese Schwerpunkte sind:
- Information und Marketing
- Service-Angebote für Eltern
- Planerische Ansätze
Information und Marketing umfasst den Bereich der Wissensvermittlung. Erstellt werden Flyer und eine Broschüre, die über das Radfahren in der Schwangerschaft und mit Baby aufklären. Der Flyer gibt einen knappen Überblick zum Thema und erste Informationen. Inhalte der Broschüre sind, was beim Radfahren während der Schwangerschaft beachtet werden sollte, welche Babymitnahmemöglichkeiten es für das Fahrrad gibt, was es beim Radfahren mit Baby zu beachten gilt (z.B. ab wann es mitgenommen werden darf, »Unterwegs bei Wind & Wetter«, »Unterwegs mit Kind & Kegel«) und welche gesundheitlichen Aspekte Radfahren mit Baby hat. Die Broschüre wird nach Fertigstellung kostenlos zum Download auf der Projekthomepage fahrrad-und-familie.de zur Verfügung gestellt. Zudem wird sie in Kooperation mit Kliniken in Heidelberg und Umgebung [6] frisch gebackenen Eltern beim Verlassen der Klinik im »Infopaket« mitgegeben. Allen Kinder- und Frauenärzten und Hebammen in der Region werden Flyer und Broschüre zugeschickt. Fast alle Schwangere und jungen Mütter haben häufigen Kontakt mit diesem Gesundheitspersonal (Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft, Wochenbettbetreuung, Früherkennungsuntersuchungen mit dem Kind usw.). Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass Flyer und die Broschüren im Wartezimmer gelesen werden [7].
Hebammen sind starke Bezugspersonen für Schwangere und frisch gebackene Mütter. Sie geben Kurse in den Hebammenpraxen oder Kliniken und besuchen junge Mütter am Wochenbett. Doch haben Hebammen sehr unterschiedliches Wissen zu den Themen »Radfahren mit Baby« und (mit weniger großen Unterschieden) zum Thema »Radfahren in der Schwangerschaft« und geben das Thema auch entsprechend unterschiedlich an die von ihnen betreuten Schwangeren und jungen Mütter weiter [8]. Über Informationsmaterial und Schulungen werden Hebammen als wichtige Multiplikatoren zum Thema im Rahmen einer Förderung durch das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg informiert.
Geplant ist, das Projekt in sozialen Netzwerken zu etablieren, um viele Menschen zu erreichen, das Thema bekannter zu machen und Hemmnisse zu mindern.
Service-Angebote für Eltern sind Proberadel-Aktionstage und ein Anhängerverleih für mehrere Tage. Diese Angebote sollen Berührungsängste und Anschaffungshemmnisse reduzieren. Bei Proberadel-Aktionstagen haben Schwangere und Eltern mit Baby die Möglichkeit verschiedene Varianten zur Babymitnahme mit dem Fahrrad kostenfrei zu testen (siehe Bild 5 und 6). Eltern mit Baby können sich beraten zu lassen und unverbindlich die verschiedenen Typen testen. Die Aktionstage ersetzen keine vollständige Beratung durch den Fachhandel, doch geben sie einen ersten Eindruck. 2016 fanden drei Proberadel- Aktionstage statt, 2017 bereits zwei. Ausprobieren ist bei diesen Aktionstagen ausdrücklich erwünscht! Das Proberadeln läuft 2017 – je nach Wetterlage - bis in die Herbstmonate.
Damit Eltern nicht nur für einen kurzen Augenblick während eines Proberadel- Aktionstags die Möglichkeit zum Testen von Babymitnahmevarianten haben, wird für den Sommer 2017 in Heidelberg und Umgebung testweise ein Anhängerverleih eingerichtet. Für mehrere Tage kann ausprobiert werden, wie gut sich ein Fahrradanhänger in den Alltag integrieren lässt und ob diese Fortbewegungsmöglichkeit das Leben erleichtert. Kooperationspartner sind ortsansässige Fahrradfachgeschäfte. Die Buchung erfolgt online über ein zentrales Buchungstool. Der gebuchte Anhänger wird bei einem der kooperierenden Fahrradläden abgeholt, dabei erhalten die Eltern eine Einführung zum Anhänger. Die Konditionen für die Ausleihe sind je nach Fahrradhändler unterschiedlich, von komplett kostenlos bis zu 20 € pro Ausleihtag. Der Fahrradhandel kann über das Projekt eine Aufwandsentschädigung erhalten. Der Anhängerverleih läuft bis mindestens Ende Oktober 2017.
Planerische Ansätze sind Empfehlungen zur Verbesserung des Radverkehrs an Politik und Verwaltung. Herausgearbeitet werden die Aspekte, die gerade Eltern mit Baby zum Radfahren benötigen. Dazu gehört der Ausbau der Radinfrastruktur sowie Anreize zur Fahrradnutzung zu schaffen. Darüber hinaus ist die Verbesserung des Radverkehrs nicht nur für Radfahrende vorteilhaft, sondern auch für die Barrierefreiheit (Absenkung von Bordsteinen, Verbreiterung der Abstände bei Umlaufgittern) und die Aufenthaltsqualität (inkl. Luftverbesserung, Lärmverringerung) in Städten und Gemeinden generell.
Zusammenfassung und Ausblick
Wichtige Erkenntnisse aus dem Projekt sind:
- Selbst bei fahrradaffinen Schwangeren und Eltern geht die Fahrradnutzung während der Schwangerschaft und nach der Geburt zurück. Auch fahrradaffine Eltern haben einen hohen Informationsbedarf bezüglich Radfahren mit Baby.
- Die Resonanz auf im Wartezimmer ausgelegte Flyer bei Kinder- und Frauenärzten war sehr hoch. Schwangere und junge Eltern sind sozusagen Stammkunden dort – eine Ansprache über diesen Kanal erscheint zielführend. Nicht zuletzt können dort auch weniger fahrradaffine Schwangere und Eltern mit dem Thema in Berührung kommen.
- Service-Angebote wie Proberadel-Aktionstage und Anhängerverleih kommen bei der Zielgruppe sehr gut an bzw. werden von dieser häufig gewünscht. Es wäre erstrebenswert, wenn andere Akteure diese Angebote aufgreifen und ausbauen würden.
- Verbesserungen in der Fahrradinfrastruktur stehen bei fast allen befragten Eltern ganz oben auf der Wunschliste. Verwaltung und Politik sind bei der Umsetzung jedoch häufig zögerlich. Die im Rahmen des Projekts geplanten Politikempfehlungen mögen einen kleinen Anstoß geben, das Radfahren (nicht nur, aber auch für Eltern mit Babys) sicherer und komfortabler zu machen.
Im weiteren Verlauf des Projekts werden die Service- und Informationsangebote weitergeführt und anschließend evaluiert. Wir hoffen, mit dem Projekt bereits jetzt Schwangere, Mütter und Väter darin unterstützt zu haben, mit ihrem Baby Fahrrad zu fahren!
Anmerkungen
- »Was spricht aus Ihrer Sicht gegen die Babymitnahme mit dem Fahrrad?«
- Auch kleine Babys, die noch nicht sitzen können, können in entsprechenden Vorrichtungen (Babyhängematte oder Autobabyschale) im Fahrradanhänger oder mit dem Lastenrad mitgenommen werden.
- Mehrfachnennungen waren möglich, weshalb die Prozentangaben in der Summe deutlich mehr als 100 % ergeben.
- In der Grafik sind nur mehrfach genannte Angaben und nur Verbesserungsvorschläge aufgeführt. Wenn die Radfahrsituation mit Baby für die jeweiligen Personen als gut bis sehr gut benannt wurde, wurde die Antwort nicht in die Grafik aufgenommen. Deswegen ist n=326 und nicht n=420 wie die Gesamtteilnahme der Eltern. Die Frage wurde nur an Eltern gestellt, nicht an Schwangere.
- Das Projekt wird von einem Projektbeirat begleitet, der interdisziplinär aus Personen der Verwaltung, Wissenschaft, Forschung, dem Gesundheitswesen, des Fahrradhandels und Vereinen besteht. Er trägt zur Qualitätssicherung des Projekts bei und trifft sich einmal jährlich.
- Das Praxisgebiet des Projekts besteht aus der Stadt Heidelberg, dem Rhein-Neckar-Kreis und dem Neckar-Odenwald-Kreis. Deswegen werden in dieser Region Proberadel-Termine und der Anhängerverleih angeboten.
- 49 % der Mütter und Schwangeren aus Heidelberg und Umgebung, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind durch einen Flyer im Wartezimmer darauf aufmerksam geworden.
- Ergebnisse einer Befragung unter 34 (von insgesamt 97 ansässigen) Hebammen aus Heidelberg und Umgebung.
Literatur
Literatur
- Herget 2012
- M. Herget: Mobility Patterns of Families in Rural Germany. In: Paper to the Conference on Environmental Psychology: 9th Biennial Conference on Environmental Psychology. Eindhoven, 26.–28.9.2011.
- Lanzendorf 2010
- M. Lanzendorf: Key Events and Their Effect on Mobility Biographies: The Case of Childbirth. In: International Journal of Sustainable Transportation, 4 (5), 2010. S. 272–292
- Scheiner et al. 2012
- J. Scheiner, C. Holz-Rau: A comprehensive study of life course, cohort, and period effects on changes in travel mode use. In: Transportation Research, Part A (47), 2012. S. 167–181
- infas/DLR 2010
- infas (Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH)/DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.) (Hg.): Mobilität in Deutschland 2008: Ergebnisbericht Struktur – Aufkommen – Emissionen – Trends. Bonn und Berlin, 2010.
Weitere Literatur ohne Verweise im Text:
- S. Bamberg: Using a residential relocation as starting point for breaking car use habit. In: S. Lahlou and S. Emmert (Hg.): SCP cases in the field of Food, Mobility and Housing. Paris, 2007.
- M. Jaeger-Erben: Zwischen Routine, Reflektion und Transformation – die Veränderung von alltäglichem Konsum durch Lebensereignisse und die Rolle von Nachhaltigkeit. Eine empirische Untersuchung unter Berücksichtigung praxistheoretischer Konzepte. Fakultät VI Planen Bauen Umwelt, TU Berlin, Dissertation, 2010.
Zu den Autoreninnen
M.Eng. Anna Gering (* 1987) studierte an der Hochschule Osnabrück Freiraumplanung. Nach dem Bachelor absolvierte sie an die Hochschule Rhein Main den Master Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen mit dem Schwerpunkt Verkehr. Von 2015 bis März 2017 war Anna Gering für das Büro »Verkehrslösungen« aktiv. Seit April 2017 arbeitet sie für das Büro »Verkehr mit Köpfchen«. Ihre Schwerpunkte sind Fuß- und Radverkehrsplanungen sowie Mobilitätsmanagement für Schulen und junge Familien. Sie ist leidenschaftliche Radfahrerin und durch das Projekt bestens für den künftigen Familienzuwachs gewappnet. babyrad@verkehr-mit-koepfchen.de
Dipl.-Geogr. Hannah Eberhardt (* 1981) hat von 2001 bis 2008 Geografie, Politikwissenschaften und Raumplanung studiert. Nach dem Studium arbeitete sie mehrere Jahre in der öffentlichen Verwaltung zu den Themen Mobilität, Klima- und Umweltschutz. Von 2012 bis März 2017 war sie für das Planungsbüro Verkehrslösungen aktiv. Seit April 2017 ist sie Inhaberin von »Verkehr mit Köpfchen«, einem Nachfolger des Büros »Verkehrslösungen« in Heidelberg. Sie ist Mutter eines zweijährigen Kindes, mit dem sie den Proberadel-Fuhrpark des Büros mit viel Freude und einigen Aha-Erlebnissen getestet hat. babyrad@verkehr-mit-koepfchen.de