Ausgabe 24 · April 2017
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»Zaphod« – Stufentandem mit Allradantrieb
Die Idee
Wie kommt man auf so eine Idee? Es war zu Beginn der 1990er Jahre. Damals gab es noch kein Internet und kein Studium à la Bolognese – und angehende Diplom-Ingenieure und Diplom-Technomathematikerinnen verfielen auf die seltsamsten Ideen, um sich die viele überflüssige Zeit zu vertreiben. Unter anderem entstand ein Langlieger mit einer Verkleidung aus mit Wachstuch bespannten Kabelverlegerohren, ein imposantes Sesseldreirad aus Alu-Vierkantprofilen und ein hinten gelenkter Knicklenker, dessen Fahrverhalten selbst von geübten Flevo-Fahrern als »eigenwillig« bezeichnet wurde. Alle diese Konstruktionen sind inzwischen den Weg des Altmetalls gegangen; der Zaphod dagegen, von dem dieser Artikel handelt, fährt immer noch.
Heute sind Stufentandems ja nichts Besonderes, aber damals war uns noch
keine derartige Konstruktion bekannt. Obwohl das Hase Periskop, der
Vorgänger des Pino, ungefähr um diese Zeit auf den Markt kam, sahen wir
das erste Bild von einem Stufentandem erst Jahre später. Dagegen kannten
wir das Konzept »Frontantrieb mit Knicklenkung« aus eigener Anschauung,
seit sich Kurt 1991 ein Flevo-Zweirad gekauft hatte. Aus der Erfahrung mit
dem Flevo und dem Wunsch nach einem selbstgebauten Tandem wurde die Idee
des Zaphod (benannt nach dem zweiköpfigen Außerirdischen aus »Per Anhalter
durch die Galaxis«) geboren:
Vorderteil des Flevo + Hinterteil eines konventionellen Rades = Tandem mit
Allradantrieb!
Genial!!! Blieb noch die Frage mit der Lenkung: Würde die Flevo-Lenkung auch bei so einem Fahrzeug funktionieren? Oder sollte doch besser von hinten gelenkt werden? Allein das Experiment ist schlüssig! Also bekam der Zaphod sowohl vorne als auch hinten einen Lenker, verbunden durch eine Schubstange.
Der Bau
Es wurde verbaut, was da war: ein gefundenes 24er Schrottrad und ein 28er Herrenrad aus eigenen Beständen. Das Vorderteil des 24er Rades wurde an den 28er Rahmen geschweißt und das ganze mit zusätzlichen Rohren verstärkt. Für die Schweißarbeiten kam ein Schutzgas-Schweißgerät zum Einsatz. Das übrig gebliebene Tretlager wurde mit den Kettenstreben an das Vorderrad geschraubt und durch zwei Rohre mit dem Gabelkopf verbunden. Die beiden Lenker sind über eine Gelenkstange gekoppelt. Die verwendeten Gelenke stammen von Autoscheibenwischern.
Für den Sitz fand sich ein Sperrholz-Stuhl, der zurecht gesägt und mit per Klettband abnehmbarer Isomatte belegt wurde. Die Schwinge, die den Sitz trägt, ist aus Vierkantrohren geschweißt; hinten ist sie mit einer alten Vorderradnabe am Steuerrohr des 28er Rahmens befestigt, vorne liegt sie mit einem Gummielement auf dem Oberrohr des 24er Rahmens auf. Der Sitz kann auf der Schwinge längs verschoben werden, allerdings ist der Verstellbereich (typisch für ein Liegerad) eingeschränkt, sodass die Sitzposition nur für Leute mit relativ langen Beinen passt. Hinzu kommt, dass bei ganz nach vorn gestelltem Sitz der Hebelarm zum Federelement sehr groß wird, daher ist diese Einstellung nur für leichtgewichtige Kinder geeignet.
Insgesamt erwies sich die Konstruktion trotz der verwendeten »Low-Cost-Materialien« als sehr robust – mit kleineren Ausnahmen: Die Vorderradgabel des Kinderrads hielt der Belastung nicht stand und musste ausgetauscht und verstärkt werden. Auch der Vorbau mit dem Tretlager blieb lange eine Schwachstelle. Die durch das Treten eingebrachte Torsion machte einige Nachbesserungen nötig. Glücklicherweise konnte auf den ersten Touren immer ein Schweißgerät aufgetrieben werden. Für den besseren Fahrkomfort wurden später zwei Siebengangnaben eingebaut, was allerdings das Gewicht noch weiter erhöhte.
… und wie fährt es sich damit?
FahrerInnen ohne Flevo-Erfahrung brauchen eine kurze Eingewöhnungsphase; vor allem beim Anfahren gerät man anfangs leicht auf Schlingerkurs, weil man vorne beim Treten auch die Lenkung beeinflusst. Allerdings ist das Fahrverhalten insgesamt deutlich gutmütiger als beim Flevo-Bike – und sobald der Zaphod etwas Fahrt aufgenommen hat, kann man sich entspannen und die Reise genießen. Das gemeinsame Lenken klappt problemlos – wenn man sich einig ist, wer im Zweifelsfall die Richtung bestimmt. Ansonsten nimmt man doch das eine oder andere Schlagloch mit: der eine will links vorbei und der andere rechts, also geht es mitten durch. Einmal führte auch der optimale Weg um einen Baum zu Meinungsverschiedenheiten; der Kompromiss war, den Baum nicht zu umfahren sondern umzufahren, was aber nicht zum Erfolg führte und dem Zaphod auch nicht gut bekommen ist.
Neben den bekannten Vorteilen des Stufentandems – freie Sicht für beide und gute Kommunikation – bietet der Zaphod den zusätzlichen Vorteil, dass beide unabhängig voneinander treten und schalten können. Der Lenker vorne ist »optional«: Genau wie das Flevo-Bike lässt sich der Zaphod vorne auch freihändig fahren und mit den Füßen lenken. So hat man beide Hände frei, um z.B. die Karte zu lesen oder sich um das Baby in der Bauchtrage zu kümmern, während der Hintermann auf den Weg achtet. So hat sich der Zaphod auch als Familienkutsche bewährt. Als die Kinder größer wurden, fuhren sie zunächst im Anhänger mit, bevor sie anfingen, den Eltern den beliebten Platz auf dem Vordersitz streitig zu machen. So lange die Füße noch nicht bis an die Pedale reichten, wurde vor dem Sitz eine Fußstütze montiert. Damit war zwar der Allradantrieb deaktiviert und Papa oder Mama mussten alleine treten, dafür war der Nachwuchs glücklich und Radtouren wurden nicht als langweilig empfunden.
Der Zaphod kann sowohl vorne als auch hinten solo gefahren werden. Sitzt der Fahrer hinten, dann wirkt das ziemlich unspektakulär; sitzt er aber vorne, dann sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob er völlig entspannt einen halben Meter über dem Asphalt dahinschwebt und dabei von einem leeren Fahrrad verfolgt wird – was regelmäßig verblüffte Reaktionen bei anderen Verkehrsteilnehmern auslöst…
Fazit: ein gelungenes Experiment mit großem Spaßfaktor!
Zu den Autoren
Cornelia Hesse, geb. 1967, Dipl., Technomathematikstudium in Clausthal, Projektleiterin in der Marktforschung.
Martin Hesse, geb. 1965, Dipl. Ing., Maschinenbaustudium in Clausthal, z.Zt. Hausmann. Das Tandem war ein Gemeinschaftsprojekt während unseres Studiums. Inzwischen sind wir seit 20 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder, die auch gerne mit dem Zaphod fahren. Wir wohnen in Bremen.
Kurt Fischle, geb. 1968, Dr.-Ing., Maschinenbau-Studium in Clausthal, wohnt in Lüneburg und entwickelt Software für Windenergieanlagen. Zu seinem Fuhrpark gehören unter anderem ein Brompton, ein Quantum Toxy und ein Heros-Herrenrad mit Quietschekrokodil am Lenker.