Ausgabe 22 · April 2016
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Steckdose unterwegs – Teil 5
Leistungssteigerung mit Serienkondensatoren
Im letzten Artikel der Serie »Steckdose unterwegs« stellten wir den »Dynamo Harvester« vor, einen USB-Ladeadapter mit Pufferakku, in dem ein Mikrocontroller ständig gezielt nach dem jeweiligen »maximum power point« sucht. Seit etwa einem Jahr gibt es nun eine neue Version dieses Gerätes namens »Dynamo Harvester Plus«, die deutlich mehr Energieernte aus dem Nabendynamo verspricht.
Be On Bike Dynamo Harvester Plus – mehr Leistung dank Serienkondensator
Ein erster Blick auf die beiden Versionen zeigt nur den kleinen Aufkleber »plus« als sichtbaren Unterschied.
Schraubt man die Gehäuse auf, so findet man im »plus«-Gerät einen zusätzlichen schwarzen Kondensator dicht bei den Nabendynamo-Anschlüssen. Dieser Kondensator ist nicht polarisiert und hat eine Kapazität von 220 µF. Er wurde von Hand zwischen einen Anschluss und die Ladeschaltung gelötet.
Die Historie des Serienkondensator am Fahrraddynamo
Die Grundidee zu einem Kondensator im Stromkreis zwischen Dynamo und Verbrauchern stammt von Ralf Kusmierz, der Messdaten und Dimensionierungsvorschläge dazu schon 1985 veröffentlichte (R. H. Kusmierz: Grundlagen der Funktion von Fahrradlichtmaschinen. In: Pro Velo, Bd. 4, 1985). Da damalige Reibraddynamos aber mechanisch und elektrisch unbefriedigend waren, wurde die Idee weder von Bastlern noch Industrie aufgegriffen. Dass Serienkondensatoren am getriebelosen Nabendynamo helfen können, bei mittlerem Tempo eine deutliche Leistungssteigerung zu erreichen, beschrieb Wilfried Schmidt dann in Ausgabe 1 der Fahrradzukunft. Der E6-Z-Scheinwerfer von Schmidt Maschinenbau war 2002 das erste kommerzielle Produkt, das diesen Effekt nutzte. Der erste Ladeadapter für Nabendynamos, der einen Serienkondensator einsetzte, war der 2010 in Fahrradzukunft 11 vorgestellte und in Fahrradzukunft 12 im Detail beschriebene »Minimallader+C«. Kommerziell setzte Tout Terrain 2012 einen Serienkondensator versteckt in einem Kunststoffröhrchen am Zuleitungskabel als »Power Amplification Technology« im »The Plug II mit P.A.T.« ein. Zur Perfektion getrieben hat Jens During die Idee mit dem Forumslader V5, indem er abhängig von der Fahrgeschwindigkeit verschiedene Serienkondensatoren in Reihe zum Nabendynamo schaltet und so über einen breiten Drehzahlbereich sehr hohe Leistungen entnehmen kann.
Es ist somit keine Überraschung, dass auch Thomas Treyer, der Entwickler des Dynamo Harvester, es mit einem Serienkondensator probiert hat. Die Messwerte zeigen klar: Mit sehr geringem Aufwand hat man hier erheblich an Leistungsausbeute gewonnen! Lieferte der bisherige Harvester im mittleren Fahrgeschwindigkeitsbereich nur etwa die halbe Leistung des Forumsladers V5, so kann der Harvester Plus den Abstand auf 10-15 % bei bis zu 25 km/h reduzieren. Während der Forumslader im Bereich 30-35 km/h seine maximale Leistung von 8,6 Watt in den Akku lädt und danach wieder abfällt, steigt die Leistungsernte des Harvester Plus kontinuierlich an, um bei 41 km/h dann sogar mehr zu bieten als der Forumslader.
Prüfaufbau und Messergebnisse
Vermessen wurde der Dynamo Harvester Plus mit einem vergleichbaren Prüfstand wie bei den vergangenen Artikeln zu »Steckdose unterwegs«: Ein Drehstrommotor treibt einen SON28 klassik per Zahnriemen an. Der Motor wird über einen Frequenzumrichter angesteuert, der Nabendynamo-Drehzahlen entsprechend einer Geschwindigkeit von 5 bis 70 km/h (im 28″-Laufrad mit 700 mm Laufraddurchmesser) ermöglicht. Die Drehzahl wird per Fahrradtachometer kontrolliert. Die Ausgangsleistung des Nabendynamos sowie die Lade-/Entladeleistung in den internen Pufferakku des Ladeadapters wird mit jeweils einem GMC Metrahit 29S gemessen. Als USB-Verbraucher wird die programmierbare elektronische Last Array 3711A verwendet. Sie ermöglicht es die USB-Verbrauchsleistung auf 0,1 Watt genau einzustellen, sowie Spannung und Strom zu messen.
Zu bedenken ist, dass zwei Stunden Fahrt bei mehr als 25 km/h sowohl den Akku des Harvester Plus (Samsung ICR18650-30B mit 3,7 V/3000 mAh) als auch den des Forumsladers in der Kompaktvariante (drei LiMn-Zellen á 700 mAh) komplett füllen. Danach geht bei beiden die Leistungsaufnahme aus dem Nabendynamo auf minimale Werte zurück. Wer also sehr energiehungrige Mobilgeräte versorgen will, ist gut beraten diese ständig nachzuladen und nicht erst abends im Zelt die Energieernte des Tages umzuladen.
Wer auf längeren Touren überwiegend schneller als 20 km/h fährt, kann somit auch größere Verbraucher wie große Smartphones dauerhaft versorgen (3–4 Watt im aktiven Navigationsbetrieb mit heller Hintergrundbeleuchtung und allen eingeschalteten Kommunikationskanälen). Tablet-PCs verbrauchen als Navi allerdings 6–10 Watt und überfordern damit auch die besten Ladeadapter.
Alle hier betrachteten Ladeadapter sind relativ verlustarm wenn es darum geht, aus dem Pufferakku wieder USB-Spannung für einen Verbraucher zu generieren. Der Harvester Plus ist bei niedrigen Leistungen noch etwas effizienter als der Forumslader V5. Mit knapp 90 % bleibt das unauffällige USB-Werk hier aber Spitze.
Wer viel elektrische Energie entnehmen will, muss die entsprechende Bremswirkung des Nabendynamos in Kauf nehmen. Alle hier getesteten hochwertigen Ladeadapter verhalten sich aber ähnlich – d.h. Ladeadapter die weniger Leitung liefern entnehmen auch weniger aus dem Nabendynamo und bremsen entsprechend weniger. Wenn der Pufferakku voll geladen ist bzw. das angeschlossene Mobilgerät nur (noch) wenig Leistung benötigt oder gar abgesteckt ist, dann geht auch die Stromaufnahme vom Nabendynamo in gleichem Maße zurück.
USB-Werk und E-Werk mit Serienkondensator nachrüsten
Wenn es nun anscheinend so einfach ist, mittels Serienkondensator die Leistungsausbeute von Ladeadaptern zu erhöhen – wie wäre es dann, selber Entsprechendes bei USB-Werk und E-Werk nachzurüsten? Wir haben bei beiden mit ungepolten Elkos mit 230 µF, 330 µF und 560 µF zwischen Nabendynamo und Ladeadapter experimentiert. Es ist dabei kein offensichtlicher Schaden eingetreten; eine Garantie für Nachahmer können wir aber natürlich nicht geben. Da das USB-Werk maximal nur gut 2,5 Watt an USB-Verbraucher liefert und einen sehr kleinen Puffer-Akku beinhaltet, nützt es wenig, mittels 230 µF bei 20 km/h 4,8 Watt in diesen Akku fließen zu lassen, weil dieser sehr bald nichts mehr aufnehmen kann und die Ladeleistung entsprechend heruntergeregelt wird.
Reizvoller sind dagegen Versuche mit dem E-Werk. Mit dem 230-µF-Serienkondensator lassen sich hier ähnliche Leistungszuwächse wie von Harvester zu Harvester Plus erreichen. Bei eher gemütlichem Reisetempo von 15 bis 20 km/h kann so ein Smartphone beim Navigieren nicht nur versorgt, sondern auch noch nennenswert aufgeladen werden. Bei langsamer Fahrt um die 10 km/h ist eine höhere Kapazität des Serienkondensator wirkungsvoller.
Wer selber experimentieren will steht vor dem Problem, dass nicht-polarisierte Kondensatoren schwierig und vergleichsweise teuer zu beschaffen sind. Behelfen kann man sich durch das antiserielle Zusammenschalten von zwei üblichen polarisierten Elektrolytkondensatoren gleicher Kapazität. Die resultierende Kapazität beträgt dann die Hälfte. Als Spannungsfestigkeit sollte man mindestens 16 Volt wählen. Um den Leistungsgewinn nicht durch Verluste in den Kondensatoren zu schmälern und diese zudem durch Erwärmung zu schädigen, sollten unbedingt »lowESR«-Typen gewählt werden, also Kondensatoren mit niedrigem Innenwiderstand.
Übrigens: Wer einen älteren Dynamo Harvester besitzt kann den Service des Herstellers nutzen und eine Aufrüstung auf die Plus-Version zum Preis von 12 € in Auftrag geben. Das Ingenieurbüro Treyer behandelt die Lötstellen mit Schutzlack, sodass leichtes Spritzwasser keinen Schaden auslöst. Bei der Gelegenheit kann man auch die neueste Firmware aufspielen lassen, die in erster Linie Vorteile für die Kommunikation mit der zugehörigen Smartphone-App bietet, welche Geschwindigkeit, Fahrstrecke und barometrische Höhe darstellt.
Bedanken möchte ich mich beim Tübinger Fahrradzukunft-Leser Herwig Landenberger, der mich ansprach und mir seinen Dynamo Harvester Plus vertrauensvoll für die Messungen und Fotos zur Verfügung stellte.
Zum Autor
Andreas Oehler (Jg. 1966) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.