Ausgabe 18 · April 2014

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Das BerkelBike – In die Pedale treten trotz Querschnittslähmung

von Julian Bleh

Das Problem

Man stelle sich vor, auf einmal seine Beine nicht mehr benutzen zu können. Kein schöner Gedanke, so viel steht fest. Leider ergeht es pro Jahr alleine in Deutschland zirka 1.000 Menschen so. Meist ist ein Unfall der plötzliche Auslöser des Dilemmas, das schwerwiegende Folgen für den Rest des Lebens mit sich bringt. Eine oft unterschätzte Folge einer Querschnittslähmung scheint auf den ersten Blick ziemlich trivial: Wie soll sich ein gelähmter Mensch eigentlich genügend bewegen? Natürlich, Bewegung ist nicht alles, wenn es um Gesundheit geht. Doch wer sich nicht bewegt, bekommt ziemlich schnell ernsthafte gesundheitliche Probleme. Man schaue sich nur einmal an, was beispielsweise ein Astronaut alles tun muss, um während seines Aufenthalts im All den Mangel an körperlicher Betätigung zu kompensieren. Wenig verwunderlich also, dass gerade Menschen, die sich krankheitsbedingt nicht mehr ordentlich bewegen können, oft unter Übergewicht und Muskel- sowie Knochenschwund leiden. Hinzu kommt dann noch ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen und eine schlechte Durchblutung, besonders natürlich der Gliedmaßen, die nicht mehr bewegt werden können. Die schlechte Durchblutung führt wiederum schnell zu Gewebeproblemen. Das dauerhafte Sitzen tut sein übriges dazu und ehe man sich versieht, entwickelt sich ein Dekubitus. Diese unangenehmen Wundliegegeschwüre, unter anderem durch dauerhaftes Sitzen entstanden, machen das Sitzen zur Qual oder gar unmöglich.

Bild 1: Das BerkelBike Pro, ein vollwertiges Dreirad mit sowohl Arm- als auch Beinantrieb.
Bild 2: Das BerkelBike Connect, ein Rollstuhlzuggerät mit kombiniertem Antrieb.

Die Idee

Mit dieser Problematik im Hinterkopf entstand die Idee zum BerkelBike. Rik Berkelmans, Erfinder und Namensgeber, war sich aufgrund seiner beruflichen Erfahrung als Toxikologe und Physiologe darüber bewusst, welche indirekten Probleme mit einer Lähmung einhergehen. Was ihn aber vor allem wunderte war, dass es bereits funktionierende medizintechnische Ansätze gab, um gelähmte Muskeln durch gezielte Stimulation zu reaktivieren; diese waren allerdings alles andere als alltagstauglich. Bei einem gesunden Menschen leiten Nervenstränge im Rückenmark die vom Gehirn ausgehenden, elektrischen Impulse zum jeweiligen Motornerv des Muskels.

Da das Rückenmark bei Querschnittsgelähmten je nach Ausmaß der Verletzung an einer Stelle beschädigt oder komplett durchtrennt ist, kommt bei einer inkompletten Lähmung nur noch ein Bruchteil der Signale oder im Falle einer kompletten Lähmung gar kein Signal mehr bei den Muskeln im Unterkörper an.

Funktionelle Elektrostimulation (FES) nennt man die Technik, mit der auch solche tot geglaubten Muskelgruppen wieder aktiviert werden können. Das Prinzip erinnert auf den ersten Blick an die dubiosen Trainingsgürtel aus der TV-Werbung, mit denen man laut ihres Herstellers innerhalb weniger Wochen mühelos einen Waschbrettbauch erreichen kann. Mittels auf der Haut angebrachter Elektroden werden elektrische Impulse zur Muskulatur geleitet, sodass diese sich in geplanten Intervallen zusammenzieht. Der Effekt eines herkömmlichen FES-Geräts beruht also auf der indirekten elektrischen Stimulation der Muskulatur, das heißt, der Motornerv des gelähmten Muskels wird stimuliert. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass der Motornerv des betreffenden Muskels noch intakt ist, es sich also um eine spastische Lähmung handelt. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einer denervierten (schlaffen) Lähmung, welche einer anderen Form der Stimulation bedarf.

Bei der künstlichen Stimulation der Muskulatur müssen die elektrischen Impulse aufgrund des Widerstands von Haut und Gewebe natürlich um einiges stärker sein, als dies normalerweise im menschlichen Körper der Fall ist. Stromstärken, die bisweilen auch bis zu 50 mA betragen können, setzen voraus, dass beim Empfänger eine verminderte Schmerzempfindlichkeit vorliegt. Dies ist im Falle einer Querschnittslähmung allerdings meistens gegeben.

Seit mehr als 30 Jahren gibt es Geräte, die im richtigen Moment bestimmte Muskelgruppe so stimulieren, dass eine fahrradtypische Tretbewegung zustande kommt. Man muss sich das ganze in etwa wie einen Home-Trainer vorstellen, an dessen Pedalen ein Kurbelwinkelsensor angebracht ist. Dieser Sensor gibt Informationen über die Position der Pedale weiter an einen Computer, der daraufhin berechnet, wann welche Muskelgruppe kontrahieren muss, um die gewünschte Bewegung zu erzeugen. Der Computer ist mit einem Stimulationsgerät verbunden, welches dann die elektrischen Impulse via Klebeelektroden an die gewünschte Stelle bringt. Die auf diese Weise erzeugte Bewegung sieht so natürlich aus, dass dem unerfahrenen Betrachter gar nicht auffällt, was eigentlich genau vor sich geht: Video das BerkelBike in Aktion, auch mit deutschen Untertiteln.

Schon Christopher Reeve war übrigens ein überzeugter Befürworter der FES-Technologie und machte sie sogar für viele seiner kleinen Erfolge im Kampf gegen die eigene Querschnittslähmung verantwortlich. Für diejenigen, die vergessen haben wer Christopher Reeve ist: Der US-amerikanische Schauspieler wurde berühmt für seine Rolle als Superman, den er zwischen 1978 und 1987 verkörperte. Später erlitt er durch einen Reitunfall eine Querschnittslähmung der besonders heftigen Art. Reeve brach sich zwei Halswirbel, was aufgrund der Höhe der Verletzung den Verlust von Gefühl und Kontrolle vom Hals abwärts bedeutete. In der Fachsprache ist diese Form der Querschnittslähmung auch als Tetraplegie bekannt. Reeve, der sich von da an für seine Schicksalsgenossen einsetzte, sagte später, er hoffe, dass Krankenkassen es irgendwann einem breiteren Publikum ermöglichen, Techniken wie FES nutzen zu können. Er war überzeugt, dass pro-aktive Maßnahmen auch den Krankenkassen zu Gute kommen würden, denn man könne auf eine Menge Arztbesuche verzichten, die aufgrund eigentlich vermeidbarer Folgeerscheinungen erforderlich würden.

Günstig ist FES leider auch heute noch nicht, so viel steht fest. Aber wer sich ein wenig mit Medizinprodukten auskennt weiß, dass es aufgrund der geringen Produktionszahlen und etwaiger Testprozeduren fast schon normal ist, dass die Preise meist weit über den Erwartungen derer liegen, die gerne davon Gebrauch machen würden.

Bild 3: Die Funktionsweise des BerkelBike FES-Systems

Der Plan

Zurück zum Thema. Auch Rik Berkelmans hatte sich vorgenommen, FES einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Weniger über den Preis, denn daran kann man als kleiner, selbständiger Unternehmer wenig ändern. Vielmehr wollte er die FES-Technologie wortwörtlich nach draußen bringen. Bis dato waren FES-Trainer nämlich meistens nur in Krankenhäusern oder Rehabilitationszentren zu finden und die Patienten waren dadurch gezwungen, regelmäßig dorthin zu kommen, um von der Technologie profitieren zu können. Berkelmans Idee war es, FES mit einem fahrtüchtigen Gerät zu kombinieren und es so Lähmungspatienten zu ermöglichen, selbständig und an der frischen Luft zu trainieren.

Da eine querschnittsgelähmte Person allerdings auch mit einem optimal abgestimmten FES-System nicht in der Lage ist, sich über weite Strecken nur auf Basis der eigenen Kraft zu bewegen, musste erst einmal für dieses Problem eine Lösung gefunden werden. Ein gelähmter Mensch kann mit dem FES-System ein paar Meter auf ebener Strecke mit Hilfe der eigenen Muskeln zurücklegen. Allerdings ist die Koordination der Muskelfasern deutlich eingeschränkt, was dafür sorgt, dass die künstlich hervorgerufenen Muskelkontraktionen in ihrer Kraftentwicklung weitaus schwächer sind, als dies im gesunden Zustand der Fall wäre.

Es wurde also nach einer geeigneten Art der Unterstützung gesucht, um ein funktionstüchtiges Transportmittel mit FES-Technologie bauen zu können.

Dies war die Geburtsstunde des BerkelBikes, einem Dreirad, das an eine Kombination aus Handbike und Liegerad erinnert. Das BerkelBike verfügt sowohl über normale Fahrradpedale als auch über eine Armkurbel. Der kombinierte Antrieb war das fehlende Puzzlestück, um schwache Beine beim Treten zu unterstützen. Eine wichtige Eigenschaft dieses Antriebs ist, dass die Armkurbel nicht das Vorderrad antreibt, sondern an den Pedalen ansetzt. Das heißt, sobald man an der Handkurbel dreht, drehen sich auch die Pedale mit. Die Kette, die von den Pedalen ausgeht, treibt dann wiederum direkt das Vorderrad an und hat keinen Einfluss auf die Drehung der Armkurbel. Von dieser Art des Antriebs können nicht nur Querschnittsgelähmte in Verbindung mit der FES-Technik profitieren. Die simple Entlastung der Beine durch den Einsatz der Arme hat das BerkelBike auch bei anderen Patientengruppen mit Bewegungseinschränkungen beliebt gemacht.

Bild 4: Der allererste Prototyp des BerkelBikes

Die Umsetzung

Die Entwicklung des BerkelBikes begann im Jahr 2000. Rik Berkelmans arbeitete damals noch im Physiklabor der Uni Nimwegen und musste sich erst einmal auf die Suche nach geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten machen. Im selben Jahr gelang es schon, mit den ersten technischen Zeichnungen den »Millenniumprijs«, einen niederländischen Förderpreis, dotiert mit 45.000 €, zu gewinnen. Weitere Fördergelder folgten und der erste Prototyp konnte gebaut werden. Die Herstellung oblag damals noch dem niederländischen Ingenieurbüro Flevobike, einem Unternehmen spezialisiert auf die Herstellung von durch den Menschen angetriebenen Fahrzeugen. Der Prototyp wurde nach seiner Fertigstellung natürlich ordentlich getestet. Dies geschah in Zusammenarbeit mit der St. Maartens-Rehaklinik in Nimwegen. Die klinische Erprobungsphase zeigte nochmals das Potential, das in der der Idee steckt.

So dauerte es auch nicht lang, bis weitere Prototypen gebaut wurden. Die Umsetzung des Projektes rückte dabei immer mehr in den Vordergrund -schließlich musste etwas Zustande kommen, dass sowohl verkehrs- als auch therapietauglich ist und in seiner Produktion nicht den Kostenrahmen des Durchschnittspatienten sprengt, sonst ließe sich das Produkt hinterher nicht vermarkten. Das Gerät wurde also zusehends kleiner und leichter; zudem gab es mit jedem neuen Prototypen mehr Einstellungsmöglichkeiten. Im Oktober 2002 kündigte Berkelmans dann endgültig seinen Job an der Uni Nimwegen, um sich voll und ganz der Entwicklung des BerkelBikes widmen zu können. Im gleichen Zug gründete er die Firma BerkelBike BV (BV ist das niederländische Pendant zur GmbH).

Peter Claus, ein Kollege Berkelmans an der Uni Nimwegen und Ben van Dolder von der Firma Syntens begannen unterdessen mit der Entwicklung der Elektronik für das FES-System. Deren Weiterentwicklung und das Programmieren der dazugehörigen Software geschah zwischen 2004 und 2007 in Form eines Joint Ventures aus BerkelBike und Brainquiry R&D. Unter anderem wurde an einer Art Radlerhose mit eingenähten Elektroden gearbeitet. Diese Hose kann an den FES-Stimulator angeschlossen werden und ersetzt somit das Befestigen von Klebeelektroden auf der Haut des Patienten. Nach der Entwicklung von Software und Elektronik verließ man endgültig die Räumlichkeiten der Universität, um sich in s’Hertogenbosch niederzulassen. 2011 erfolgte dann ein vorerst letzter Umzug an einen größeren Standort im niederländischen Sint-Michielsgestel.

Bild 5: Der Erfinder bei einer Probefahrt mit einem Prototypen ohne FES.

Stand der Technik

Auch die Produktpalette wurde erweitert, mittlerweile verkauft die Firma BerkelBike fünf verschiedene Fahrzeuge. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das BerkelBike Connect, ein Rollstuhlzuggerät, das auf dem gleichem Antriebsprinzip beruht, aber anstelle von Sitz und Hinterrädern einen Adapter besitzt, mit dem es sich mit einem Rollstuhl verbinden lässt. Der Benutzer kann aus seinem eigenen Rollstuhl im Handumdrehen ein Dreirad mit Arm- und Beinantrieb machen, ohne dabei umsteigen zu müssen. Des Weiteren wurden zwei verschiedene Hometrainer mit dem BerkelBike-Antriebsprinzip entwickelt. Mit dem EasyLegs wurde auch ein gängiges Dreirad mit einem normalen Fahrradlenker anstelle der Armkurbel ins Programm aufgenommen, welches wie das BerkelBike sowohl als Rollstuhlzuggerät als auch als vollwertiges Dreirad erhältlich ist.

Seit ein paar Jahren kooperiert BerkelBike mit der Firma Tacx, einem Hersteller von Rollenständen. Dank des passenden Rollentrainers von Tacx lässt sich das Training mit dem BerkelBike bei schlechtem Wetter nun auch problemlos ins Wohnzimmer verlegen. Einfach das Vorderrad im Rollenstand einhängen und dann kann man sich, wenn man im Besitz der passenden Software ist, in der virtuellen Welt auf dem Computerbildschirm ein Rennen gegen die eigene Bestzeit liefern.

2011 bekam das BerkelBike nochmals ein ordentliches Upgrade. Das Design wurde komplett modernisiert und der Rahmen ist jetzt aus Aluminium (7010), um mehr Gewicht zu sparen. Man kann sich nun auch zwischen 20 oder 24 Zoll großen Hinterrädern entscheiden, was je nach Fahrstil in den Kurven einen entscheidenden Vorteil mit sich bringt.

Gebremst wird übrigens durch das Zurückziehen der Armkurbel, also wie beim Rücktritt, nur eben mit den Armen. Für die eigentliche Bremswirkung sorgt eine Scheibenbremse am Vorderrad. Diese ist mit zwei unabhängigen Scheibenstoppern ausgerüstet, einer für das Zurückziehen der Armkurbel und der andere für einen zusätzlichen Bremshebel, der unterhalb der Armkurbel angebracht ist. Dieser Bremshebel besitzt außerdem eine Feststellfunktion, was sich besonders beim Auf- und Absteigen bezahlt macht. Über dem Bremshebel befindet sich der Drehknauf der Schaltung. Wie bei einer üblichen Drehgriffschaltung kann man hiermit zwischen den acht Gängen der Shimano Alfine Nabenschaltung wechseln.

Da eine Schaltung für so manchen Benutzer nicht ausreicht, um verlässlich von A nach B zu kommen, gibt es die Möglichkeit, die Fahrzeuge mit einem elektrischen Hilfsmotor zu ergänzen. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Tretunterstützung, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Der Motor treibt nämlich nicht das Vorderrad an, sondern unterstützt so wie die Armkurbel die Beine beim Treten. Somit wird garantiert, dass die Beine zu jedem Zeitpunkt der Bewegung gleichmäßig stark unterstützt werden und es keinen toten Punkt gibt.

Grundsätzlich wurde während der gesamten Entwicklung darauf geachtet, das BerkelBike so anpassungsfähig wie möglich zu gestalten. Dies ist bei der Zielgruppe des Geräts erforderlich, denn jede Behinderung ist anders und mit jeder Behinderung gehen andere Bedürfnisse einher. Darum kann am BerkelBike von der Breite der Pedale bis hin zum Winkel von Sitzlehne oder Armkurbel alles selbständig eingestellt werden und der Nutzer entscheidet selbst, an welcher Stelle er gerne Schnellspanner möchte und welche Teile fest verankert werden sollen. Es versteht sich von selbst, dass ein BerkelBike vor dem Kauf mehrmals Probe gefahren wird und danach eine individuelle Anpassung auf seinen zukünftigen Besitzer erfolgt.

Bild 6: Ein BerkelBike Connect inklusive FES-System und Tacx Home-Trainer mit Virtual Reality-Software.

Die Effekte

Ein Dreirad, das anstelle eines normalen Lenkers eine Armkurbel besitzt und trotzdem über Pedale verfügt, fällt natürlich auf. Dessen wurde ich mir selbst bewusst, als ich auf der letzten REHACARE-Messe in Düsseldorf mit dem BerkelBike auf dem Messegelände meine Runden drehte. Trotz all der anderen ungewöhnlichen Fahrzeuge, die dort anzutreffen waren, wurde ich regelmäßig von Leuten angehalten, die großes Interesse an der einzigartigen Antriebskombination zeigten. Wenn ich sie dann davon überzeugen konnte, doch eine kleine Proberunde auf dem BerkelBike zu drehen, zeigte sich vor allem Begeisterung bei denen, die sonst aufgrund fehlender Beinkraft Probleme mit dem Dreiradfahren haben. Regelmäßig sah ich erstaunte Gesichter beim Anfahren mit dem BerkelBike, da auch ein noch so geringer Einsatz der Arme es um ein Vielfaches leichter macht, das nötige Antriebsmoment für die ersten und gleichzeitig schwersten Meter zu erzeugen. So naheliegend die Idee auch sein mag, Arme und Beine gleichzeitig zur Fortbewegung einzusetzen, sie hat in unseren Alltag nie wirklich Einzug gehalten. Nicht viele können von sich behaupten, schon mal mit einem HF-Bike (Hand-und-Fuß-Fahrrad; eine Übersicht über die verschiedenen Modelle gab es in der letzten Ausgabe) gefahren zu sein. Doch gerade denjenigen unter uns, die sich nur noch eingeschränkt bewegen können, bietet das kombinierte Antriebsprinzip eine Vielzahl neuer Möglichkeiten.

Eigentlich als Entwicklung für Querschnittsgelähmte gedacht, erfreut sich das BerkelBike mittlerweile großer Beliebtheit bei anderen Patientengruppen, unter anderem bei MS-Patienten. Diese können zwar meist nicht von der FES-Technologie profitieren, haben aber durch den kombinierten Antrieb die Möglichkeit, ihre erschwachten Beine im nötigen Maße zu unterstützen. Doch auch Personen, von denen man es sicher nicht erwartet, haben das Antriebsprinzip zu schätzen gelernt. Wer könnte sich beispielsweise vorstellen, dass ein beinloser Afghanistan-Veteran etwas mit diesem Dreirad anfangen kann? Für Luke Sinnot, ehemaliger Kommandant in der British Army und paralympischer Athlet, ist das BerkelBike ein fester Bestandteil des Alltags geworden. Er sieht es als Möglichkeit, seine viel belastete Arm- und Schulterpartie ein wenig zu entlasten. Außerdem muss er, um ein Handbike nutzen zu können, seine Prothesen ablegen, was ihn wiederum an das Gerät fesselt und ihm die Möglichkeit nimmt, zwischendurch aufzustehen und ein paar Meter zu laufen: Video von Luke.

Genutzt wird das BerkelBike momentan am meisten in den Niederlanden und in England. Doch auch in Deutschland entwickelt sich langsam ein echter Kundenkreis. Momentan werden die ersten erfolgreichen Erstattungsanträge bei deutschen Krankenkassen verzeichnet und die Anzahl der vertraglichen Verkaufspartner nimmt zu.

Bild 7: Afghanistan-Veteran Luke Sinnot auf seinem BerkelBike Pro

Das FES-System hat sich bewährt, zahlreiche klinische Studien haben mittlerweile die positive Wirkung auf die Durchblutung gelähmter Gliedmaßen bestätigt. Auch ein konkreter Rückgang des Dekubitusrisikos wurde gefunden. Die aktive Bewegung hilft dabei, wieder dort Muskelmasse und Knochendichte aufzubauen, wo es vorher aufgrund der Lähmung nicht mehr möglich war. Das ist nicht nur gut für das Vermeiden von Gewebeproblemen und Knochenbrüchen; Patienten berichten zudem davon, wie gut es tut, endlich wieder ein bisschen »Sitzfleisch« zu haben. Bewegung ist ein essentieller Teil des menschlichen Lebens, wer sich nicht bewegt, wird nicht nur dick und verliert seine Kondition, sondern ist auch öfter krank und unglücklicher. Der Einfluss körperlicher Ertüchtigung auf die psychische Gesundheit ist unbestreitbar und so möchte ich mit dem Zitat eines Patienten abschließen: »Ich habe eigentlich noch nie keine Lust aufs Training gehabt, denn es ist immer wieder eine Herausforderung. Ich fühle mich gut danach und habe nebenher auch noch Kalorien verbraucht.« – Klaas Bond, seit 7 Jahren querschnittsgelähmt auf Höhe T9 und Besitzer eines BerkelBike Connects mit FES.

Zum Autor

Julian Bleh arbeitet neben seinem Studium bei der Firma BerkelBike. Seitdem er in den Niederlanden lebt, möchte er nie wieder auf das Fahrrad als primäres Fortbewegungsmittel verzichten!