Ausgabe 35 · Dezember 2022
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Concours de Machines und Bespoked – Handwerkskunst nach Maß
Die Anreise zum Concours de Machines mit Faltrad und öffentlichen Verkehrsmitteln war eine kleine Herausforderung – aber die Mühen haben sich gelohnt. Beim Concours de Machines handelt es sich sowohl um ein Radrennen als auch um eine Fahrradausstellung. Die teilnehmenden Rahmenbauer:innen fertigen ein Fahrrad nach Maß für eine Person, die damit das Rennen fährt. Das Fahrrad wird von einer Jury vor dem Rennen technisch geprüft und danach noch einmal; denn es muss so gut konstruiert sein, dass es auch nach dem stets anspruchsvollen Parcours keinerlei Mängel aufweist.Forderung für 2022 war, dass das Rad von einer Frau gefahren werden muss, die damit 220 km über legendäres Roubaix-Terrain mit Pflasterstraßen pedalieren sollte – und das möglichst schnell! Gestartet wurde schon morgens um 5 Uhr, sodass auch eine ordentliche Lichtanlage nötig war. Zudem sollte das Rad so leicht wie möglich sein. Bewertet wurden sowohl die Fahrt als auch das Rad selbst, z. B. wie gut es für die ruppige Strecke gemacht ist.
Das Vélodrome de Roubaix war Ziel des Rennens vom 24. Juni 2022. An den beiden darauffolgenden Tagen wurden die Werke der Rahmenbauer dort präsentiert: Fahrräder vom Feinsten – vielfältige technische Raffinesse für hohe Anforderungen und fast nebenbei eine Augenweide.
Sehr spannend fand ich es, mit den Meistern des Handwerks selbst zu sprechen und weitere Details über die offensichtlich schönen mechanischen Lösungen zu erfahren.
Von Cyfac gab es eine leichte und effiziente Vorderradfederung zu bewundern: Das Federelement ist eine kleine Carbonmatte, die lediglich mit zwei Schrauben befestigt wird. Soll weicher oder härter gefedert werden, wird einfach eine andere Carbonfeder angeschraubt.
Auguste gönnt seiner Fahrerin ein Luftfederbein, das in eine Truss Fork mit vier Gelenken integriert ist. 50 mm Federweg hat es – genug für ein Gravelbike.
»Warum haben so viele Wettbewerbsräder eine Truss Fork?« frage ich Thomas von Manivelle aus Straßburg. Seine Antwort: »Weil die so viel leichter ist als eine Carbongabel mit größerem Gabelschaft und Aluvorbau. Das macht mehr als 100 g aus und ist trotzdem super stabil.« Er hat sogar noch den Vorbau an die Gabel angelötet – um den Preis der verloren gegangenen Verstellbarkeit. Hätte ich persönlich nicht gemacht. Das Fahrrad wirkt aber federleicht und ist wunderschön!
Ähnlich wie die Ausstellung beim Concours de Machines, aber noch mal eine Nummer größer war die Bespoked Handmade Show in London, 14.–16. Oktober 2022, ebenfalls in einem Velodrom. Rahmenbauer:innen aus England, aber auch aus aller Welt stellten dort aus. Als Rahmenprogramm gab es Bahnrennen rund um die Präsentation. Die Atmosphäre war entspannt und doch voller Tech Talk.
Es gab vielerlei Gravelbikes und Roadbikes mit raffinierten technischen Details und aufwendiger Farbgebung zu bewundern. Daneben auch einige Mountainbikes. Unter anderen eins der Marke Huhn, vom fränkischen Newcomer Ralf Holleis, der Rahmenteile aus dem 3-D-Drucker verarbeitet. Das MTB ist ein Eingelenker in schlicht aufgeräumtem Design und mit Intend Upside Down-Federgabel.
Mir hat besonders gut das schlanke Transportrad von Ten07 gefallen, ebenfalls von einem neuen Rahmenbauer: Daniel Ghirtoi. Er bietet eine Lösung für Leute, die zu Hause keinen Platz für ein sperriges Rad haben. Innerhalb weniger Sekunden lässt sich die Transportfläche abbauen und das Rad passt in jeden schmalen Flur. Für lose Packstücke bietet Daniel ein Netz, das ruckzuck befestigt ist. Weitere Aufbauten plant er bereits. Daniel hat sein Rad und das Werbebanner persönlich zur Messe gefahren. Ich habe ihn gefragt, ob es dabei nicht schmutzig geworden ist. Er antwortete mit strahlendem Blick (sinngemäß): »Natürlich, ich bin mit der Fähre übergesetzt und auf der anderen Seite hat es heftig geregnet. Am anderen Morgen habe ich jedes kleine Teil am Unicorn Cargo Bike gründlich geputzt. Das war für mich die perfekte Einstimmung auf die Messe!«
2023 soll die Bespoked zum ersten Mal in Deutschland stattfinden, und zwar in Leipzig. Der Termin steht noch nicht fest. Schaut selbst auf bespoked.cc. Wir sehen uns dort!
Zur Autorin
Britta Zimmermann, Tübingen, ist nach ihrem Pädagogikstudium
und Referendariat lieber in die Welt der Fahrräder gewechselt. Begonnen
hat sie 1989 mit einer Zweiradmechaniker:innen-Ausbildung in Tübingen,
anschließend war sie lange Fahrradhändlerin. Seit 2006 arbeitet sie für
SON Nabendynamo in Export, technischem Service und Marketing.
Das
Fahrrad ist für Britta das ideale Fahrzeug für den Weg zur Arbeit und
zum Einkaufen. Wann immer möglich ist sie mit dem MTB rund um Tübingen
oder in den Alpen unterwegs. Ein besonderes Faible hat Britta für
Falträder. Diese sind für sie seit den 1990ern unverzichtbare
Verkehrsmittel in Kombination mit der Bahn.