Ausgabe 14 · April 2012

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Neue und exotische Nabendynamos im Test

von Andreas Oehler

2004 fand der erste große Nabendynamotest für Fahrradzukunft statt. Die dort getesteten Nabendynamos der »zweiten Generation« waren von der Generatortechnik her ausgereift und sind immer noch weit verbreitet. Shimano dominiert damals wie heute mit weitem Abstand den Markt. Lange Jahre passierte wenig Spektakuläres auf dem Nabendynamo-Markt. Es wurde Modellpflege betrieben und die Varianten-Zahl erhöht. Jetzt aber kommt wieder Dynamik auf und es gibt Produkte mit deutlich anderen Eigenschaften, die wir hier vorstellen und mit Messwerten unterlegen wollen.

Ende 2009 brachte Schmidt Maschinenbau aus Tübingen mit dem SONdelux einen 384 g leichten und besonders verlustarmen Dynamo auf den Markt, der mit seinen kompakten, kugelähnlichen Abmessungen deutlich von der Gestalt bisheriger, eher zylinderförmiger Nabendynamos abwich. Der SONdelux ist nur für den Betrieb mit dem LED-Scheinwerfer Edelux zugelassen, weil er bei langsamer Fahrt weniger Leistung als nach StVZO gefordert liefert. Ende 2011 folgte bei Schmidt der SON28 dem gestalterischen Vorbild des SONdelux. Ebenso rundlich aber etwas breiter und 440 g schwer ist er nun für alle Scheinwerfer zugelassen und der erste Nabendynamo, dessen Zulassung auch »fette Twentyniner« umfasst.

Bild 1: SONdelux
Bild 2: SONdelux offen. Die Magnete sitzen im zylindrischen Rückschlußring in der Nabenhülse und rotieren um den Klauenpolstator. Schwarz schimmert der Druckausgleichschlauch oberhalb der Kupferwicklung hervor
Bild 3: SON28

Anfang 2011 taucht aus dem Nichts ein bisher unbekannter Hersteller mit interessanten Produkten auf: Shutter Precision bzw. SP-Dynamo aus Taiwan. Wie der Name sagt, war diese Firma zunächst im Bereich Kameraverschlüsse tätig. Der Inhaber hat dann aber viel Hirnschmalz in die Generatorentwicklung gesteckt, was in etlichen Patenten resultierte. Das erste Produkt war ein mechanisch abschaltbarer, getriebeloser Nabendynamo. In der westlichen Welt bekannt wurde dieser durch den US-amerikanischen Händler/Importeur VeloOrange, der diesen Nabendynamo als revolutionär und »game changing« ankündigte, und einige Monate mit eigenem Firmenlogo verkaufte, dann aber ohne explizite Begründung wieder aus dem Programm nahm. Das Modell HB013, mit 6 V – 2,4 W beschriftet, wiegt 636 g. Das Modell HB011, mit 6 V – 3 W beschriftet, wiegt 680 g.

Bild 4: SP-Dynamo HB013
Bild 5: HB011 offen: Der 26-polige axial wirkende Magnet ist als Scheibe zwischen den geblechten Klauen des Stator erkennbar. Durch Drehen des Sterns außen am Nabenflansch wird der Magnet entweder gegen das Nabengehäuse gedrückt und rotiert dort mit oder er schnappt an den Stator und bleibt stehen.

Anfang 2012 präsentierte SP-Dynamo einen kleineren kugeligen Nabendynamo, der gestalterisch stark an den SONdelux erinnert. Der Freiburger Scheinwerferhersteller Supernova plant, sowohl den abschaltbaren, wie auch den neuen kleinen Dynamo unter der Bezeichnung »Infinity« mit leicht geändertem Äußerem sowie verbesserten Dichtungen auf den europäischen Markt zu bringen. Wie bei den abschaltbaren Modellen sind die Magnete nicht wie üblich zylinderförmig um den Stator herum angeordnet und radial wirkend, sondern als dünne Scheibe mit axialer Magnetisierung. Das Gewicht liegt mit 386 g auf gleichem Niveau wie das des SONdelux, der allerdings mit robusteren Edelstahl-Achsenden und dem Druckausgleichsystem Vorteile bietet.

Bild 6: SP-Dynamo PV-8
Bild 7: PV-8 offen. Die Magnetscheibe wird im montierten Zustand von den beiden Gehäusehälften fixiert.

Sanyo war in den 70er und 80er Jahren für seine hochwertigen Walzendynamos bekannt. Bei Nabendynamos war man lange nur im Hintergrund tätig und produzierte Naben, die dann die Namen SRAM i-light oder Dahon Joule trugen. Seit einiger Zeit wird mit dem 567 g schweren H27 auch ein Nabendynamo unter eigenem Namen vertrieben.

Bild 8: Sanyo H27

In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland im relativ Verborgenen an einer Fahrrad-Beleuchtungs-Norm und potentiellen Erweiterungen für die StVZO gearbeitet. Dabei wurde nach einer Möglichkeit gesucht, den technischen Fortschritt, den Leuchtdioden als effizientere Leuchtmittel bieten, dafür zu nutzen, leichtere und leichtgängigere Dynamos zu ermöglichen. Der Vorschlag war eine 1,5-Watt-Norm als Alternative zum aktuellen 3-Watt-Standard. Die Nennspannung soll weiterhin 6 Volt bleiben. Im Wesentlichen reicht also der halbe Strom aus. Shimano hat als erster Hersteller diesen (noch nicht endgültigen) Vorschlag aufgegriffen und mit den DH-1N70 einen kleinen und 428 g leichten Nabendynamo mit 1,5 W Nennleistung im Programm.

Bild 9: Shimano DH-1N70

Der Shimano DH-3N80 ist dank Aluminium- statt Stahl-Achse und Aluminium- statt Kupferdraht mit 483 g deutlich leichter als der 2004 getestete DH-3N70, sein Generator ist aber mehr oder minder identisch. Der DH-3N80 ist seit 2008 auf dem Markt.

Bild 10: Shimano DH-3N80

Neben SP-Dynamo überrascht ein weiterer taiwanesischer Newcomer mit einer ungewöhnlichen Lösung. Der SunupEco ist ein Generator für die Nachrüstung, der seitlich an einer Hinterradnabe befestigt werden kann. Ein Getriebe übersetzt die Nabendrehzahl ins Sechsfache und treibt einen kleinen Drehstromgenerator an.

Der Drehstrom wird mit einem elektronischen Regler in eine Gleichspannung gewandelt. Das Produkt erinnert an den FER-Speichendynamo, ist aber als Vollmetall-Lösung mit Stirnradgetriebe viel robuster. Im Gegensatz zum FER2001 ist der SunupEco allerdings nicht mechanisch abschaltbar. Der SunupEco bringt erhebliche 693 g auf die Waage. Um dies mit den den obigen Dynamo-Vorderradnaben vergleichen zu können, muss man aber die ca. 200 g für eine übliche, generatorlose Vorderradnabe noch hinzuzählen.

Bild 11: SunupEco
Bild 12: SunupEco offen: Die Scheibe mit den Langlöchern im Hintergrund wird an die Speichen des Hinterrad geklemmt. Das mittlere Zahnrad dient nur dazu, Abstand zwischen Generator und Antriebsritzel zu schaffen.

Labortest

Der Test erfolgte, wie sein Vorgänger 2004, in der Werkstatt des unabhängigen Fahrradlichtexperten Olaf Schultz in Hamburg.

Bild 13: Der Prüfstand in Aktion: Ein PV-8 eingespannt im 4-Backen-Futter. Die Federwaage in violet-weiß in der Bildmitte.

Das Messprinzip blieb das gleiche: Die Nabendynamos werden mit einem Speichenflansch in das Futter einer kleinen Drehbank eingespannt und bei verschiedenen Drehzahlen betrieben. Auf die Nabenachse wird mittels Schnellspanner ein Hebelarm aus Aluminium gespannt und in 100 mm Abstand zur Achse die Abstützkraft des Hebels gemessen. Während im früheren Test die Nabenachse horizontal angeordnet war, wird diesmal mit vertikaler Achse gemessen. Die Abstützkraft wird mit einer Federwaage (Pesola, Messbereich 0–600 g, Auflösung 1 g) anstatt einer Laborwaage gemessen. Vorteil des neuen Aufbaus ist die entfallende Nullpunktkalibrierung und das einfachere Ermitteln von Mittelwerten bei durch Resonanzen schwankenden Stützkräften. Die Drehzahl wird durch Messung der Generator-Frequenz bei bekannter Polpaarzahl ermittelt. Aus Drehzahl, Hebelarm und Stützkraft errechnet sich die Antriebsleistung.

Als reproduzierbares Modell für eine Standard-Lichtanlage wird ein 12-Ohm-Lastwiderstand angeschlossen. Für den Fall von zwei in Reihe geschalteten Standard-Scheinwerfern oder die Reihenschaltung von 4 weißen LEDs für Bastellösungen erfolgt die Messung an 24 Ω Last. Die Spannung ermittelt das kalibriertes Echt-Effektivwert-Voltmeter Metrahit 29 s.

Licht aus

Bild 14: Leerlaufverluste

Da Beleuchtung zwar wichtig ist, Fahrräder aber die meiste Zeit doch bei Tageslicht gefahren werden, sind die Verluste im elektrischen Leerlauf interessant. Da diese Verluste überproportional mit der Geschwindigkeit ansteigen, sind sie in erster Linie relevant für FahrerInnen, die auch mal Tempo 30 und schneller aus eigener Kraft unterwegs sind. Auffällig ist hier in erster Linie der Sanyo H27 mit bei schneller Fahrt doppelt so hoher Antriebsleistung wie die Konkurrenz.

Überrascht hat das Ergebnis des Shimano 1,5-Watt-Dynamos. Bei einem besonders leistungsschwachen Dynamo hätte man auch geringe Leerlaufverluste erwartet. Real läuft er bei abgeschaltetem Licht aber sogar ein wenig schwergängiger als der doppelt so leistungsstarke DH-3N80.

Am leichtgängigsten im Leerlauf sind die Modelle aus Tübingen, wobei der kleinere SONdelux kaum besser als der neue SON28 abschneidet. Mit ca. 1 W bei Tempo 30 sind das etwa 0,5 % der gesamt nötigen Antriebsleistung, um ein Fahrrad in sportlicher Sitzhaltung zu bewegen.

Erstaunlich leichtgängig schneidet der SunupEco ab. Trotz dreier Zahnräder – diese allerdings auf Rillenkugellagern gebettet – bleiben die Leerlaufverluste auf dem Niveau der besten getriebelosen Nabendynamos.

Etwas unfair mag es erscheinen, wenn wir die beiden mechanisch abschaltbaren Nabendynamos HB011 und HB013 hier im mechanisch eingeschalteten Leerlauf vergleichen. Die Messwerte zeigen aber, dass die verwendeten Generatoren so verlustarm sind, dass sie auch so in der hochwertigen Konkurrenz bestehen können. Schaltet man den HB013 auch mechanisch ab, so verbleiben bei Tempo 30 noch 0,2 W und bei Tempo 50 noch 0,5 W. Dies sind die Verluste durch Reibung in Kugellagern und Dichtungen, die in jeder Vorderradnabe anfallen und in den anderen Leerlaufmesswerten mit enthalten sind.

Die beiden Exemplare des PV-8 liegen im guten Mittelfeld zwischen den Werten der SONs und des Shimano DH-3N80.

Licht an

Bild 15: Elektrische Leistung an 12 Ω

Der 12-Ohm-Lastwiderstand entspricht recht gut dem elektrischen Verhalten einer klassischen Glühbirnchen-Lichtanlage bei mittlerem Fahrtempo an üblichen Dynamos betrieben. Moderne LED-Leuchten arbeiten meist bei etwas höheren Spannungen. Um aber die Nabendynamos miteinander vergleichen zu können ist das 12-Ohm-Modell gut genug. Zudem erlaubt es den Vergleich mit den Messdaten von 2004.

Auffällig bei den Ergebnissen ist in erster Linie der Shimano DH-1N70. An 12 Ω liefert er nur reichlich 1 W, weil sein Generator den Strom auf reichlich 300 mA begrenzt.

Ebenfalls ungewöhnlich ist der Verlauf der elektrischen Leistung des SunupEco. Mit nur 0,3 W liefert er bei 10 km/h weniger als übliche Nabendynamos bei 4 km/h. Selbst bei 50 km/h bleibt er mit 2,5 W weit unter dem zurück, was andere bei Tempo 15 erreichen.

Alle anderen Nabendynamos im Test liegen verglichen damit auf sehr ähnlichem Niveau. Bei Tempo 10 bleiben der SONdelux und der HB013 leicht unter den Leistungswerten der Konkurrenz, um dann bei schnellerer Fahrt eher stärker als andere zu sein. Beim PV-8 hatten wir drei Exemplare im Test, die hier ein Gefühl für die Exemplarstreuung geben sollen.

Bild 16: Antriebsleistung bei Betrieb an 12 Ω

Betrachtet man die Antriebsleistung bei 12 Ω Last fällt erwartungsgemäß der Shimano DH-1N70 durch leichten Lauf auf. Der Wirkungsgrad ist aber bei Tempo 30 mit 32 % nicht überwältigend.

Der Sunup Eco läuft trotz seiner geringen elektrischen Leistung nur geringfügig leichter als die besten Nabendynamos. Bei Tempo 20 liegt der SONdelux gleichauf und der HB013 sogar ein kleines Stück leichtgängiger – und das bei doppelter elektrischer Leistungsabgabe.

Überraschend gut schneidet der Sanyo H27 ab. Mit eingeschaltetem Licht muss er sich in keiner Hinsicht vor der kostspieligeren Konkurrenz verstecken. Bei Tempo 50 ist er sogar der am leichtesten laufende »3-Watt«-Nabendynamo.

Doppelscheinwerfer

Bild 17: Elektrische Leistung an 24 Ω

Gängige Nabendynamos haben bei zügiger Fahrt noch deutliche Reserven in der Leistungsfähigkeit. Am einfachsten kann man mehr Licht durch eine Reihenschaltung von zwei üblichen Scheinwerfern erreichen. Bei langsamer Fahrt führt das aber i.A. zu insgesamt leicht reduzierter Leistung.

Für den Shimano DH-1N70 sind die 24 Ω eine angemessenere Last als die 12 Ω. So erreicht er bereits bei 10 km/h mit 1,4 W nahezu seine Nennleistung und bei Tempo 30 über 2 W.

Während der SunupEco bei 10 bis 20 km/h nahezu identische Leistung bei 24 Ω wie bei 12 Ω liefert, sind bei schneller Fahrt doch sogar 5 W möglich.

SONdelux und HB013 liefern bei Tempo unter 30 km/h am Doppelscheinwerfer stets etwas weniger Leistung als die anderen. Bei schneller Fahrt bleiben hingegen Sanyo H27 und Shimano DH-3N80 ein wenig zurück.

Bild 18: Antriebsleistung bei Betrieb an 24 Ω

Mit der erforderlichen Antriebsleistung bleibt auch im 24-Ohm-Fall der Shimano DH-1N70 erwartungsgemäß unter den Werten der leistungsstärkeren Modelle. Auch alle anderen Nabendynamos verhalten sich vergleichbar zum 12-Ohm-Fall. Die Wirkungsgrade sind im Doppelscheinwerferbetrieb deutlich höher als beim einfachen Fall. Als höchster Wirkungsgrad wurde 78 % für den SONdelux bei 10 km/h ermittelt und immer noch 70 % bei Tempo 30. Die PV-8 liegen mit 72 bis 74 % bei Tempo 10 und 68 bis 69 % bei Tempo 30 ebenfalls sehr gut. Der Sanyo H27 mit relativ konstanten 60 % kann sich aber ebenfalls sehen lassen. Der SunupEco kann hingegen mit 21 % bei Tempo 10 nicht überzeugen.

Fazit

Unser Test betrachtet nur physikalische Messdaten unter Laborbedingungen. Zuverlässigkeit im rauen Alltag auf Kopfsteinpflaster, bei Dauerregen oder im salzigen Schneematsch können wir so nicht beurteilen. Die brandneuen PV-8 von SP-Dynamo liegen von den elektrischen und mechanischen Messwerten den SON-Modellen von Schmidt Maschinenbau dicht auf den Fersen. Eindrucksvoll für einen Quereinsteiger in die Branche!

Die Abschaltbarkeit der Modelle HB011 und HB013 hingegen bringt für übliche Nutzung nur den Vorteil weniger Zehntel Watt geringerer Leerlaufverluste, die die erhöhte Komplexität und das erhöhte Gewicht selten rechtfertigen werden. Die Sondermodelle SunupEco und DH-1N70 dürften nur in Fällen reizvoll sein, wo die geringe Leistung keinerlei Bedeutung hat. Der Sanyo H27 ist als preisgünstiger Nabendynamo insbesondere dann gut geeignet, wenn man eher langsam und auch tagsüber mit eingeschaltetem Licht unterwegs ist.

Zum Autor

Andreas Oehler (41) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.