Ausgabe 14 · April 2012
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European Handmade Bicycle Expo
»Das Normale ist die Summe der Phantasielosigkeit«
Am ersten Aprilwochenende fand sie wieder statt: The European Handmade Bicycle Expo in Schwäbisch Gmünd. Sehr klein, sehr fein. Geschätzt gut zwanzig Aussteller. Viele wurden vermisst, die bereits an den beiden vorangegangenen Messen, 2009 und 2010, teilgenommen hatten.
Für die, die gekommen waren, sowohl Aussteller, als auch Besucher, war es ein Gewinn.
Man hatte Zeit füreinander. Es gab Gespräche und Informationen, für die sonst kein Platz in dem Gewusel der etablierten »Großmessen« ist, zu denen man ja sogar die Spezi bereits zählen muss.
Diese Messe macht deutlich, dass es in der Menge der Fahrradanbieter einen kleinen Kreis gibt, der nicht locker lässt, bis das Besondere am Fahrrad zu Tage tritt.
Die unkonventionelle Rahmenform, die handgefertigten Muffen, das besondere Rahmenmaterial, die eigenwillige Ausstattung oder Farbgebung. Der Phantasie sind immer noch keine Grenzen gesetzt. Und das ist gut so, zeigt es doch, dass das Fahrrad immer noch das Zeug zum absoluten Individuum hat.
Dabei ging es nicht nur um komplette Fahrräder. Auch unkonventionelle Lösungen und Entwicklungsansätze wurden gezeigt.
Der Werkstoff Holz fasziniert Entwickler schon seit geraumer Zeit und auch brandneue Technologien wie das »Rapid Prototyping« finden den Weg in die Fahrradwelt.
Ergänzt wurden die rein physischen Ausstellungsobjekte durch verschiedene Vorträge, wo es sowohl um individuelle Radtouren ging, als auch um ein Computerprogramm (RattleCAD) zum Rahmenbau, welches als Freeware von einem Österreicher ins Netz gestellt wurde.
Im Rahmen einer solchen Messe verbietet sich jede Preisdiskussion um die ausgestellten Objekte. Umso mehr verwunderte es, dass die Veranstalter keinen Eintritt für die Besucher verlangten. Auf der einen Seite ist es verständlich, da die Angst, Besucher mit Eintrittsgeldern zu verprellen, angesichts der geringen Zahl berechtigt erscheint, anderseits bekommt man das Gefühl, dass das, was nichts kostet auch nicht genug wertgeschätzt wird. Eine (gut finanzierte) Medienpräsenz hätte der Messe im Vorwege gut getan und vielleicht auch noch andere Aussteller ermuntert, den Weg ins etwas abgelegenen Städtchen Schwäbisch Gmünd zu finden.
Hat diese Messe eine Zukunft? Ich würde diese Frage auf jeden Fall mit »Ja« beantworten. Der individuelle Rahmenbau und das Vergnügen, sein Rad nach ganz speziellen Wünschen und Bedürfnissen auszustatten, ist legitim, und hat seine eigene Kundschaft. Auch der Austausch der Hersteller untereinander würde dieses Segment der Fahrradbranche stärken und voranbringen.
Interessant wäre eine Verbindung der Messe mit der Fachschule des Innungsverbandes der Handwerkskammer Frankfurt, die jährlich ein bis zwei Dutzend Zweiradmechanikermeister im Fachbereich Fahrrad ausbildet. Ein jährliches »Jungmeister-Treffen« könnte auf dieser Messe beiderseitigen Nutzen stiften, zumal die Meisterprüfung nur wenige Tage vor dem Messebeginn stattfindet.
Für Anregungen und Informationen zur EHBE: Ingo Brantl ibra@2soulscycles.com
Zur Autorin
Juliane Neuß, von Beruf Technische Assistentin für Metallographie und Werkstoffkunde. Ihre Berufung: Fahrradergonomie. Betreibt seit 1998 nebenberuflich die Firma Junik-Spezialfahrräder und Zubehör, hat 6 Jahre lang die Filiale eines Fahrradladens in Hamburg geleitet und schreibt regelmäßig die »Tech Talks« für die Radwelt (ADFC). Autorin des Fahrrad-Ergonomie-Buches: »Richtig sitzen – locker Radfahren«. Lebt autofrei mit 8–12 Fahrrädern und 8 bis 10 Tkm pro Jahr.