Ausgabe 14 · April 2012

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Üble Blender

von Andreas Oehler

Über Blendung durch nachts nicht abblendende Pkw hat sich wohl fast jeder Radfahrer schon mal geärgert. Seit Verfügbarkeit leistungsfähiger LED-Scheinwerfer fürs Fahrrad wird aber auch immer häufiger über blendendes Fahrradlicht geklagt. Viele Radfahrer stellen den Scheinwerfer vergleichsweise hoch ein, aus Angst übersehen zu werden – ein Reflex aus Zeiten mit sehr dunklen Scheinwerfern. Das Bewusstsein, damit durchaus heftig Blenden zu können, ist noch nicht weit verbreitet. Hier soll nun versucht werden Blendung von Pkw- und hochwertigen Fahrrad-Scheinwerfern objektiv zu vergleichen.

Ich hatte die Gelegenheit einen halbwegs aktuellen VW Polo auszuleihen, um ein paar Nachtaufnahmen zu machen. Auf einer dunklen Straße hinter dem Tübinger Bergfriedhof stand der Pkw 20 Meter entfernt vom Kamera-Stativ, Motor im Leerlauf, Kamera in 1,5 Meter Höhe – der Augenhöhe eines sportlichen Fahrradfahrers. Die Belichtungszeit betrug stets 1 Sekunde, die Blende F 4,0. Auf dieser Höhe erfolgten auch Messungen der Beleuchtungsstärke. Alternativ zum Pkw stand an dessen Platz ein Brompton mit einem Ixon IQ Speed im 50-Lux-Modus.

Bild 1: Pkw Abblendlicht – Blendwert 1,5 Lux
Bild 2: Pkw Fernlicht – Blendwert 12 Lux
Bild 3: Ixon IQ Speed, Ausleuchtweite 20 m – Blendwert 0,5 Lux
Bild 4: Ixon IQ Speed, waagerecht abstrahlend – Blendwert 2 Lux
Bild 5: Ixon IQ Speed, Strahl 1,5° nach oben strahlend – Blendwert 10 Lux

Halbwegs gesetzestreue Langsamradler werden den Scheinwerfer wie in Bild 3 ausrichten – sodass der hellste Strahl des Scheinwerfers in 20 m die Fahrbahn trifft. Eilige Menschen die weit voraus sehen wollen, justieren das Licht maximal so hoch wie in Bild 4 – sprich exakt horizontal abstrahlend. Radfahrer, denen alles egal ist, verwenden Ausrichtung wie Bild 5 – mit 1,5° gen Himmel strahlendem Licht. Letzteres blendet definitiv störender als das Auto-Fernlicht, und dabei ist das Testmuster nur ein 50-Lux-Scheinwerfer. Viele Dynamoscheinwerfer sind bei schneller Fahrt heller.

Beim Vergleich der Messwerte ist zudem zu bedenken, dass der Pkw den gemessenen Blendwert mittels zweier Scheinwerfer erzielt, die zudem eine recht großflächige Front aufweisen. Für die Blendwirkung spielt aber gerade die Leuchtdichte eine entscheidende Rolle. Kleinere Leuchten blenden tendentiell stärker. Die Pkw-Blendwerte müssen deshalb für den Vergleich mit dem Fahrrad-Scheinwerfer mindestens halbiert werden.

Fazit

Erheblich stärker zu blenden als Pkw-Abblendlicht nützt niemandem. Wer die Fahrbahn gut erhellen will und gut wahrgenommen werden will, ist gut beraten seinen Scheinwerfer geringfügig niedriger als horizontal abstrahlend auszurichten. Am einfachsten prüft man das in dunkler Umgebung auf ebenem Grund vor einer hellen Fläche. Wenn man das Fahrrad bei leuchtendem Scheinwerfer von der Wand wegbewegt, sollte die obere Hell-Dunkelgrenze langsam an der Wand nach unten wandern.

Zum Autor

Andreas Oehler (41) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.