Ausgabe 28 · April 2019
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Kanarienvogel ohne Flattern – mein vollgefedertes Lieblingsrad
Unsere Beziehung begann nicht so gut.
Als ich die Maschine erstmals nach drei Jahren Bauzeit fuhr, verschlug mir die giftige Flattertendenz schlicht die Sprache. Wie herb war die Enttäuschung – nach all der Arbeit! Früher hatte ich bereits ein (fahrbares) Reiserad und einen Kurzlieger gebaut und wollte nun etwas »richtig« Schwieriges ausprobieren. Nicht dass ich mich nach einem vollgefederten Reiserad sehnte (siehe auch meine diesbezügliche Position in meinem Artikel »KISS – Reiserad einfach«) – aber eine Vollfederung machte die Konstruktion eben viel anspruchsvoller …was ich am eigenen Leibe bei den ersten Probefahrten erfuhr! Einer meiner besten Freunde taufte das quietschgelbe Rad dann auch sogleich Kanarienvogel …
Den Entwurf hatte ich teilweise mit dem OpenSource-Programm RattleCAD, das erfreulicherweise auch auf Linux läuft, gemacht. Allerdings unterstützt die Software keine vollgefederten Konstruktionen, für den Entwurf des Hauptrahmens war sie jedoch eine große Hilfe. Auch kann man mit dem Programm gleich passende Rohrabwicklungen ausdrucken, die das Erstellen der Gehrungen erleichtern.
Gebaut habe ich den Rahmen in einer Kellerwerkstatt. Als Maschinen standen mir Schraubstöcke, eine robuste Standbohrmaschine sowie ein Bandschleifer und ein Schleifbock zur Verfügung. Statt einer Lehre habe ich Profile von Alvaris verwendet. Sie sind für meine Ansprüche ausreichend gerade und Klemmschrauben zur Befestigung von Rahmenteilen lassen sich sehr flexibel anbringen.
Die Verbindungen wurden Schritt für Schritt gelötet und wie von PATEREK (Tim Paterek: The Paterek Manual for Bicycle Framebuilders, 3rd edition (2004) ISBN-13: 978-0976124504) empfohlen, direkt in Bezug auf ihre Masshaltigkeit kontrolliert.
Nachdem ich den Schock der Testfahrt überwunden hatte, sprach ich mit
Menschen, die vom Rahmenbauen mehr verstehen als ich und ging nach und
nach alle potentiellen Quellen für das nervige Flattern durch:
Ich baute einen steiferen Hinterbau, konstruierte einen neue
Vorderradschwinge und versteifte die Schwingenlagerung. Auch hydraulische
Schwingungsdämpfer kamen zum Einsatz. Schließlich reduzierte ich noch den
Steuerrohrwinkel auf ein verträgliches Maß. Und siehe da: Das Flattern
wurde immer seltener und jetzt fuhr sich das Rad sehr bequem. Ich verwende
es seitdem regelmäßig für die Fahrt zur Arbeit und freue mich täglich:
über den Federungskomfort und über die schöne Farbe!
Zum Autor
Stefan Buballa, Arzt, Alltags- und Reiseradler. Selbstbau eines Reiserades und eines Alltags-Kurzliegers. Er ist fasziniert von der Schlichtheit und ökologischen Effizienz muskelkraftbetriebener Fahrzeuge. Besondere Interessen: Ergonomische und leistungsphysiologische Aspekte. Besondere Schwächen: Radreisen in Afrika und Nahost …