Ausgabe 28 · April 2019
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Regen- und Kälteabwehr an den Füßen
Einleitung
Viele Radfahrer kennen das Problem und es kann ganze Urlaube vermiesen: Nasse und kalte Füße, trotz Regenschutz. Hier sollen einige Erfahrungen von Redaktionmitgliedern mit diesem Thema vorgestellt werden.
Viele Wege führen nach Rom
Egal ob Gamaschen oder mehr oder minder wasserdichte Schuhe getragen werden: Wasser sammelt sich immer unten und bleibt in der Regel an den Zehenspitzen hängen. Damit die Zehenspitzen trocken bleiben gib es diverse Abhilfen:
Gamaschen in irgendeiner Form (kann auch in Form eines »Ganzkörperkondoms« Velomobil oder Aichhorn-Ei sein) oder Liegeradfahren. Im Folgenden wird auf Lösungsansätze am »Aufrechtrad« eingegangen.
Wasserdichte Schuhe
Diese müssen einen langen Schaft haben, der deutlich über den Knöchel reicht. Die Regenhose muss drüber reichen, damit das Wasser nicht von oben in den Schuh laufen kann. Kurzschaft- bzw. Halbschuhe lohnen sich nicht. Andererseits sind wasserdichte Bergstiefel gerade auch am Knöchelgelenk zu starr für den Einsatz auf dem Rad. Einzelne Erfahrungswerte, welche Modelle auf Dauer wasserdicht und haltbar sind, fallen sehr gemischt aus:
- Wasserdichte halbhohe Stiefel von Garmont schützten anfangs zwar super, inzwischen sickert bei längeren Regenfahrten aber am Vorderfuß seitlich langsam Wasser ein. Offensichtlich hält die Membran auf Dauer der starken Walkarbeit des recht weichen Schuhs nicht Stand. Somit bieten die Schuhe wegen ihrer mangelhaften Material- und/oder Verarbeitungsqualität keinen nachhaltigen Schutz
- Mammut hat(te) ein sehr stabil gebautes Halbschuhmodell im Angebot, bei dem die Wasserdichtigkeit noch immer gegeben ist. Als Halbschuhe bleibt auf dem Rad aber der Übergang Regenhose-Schuh als Schwachstelle. Mit einer kurzen Gamasche ließe sich das Problem lösen. Das geteste Paar war aber eigentlich nur für die Nutzung zu Fuß vorgesehen.
Sandalen mit System
Da man Schuhe schlecht trocknen kann, erst recht unterwegs, ist der Hauptautor 2003 nach einer entsprechenden Urlaubserfahrung auf Sandalen umgestiegen:
- Socken kriegt man fast überall trocken,
- können mehrfach in trockener Ausführung mitgenommen werden,
- werden in mehreren Lagen auch im Winter mit den den gleichen Schuhen getragen,
- kostenlos enthalten sind im Winter erstaunte Blicke von Mitmenschen: Wie, Sandalen? Bei diesem Wetter?
- Schnellere Erfahrungswerte bei mangelhaften Gamaschenkonzepten.
Temperatur (Überschneidungen vorhanden) | Feuchtigkeit | Schichtenaufbau |
---|---|---|
5°C bis Hochsommer | trocken | Wollsocken (schon alleine aus Hautschutz) |
5 bis 15°C | nass | Wollsocken & Gamaschen |
-5 bis 8°C | trocken | Wollsocken & Synthetiksocken |
-5 bis 8°C | nass | Wollsocken & Syntetiksocken & Gamaschen |
-12 bis -5°C | nicht möglich | Wollsocken & Kniestrümpfe |
-16 bis -12°C | nicht möglich | Wollsocken & Kniestrümpfe & Gamaschen |
- Schicht: Wollsocken (Ganzjahresmodell handgestrickt, Lana Grossa o.ä.)
- Schicht: etwa 35 Jahre alte dicke Kunststoff-Socken aus dem Fischereizubehör
-
Schicht
- Wollkniestrümpfe schwarz, lang, aus der Marinezeit, inzwischen durch Variante 3b ersetzt.
- dicke Woll-Kniestrümpfe aus Nordnorwegen
- Schicht: Gamaschen
Die hier getesteten Lösungen sind alle klickpedalverträglich. Die Gamaschen haben alle nach hinten gerichtetes Reflexmaterial.
Erfahrungen mit den Nässeschützern
Gore-Tex-(Über-)Socken (Gore Bike Wear)
Als zweite/dritte Schicht sind diese durchhaus eine Erwägung wert. Mit der Zeit stellen sich Undichtigkeiten ein, was wohl an der Überdehnung der Membrane beim Ausziehen liegt. Dann kann einfach eine Weiterverwendung bei Minusgraden als Windschutz erfolgen. Nach 10 km im Regen sammelt sich auch bei neuen Exemplaren an den Zehenspitzen das Wasser. Inzwischen fristen sie allesamt ihr Dasein in der Schublade. Tipp: Ruhig deutlich größer als Fußgröße einkaufen, da dann auch zwei paar Socken (siehe »Sandalen«) reinpassen und die Membrane nicht so gedehnt wird.
Gore-Tex-Socken (SealSkinz)
Diese waren als Ersatz für die erste Schicht gedacht, auf Dauer aber nicht so richtig dicht. Sie fristen inzwischen ihr Dasein ebenfalls in der Schublade.
Neopren-Socken aus Segel-/Surfbedarf
Als 2. Schicht sind diese zu empfehlen, direkt auf der Haut getragen verpilzen sie sehr schnell und sind dann nicht mehr gesellschaftsfähig. Auf längere Zeit sammelt sich Wasser innen, aber die 2-3 mm dicke Neopren-Schicht hält ausreichend warm. Neopren-Socken können in unwirtlichen Gegenden (z.B. auf Island) aber als erste und einzige Schicht in Verbindung mit Sandalen sinnvoll sein: Furten, na und! Für richtiges Bäh-Wetter auf Tour durchaus eine Anschaffung wert.
Regenhose mit eingebauten Gamaschen
Eigentlich eine gute Ide, da das Wasser nicht außen an der Hose herunter und dann am Gamaschenbund in die Gamasche hineinlaufen kann. Das ist die Schwachstelle der kurzen Gamaschen, wenn sie über der Hose getragen werden. Aber bei dem benutzen Modell wurden die Fersen nicht von den Gamäschchen abgedeckt. Zumindest war das der letzte Urlaub mit Fahrrad-Halbschuhen!
Gamaschen
Klettband oder Reißverschluß? Das ist hier die Frage. Fehlertoleranter ist der Klettverschluß. Auf den kann man gerne mal rauftreten, wenn die Gamasche die Ferse herunter rutscht und der Verschluß unter der Sohle sitzt – da reagieren Reißverschlüsse empfindlicher und brauchen mehr Aufmerksamkeit. Gegen das Verrutschen hilft eventuell Klettband an der Ferse des Schuhes und das passende Gegenstück and der Gamsche. Ein Test ist geplant.
Kurze Gamaschen im Fundus des Redaktionsteames:
Die Exemplare von Jack Wolfskin und Vaude sind zwei typische Beispiele der Variante aus wasserdichtem Textil mit Klettverschluß.
Kurze Gamschen gibt es auch als Neopren-Variante. Diese sind in der Regel mit Reißverschluß und durchgehender, leichter Gummisohle als Überschuh konstruiert. Hier war in der Vergangenheit immer der zertretene Reißverschluß das zentrale Problem. Nebenbei müssen die Nähte wasserdicht sein – das ist schon ab Werk nicht immer der Fall.
Lange Gamaschen:
Tucano Urbano Uose: Seit Anfang 2018 sind diese als Alltagsausrüstung dabei - mehrfach und fast ohne Beanstandungen an den Gamschen selbst eingesetzt. Angenehm auch auf nackten Unterschenkeln zu tragen, sie rutschen zudem nicht den Unterschenkel herunter. Während des Artikelschreibens hat zum ersten Mal, wie schon längst befürchtet, ein Reißverschluß, versagt, was sich aber in Ruhe wieder einrenken ließ (Schlitten vorsichtig mit einer Zange zusammendrücken). Eventuell wird der Reißverschluß durch Klettband ersetzt.
Konzept | Hersteller | Modell | Größe | Gewicht [g] | Obermaterial | Dichtschicht | Schließung | Länge [cm] | Quelle | Im Einsatz |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Hose | Jeantex | T3000 | L | 588 | PA | PU | Reißverschluß | laaang | Regenmode-Laden | gelegentlich |
Überschuh | Neopren mit Gummisohle | PA | CR | Reißverschluß | nicht mehr vorhanden | |||||
Gamasche | Vaude | 01279 Bike Gaiter Short | 40–43 | 96 | PA | PU | Klett | 24 | Rose | |
Wolfskin | 35086 | L | 92 | PA | PU | Klett | 23 | nicht mehr | ||
Tucano Urbano | 727 Uose | 44–47 | 160 | 95 % Polyester & 5 % PVC | Reißverschluß | 50 | Messe | aktuell | ||
Neoprene Gamasche | 45–47 | 190 | PA | CR | Reißverschluß | 22 | Vergangenheit | |||
Socke | GoreTex | 45–47 | 100 | 85 % PA & 15 % Elastan | 69 % PA & 31 % Elastan | - | 25 | Globetrotter | selten | |
DryFashion | 43–44 | 130 | PA | CR | - | 18 | Segelbedarf | gelegentlich | ||
SealSkinz | 76 | - | 19 | nicht mehr |
Fazit
Alle Gamaschenmodelle am Markt kann man nicht testen, erst recht nicht bei vergleichbaren Bedingungen im Alltagseinsatz. Hier sollte ein Überblick über das Für und Wider der Lösungsansätze gegeben werden.
Olaf Schultz:
Derzeit sind die Tucano Ouso tägliche Begleiter in der Fahrradtasche auf
dem Arbeitsweg. Feucht oder gar nass sind die Socken noch nicht geworden.
Eine Tagesreise bei Regen steht noch aus.
Stefan Buballa:
Auf Tour sind die Gamaschen als Amulett dabei. Als Schuhe werden gut
gefettete Wanderhalbschuhe genutzt. Das hat bis auf ein Mal in Argentinien
(landunter) gut geklappt. Im Alltag wird nur Poncho getragen, keine
Gamaschen.
Wolfram Steinmetz:
Bei längeren Fahrten in anhaltendem Regenwetter sind seit gut zehn Jahren
Überzieher von Gore Bike Wear aus dem MTB-Bereich im Einsatz. Das Anziehen
von Regenhose, Schuhen und Überschuhen ist zwar etwas fummelig und
zeitaufwändig, der Schutz ist aber perfekt. Die Sohle ist mit Aramid
verstärkt, hat Öffnungen für Klickpedale und die Ferse. Bislang zeigt sie
nur Gebrauchsspuren und hat auch längeren Tragepassagen über Stock und
Stein sehr gut standgehalten.
P.S.: Wie gut, dass die Sandalen in den Modefotos meist verdeckt sind … Der Austausch ist seit Jahren überfällig, sie wollen aber bisher nicht unreparierbar versagen ;-)
Zum Autor
Olaf Schultz, Maschinenbauingenieur, Hamburg-Harburg, renitenter Großstadtalltags- und Reiseradler, Gründungsmitglied der Fahrrad-AG der TUHH, Selbstbau von mehreren Liegerädern, seit Längerem immer weiter in den Untiefen der Fahrradbeleuchtung versinkend.