Ausgabe 19 · Dezember 2014
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Eltern-Kind-Tandem
Spaß beim Radeln mit Kind auf zwei Rädern
Vorwort
Ich gehe im Folgenden davon aus, dass der Leser noch nie auf einem Tandem bzw. Kindertandem gesessen hat. Kindertandems sollten nicht mit 20-Zoll-Klapptandems aus den 1960er oder 70er Jahren verwechselt werden. Diese Fahrräder waren für Erwachsene gedacht. Beim Kindertandem handelt es sich um ein spezielles Tandem: Das Kind sitzt in der ersten Reihe, der Erwachsene hinten. Dadurch hat der hinten sitzende Kapitän das Kind stets im Blick und kann im Notfall reagieren (siehe dazu weiter unten).
Wie kommt man auf ein solches Spezialrad? Kinderräder tun es doch auch – oder?
Wie den meisten fahrrad-affinen Eltern stellte sich bei unseren damals noch sehr kleinen Kindern die Frage des Transportes mittels Fahrrad im Alltag und im Urlaub. Bis zum Alter von ca. drei Jahren wurde der Nachwuchs in einen hochwertigen Kinder-Anhänger gesteckt. Leider waren die kindlichen Animositäten untereinander teilweise so stark, dass bald eine »Trennwand« zwischen das Transportgut eingebaut werden musste, um den Dauerstreit möglichst zu vermeiden.
Um auch später noch eine räumliche Trennung zu ermöglichen, wurden nun die weiteren Möglichkeiten des nicht-automobilen Kindertransportes außerhalb eines Kinderanhängers eruiert. Die kleine Tochter kam in einen herkömmlichem Kindersitz auf das Fahrrad der Mutter. Für den mittlerweile etwa 3 1/2 Jahre jungen Sohn hatte ich in einem Artikel der »Radwelt« (ADFC) vor Jahren ein auf den ersten Blick besonderes Rad gefunden: ein Kindertandem. Für mich als engagierten Tandemfahrer war ein Tandem ohnehin sehr naheliegend. Umrüstsätze für Normaltandems für Erwachsene waren aus meiner Sicht aber nicht sinnvoll, insbesondere natürlich nicht für ein so kleines Kind. Erst durch eine Internetrecherche fand ich dann heraus, dass es solche Kindertandems tatsächlich auch real zu kaufen gibt, nachdem ich vorher noch nie eines auf der Straße oder auf einer Fahrradmesse gesehen hatte.
Nachdem ich ein solches Exemplar gebraucht gekauft hatte, bemerkte ich bei einem Urlaub in Norddeutschland, dass solche Kindertandems bei den dortigen Fahrradvermietungen sogar relativ oft zur Verfügung stehen. Trotzdem sind Kindertandems bisher bei der Bevölkerung offenbar weitgehend unbekannt und haben sich nicht durchgesetzt – leider! Aber warum eigentlich? Irgendwann haben sich zumindest meine Kinder gestritten, wer auf dem Kindertandem mitfahren darf und wer nicht. Deshalb habe ich später sogar noch ein Zweites gekauft.
Plädoyer für das Tandem an sich
Tandems machen an sich schon sehr viel Spaß und sind für die meisten anderen Leute ein größerer Hingucker als ein roter, flacher Sportwagen, der vorbei fährt. Es macht einfach viel Freude, gemeinsam zu fahren, sich einfacher und verständlicher unterhalten zu können als auf zwei einzelnen Fahrrädern. Keiner bleibt mehr zurück, keiner muss auf den anderen warten. Es ist wunderbar, jemanden ohne Benzinkutsche kurz zum Bahnhof zu fahren oder dort abzuholen.
Kinder auf einem Normaltandem
Vom Mitnehmen eines kleineren Kindes auf dem hinteren Sitz eines normalen Tandems für Erwachsene (mit einem speziellen Umbausatz) würde ich persönlich abraten bzw. erst dann dazu raten, wenn das Kind ohne Umbausatz mitfahren kann, da ich Kinder in der Regel hierfür für zu »klein« halte. Zumindest bei meinen Kindern war ich immer wieder froh, dass ich sie in meinem Sichtfeld vor mir hatte und nicht etwa hinter mir, wo ich nicht oder zu spät hätte eingreifen können. Ein Kind auf dem dafür angepassten Normaltandem kann vielleicht ab zehn oder zwölf Jahren mitfahren, je nach Kurbellänge und Rahmenhöhe.
Vorteile des Kindertandems
Ein Kindertandem macht Kind und Erwachsenem unheimlich viel Spaß. Das Kind ist stets im Blick des Erwachsenen (im Gegensatz zum Anhänger, den meisten Kindersitzen auf dem Gepäckträger oder auf dem hinteren Sitz eines Normaltandems) und ist somit stets unter optischer, verbaler und notfalls auch manueller Kontrolle. Mit einem Kindertandem kann man ein Kind sicher und zügig von oder zu Hinz und Kunz holen und bringen, zur Kita, Schule, Blockflötenunterricht oder Oma und Opa. Und zwar auch dort, wo man sein Kind mit dem kleinen Kinderrädchen im dichten Straßenverkehr lieber nicht fahren lassen würde – und zudem wesentlich schneller. Das Tempo bestimmt nun der Erwachsene, nicht wie sonst das wesentlich langsamere Kind. Es eignet sich genauso für den Alltag wie für die Freizeit.
Nachteile des Kindertandems
Wie alle Tandems sind sie im Zug oder Auto schwieriger zu transportieren. Bei einem reinen Fahrzeuggewicht von gut 20 bis 35 kg wird man so ein Rad möglichst selten heben oder tragen wollen. Das Fahrverhalten ist ein wenig anders als das eines Normalrads und muss beherrscht werden.
Anbieter
Kindertandems sind von verschiedenen in- und ausländischen Herstellern auf dem Markt. Nachdem die Nachfrage in Deutschland leider geringer zu sein scheint, als es angesichts der Anzahl Fahrrad fahrender Familien, also der theoretischen Zielgruppe, nachvollziehbar ist, haben sich einige Anbieter vom Markt verabschiedet. Dafür sind in den letzten Jahren wieder einige neu hinzugekommen, mit teils sehr interessanten neuen Produkten, die aber natürlich auch ihren Preis haben.
Gebrauchtmarkt
Neben Neufahrzeugen kommt daher der relativ gut bestückte Gebrauchtradmarkt in Frage. Als Käufer hat man den Vorteil, dass der derzeitige Angebotsüberhang gebrauchter Räder einen vergleichsweise günstigen Preis beschert. Liegen die Neuradpreise bei ca. 2.000–3.000 €, bekommt man technisch gut erhaltene Kindertandems schon für 500 bis 1.000 Euro.
Allerdings sollte man die Ausstattungsdetails beachten, die eine sehr große Spannbreite haben; man muss wissen, was man braucht. Sucht man ein Rad für den Alltag? Wohnt man in einer bergigen Gegend und muss mehr auf die Steigfähigkeit des Rades durch einegroße Spreizung der Übersetzung der Schaltung, eine geeignete Sitzposition für Steigungen und die Qualität der Bremsen achten? Oder will man (auch) Touren mit schwerem Gepäck fahren? Braucht man eine Spezial-Ausstattung für ein behindertes Kind? Wie lange will man das Rad nutzen? Will man nur die Zeit überbrücken, bis das Kind selbst sicher überall Rad fahren kann? Oder nur solange, bis es selbst auch eine (größere) Radtour bewältigen kann?
Viele, teils sehr unterschiedliche Varianten
Die meisten Kindertandems habe nur zwei Plätze (einen fürs Kind vorne und einen für den Erwachsenen hinten). Es gibt aber mittlerweile auch Modelle, bei denen sogar zwei oder drei Kinder auf eigenen Sätteln mitfahren können. Ich persönlich denke, man sollte sich auf ein Kind beschränken. Soweit die Kinder brav sind, spricht aber natürlich nichts dagegen, seine drei Kleinkinder mit dem Kindertandem zur Kita zu bringen.
Ich hatte ein gebrauchtes »Copilot 24« im Einsatz. Mit diesem war ich nach verschiedenen Anpassungen mit Ausnahme der eher »unsportlichen«, Hollandrad ähnlichen Sitzposition insgesamt zufrieden. Weil unsere Wohngegend relativ hügelig ist, habe ich die Sitzposition durch verschiedene kleinere Umbauten angepasst (z. B. längerer Vorbau, anderer Lenker).
Es existieren verschiedene »gängige« Laufradgrößen, z. B. ETRTO 406/20 Zoll vorne und 559/26 Zoll hinten oder 507/24 Zoll auf beiden Rädern.
Achtung: Die von mir gefahrene Variante der Laufradgröße 24 × 1 3/8 Zoll [Versehentlich stand bis zum 14.3.15 »ETRTO 507/24 Zoll« im Artikel. Die Redaktion.] ist zwar grundsätzlich fahrtechnisch völlig akzeptabel, aber es gab leider keine gute Reifenauswahl in dieser Dimension (z. B. breitere Reifen und v. a. Reifen mit grobem Profil für den Winterbetrieb), lediglich einen »Standardreifen«. Die Ersatzteilversorgung mit hochbelastbaren Felgen war zudem schlecht. Dies ist insbesondere für das sehr hoch belastete Hinterrad relevant. Ich habe für eine anstehende größere Tour mit Gepäck im Internet glücklicherweise ein Paar neue Laufräder mit Hohlkammer-Alufelgen ergattert. Mit diesen Felgen habe ich die ursprünglichen Laufräder nachträglich ausgestattet. Original waren einfache Alu-Felgen verbaut, die aber mit dem Gewicht des erwachsenen Kapitäns plus Gepäck (zusammen ca. 100 kg) fast genau über der Hinterachse womöglich Felgen- und Speichenschäden hätten erwarten lassen. Deshalb ist ggf. ein (Gepäck-)Anhänger sinnvoll, falls am Tandem sehr schweres Gepäck transportiert werden soll.
Reifen
Damit das Kind komfortabel fährt und das Vorderrad bei starken Unebenheiten nicht ins Hüpfen gerät, sollte vorne mit niedrigerem Luftdruck gefahren werden. Dies allerdings erhöht die Gefahr, dass der Vorderreifen bei starkem Bremsen auf der Felge wandert, v. a. bei längerem Bergabfahren (Gefahr des Abreißens des Ventils mit schlagartigem Druckverlust!). Dies ist ein klarer Interessenkonflikt. Deshalb sollten der Reifendruck und das Ventil vorne regelmäßig kontrolliert werden (steht das Ventil bereits schräg?) und der Druck nach meiner Erfahrung nicht wesentlich unter 2 bar liegen. Besser wäre es daher, der vordere Reifen könnte mit mindestens 3 bar gefahren werden. Dazu benötigt das Kind aber eine gefederte Sattelstütze. Mir ist leider nicht bekannt, ob es gefederte Sattelstützen für derart kleine Kinder gibt, die tatsächlich funktionieren. Ideal wäre an dieser Stelle eine gefederte Vorderradgabel. Nachrüsten lässt sich eine solche bei vielen Modellen standardmäßig nicht oder nur mit größtem Aufwand, weil es sich bei der Gabel um ein Spezialteil handelt: Die Lenkungsübertragung von hinten ist an der Gabel befestigt.
Bremsen
Aufgrund des höheren Gesamtgewichtes sollte bei Tandems generell auf sehr gute Bremsen Wert gelegt werden. Mein Exemplar hatte hydraulische Felgenbremsen, mit denen ich sehr zufrieden war.
Schaltung: Nachdem Kindertandems offenbar von Flachlandtirolern ersonnen wurden und womöglich auch tatsächlich v. a. im Flachland im Einsatz sind, sind nach meiner Erfahrung praktisch ausschließlich Modelle mit Nabenschaltung (7- oder 5-Gang-Nabenschaltung mit Rücktrittbremse) erhältlich. Hinzu kommt eine oft rein für das Flachland ausgelegte Sitzposition, die man nur schwer durch Austausch von Teilen (Vorbau, Sattel, Lenker) verbessern kann. Das ist sehr schade, da der Einsatzbereich hierdurch unnötig reduziert wird.
Ich selbst war mit Kind, großen Gepäcktaschen und Kinderanhänger, der mit Gepäck vollgestopft war, im Mittelgebirge unterwegs. Die 7-Gang-Schaltung von Fichtel&Sachs war zwar für mich gerade noch ausreichend, aber ein weniger starker Radler wäre hier vielleicht bereits ohne Gepäck und Anhänger überfordert gewesen. Nicht nur für Frauen wäre ggf. eine Schaltung mit einer größeren Gangspreizung und v. a. kleineren Berggängen sinnvoll.
Wer in einer etwas hügeligeren oder sogar gebirgigen Gegend wohnt bzw. dort fahren will, der sollte überlegen, ob es sich nicht vielleicht lohnen würde, ein Rad vom Profi umbauen zu lassen. Mir ist ein Fall bekannt, in dem das Kindertandem nachträglich eine Kettenschaltung mit drei Kettenblättern vorne verpasst bekam. Die aus meiner Sicht sinnvollste Alternative wäre die Nachrüstung mit einer Rohloff-Nabe mit ggf. etwas größerem Ritzel hinten, sofern das einbautechnisch machbar ist (Hinterbaubreite?). Damit sollte kein Berg mehr zu steil sein.
Antrieb
Allen Kindertandems gemeinsam ist, dass das Kind mittreten kann. Im Gegensatz zu einem Normal-Tandem mit einem Umbausatz sitzt das Kind nicht hinten nahezu auf Erwachsenen-Höhe (wo es nach vorne v.a. den Rücken des Elternteils sieht), sondern vorne etwa auf der gleichen Höhe wie auf seinem Kinderrad mit prächtiger Sicht überall hin. Kinder genießen es, auf dem vermeintlichen Chefsessel zu thronen. Manche Räder bieten die Möglichkeit, den Antriebsstrang des Kindes von dem des Erwachsenen durch Fernbedienung (Schalter mit Bowdenzug) auch während der Fahrt aus- oder wieder einzukuppeln. Damit können auch stark ermüdete Kinder weiterhin mitfahren. Achtung: Der Kapitän muss aufpassen, ob das Kind einschläft. Meine Tochter konnte teilweise auf dem Kindertandem sogar im Halbschlaf sitzen, aber generell ist das nicht empfehlenswert. Dieses Feature des abschaltbaren Antriebs ist eher selten und deshalb sind solche Exemplare vermutlich teurer. Ob es bei neuen Kindertandems noch angeboten wird, ist mir nicht bekannt.
Alter, Größe und Entwicklung des Kindes als Voraussetzung fürs Mitfahren
Das Mitfahren (insbesondere das selbständige Mittreten) ist guten Gewissens allerfrühestens ab 3 1/2, besser 4 Jahren möglich. Dies hängt von der Körpergröße, den Gegebenheiten des Rahmens und der Länge der Kurbeln ab. Die entscheidenden Faktoren sind natürlich neben dem Alter und der Körpergröße auch der geistige und körperliche Entwicklungsstand des Kindes (und eine mögliche geistige oder körperliche Behinderung; hierfür gibt es Spezialausstattungen im Reha-Handel). Kann sich das Kind (bereits) sicher und zuverlässig festhalten? Dabei sollte immer bedacht werden, dass es nicht das selbe ist, ob ein Kind vom Kinderrad fällt oder vom Kindertandem. Das maximale Alter des Kindes wiederum dürfte je nach Rahmenhöhe, späteren Anpassungen der Anbauteile und Körpergröße (ab ca. 90 bis 140 cm) bei ca. 8 bis 9 Jahren, manchmal vielleicht auch noch höher liegen. Eine Ausnahme stellen spezielle Behinderten-Tandems dar, die auch noch für Jugendliche oder kleinere Erwachsene anpassbar sind.
(Mit-)Lenken
Manche Kindertandems haben auf dem Kinderplatz vorne einen feststehenden Lenker. Andere bieten hier einen echten Lenker, der über ein Gestänge mit dem des Erwachsenen verbunden ist. Auf diese Weise hat das Kind ein ganz besonderes Fahrerlebnis, weil es tatsächlich auch mitlenken kann. Der Lenker des Kindes ist allerdings wesentlich schmäler und bietet deshalb weniger Hebelkraft, sodass es von den Lenkimpulsen des Erwachsenen normalerweise »überstimmt« wird. Allerdings sollte man bei der Mitlenkmöglichkeit folgendes beachten: Der Erwachsene muss immer damit rechnen, dass das Kind unüberlegte Lenkbewegungen vornimmt und das ganze Fahrzeug so in gefährliche Fahrlagen bringen kann (zu solchen Fällen unten mehr). Wenn der Erwachsene somit immer seine Arme anspannen muss, kann das auf die Dauer ganz schön anstrengend sein. Deshalb sollte das Kind bald lernen, dass es nicht alleine bestimmen darf, wohin gefahren wird, weil das gefährlich sein kann. Aber natürlich darf und soll man aus pädagogischen Gründen ruhig darüber diskutieren …
Manche Räder bieten die Möglichkeit durch Umstecken des Lenkervorbaus die »Mitlenkfunktion« ein- bzw. auszuschalten (dazu sind nur ein paar kurze Handgriffe mit Werkzeug nötig).
Sitz
Da Kinder schnell wachsen, sollte man regelmäßig die Sitzposition kontrollieren und anpassen, wie an jedem Kinderrad selbstverständlich auch. Generell nötig sind ggf. folgende kleine Anpassungsarbeiten für sehr junge Mitfahrer:
- Lenker (Breite, Aufprallschutz z. B. aus Isolations-Schaumrohren montieren)
- Vorbau (ggf. umdrehen oder anderen montieren, niedriger setzen)
- Sattel (Kindersattel montieren, Abstand zum Lenker anpassen)
- Pedale (für sehr kleine Kinder im Idealfall alte Rennradpedale mit Korb und Riemen verwenden; Grund hierfür siehe weiter unten)
Sonstige Ausstattung
In der Regel haben solche Räder eine komplette einfache Lichtanlage, Schutzbleche und Gepäckträger. Diese Ausrüstung ist für Normalzwecke ausreichend. Wer viel bei Dunkelheit unterwegs ist, z. B. mit Kind zur KiTa oder Schule fährt, sollte ggf. in die Lichtanlage nachinvestieren.
Mitnehmen von weiteren Kindern oder Gepäck
Einen (Kinder-)Anhänger an das Kindertandem anzuhängen dürfte in den meisten Fällen kein Problem sein. Ich selbst hatte auf einer Urlaubstour unseren Kinderanhänger angehängt. Begrenzender Faktor ist lediglich die Tretkraft des Fahrers, da auf bergigen Strecken das Potential mancher Radler schnell aufgebraucht sein könnte, insbesondere mit der Übersetzungsleistung einer Standard-Nabenschaltung. Um dann einen Zug mit Anhänger mit Kind vorne und womöglich schwerem Gepäck oder ein bis zwei Kindern hinten im Hänger zu bewältigen, sollte man allerdings wirklich ein fahrtechnisch erfahrener Radfahrer sein, v. a. bergab. Dass dazu die Bremsen top sein müssen, ist selbstverständlich. Auf flacheren Strecken ist das Fahren mit Anhänger allerdings kein Problem. Bei der Fahrt mit Anhänger ist neben der ungewohnten Breite (Vorsicht bei engstehenden Pfosten: Schleppkurve) vor allem der längere Bremsweg zu beachten.
Das Montieren eines standardmäßigen Kleinkind-Kindersitzes auf dem hinteren Gepäckträger des Kindertandems ist zwar grundsätzlich, wie bei Normalfahrrädern auch, möglich. Allerdings kann es sein, dass durch die spezielle Rahmengeometrie der Platz hierfür eingeschränkt ist, denn das Sitzrohr steht oft stärker nach hinten geneigt. Dadurch befindet sich der Sattel des Erwachsenen fast auf Höhe der Hinterradachse und damit weiter hinten als beim Normalrad oder beim Normaltandem. Nachdem sich die Rahmenausführungen unterscheiden, hilft hier nur Ausprobieren, ob der Kindersitz passt, das Kind genügend Raum hat und den Fahrer nichts beim Treten stört.
Bitte hier besonders beachten: Wie immer beim Fahren mit Kindersitz evtl. freiliegende Federn des Sattels gegen den unbedarften Zugriff der Kinderhände schützen, um Verletzungen zu vermeiden (Quetschung der Finger). Ein Kind auf dem hinten montierten Kindersitz verlagert den Schwerpunkt des Fahrrades nach hinten sowie oben und verändert dadurch (wesentlich mehr als ein Zweispur-Anhänger) das Fahrgefühl des Rades an sich.
Achtung bei schwerbeladenen Kindertandems: Sofern man in der Gruppe fährt sollte vielleicht das Kindertandem aus Sicherheitsgründen etwas Gepäck an andere Fahrräder abgeben. Meine Devise für durchschnittliche Radler: Ein Kind vorne und ggf. etwas Gepäck in Gepäcktaschen sollte zunächst reichen. Muss mehr Gepäck mitgenommen werden oder auch mehr Kinder, sollten diese Aufgaben an andere Radler in der Gruppe verteilt werden.
Eine Kindertransportalternative ist auch ein Stufentandem, wie z. B. das Hase Pino. Der Stoker sitzt dabei vorne in Liegeposition. Der Captain sitzt hinten in Upright-Position und steuert. Damit auch kleinere Kinder mittreten können (ab ca. 4–5 Jahren) gibt es als Zubehör ein Kindertretlager, dass in geringem Abstand zum Sitz montiert werden kann. Vorteilhaft bei der Mitnahme von Kindern ist ein Freilauf, sodass diese nicht immer mittreten müssen. Die Kinder haben dabei einen freien Blick, man kann sich sehr gut mit ihnen Unterhalten und sie lassen sich hierbei auch gut mit einem Sicherheitsgurt und Handgriffen sichern.
Selbst ein Einschlafen des kleinen Passagiers führt nicht gleich zur Katastrophe. Das Fahrverhalten für den Captain ist dabei völlig gutmütig und entspricht dem eines »normalen«, stark beladenen Uprights. Auf einem in normaler Position montiertem Kindersitz lässt sich problemlos ein weiteres Kind transportieren und auch Campinggepäck lässt sich noch unterbringen. Schließlich war Familien-Mobilität mit dem Pino war bereits Thema in Familien-Mobilität mit dem Pino in Heft 8.
Stefan Buballa, für die Redaktion
Bekleidung des Kindes
Obwohl das Kind mittreten kann, liegt die überwiegende Tretlast beim Erwachsenen. Manchmal merkt man zwar, dass doch einige Power in dem »Motor« vorne steckt, aber von dem kleinen Frontmann sollte man sich auf die Dauer nicht zu viel Anteil am Vortrieb erwarten. Obwohl das Kind mittreten kann, fängt es deshalb früher als auf dem Kinderrad an auszukühlen bzw. zu frieren. Das liegt auch an der wesentlich höheren Fahrtgeschwindigkeit als auf dem Kinderrad. Durch diese und die Bug-Sitzposition ist das Kind stärker dem kühlenden Fahrtwind ausgesetzt. Kinder benötigen deshalb im Zweifel eine wärmere Bekleidung als auf dem eigenen Rad. Der Erwachsene muss hier öfter mal nachfragen und ggf. selbst die Temperatur des Kindes überprüfen. Bitte an diesen Punkt stets denken! Selbst wenn einem als Erwachsener manchmal ganz schön heiß wird, weil man doch etwas mehr treten muss als auf einem Einzelfahrrad.
Fahrverhalten von Tandems
Safety first – Sicherheit geht vor! Deshalb … Ein paar Sätze zum »Normaltandem«
Tandems sind etwa 0,5 bis 1 m länger als ein Einzelfahrrad für Erwachsene. Dadurch haben Tandems von Haus aus ein anderes Fahrverhalten als Normalräder und bieten auch ein zunächst ungewohntes »Fahrgefühl«. Durch den längeren Radstand sind Tandems grundsätzlich laufstabiler, aber auch träger. Sie benötigen größere Kurvenradien. Ganz besonders bei schnellen Ausweichmanövern ist die Massenträgheit deutlich zu spüren.
Tandems wirken grundsätzlich in allen Aspekten wie Verstärker, verglichen mit dem Normalrad. Das gilt für den Fahrspaß und die Gefahren, die mögliche Höchstgeschwindigkeit, den Bremsweg, den Kurvenradius etc. Auf dem Tandem ist alles stärker ausgeprägt als beim Einzelfahrrad. Das Anfahren, Anhalten und Fahren in Kurven erfordert von beiden Mitfahrern eine gewisse Übung und Eingewöhnung, bis die Fahrer aufeinander eingespielt sind und sich vertrauen.
Zum Rangieren in sehr engen Kurven (z. B. Wenden auf einer Straße) ist ein Tandem schwerer zu handhaben als ein Einzelrad. Der Kapitän kann nicht einfach mal schnell das Gewicht verlagern und so das Gefährt neu ausbalancieren, weil der Schwerpunkt des Rades unter Umständen außerhalb des Körpers des Kapitäns liegt (je nachdem, um welche Art von Tandem es sich handelt und ob ein Mitfahrer an Bord ist). Deshalb empfiehlt es sich in bestimmten Situationen, beim langsamen Fahren im kleinen Gang gegen die leicht gezogene Hinterradbremse zu treten, etwa beim Wenden oder bei sehr langsamem Fahren zwischen Hindernissen, in einer Radler- bzw. Fußgängermenge etc. Hierdurch wird das Gefährt stabilisiert. Die Vorderradbremse wird bei sehr langsamen, sehr starken Kurven (Wendemanövern) nicht benutzt, da sie sonst ein starkes Kippmoment auslösen kann. Die Schräglage ist beim Tandem während des Pedalierens stärker begrenzt als beim Einzelfahrrad (und das ist auch gut so). Ansonsten ist das Normaltandem ein recht ausgeglichenes Wesen.
Das Fahrverhalten jedes Tandems ist im teilbeladenen Zustand (also ohne Mitfahrer) in Extremsituationen mit Vorsicht zu genießen, zum Beispiel besonders beim starken Bremsen und in Kurven auf Laub, Sand, Eis oder Schnee. Wenn beim Normal-Tandem nur vorne der Kapitän fährt (der hintere Sitz des »Stokers« ist leer, kein Gepäck hinten), dann ist das Hinterrad nur schwach belastet. Bei normalen Bremsungen ist das kein Problem, weil man in der Regel ohnehin vorne stärker bremst als hinten. Müsste man in Notsituation aber eigentlich auf das Bremsen ausnahmsweise vorne mehr oder weniger ganz verzichten (bzw. hinten stärker bremsen als vorne), so kann dies hinten sehr schnell zum Blockieren des Hinterrades führen.
Ein Tandem sollte nur jemand steuern, der das Radfahren absolut sicher beherrscht. Ist bereits der Umstieg vom Einzelrad auf ein Tandem für den »Kapitän« eine gewisse Umstellung, so erfordert ein Kindertandem nochmals gewisse Aspekte zusätzlich zu bedenken.
Fahrverhalten von Kindertandems
Beim Kindertandem sollten folgende Aspekte zusätzlich beachtet werden:
Während beim Erwachsen-Tandem Kapitän (vorne) und Stoker/Heizer (hinten) sich nach einer Eingewöhnungsphase in der Regel immer mehr zu einer Symbiose auf dem Rad vereinen, muss man beim Kindertandem grundsätzlich mit jedwedem (Fehl-)Verhalten des Kindes rechnen. In der Praxis führt das aber nur selten zu Problemen. Wichtig ist daher, den Kindern das richtige Verhalten zu erklären.
Im »vollbeladenen« Zustand (Kind vorne, Erwachsener hinten) fällt lediglich auf, dass bereits kleine Lenkauschläge größere Auswirkungen haben als beim Einzelfahrrad oder beim Normaltandem, das Rad ist also deutlich nervöser. Deshalb ist zu beachten, dass sich das Rad keinesfalls durch das Fahren von starken wechselnden Lenkkombinationen aufschaukeln sollte. In solch einem Fall besteht die Gefahr, dass sich das kleine Kind vorne eventuell nicht mehr festhalten und vom Rad fallen könnte. Dies wäre der Supergau! Es könnte sogar passieren, dass das eigene Kind vom Hinterrad des Tandems überrollt würde. Besonders zu beachten ist bei denjenigen Kindertandems, die eine Mitlenkmöglichkeit des Kindes bieten, dass das Kind selbst eine solche Situation auslösen könnte, in dem es Unfug macht und bewusst gegen den Erwachsenen lenkt, um ihn zu »erschrecken«. Ist der Fahrer darauf nicht vorbereitet, kann er durch den Überraschungseffekt nicht schnell genug reagieren und gegenlenken.
Mir ist als anfänglich noch unerfahrenem Fahrer ein solcher »Notfall« tatsächlich auch bald nach dem Kauf des Kindertandems passiert. Nachdem mein Sohn nach der Lenkaktion sogar mit den Füßen von den normalen Fahrradpedalen abgerutscht war und ich das Gefährt nur mit Mühe und Glück zum Stillstand bringen konnte, ohne dass er sich verletzte, habe ich beschlossen, an die Kurbeln des Kindes alte Rennradpedale mit Körben und Gurten zu montieren. So waren die Füße und indirekt der ganze Körper des Kindes am Rad fixiert. Auf diese Weise habe ich nie wieder ein Problem gehabt. Wird das Kind dann älter, können die Gurte irgendwann nur noch locker gelassen bzw. entfernt werden und später die Rennpedale vielleicht gegen Normalpedale ausgetauscht werden. Mein Sohn hat allerdings auch heute noch auf dem normalen Kinderrad bzw. MTB hin und wieder Probleme mit dem Abrutschen von den Pedalen, deshalb sollte der Punkt grundsätzliche Beachtung finden. Es werden nämlich teilweise grottenschlechte, rutschgefährdende Pedale sogar an neuen Kinder-MTBs, sogar von namhaften Herstellern, verwendet!
Ist das Bremsen und Lenken mit Kind nach kurzer Zeit der Eingewöhnung kein Problem mehr, sollten beim Fahren ohne Kind folgende Dinge im Hinterkopf behalten werden: Das entlastete Vorderrad (ohne Kind) kann nur noch geringere Lenk- und Bremsimpulse übertragen. Generell neigt das Vorderrad jetzt früher zum Ausbrechen bzw. zum Blockieren. Somit sollte vorne vorsichtiger gebremst werden (dafür mehr hinten) und mit höherer Geschwindigkeit keine zu engen Radien gefahren werden. Vorsicht bei Glätte aller Art, auch im Sommerhalbjahr. Auch dieser Aspekt ist aber nach etwas Übung gar kein Problem mehr und bleibt stets im Hinterkopf.
Ersatzteile
Wie bereits erwähnt ist die Laufrad-Größe mancher Kindertandems hinsichtlich der Ersatzteilversorgung etwas ungünstig. Empfehlenswert ist daher die Laufradkombination 20/26 Zoll, die diesbezüglich kaum Wünsche offen lässt. Oft sind solche Modelle aber ansonsten eher spartanisch ausgestattet.
Tandems und besonders Kindertandems haben im Bereich des Antriebs ggf. einige Spezialteile, die womöglich nicht überall (oder nicht sofort) erhältlich sind, z. B. Kurbel-/Kettenblatt-Garnituren. Deshalb sollte beim Kauf auf den (Verschleiß-)Zustand geachtet werden, damit nicht gleich teure Reparaturen nötig sind. Bei Kindertandems sind diese Teile aber oft aus dem Reha-Bereich entlehnt und meistens sehr stabil und langlebig.
Zusammenfassung
Kindertandems bieten das Besondere und sind letztlich ein kleines Abenteuer im Alltag. Auf dem Kindertandem hat man das Kind stets im Blick. Kindertandems sind nicht übertrieben teuer und ihr Geld wert. Sie machen unheimlich viel Spaß. Deshalb gehören sie eigentlich in (fast) jeden Haushalt, in dem Kinder leben! Allerdings sollten sie nur in die Hände von guten Radfahrern kommen. Bevor man ein Tandem mit Copilot steuern will, sollte man das Fahren zunächst üben. Es wäre schön, wenn ein Hersteller eine Version mit bergfähiger Schaltung und Rahmengeometrie/Sitzhaltung anbieten würde.
Zum Autor
Olaf Tobiasch, 43, setzt sich seit fast 25 Jahren ehrenamtlich und privat für bessere Radverkehrsverhältnisse ein. Fährt seit seiner Kindheit fast alles, was ein oder zwei Räder (und so selten wie möglich: einen Motor) hat.