Ausgabe 11 · April 2010
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Der lange Weg zum Ledersattel
Fahrrad fahren kann ich seit meinem fünftem Lebensjahr, also seit
mittlerweile über
Das Problem: Mensch-Sattel-Schnittstelle
An der Kontaktstelle zwischen mir und dem Sattel ergab sich im Laufe der
Jahre eine Dauerbaustelle. Diese bereitete mir sehr lange
Unannehmlichkeiten und kostete mich auch viel Zeit und Geld. Dazu muss ich
noch anmerken, dass ich auf dem Fahrrad immer noch eine sportliche Haltung
bevorzuge (ca.
In den 90er-Jahren mutierte ich mehr und mehr zum Autofahrer, mit den entsprechenden Konsequenzen. Mein Gewicht stieg, das Sitzfleisch verweichlichte und mit der Dauerbaustelle Sitzfläche wurde es dadurch noch ärger. Als Radfahrer wechselte ich in dieser Zeit vom Rennrad als Standardrad zum Wanderrad (in Denglisch Trekkingrad genannt). Als die Gelsättel auf den Markt kamen, habe ich diese natürlich ebenfalls ausprobiert. Für meine Spazierfahrten mit dem Fahrrad brachten sie die erhoffte Linderung. Lange Zeit habe ich deshalb gedacht, damit nun endlich die Lösung gefunden zu haben. Nach zwei Bandscheibenvorfällen in den Jahren 1999 und 2000 musste ich unbedingt Gewicht abbauen und wieder Sport treiben. Ich baute mir ein neues, besseres Wanderrad zusammen und für mein Rennrad kaufte ich einen Rollentrainer. Aber als meine Strecken immer länger wurden, haben sich meine Gelsättel sehr schnell als untauglich herausgestellt. Auf Dauer war der Druck auf meinen Dammbereich trotz bzw. gerade durch das Gelpolster doch zu hoch. Ich wechselte wieder zu den Kunststoff-Sätteln mit Leder- oder Lorica-Überzug, die ja zwischenzeitlich ergonomisch optimiert worden waren. Mein Heimtrainer war meine Teststation. Dort habe ich mit allerlei Sätteln herumprobiert. Selbst ein Sattel ohne Nase (SQ-Lab Easyseat) wurde von mir ausprobiert und ganz schnell wieder aussortiert. Kein Druck im Dammbereich, aber auch Null Seitenhalt. Danach war ich mit meinem Latein am Ende. Hatte ich doch alle Arten von Sätteln ausprobiert und noch immer keine bequeme Lösung gefunden.
Die Wiederentdeckung des Kernledersattels
Hatte ich wirklich alle Arten von Sättel probiert? Nein! Um eine Art von Sätteln hatte ich immer einen großen Bogen gemacht. Anfang der 80er-Jahre waren Kernledersättel antiquiert und etwas für »alte Säcke«. Sie kamen für mich allein schon aus optischen Gründen nicht in Frage. Retro war damals noch nicht schick. Aber auch weil sie so kompliziert sind: Kernledersättel dürfen nicht nass werden, müssen eingefettet und gespannt werden und vor allen Dingen müssen sie »eingeritten« werden. Mein Vater hatte schon seit vielen Jahren einen Brooks-Sattel an seinem Wanderfahrrad. Er hat ihn nie gepflegt und deshalb sieht er auch ziemlich vergammelt aus. Da ich mittlerweile selber ein »alter Sack« geworden bin, wollte ich nun doch mal so einen Brooks-Sattel ausprobieren. Die Bewährungsprobe musste er ja nicht gleich bei einer Radtour bestehen. Aus Furcht vor den Qualen beim Einreiten hatte ich mich für einen bereits vorgegerbten Brooks-Sattel Modell B17 Aged entschieden.

Diesen montierte ich an mein Trainingsrad, das auf einer Tacx-Rolle steht. Wie bei den Gelsätteln hatte ich mit dem Brooks von Beginn an ein gutes Sitzgefühl. Aber dass musste ja nichts heißen, da sich die Gelsättel ja erst bei längeren Touren als untauglich erwiesen hatten. Aber erstaunlicherweise blieb dieses gute Sitzgefühl auch bei längerer Benutzung bestehen. Daraufhin wurde der Sattel von mir an mein Wanderrad montiert. Von nun an konnte ich weitaus längere Strecken ohne große Beschwerden fahren und musste weniger Pausen zur Wiederbelebung meines Dammbereiches machen.
Jetzt brauchte ich wieder einen Sattel für mein Trainingsrad. Ich wurde
mutiger und kaufte mir einen B17 Standard-Sattel (nicht »aged«) in
schwarz. Der war am Anfang längst nicht so bequem wie der vorbehandelte
Sattel. Es brauchte ca.

Alltagstauglichkeit und Pflege
Ich möchte meine Brooks-Sättel nicht mehr missen. Diese Sättel sind nichts
für Sonntagsradler. Aber den Radlern, die deutlich mehr als

Das Nachspannen darf nicht vernachlässigt, aber auch nicht übertrieben werden. Auch das tue ich nach Gefühl. Ich weiß aber, dass die Spannnug nicht zu groß werden darf. Mit einem Sattelüberzug, den ich bei Nichtbenutzung in der Sattelnase verstecke, ist der Brooks-Sattel auch alltagstauglich.

Ich benutze den Überzug aber nur, wenn ich mein Fahrrad abstelle. Während der Fahrt ist der Sattel ja durch mich und durch das hintere Schutzblech geschützt. Für Fahrräder ohne Schutzblech ist er im Regen nicht geeignet, da er von unten vom Spritzwasser nass werden kann. Und da unten ist er empfindlicher als oben. Da unten muss er ja auch eingefettet werden, die Oberseite bekommt nur einen Hauch Sattelfett ab. Man muss den Sattel schon selber einsitzen, damit er sich richtig anpasst und bequem wird. Und wenn er dann richtig »eingeritten« ist, ist er ein Unikat.
Fazit: Manchmal muss man sich quälen, um es richtig bequem zu haben!
Zum Autor
Jürgen
Schulz. Indienststellung 1964, seit 1968 Radfahrer. Beruflich ans Auto
gebunden, schätzt er das Fahrrad als Verkehrsmittel wie auch als
Sportgerät. Unternimmt Tages- oder Mehrtagestouren, um Land und Leute
intensiver zu erleben und sich körperlich zu betätigen. Und wird nie
verstehen können, dass Autofahrer, sobald sie auf einem Fahrrad sitzen,
zu Rambos mutieren.