Ausgabe 30 · November 2020
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Steckdose unterwegs – Teil 8
Drehstrom und mehr
Ende 2019 kamen einige Hersteller mit neuen Produkten auf uns zu, die hohe
USB-Leistung aus Dynamos zu liefern versprachen und dabei zum Teil
ungewöhnliche Ansätze wählten. Das US-amerikanische Start-up-Unternehmen
PedalCell bot uns seinen voluminösen CadenceX-Reibraddynamo mit
USB-C-Ausgang an – verspricht leichte Nachrüstbarkeit und hohe Leistung.
Velogical aus Köln, deren kleine Reibraddynamos Olaf Schultz 2014 hier
vorstellte, hat schon seit einiger Zeit einen Drehstromdynamo im Angebot.
Zunächst bot nur Jens During einen speziellen Forumslader dafür an. Nun
hat Velogical aber auch eine eigene Ladelösung dafür entwickelt, die wir
testen durften.
Interessant las sich auch ein neuer Speichendynamo mit USB-Ausgang aus
Taiwan namens SpinUp F12W. Man verspricht eindrucksvolle 5 Watt an USB ab
15 km/h und einen zusätzlichen Anschluss für Dynamolicht, verlangt dafür
aber auch stolze 500 USD. Hersteller ist SunUp, dessen
SunUp-Eco-Speichendynamo wir 2012 testeten. Dieses Modell ordneten wir
anhand eines Blickes ins Innere und von Messungen als mechanisch
hochwertig, aber elektrisch recht schwach ein. Rückmeldung aus Taiwan
hatten wir damals nicht erhalten. Bei der aktuellen Anfrage nach einem
Muster des neuen F12W teilte man uns nun aber barsch mit, man habe sich
damals über unsere Darstellung sehr geärgert und wolle keinen weiteren
Kontakt. Von daher können wir das Produkt hier nicht vorstellen.
In England gibt es mit Igaro seit einigen Jahren einen kleinen Anbieter hochwertiger USB-Adapter für Nabendynamos. Der Hersteller bot uns seinen aktuellen »D2« zum Test an. Cycle2Charge aus Paderborn bietet schon länger USB-Adapter an – wir testen hier die aktuelle Version »V3« mit guter Leistung zum attraktiven Preis. Zum Abrunden des Angebots kommt noch der »Kemo M172N« hinzu – der voluminösere und leistungsfähigere Bruder des schon 2012 von uns getesteten »Kemo M172« (ohne »N«). Was bietet ein 30-Euro-USB-Adapter?
PedalCell CadenceX
Zwei Hochschulabsolventen gründeten 2015 in Chicago die Firma PedalCell und arbeiten seither an der Entwicklung eines eigenständigen, leistungsstarken, schnell nachrüstbaren Dynamosystems mit USB-Ausgang, das über 15 Watt Leistung liefern soll. Das Testmuster, das wir Ende 2019 erhielten, zeigt noch die Herkunft der Kunststoffteile aus dem 3-D-Drucker. Kern ist ein Drehstromgenerator, dessen drei Ausgänge via 80-cm-Kabel zur zigarettenschachtelgroßen Elektronikbox mit zwei USB-C-Anschlüssen führen. Ein Pufferakku ist hier nicht enthalten. Geplant war der Verkaufsstart für Anfang 2020. Momentan werden für 250 USD Vorbestellungen für Ende des Jahres angenommen.
Das Reibrad hat eindrucksvolle 5 cm Durchmesser und läuft relativ geräuscharm auf der Felge. Nachrüstung ist schnell erledigt. Gummieinsätze in der Gabelklemmung sollen soliden Sitz ohne Beschädigung ermöglichen.
Velogical Velo-Grid
Mit nur 35 mm Reibrad-Durchmesser, halber Bauhöhe, kompakten Montageadaptern und komplett aus Metall gefertigten Bauteilen erscheint der Dynamo aus Köln das exakte Gegenteil des Modells aus Chicago zu sein. Allerdings sind die elektrischen Daten sehr ähnlich: Auch hier soll ein Drehstromgenerator über 15 Watt an USB bei 30 km/h liefern können, ebenso angetrieben mit einem auf der Felge laufenden O-Ring. Die dazu angebotene »Universal-Stromquelle« versorgt sowohl einen Anschluss für eine herkömmliche Dynamo-Lichtanlage bis zu 2 Ampere an einer USB-A-Buchse wie auch 12V-DC-Pedelec-Leuchten. Als Puffer wird eine 18650-Li-Ion-Zelle mit 2.850 mAh verwendet. Ähnlich wie der klassische Forumslader wird die Elektronik schlicht, aber funktionell in einen durchsichtigen Schrumpfschlauch verpackt. Mit 200 € für den Drehstromgenerator und 180 € für die »Universal-Stromquelle« wird klar, dass man hier nicht in Dimensionen von Reibraddynamos aus den 1970er Jahren denkt.
Forumslader für Velogical
Alternativ, aber mit sehr ähnlichen Eigenschaften wie die VelogicalUniversal-Stromquelle gibt es schon länger den Drehstrom-Forumslader aus Cottbus: 3-Ampere-USB-Ausgang, 12-Volt-Lichtausgang, Lithiumzelle. Preislich geht es bei 130 € für einen Bausatz los. Gegen Aufpreis gibt es Optionen für größere Akkus, ein Bluetooth-Modul sowie fertig aufgebaute Geräte.
Igaro D2
Andrew Charnley arbeitet seit Jahren an USB-Ladeadaptern unter der Marke Igaro. Das aktuelle Modell D2 enthält eine Microcontroller-Steuerung, welche die Eigenschaften des Wandlers an das Verhalten von Nabendynamo und USB-Verbraucher anpasst. Manchmal ist es irritierend, wenn das Gerät nicht sofort Spannung an USB liefert oder in einigen Situationen den Strom kurz unterbricht. Das Metallgehäuse ist das kleinste unter den getesteten Geräten. Es enthält nur die Anschlüsse zum Dynamo über zwei Metallstifte und eine USB-C-Buchse. Preis: ca. 186 €.
Cycle2Charge V3
Die Anbringung des Cycle2Charge anstelle der Ahead-Kappe erinnert an »The Plug« von Tout-Terrain. Während dort aber bei der Nachrüstung mühsam die Ahead-Kralle entfernt werden muss und eine voluminöse Elektronik im Gabelschaft untergebracht wird, steckt hier das komplette Gerät unter der kleinen Kunststoffhaube, die auf dem Vorbau thront. Während das Gehäuse seit Markteinführung gleich blieb, wurde die Elektronik über die Jahre erheblich leistungsfähiger. Der Preis ist mit 70 € für die Version V3 attraktiv.
Kemo M172N
Die Firma Kemo kommt nicht aus dem Fahrradbereich, sondern bietet eine große Zahl Elektronikbausätze für Bastler an. Der Anschluss an beliebige Dynamos und Leuchten erfolgt per Schraubklemmen. Eine LED signalisiert USB-Spannung. Der USB-A-Anschluss soll 500–800 mA liefern. Man findet das Gerät im Handel ab 30 € – nicht zu verwechseln mit dem leistungsschwächeren, aber kleineren Vorgängermodell ohne das »N« im Namen.
Das USB-Werk von Busch & Müller kostet 70–90 € und ist in deutschen Fahrradläden leicht zu beschaffen. Das verschweißte Gehäuse ist wasserdicht und die Anschlusskabel sind austauschbar. Nutzer von Garmin-GPS-Geräten kommen gut mit dem USB-Werk zurecht. Der kleine integrierte Pufferakku überbrückt bei sparsamen Verbrauchern Ampelpausen und auch langsame Bergetappen reichen für die nötigen 1–1,5 Watt am USB-Anschluss. Zum Navigieren mit dauerhaft eingeschaltetem Smartphone reicht die Leistung hingegen bisweilen nicht aus. Das USB-Werk stellt somit eine Referenz für das untere Limit an Leistung dar. Schwächere Ladelösungen, insbesondere bei langsamer Fahrt, werden nur in Ausnahmefällen gefallen.
Der Forumslader V5 war schon in älteren Tests dieser Artikelreihe eines der Topmodelle, was die Ladeleistung angeht. Er wird deshalb hier als zweite Referenz aufgeführt.
Für unseren Test stellten die Hersteller kostenlose Testmuster zur Verfügung (mit Ausnahme die preisgünstigen Geräte von Cycle2Charge und das Kemo M172N, die schlicht im Handel erworben wurden). Alle Hersteller sorgten dafür, dass zusätzliche Anschlüsse nach draußen geführt wurden, damit wir Strom und Spannung am Pufferakku messen konnten. Vielen Dank dafür!
Prüfaufbau und Messergebnisse
Vermessen wurden Igaro D2, Cycle2Charge V3 und Kemo M172N an einem per Motor angetriebenen Nabendynamo SON28. Der gleiche Testaufbau wurde auch in den letzten Artikeln dieser Reihe genutzt und beschrieben. Als Laufraddurchmesser wurde ein 28″-Rad mit 700 mm Durchmesser angenommen. Die elektrische Ausgangsleistung der Dynamos sowie die Lade-/Entladeleistung in dem Pufferakku des Ladeadapters wird mit jeweils einem GMC Metrahit 29S gemessen. Als USB-Verbraucher dient die programmierbare elektronische Last Array 3711A.
Die Systeme mit Reibraddynamo hat Olaf Schultz an seinem Prüfstand mit angetriebenem Laufrad vermessen. Drehmomentmessung erfolgte mittels Federwaage Pesola, elektrische Messung mittels GMC 29S. Das Set-up ist im Artikel »Aktuelle Felgenläuferdynamos im Labortest« (Fahrradzukunft 18) im Detail beschrieben.
Sowohl der Velogical- als auch der PedalCell-Dynamo wurden präzise auf die Felge ausgerichtet.
Wichtig bei Radreisen ist, dass schon bei mäßigem Tempo, wie es bei Gegenwind, bergauf oder bei Erschöpfung durchaus längere Zeit gefahren wird, viel Leistung aus dem Nabendynamo geholt wird. Neben dem bekannt guten Forumslader V5 schneidet hier der Igaro D2 sehr gut ab. Aber auch die preisgünstigen Cycle2Charge V3 und Kemo M172N sind bei 10–15 km/h besser als das »untere Grenzmuster« Busch & Müller USB-Werk. Bei schneller Fahrt beeindruckt das Cycle2Charge V3 mit viel Leistungsausbeute.
Bei halb vollem Puffer haben wir gemessen, wie viel Leistung in den Akku fließt. Bei langsamen Tempi können hier die Drehstromlösungen nicht mit dem Forumslader V5 am SON28 mithalten. Oberhalb 20 km/h ist erheblich mehr Leistung möglich, wenn man es schafft, das Reibrad am Durchrutschen zu hindern. Dazu wäre aber nicht unerheblicher Aufwand bei der Ausrichtung und evtuell eine Oberflächenbearbeitung von Felgenflanke und O-Ring erforderlich. Bei Nässe dürfte es noch problematischer werden. Bei Fahrrädern, die keine Montage eines Nabendynamos zulassen, sorgt der Velogical-Drehstromdynamo zusammen mit beiden Elektronikalternativen aber für USB-Leistung auf hohem Niveau.
Mit reichlich 2 Watt will ein modernes Smartphone ständig nachgeladen werden, um tagsüber mit heller Beleuchtung als »Navi« zu dienen.
Der PedalCell CadenceX bietet USB-C-Anschlüsse. Diese setzen sich immer mehr durch. Ihr Vorteil ist, dass sie ähnlich kompakt wie Micro-USB-Buchsen sind, aber deutlich robuster und vor allem in beiden Orientierungen steckbar sind. Allerdings sind USB-C-Kabel durch zusätzliche Kontakte und Code-Widerstände nicht unproblematisch. Wir fanden einzelne Kabel, die nur in einer Orientierung eingesteckt funktionierten und unterschiedlichen maximalen Stromfluss erlaubten. Wir haben hier das jeweils am besten funktionierende USB-C-Kabel verwendet. Der PedalCell CadenceX erlaubt die höchste von uns gemessene Leistungsentnahme an USB – bei allen Fahrgeschwindigkeiten. Auch bei sehr langsamer Fahrt unter 10 km/h sind hier über 2 Watt verfügbar und ermöglichen damit dauerhaften Navi-Betrieb per Smartphone. Bei mehr als 25 km/h beginnt aber unregelmäßiger Schlupf. Es wird durchaus noch an USB geladen, reproduzierbare Messdaten waren uns aber nicht möglich.
Der Igaro D2 kann bei mittlerem Tempo mit hoher Leistung begeistern. Bei 15 km/h liefert er sogar mehr Leistung an USB, als der Forumslader V5 dauerhaft bereitstellen kann.
Am Velogical-Drehstromdynamo liefert der Forumslader stets etwas mehr Dauerleistung an USB als die Universal-Stromquelle.
Die Lösungen von Cycle2Charge (und Kemo) fallen bei 10 km/h unter das Vergleichsniveau des USB-Werks zurück. Für lang anhaltend langsame Fahrt sind sie somit nicht gut zur Versorgung von Smartphone-Navigation geeignet. Der Kemo M172N liefert aber auch bei 20 km/h kaum genug Strom dafür. Er eignet sich somit eher zur Versorgung sparsamer Outdoor-Navis.
Alle hier betrachteten Ladeadapter sind relativ verlustarm, wenn es darum geht, aus dem Pufferakku wieder USB-Spannung für einen Verbraucher zu generieren. Der Drehstrom-Forumslader ist der effizienteste über den gesamten Leistungsbereich. Über 90 % Wirkungsgrad sind eindrucksvoll! Die Elektronik von Velogical enttäuscht mit unter 80 % Wirkungsgrad bei hohen Leistungen. Wer allerdings sein Smartphone oder GPS-Gerät dauerhaft am Ladeadapter betreibt, somit nur der akute Verbrauch und nicht der Akku des Verbrauchers nachgeladen werden muss, bewegt sich eher bei 2 Watt, wo alle getesteten Ladeadapter brauchbare Effizienz zeigen. Wer bei der Fahrt nur den Pufferakku des Laders lädt, um bei Pausen dann mit über 5 Watt den Smartphone-Akku nachzufüllen, sollte genauer hinsehen.
Wer hohe elektrische Leistung entnehmen will, braucht auch entsprechend mechanische Antriebsleistung. 15 Watt und mehr über eine kleine Reibrolle zu übertragen ist schwierig. Die Dynamos neigen dann zum Durchrutschen mit dabei sinkender Drehzahl und Leistung. Geduldiger Versuch mit verschiedenen Einstellungen, gute Reinigung und eventueller Anschliff der Felgenflanke können helfen, das Problem zu mildern. Velogical kündigte eine verbesserte Version seiner Software in der Universal-Stromquelle an, die u.a. dieses Problem angehen will.
Hersteller Modell |
Akkutyp | Anschlüsse Ausgang | Ladenpreis |
---|---|---|---|
PedalCell CadenceX |
- | 2 × USB-C | 249 USD (nur beim Hersteller) |
Velogical Drehstromdynamo |
- | (ungeregelter Drehstrom-Ausgang) | 200 € |
Velogical Universal-Stromquelle |
2,85 Ah/10,5 Wh | 1 × USB-A, Kabel mit Stopfen, Kabel für Dynamoleuchten, Kabel für 12V-DC-Leuchten | 180 € |
Jens During Forumslader Velogical |
2,9 Ah/28 Wh oder 0,7 Ah/5 Wh |
2 × USB-A, Kabel für 12V-DC-Verbraucher, Option für Bluetooth | Bausatz ab 130 € |
Igaro D2 |
- | 1 × USB-C | 169 GBP |
Cycle2Charge V3 |
- | 1 × USB-A | 69 € |
Kemo M172N |
- | 1 × USB-A | 30 € |
Jens During Forumslader V5 Ahead |
2,9 Ah/28 Wh oder 0,7 Ah/5 Wh |
2 × USB-A, Kabel für 12V-DC-Verbraucher, Option für Bluetooth | Bausatz ab 110 € |
Busch & Müller USB-Werk |
LiFePO3 0,15 Ah/0,96 Wh |
USB-A-Buchse oder Micro-USB-Stecker am austauschbaren Kabel | 80–99 € |
Fazit
Mit 30 € wird der klobige Kemo M172N zwar beeindruckend preisgünstig angeboten, für den längeren Navi-Betrieb eines modernen Smartphones – gar mit dazwischengeschalteter, verlustreicher Powerbank – reicht seine elektrische Leistungsabgabe aber nur bei unrealistisch hohem Tempo. Der Cycle2Charge ist hingegen für Menschen, die selten unter 15 km/h unterwegs sind, eine elegante und leistungsfähige Lösung – zum attraktiven Preis. Der Igaro D2 erlaubt auch, zickige Smartphones ohne Zuhilfenahme einer (verlustbehafteten) Powerbank zu versorgen – und stellt dafür schon bei 15 km/h viel Leistung bereit. Der PedalCell CadenceX liefert sehr viel Leistung schon bei 10 km/h und lässt sich schnell auch temporär nachrüsten. Das Gehäuse ist gewöhnungsbedürftig voluminös. Die vorliegende Testversion empfiehlt sich wegen fehlender Dichtungen noch nicht zur Fahrt bei Nässe. Der Velogical-Drehstromdynamo ist dekorativ klein und schön verarbeitet. Bei Nässe, schneller Fahrt und hohem Leistungsbedarf ist es aber schwierig, den Dynamo komplett schlupffrei einzustellen.
Zum Autor
Andreas Oehler (Jg. 1966) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.