Ausgabe 23 · November 2016

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5 Monate durch Argentinien und Chile – mit Baby

von Emilia Weiser und Jens Blume

Emilia liebt Kinder. Jens liebt Radtouren. Beide lieben das Abenteuer und seit ein paar Jahren auch einander. Nach einer Fahrrad- und Wanderreise im Sommer 2013 saßen die beiden in einer Kneipe in Breslau und schmiedeten Pläne: Die Tochter wird bald eingeschult – aber eine richtig große gemeinsame Reise wäre klasse! Also muss sie davor geschehen! Und noch ein Geschwisterkind, das wäre doch auch etwas Tolles! Nun wurden Zeitfenster hin- und hergeschoben, Semesterpläne durcheinander gewirbelt und Reiseziele mit möglichst wenig gemeinen Krankheiten herausgesucht. Ein wenig später stand er, der Plan, und auch der Kinderwunsch erfüllte sich.

Wahl des Reisegebietes

Doch wohin reisen mit einer ganzen Familie, vor allem mit einem kleinen Säugling von gerade mal acht Monaten bei Start? Ursprünglich zog es uns nach Südostasien, doch da gab es ein Hindernis: Viele zum Teil schwerwiegende Krankheiten, deren Erkennung wir nicht garantieren konnten. Also wurde dieses Projekt nochmal aufgeschoben und wir entschieden uns für Südamerika. Das brachte für uns viele Vorteile mit sich: Mit einer einzigen Sprache kann man sich fast überall verständigen. Da auf der Südhalbkugel gelegen erwartete uns ein super Klima während unserer Reisemonate. Außerdem gelten Chile und Argentinien als nahezu frei von Malaria und Gelbfieber, sodass wir für den Beginn unserer Reise diese Länder wählten. Sehr gern wollten wir eine zusammenhängende Strecke fahren – einen kompletten »Haushalt« inklusive Fahrrädern und Anhänger in ein Flugzeug zu verladen ist keine verlockende Vorstellung, daher wollten wir diese Erfahrungen auf ein Minimum begrenzen. Der Traum von der Tour ohne logistische Unterbrechungen schwand jedoch, als wir uns Radreiseberichte speziell zu den patagonischen Winden anschauten. Wir entschieden uns schlussendlich, die Strecke zweizuteilen und der Windrichtung folgend von Santiago de Chile bis nach Feuerland zu fahren – eine sehr gute Entscheidung, wie sich noch herausstellen sollte. Den zweiten Teil der Reise ließen wir uns noch offen – mit mehr Erfahrung würden wir unsere Fähigkeiten besser einschätzen können und den weiteren Streckenverlauf entsprechend festlegen.

Bild 1: Livia in Patagonien
Bild 2: Die heftigen Winde Patagoniens verdeutlicht dieser Baum ganz gut
Bild 3: Emilia und Livia unterwegs auf Schotterpisten. Carretera Austral, Chile.

Mit zwei Kindern auf 4.000 Metern über NN?

In Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt und damit unserem vorläufigen Zwischenziel, angekommen, standen wir damit vor der Entscheidung: Wir hätten weiterhin in den uns bekannten Ländern Chile und Argentinien bleiben können, die an kulturellen Unterschieden zu Europa eher wenig hergaben. Zudem erwartete uns nördlich von Santiago de Chile vor allem Wüste und in Argentinien viel flaches landwirtschaftlich genutztes Gebiet – also weniger das, wonach wir suchten. Bolivien und Peru dagegen versprachen sehr interessant zu werden und vor allem für unsere ältere Tochter viele neue Eindrücke zu bringen. Erleichternd kam hinzu, dass wir unser Risiko von Moskito übertragener Krankheiten dadurch minimieren konnten, indem wir uns in Höhen von mindestens 2.500 Metern aufhielten. Bei entsprechender Lebensmittelhygiene und sicherheitsorientiertem Verhalten im Straßenverkehr waren hier also die gesundheitlichen Risiken gering. Hätte ich (Emilia) mir zu Beginn der Reise nicht vorstellen können, quer durch die Anden zu fahren, freuten wir uns jetzt auf »richtige« Berge und die Herausforderung, auf über 4.000 Meter über NN unterwegs zu sein. Letztlich war das eine prima Entscheidung und wir kamen nach einer gewissen Akklimatisationszeit gut mit der Höhe zurecht. Zwar waren die Nächte kalt, bis -13°C, aber wir hatten ja extra superwarme Daunenschlafsäcke (Komforttemperatur -10°C) für uns alle vier dabei und auch das Hilleberg Keron 4 Zelt – unsere unverwüstliche Trutzburg – bot einen nicht unerheblichen Schutz vor der Kälte. Auf dem flachen Hochland Boliviens wurde es natürlich auch mal etwas windiger, aber nach den unvorstellbaren Sturmwinden Patagoniens waren wir dafür abgehärtet genug. Die Versorgungslage war in der Höhe übrigens entgegen unserer Erwartungen ebenfalls sehr gut. Maximal für ein paar Tage mussten wir Essen und Wasser mitführen.

Bild 4: Unser Nachtlager auf 4200 m

Wahl der Fahrzeugflotte

Das war ein langer und schwieriger Prozess. Viele Fragen waren zu beantworten: Wie transportieren wir Livia, wenn sie zu groß für einen Hänger ist, aber zu klein für ein eigenes Rad? Welcher der zahlreichen Kinderanhänger ist der geeignetste für unsere jüngste Tochter? Babyschale oder doch lieber eine Hängematte? Ab welchem Alter kann Magdalena den regulären Sitz im Trailer verwenden? Brauchen wir auch noch einen Sitzverkleinerer? Welche Hängerkupplung ist die geeignetste für mein Patria Terra? Auf was für einem Rad wird Emilia unterwegs sein? Fragen über Fragen …

Wir kümmerten uns zunächst um den Transport von Livia und Emilia, ich hatte ja schon mein seit 2008 existierendes Patria Terra Reiserad. Dazu besuchten wir die Messe VeloBerlin, um uns verschieden Möglichkeiten hautnah anzusehen. Näher ins Auge fassten wir sogenannte Stufentandems. Hier sitzt die vordere Person auf einem Liegeradsitz, die hintere Person, der Kapitän, nimmt auf einem ganz normalen Sattel Platz und steuert außerdem das Gefährt. Beide Personen können mittreten, wobei der vordere Passagier auch einen Freilauf besitzt. Beide haben freie Sicht nach vorn und können sich gut während der Fahrt unterhalten. Scheinbar die ideale Kombination für Mutter und Kind. Auf der Messe ausgestellt waren zum einen die Stufentandems von Morpheus, zum anderen das weitaus bekanntere Modell Pino von Hase Bikes aus Waltrop. Beide Modelle konnten wir Probe fahren und so ein etwas besseres Gefühl für diese ungewöhnlichen Fahrzeuge erlangen. Das Morpheus-Rad schied relativ schnell aus unserer Favoritenliste aus. Zwar kostet es nur ungefähr zwei Drittel des Preises des Pino, jedoch gab es entschiedene Nachteile: Ein Kindertretlager hätten wir uns selbst basteln müssen, während es diese Möglichkeit beim Pino optional gibt. Außerdem wurde auf eine Federgabel verzichtet. Das bedeutet deutlich weniger Komfort für die direkt über der 20″-Gabel sitzende Person. Zu guter Letzt ist der Morpheus-Rahmen im Gegensatz zum Aluminium-Pino nicht teilbar, es ist also deutlich schwieriger, ihn flugtauglich kompakt zusammenzupacken.

So fiel die Entscheidung schließlich trotz des hohen Kaufpreises auf das Hase Pino Stufentandem. Jedoch wollten wir eine solche Investition nicht tätigen ohne Livia einmal auf das Rad zu setzen. Wir vereinbarten also einen Termin beim lokalen Hase Händler und nahmen Livia mit auf eine Probefahrt. Sie war absolut begeistert und so wurde die Entscheidung besiegelt. Kopfschmerzen bereitete uns noch der Anschaffungspreis. Der lag absolut nicht in unserem studentischen Budget und so begaben wir uns auf die Suche nach einem gebrauchten Pino, welches ich reisetauglich umbauen könnte. Nach einigen Monaten der Suche wurden wir über ebay-Kleinanzeigen in NRW fündig: Ein 2013er Modell, die teilbare Aluversion, gerade einmal 250 Km gelaufen, einmal gestürzt, danach aufgrund eines Ehestreits nicht mehr benutzt. Verkäufer und ich einigten uns auf einen Preis, ich fuhr mit dem Wochenendticket nach NRW, inspizierte die Beschädigungen durch den Sturz, hielt sie für akzeptabel, kaufte das Tandem und fuhr am selben Tag mit dem Wochenendticket zurück nach Dresden. Ein Kindertretlager konnten wir ebenfalls gebraucht kaufen. Nun begannen die Umbauarbeiten: Vorn baute ich einen SON-Nabendynamo ein, befestigte vernünftige Beleuchtung. Der große Hase-Zweibeinständer wurde kombiniert mit dem Lowrider für vier Taschen angebracht. Hinten verbaute ich den Träger tubus Cargo. Leichte Trekkingpedale von NC-17 ersetzen die schweren Teile von Hase. Ebenfalls aus Gewichtsgründen nahm ich die Schutzbleche ab. Leichte Inbus-Spannachsen ersetzten die vielen schweren Schnellspanner. CustomCranks aus dem Dresdner Umland bohrte uns weitere Pedalgewinde in die Kurbelarme des Kindertretlagers, sodass diese mitwachsen konnten. Die unzureichende 32-Loch-Hinterradfelge tauschte ich gegen eine stabilere 36-Loch-Felge Andra 30 aus. Die Kettenschaltung wich der unverwüstlichen Rohloff-Nabenschaltung. Nach ein wenig Rechnerei stand hier fest: Bei 17 Zähnen hinten benötigen wir 35 vorn, um steile Andenpässe trotz der hohen Zuladung meistern zu können. Eigentlich verstößt diese Kombination gegen die Rohloff-Vorgaben aus dem Handbuch, aber nach einem Telefonat mit der Firma mit dem schwarzen Raben gab es grünes Licht. Umgerechnet auf eine Kettenschaltung entsprach diese Kombination dann einem kleinsten Gang mit 20-Zähne-Kettenblatt (von Mountain Goat erhältlich) mit einem Ritzel von 34 Zähnen hinten. Für die Rohloff fiel die Wahl auf ein wendbares Edelstahlritzel von Surly. Da auf Seiten des Kinderantriebs keine hohen Belastungen zu erwarten waren, verwendete ich hier ausschließlich Aluminiumblätter. Den durch den Sturz beschädigten Lenker tauschte ich vorsichtshalber durch einen neuen aus, alle weiteren entbehrlichen Teile wurden abgeschraubt. Für zuverlässigen Halt bei schwerer Beladung montierte ich die MAGURA MT7 Vierkolben-Scheibenbremsen mit dem großen 203 mm Rotor vorn und dem 180er hinten. Nach dem Wechsel auf leichte, aber geländegängige 50 mm breite Faltreifen war der Umbau schließlich perfekt. Zum Einsatz kamen hinten der Schwalbe Mondial Reifen, vorn der Onza R2 RXIII mit 20″. Nun war das Pino endlich reisetauglich und wir sehr stolz auf ein solch schickes Gefährt!

Die Frage, wie Livia und Emilia unterwegs sein würden, war also geklärt. Nun widmeten wir uns der Anhängerfrage für Magdalena. Zunächst schauten wir uns die Klassiker von Thule an. Zweirädrige Hänger mit Blattfederung und Weberkupplung. Anfangs schien dies mehr oder weniger die einzige Option zu sein. Leider, denn die Hänger waren recht schwer und ich hätte ein dreispuriges Gefährt koordinieren müssen (mein Rad, Hängerrad links und rechts). Keine rosigen Aussichten auf Schotterpisten mit tiefen Fahrrillen. So suchte ich weiter nach geländegängigeren und leichteren Alternativen. Und tatsächlich, ich wurde fündig! tout terrain aus dem Breisgau baut tatsächlich einspurige Kinderanhänger! Eigentlich werden diese für Singletrails und den MTB-Einsatz hergestellt, doch schien es, als würde der Hänger perfekt zu unseren Ansprüchen passen. Wir hatten Glück, dass ein Dresdner Fahrradladen den Hänger zufällig vor Ort hatte, sodass wir ihn uns gleich anschauen konnten. Und wir waren begeistert! Unter 10 kg Gewicht, ebenfalls mit 20″-Laufrad, nur noch eine Fahrspur, 200 mm Federweg und 25 kg Zuladekapazität. Erfreulicherweise konnten wir den Hersteller von unserem Vorhaben überzeugen, womit der stolze Anschaffungspreis auch kein Thema mehr war. Wir erhielten die brandneue 29″-Version des Trailers, mit besonders viel Abstand zum Gepäckträger und zum Hinterrad, sodass genügend Spielraum für zu befestigendes Gepäck vorhanden war. Ein wenig Tuning konnte auch hier das Gewicht weiter reduzieren: Das Schutzblech und den Ständer ließen wir weg, montierten ebenfalls den Faltreifen von Onza, und ersetzten einige schwere Schnellspanner durch reguläre Schrauben. Der Kindersitz konnte recht einfach ausgebaut werden, sodass genügend Raum für die Babyschale von Weber entstand, für die wir uns schließlich entschieden hatten. Auch hier war es deutlich günstiger, Babyschale und Säuglingsverkleinerung über Ebay-Kleinanzeigen zu besorgen. Praktisch: Der ausgebaute tout-terrain-Sitz ließ sich einfach zusammenrollen und seitlich im Trailer aufbewahren – so bildete er gleich auf der einen Seite eine super Kopfstütze für Magdalena. Im Verlauf der Reise, wenn Magdalena groß genug ist, würden wir dann die Babyschale ausmustern und den regulären Sitz verwenden. Abschließend legte ich noch ein Stromkabel über die Deichsel zum Trailerende und montierte ein LED-Rücklicht – für Fahrten bei Dämmerung und Nacht. Endlich war die Fahrzeugflotte also komplett und es konnte losgehen auf unsere vierwöchige Testtour (und gleichzeitig unseren Sommerurlaub) durch Osteuropa über die ukrainischen Karpaten bis Moldawien.

Bild 5: Das bepackte Patria Terra mit dem tout-terrain-Singletrailer und dem gesamten Reiseteam. Pazifikküste in Chile.
Bild 6: Livia und Emilia auf dem Pino Stufentandem in Feuerland, Argentinien
Bild 7: Das Pino-Kindertretlager mit den drei Pedalgewindebohrungen.
Bild 8: Das bepackte Pino, abfahrbereit in Chile
Bild 9: Auch das ist möglich: Pino für zwei Erwachsene + Trailer. Testtour in der Ukraine.
Bild 10: Das Kupplungssystem des tout-terrain-Trailers. Die Befestigung am Rad erfolgt an der Sattelstütze.

Evaluation der getroffenen Entscheidung

Nun waren wir mit den Rädern ein halbes Jahr in Südamerika unterwegs und die Wahl der Räder und deren Konfiguration kann beurteilt werden. Zunächst zum Pino: Am wichtigsten ist hier wohl die Erkenntnis, dass das Mittreten unserer sechsjährigen Tochter nicht effektiv war. Das Mehrgewicht des Kindertretlagers, der Kurbeln und Pedalen sowie der langen Kette und der Kettenblätter stand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Daher montierten wir diese Teile in Patagonien ab und schickten sie nach Hause. In fortgeschrittenem Alter macht das dann sicher wieder Sinn. Jetzt geht es am Berg deutlich entspannter zu. Emilia fährt einfach gemütlich ihr Tempo und muss Livia nicht mehr antreiben. Livia ihrerseits bleibt ebenfalls entspannt und kann Hörspiele über ihren MP3 Player hören. Wenn die Steigung besonders arg ist, kann sie auch mal absteigen und nebenher laufen. Der Rest hingegen passt wunderbar. Schutzbleche missen wir nicht, bei Regen haben wir eh Regenkleidung an und im entlegenen Patagonien spielte es außerdem keine Rolle, wie schmutzig oder sauber wir blieben. Auch die gewählte Übersetzung ist ideal: Am Berg können wir problemlos 3 km/h mit hoher Trittfrequenz fahren, sonst im höchsten Gang bis etwa 30 km/h mittreten. Zudem lieben wir den Bedienkomfort, die Schnelligkeit und Robustheit der Rohloff! Auch die Montage von Nabendynamo und Licht zahlt sich aus. Schon oft waren wir gewollt sowie auch ungewollt im Dunklen unterwegs. Etwas enttäuscht war ich von den Schwalbe Mondial Reifen. An den Vorgänger XR kommen sie lange nicht heran. Schon nach 6.000 km musste ich beim Patriarad den Hinterreifen tauschen, nach dem sich die Platten hier stark häuften. Der Onza-Reifen mit 20″ hingegen machte eine sehr gute Figur: Kein einziger Platten am Trailer, und vorn am Pino sah das Profil auch nach 6.500 km noch ziemlich gut aus (hier gab es einige Plattfüße durch z.B. Drähte). Der Pannenschutz ist also mittelgut, dafür wiegt der Reifen bloß 340 g, hat ein klasse haltbares Profil für sandiges Terrain oder Schotter und ist schön breit für viel Fahrkomfort.

Nun zum Singletrailer von tout terrain: Dies war sicherlich eine der besten Reiseentscheidungen, die wir getroffen haben. Wir lieben den Trailer! Er folgt exakt der Spur des Zugrades, ist schmaler als mein bepacktes Rad, die Dämpfung funktioniert wunderbar. Die Belüftung lässt sich sehr variationsreich anpassen und er ist wohl der geländegängigste Hänger überhaupt auf dem Markt. Abenteuerstrecken wie die Querung von Chile nach Argentinien über den Paso Mayer wären mit keinem anderen Hänger möglich gewesen. Auf Schotter möchte ich den einspurigen Kindertransporter ebenfalls nicht missen. Gerade bei losem Geröll, durch das es nur eine schmale Reifenspur gibt, ist der Trailer Gold wert. Auch Magdalena fühlte sich pudelwohl innen und schlummerte selig auch auf schlechtem Gelände. Punktabzug gibt es lediglich für die Regendichtigkeit. Im Fußbereich ist Magdalena schon mal nass geworden, unangenehm bei Temperaturen knapp über Null. Das ist allerdings Kritik auf hohem Niveau – wir fuhren durch Starkregen. Die Lager der Kupplung schlagen zudem langsam etwas aus – nach gerade einmal 6.500 km. Ich hoffe, sie sind leicht zu ersetzen. Zudem muss der Schnellspanner an der Kupplung zur Sattelstütze extrem fest gezogen werden, sonst neigt sich der Hänger zur Seite – bis zum Anschlag des Sicherungssplints. Gelegentlich kann es bei Geschwindigkeiten von mehr als 40 km/h auch zum Aufschaukeln des Anhängers kommen. Beispielsweise bei welligem Untergrund oder entsprechendem Wind, sodass die Eigenfrequenz des Trailers getroffen wird. Dann ist schnelle Geschwindigkeitsreduktion gefordert. Wir haben uns, allerdings mittlerweile aus Sicherheitsgründen, eh auf eine Richtgeschwindigkeit von 30 km/h bei Abfahrten geeinigt – maximal 40. Bei diesen Geschwindigkeiten tritt Aufschaukeln nicht mehr auf. Alles in Allem sind wir also hochzufrieden mit der getroffenen Wahl der Räder und würden in dieser Konfiguration jederzeit wieder auf Tour gehen.

Bild 11: Emilia mit Livia unterwegs im Regenwald
Bild 12: Flussquerung im argentinischen Patagonien
Bild 13: Abenteuerliche Querung von Chile nach Argentinien. Paso Mayer.

Alltagsrhythmus

Von Beginn an war klar: Den Rhythmus würden nicht wir vorgeben, sondern unsere jüngste Tochter, Magdalena. Da wir auch im Alltag viel Rad fahren, wussten wir, dass sie gut und viel im Anhänger schläft – Zeit also, die wir in Kilometer umsetzen konnten. Auch vor und während ihrer Schlafphasen ließ sie sich gern ein wenig über die Schotterpisten schaukeln, anscheinend genoss sie von ihrer Babyschale aus die spektakulären Landschaften genauso wie wir. Unsere Fahrzeiten waren also ziemlich klar abgesteckt: Morgens hieß es erst einmal Schlafsäcke, Isomatten und Zelt verpacken – das nimmt einige Zeit in Anspruch, wenn alles in vierfacher Ausführung vorliegt! Inklusive Frühstück, Kinder anziehen, eincremen und reisefertig machen nahm unser morgendliches Ritual oft 2 bis 3 Stunden in Anspruch. Das passte ganz gut mit Magdalenas Vormittagsschlaf zusammen, den sie dann einforderte – Zeit für uns, auf den Sattel zu steigen. In einer ausgiebigen Mittagspause konnten wir unsere Energiereserven mit einer großen Portion Nudeln auffüllen und unsere Kinder ihrem Bewegungsdrang nachgehen. Anschließend wurde noch eine weitere Etappe gefahren, sodass wir im Ganzen auf etwa vier bis sechs Fahrstunden am Tag kamen. Damit war unser Tag dann auch oft schon sehr ausgeschöpft. Meist kurz vor oder nach Sonnenuntergang stellten wir das Zelt auf. Und wieder: Zelt einrichten, Essen bereiten und zu uns nehmen, Kinder ins Bett bringen. Der Alltag auf dem Rad mit Kindern füllt 24 Stunden aus, sodass ruhige Momente zu zweit eher spärlich gesät und kostbar sind.

Alle vier bis acht Tage machten wir einen Pausentag – nun ja, ein Pausentag blieb es selten; meist wurden mindestens zwei daraus. Neben ein wenig Regeneration gab es nämlich einiges zu erledigen: Oma und Opa wollten wieder einmal was von ihren Kindern und Kindeskindern hören, ein Reisebericht für unseren Blog sollte jedes Mal verfasst werden, die Kinder gebadet, Proviant für die Weiterreise musste besorgt und Post aus der Heimat beantwortet werden… Da immer einer Zeit mit den Kindern verbringt, dauern diese Dinge doppelt so lang. Wunderbar waren meist die Stunden, in denen wir alle gemeinsam durch die Städte ziehen konnten auf der Suche nach kulinarischen Neuheiten, die uns nicht selten überraschten – positiv wie negativ… Besonders in Bolivien und Peru machte uns das Ausprobieren neuer Gerichte an den zahlreichen Straßenständen viel Freude.

Bild 14: Gemütlicher Abendausklang am Lagerfeuer
Bild 15: Unterwegs in der Steppe

Low Budget mit Kindern

Es ist eine Crux: Ist man jung, hat man viel Zeit und wenig Geld, während sich das Verhältnis mit fortschreitendem Alter umkehrt. Zumindest ist das oft so. Emilia und ich sind beide Studierende und daher vom Budget ebenfalls begrenzt, während es für uns relativ einfach war, mal für einige Monate eine Auszeit zu nehmen und das Studium pausieren zu lassen. Unsere ältere Tochter wird nach der Reise eingeschult, daher war dies vorerst der letzte Zeitpunkt für eine richtig große Reise, ohne die Schulpflicht irgendwie zu umgehen. Also machten wir uns auf die Suche nach Möglichkeiten, die entstehenden Kosten zu reduzieren.

Naheliegend war die Idee, Sponsoren für unser Vorhaben zu gewinnen. Erleichternd war hier, dass ich (Jens) schon viele lange Radreisen unternommen hatte (über 40 besuchte Länder) und die Unternehmen von der Ernsthaftigkeit unseres Projekts überzeugen konnte. Zudem existierte mein Reiseblog indiatrek.blogsport.de schon seit vielen Jahren. Unsere beiden süßen Kinder trugen natürlich auch dazu bei, ein Alleinstellungsmerkmal für die Tour zu haben. Schlussendlich konnten wir insgesamt zehn Firmen für eine Unterstützung der Reise gewinnen. So gelangten wir günstig oder kostenlos an hochwertiges Equipment und konnten die Vorbereitungskosten um einen erheblichen Betrag reduzieren.

Weiter ging es mit der Kostensenkung: Wo möglich, kauften wir gebrauchte Dinge oder über preiswerte Internet-Versandhändler. Ein günstiger Flug – jedoch mit vier Umstiegen und über 30 Stunden Reisezeit - brachte uns nach Santiago de Chile. Die Wohnung vermieteten wir unter. Statt für jede Person einzeln eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen, fanden wir einen einzigartigen Familientarif, der perfekt für uns passte.

Wir überschlugen, was uns noch an Mitteln blieb: Mehr als 40 € durften wir pro Reisetag für uns alle zusammen nicht ausgeben – und hier ist schon die Krankenversicherung z.B. mit einbegriffen. Gut also, dass wir recht autark unterwegs sein konnten und die Möglichkeit hatten, viel zu zelten ohne uns eingeschränkt zu fühlen. Da in Chile und Argentinien die Grundstücke meist eingezäunt sind, fragten wir oft Menschen, ob wir nicht bei ihnen im Garten zelten könnten. Fast immer war das kein Problem, wir sparten Geld, kamen mit Locals in Kontakt und oft fand Livia sogar andere Kinder zum Spielen. Trinkwasser filterten wir, statt es zu kaufen. Wir kochten viel selbst, statt in Argentinien und Chile essen zu gehen. Für Pausentage suchten wir Orte auf, an denen wir ebenfalls unser Zelt aufstellen konnten (im Hof von Hostels, auf städtischen Campingplätze, etc.). So waren wir teilweise mehrere Wochen ohne feste Unterkunft unterwegs. Da Emilia und ich es sowieso lieben, draußen unterwegs zu sein, war das ganz wunderbar für uns. Die Kleidung, insbesondere die unserer Kinder, wurde dabei natürlich stark beansprucht. Statt neue zu kaufen, konnten wir sie oft wieder nähen. Gewaschen haben wir meist mit der Hand, Haare selbst geschnitten, statt Babymilch zu kaufen lieber gestillt. So kann man auch recht preiswert in den nicht so preiswerten Ländern Chile und Argentinien unterwegs sein. In Bolivien und Peru hatten wir manchmal Probleme, überhaupt mehr als 20 € am Tag auszugeben, da waren dann viele der Maßnahmen für Patagonien eh hinfällig und wir konnten ein bisschen mehr Luxus genießen.

Bild 16: Feuer auf Feuerland!

Organisatorisches und Bürokratie

Für mich (Jens) war diese Reise das bisher größte zu organisierende Projekt überhaupt. Ein Jahr Vorbereitungszeit nahm es in Anspruch und auch finanziell kamen ganz ordentliche Summen zustande. Zum Vergleich: Meine erste lange sechsmonatige Tour nach dem Abi unternahm ich noch mit 1.200 € in der Tasche… Gutes Zeitmanagement, vernünftige Priorisierung der Aufgaben, starke Willenskraft und viel Kaffee waren hier gefragt. Die gerade frisch geborene Magdalena nahm zusätzlich noch einen Großteil unserer Aufmerksamkeit in Anspruch und das Studium wollte natürlich auch weiterhin bedient werden. Tja, was kann man hier für Tipps geben? Vielleicht früh genug mit den Planungen beginnen, Ausrüstung vor der großen Tour auf kleineren Touren testen und versuchen, schon vor der Reise einen Rhythmus mit den Kindern zu finden. Am wichtigsten ist jedoch wahrscheinlich der Wille zur Durchführung, mit dessen Kraft viele kurze Nächte und Berge von Arbeit überstanden werden können. Letztlich ist es bei den großen Reisen immer so, dass man vorher enorm viel arbeitet um sich den Reisezeitraum so frei wie möglich von allem zu schaufeln, um das Unterwegssein zu genießen. Um im Vorhinein für sieben Monate und vier Personen organisatorisch alles zu klären, hat man schon gut zu tun. Hilfreich sind Kontaktpersonen in Deutschland, die Vollmachten besitzen, alle wichtigen Unterlagen zur Hand haben oder die eintreffende Post weitergeleitet bekommen. Auch praktisch ist es, einen kleinen Laptop mitzunehmen, auf dem sich eingescannt die wichtigsten Dinge befinden.

Bild 17: An der Grenze Bolivien/Argentinien

Fazit

Die Reise war ein großer organisatorischer und auch finanzieller Aufwand - aber sie hat uns in unglaublicher Weise bereichert. Für unsere Kinder und natürlich auch für uns war es in jedem Fall eine sehr intensive Zeit. Unsere Jüngste hat es sehr genossen, so viel Aufmerksamkeit von Mama und Papa zu bekommen – wie viele Kinder haben beide Elternteile schon für viele Monate so dicht um sich, leben zusammen auf 5 m2 Innenzelt? Unsere Älteste wird sich wahrscheinlich an viele Dinge dieser Reise für ihr Leben lang erinnern. Sie hat wahnsinnig viel gelernt, auch weil wir in solch einer kommunikativen Fahrradkonstellation gefahren sind. Wir denken, dass wir beiden Kindern auf dieser Reise wichtige Werte vermitteln konnten, die sie ihr Leben lang begleiten werden.

Ob wir diese Art zu Reisen weiterempfehlen können? Für solch eine große Reise mit Kindern ist es in jedem Fall sinnvoll, wenn man schon auf Erfahrung beim Radreisen zurückgreifen kann. Wenn man sich weit abseits der Zivilisation bewegt, sollte man technische Probleme weitgehend selbstständig lösen können - oder aber mehr Zeit einplanen. Mitten in der Pampa benötigt man ein Gespür dafür, wann gesundheitliche Probleme der Kinder ernst sind und medizinischer Hilfe bedürfen. Unter diesen Voraussetzungen empfinden wir das Radreisen mit Kindern als eine wunderbare Art, die Welt gemeinsam zu entdecken.

Zu den Autoren

Emilia Weiser (25) konnte sich nie entscheiden: Was will ich? Kinder? Abenteuer? Am besten beides! Vielen gilt sie als Vorbild, dass mit Kindern nicht automatisch »alles vorbei ist«. Während ihres Medizinstudiums berät sie ehrenamtlich andere studierende Mütter, wie sie am besten alles unter einen Hut bekommen und setzt sich mit einer Initiative für mehr Familienfreundlichkeit an der TU Dresden ein. Ist sie nicht in der Uni, geht sie gern wandern, reist für ihr Leben gern, verbringt Zeit mit ihren Kindern oder chillt am Elbstrand mit ihren Freunden.

Jens Blume (29) ist als Kind wohl in einen Topf mit Fahrradöl gefallen – nach der Schule unternahm er seine erste richtig lange Tour bis an die iranisch/pakistanische Grenze. Später folgten Radreisen durchs Himalaya, nach Südostasien, über die Rocky Mountains oder das Pamirgebirge. Mittlerweile dürften es knapp 50 Länder sein, die er mit dem Rad besuchte. Im restlichen Leben studiert er Technischen Umweltschutz, verbringt gern Zeit mit seiner Familie und liebt das Klettern.