Ausgabe 1 · April 2006
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Fahrradscheinwerfer, Blendwirkung und »Street Credibility« auf der Landstraße
Ein paar Überlegungen auf der Basis der ganzjährigen Nutzung eines Fahrrads als Verkehrsmittel
Erste These:
Spezielle Regeln für Fahrradbeleuchtung sind nötig, weil es spezielle Wege
für Radfahrer gibt
Aufgewachsen mit den Fahrradbeleuchtungen der Siebziger und Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wundert man sich zunächst nicht darüber, dass es spezielle technische Vorschriften für Fahrradscheinwerfer gibt, die eigenständig neben denen für Kraftfahrzeuge stehen. Die Scheinwerfer waren lichtschwache Funzeln, die es in Verbindung mit den üblichen Dynamos nur bei schneller Fahrt erlaubten z. B. den weiteren Verlauf eines dunklen Waldwegs zu erkennen, sie waren mit Kfz-Beleuchtung nicht zu vergleichen. Zusätzlich gedrosselt wurde die Lichtleistung oft noch durch hohe Übergangswiderstände in der Verkabelung und vor allem bei den Masseverbindungen zu Rahmen, Gabel, Lenker und Schutzblech.
Mit dem Schritt zu Halogenbirnchen (die es, obwohl verboten, auch mit Schraubgewinde zum Aufrüsten alter Scheinwerfer gab) wurde langsam die wesentliche Funktion beschränkender Beleuchtungsvorschriften relevant, nämlich andere Verkehrsteilnehmer vor Blendung zu schützen. Allerdings fiel dies nur dort auf, wo Radfahrer sich auf dunklen Wegen begegneten, auf Wegen, die typischerweise nicht so breit wie eine normale Straße, sondern eher schmal wie ein Fußgängerweg sind.
Außerorts auf der Fahrbahn der Landstraße gelingt es nicht entgegenkommende Verkehrsteilnehmer wirklich zu blenden, weil selbst die bei Mountainbikes üblichen Akkuanlagen mit rotationssymetrischen Optiken und bis zu 35 W wegen des engen Lichtkegels weniger Licht auf der anderen Straßenseite ankommen lassen, als ein Auto mit Abblendlicht.
Einseitig geführte Zweirichtungsradwege neben Landstraßen hingegen erfreuen den (linksseitigen) Radfahrer nicht nur mit der vollen Pracht der blendenden Seite des asymetrischen Abblendlichts, sondern sie ermöglichen es auch sich begegnenden Radfahrern sich gegenseitig zu blenden, wenn sie nicht penibel nach Vorschrift eingestellte Scheinwerfer benutzen.
An sich könnten die Beleuchtungsvorschriften für alle Verkehrsteilnehmer insoweit einheitlich sein, wie sie die Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer durch Blendung verhindern sollen. Auf Radwegen ist jedoch mit kfz-üblichem Abblendlicht kein störungsfreier Begegnungsverkehr möglich, dort braucht man entweder kfz-übliches Standlicht oder eben (korrekt eingestellte!) Fahrradbeleuchtung.
Alle Fahrradbeleuchtungsanlagen, die ich bisher zu sehen bekam, bis hin zu rotations-symetrischen 35-W-Halogenspots, sind so wenig hell, daß sie von Entgegenkommenden auf der Fahrbahn der Landstraße augenscheinlich nicht als blendend empfunden werden – zumindest erzeugen sie nicht das typische auffordernde Aufblenden, das signalisiert, man möge gefälligst abblenden.
Zweite These:
Eine möglichst Kfz-artige Beleuchtung sorgt dafür, daß Radfahrer im
Straßenverkehr ernstgenommen werden
Wenn man, wie die meisten Radfahrer, entweder auf Straßen mit Straßenbeleuchtung oder auf dunklen Wegen abseits des Straßenverkehrs unterwegs ist, reichen »Positionslampen« völlig aus – sowohl irgendwelche Dynamobeleuchtungsanlagen als auch Batterie- bzw. Akkuleuchten. Bewegt man sich allerdings auf Landstraßen mit Kfz-Verkehr, so muß man sich mit der Frage auseinandersetzen, wie man verhindert, daß man durch entegegenkommende Kfz so stark geblendet wird, daß man die Fahrbahn nicht mehr hinreichend genau erkennen kann.
Nach einigen Jahren mit dieser Problemstellung drängt sich der Eindruck auf, daß einer der entscheidenden Faktoren ist, ob der entgegenkommende Autofahrer glaubt ein Kfz (einen Motorroller z. B.) zu erkennen, oder ob er ein Fahrrad identifiziert. Denn Fahrradfahrer werden von einer unangenehm großen Zahl von Autofahrern nicht als ernsthafte Verkehrsteilnehmer eingestuft, sondern als unberechenbare Verkehrshindernisse, und genauso wie auch Fußgänger außerorts mit vollem Fernlicht ausgeleuchtet.
Zum Autor
Rainer H. Rauschenberg, technischer Redakteur in der EDV-Branche, promovierter Volkswirt (Schwerpunkt Verkehr und Umwelt), Alltags- und Reiseradler, vom »Aufrechtrad« über zweirädrige Liegeräder auf unverkleidete und verkleidete Liegedreiräder gekommen.