Ausgabe 12 · Juli 2010
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Impressionen vom Radverkehr in Nordspanien
Anno 2006 bin ich mit dem Rad durch Nordspanien gefahren – eine Pyrenäen-Längsung mit ein paar Umwegen, etwa 1.200 km. Dort wurde ich mit einer völlig anderen, quantitativ sehr schwachen und aus meiner Sicht ziemlich bizarren Fahrradkultur konfrontiert.
Auf dem flachen Land sah ich nur zwei Gruppen Radfahrer, die sehr verschieden waren:
Einerseits Rennradfahrer, die exklusiv im Pulk auftraten und (im Unterschied zu anderen rennradverliebten Nichtfahrradnationen wie Frankreich oder Italien) durchweg neue, teure Maschinen hatten und perfekt in aktuellen Teamfarben gedresst waren. Die Dackelschneider waren natürlich passend zur Uniform lackiert. Perfekt durchgestylt, makellos bis auf’s I-Tüpfelchen. Man hätte sie für echte Rennteams im Training halten können – mal abgesehen vom meist fortgeschrittenen Alter und den schlecht zur Maskerade passenden Bierbäuchen. Und von ihren Fahrkünsten: Um einige angstbremsende Wackelkandidaten machte ich beim zügigen Überholen bergab (mit schwer beladenem Reiserad, und eigentlich bin ich kein Adrenalinjunky) sicherheitshalber einen großen Bogen.
Aber viele waren das nicht. Auf Asphaltstraßen sah ich vielleicht zweimal am Tag so einem Dressteam. Die zweite »Land-Gruppe« war noch seltener: Arme Leute, denen ich nur in größeren Dörfern und Kleinstädten begegnete. Neben ein paar Opas und Omas vor allem schwarze Landarbeiter. Die Fahrräder waren durchweg mehr oder weniger gammelige Lowtech-Leezen. Definitiv Nahverkehr mit sehr kleinem Aktionsradius; außerhalb von Ortschaften waren diese sehr wenigen Land-Alltagsradler nie zu sehen.
Eigentlich erstaunlich, weil das Land am Südrand der Pyrenäen gut radfahrgeeignet ist: Viele (fast) flache Strecken, perfekt asphaltiert, großteils wenig Verkehr und durchaus rücksichtsvolle Autofahrer. Dieser Meinung waren auch die radfahrenden Jakobspilger (die etwa so häufig auftraten wie Angehörige der besagten beiden Gruppen, die ich aber hier nicht mitzähle, weil durchweg ausländische Touristen).
Es hängt wohl am guten alten Imageproblem: Das Fahrrad ist zumindest auf dem spanischen Land über das Arme-Leute-Fahrzeug noch nicht rausgekommen.
In größeren Städten dagegen sah ich vorwiegend jüngere Radfahrer: Studenten, Bohemians und ortsgebundene Touristen, großteils mit neueren (billigen) Fahrrädern. Aber auch das waren, angesichts der guten Möglichkeiten gerade in kompakten, flachen, teils stauverstopften Mittelstädten, die zum Teil auch kraftverkehrsfreie oder verkehrsberuhigte Bereiche haben, erstaunlich wenige.
In diesen größeren Städten war dann auch ein Sammelsurium überflüssiger und teils absurder »Radverkehrsanlagen« zu bestaunen. Hier ein paar Fotos aus dem baskischen San Sebastian (Donostia) – das ich übrigens auf der Autobahn erreichte, weil die vorhandenen legalen Alternativen nicht ausgeschildert waren. Was in einem Land, in dem fast alle Alltagsradfahrer bisher nicht weiter als zum Bäcker kommen, ja auch adäquat ist.
Zum Autor
Rainer Mai ist Fahrrad-Sachverständiger in Frankfurt am Main, Maschinenbauingenieur, Alltags- und Reiseradler, Mitgründer und Betreuer einer Selbsthilfewerkstatt, Mitinitiator der »AG Verflixtes Schutzblech«.