Ausgabe 2 · Juli 2006
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Felgen für Reifen, die viel tragen müssen
Auf einer Tandemtour über 400 km gingen 4 Reifen neben der Felgenkante kaputt. Die Bremsgummis waren richtig eingestellt und wir waren keine Schwergewichte. Die Reifenplatzer waren zum Teil lebensgefährlich. Die Ursache war schwierig zu finden aber einfach zu beheben.
Die Felge beeinflusst die Lebensdauer des Reifens
Der Reifen gehört zur Felge, wie der Schuh zum Fuß. Jeder weiß, beim Schuhkauf darf man nicht nur auf die Länge achten. Es gibt breite und schmale Füße. So ist es auch bei Fahrradreifen. Wenn Schuhe zu weit sind, scheuern sie und es gibt Blasen. Wenn die Reifen für die Felge zu breit sind, walken sie zu viel und der Reifen bricht an der Felgenkante. Grundvoraussetzung für die richtige Kombination ist eine zuverlässige Größenbezeichnung.
Bezeichnungen für Reifen und Felgen
Zölliges Durcheinander
Die alten Zoll-Bezeichnungen sind nicht wirklich verlässlich. Sie erschweren die richtige Kombination von Reifen und Felgen. Bei 26″-Felgen ist der Durchmesser des Reifensitzes 559, 571, 584, 590 oder auch 597 mm, je nachdem, ob Bergrad, Hollandrad oder Triathlonrenner. 27″-Felgen sind meist, aber nicht immer, größer als 28″-Felgen und sind für neue Fahrräder aus dem Programm gestrichen. Auch 28″ kann verschiedene Durchmesser des Reifensitzes haben.
Ein bißchen DIN hilft
Normenausschüsse beschäftigen sich hauptberuflich mit solchen Problemen. Damit nicht jeder alles durchprobieren muss und aus Schaden klug wird, werden Schnittstellen definiert, die Bezeichnung wird normiert und es wird festgelegt, was zueinander passen soll. Das passiert bei Fahrradreifen z. B. bei der ETRTO (European Tire and Rim Technical Organisation). Die Festlegung der ETRTO ist in der E DIN 7800 : 1996-6 berücksichtigt. E DIN steht dabei für Entwurf. Die derzeit gültige Fassung der DIN kennt noch keine Felgen mit Hakenprofil.
Bezeichnung von Felgen nach DIN7815
Eine Felgenbezeichnung nach Norm ist 559x21. Diese Bezeichnung ist einfach zu lesen. Der Reifensitz ist 559 mm (entspricht 26″ MTB) und die Maulweite der Felge ist 21 mm. Die Maulweite ist der lichte Abstand zwischen den Felgenhörnen (B in der Grafik).
Folgt der Maulweite ein C, handelt es sich um eine Hakenprofil Felge. Gängige stabile Felgen sind heute Hakenprofilfelgen. Wenn das C fehlt, handelt es sich um eine Tiefbettfelge. Geradwandfelge wäre die treffendere Bezeichnung für eine Tiefbettfelge. Die Beule nach innen fehlt am oberen inneren Rand des Felgenhorns.
Bezeichnung von Reifen nach DIN7800
Eine Reifenbezeichnung nach Norm ist 50-559. Diese Bezeichnung ist ebenso einfach zu lesen. Die maximale Reifenbreite ist 50 mm. Natürlich hängt die Reifenbreite von der Maulweite der Felge ab. Deshalb ist ebenfalls festgelegt, auf welcher Felge gemessen werden soll. Die Messfelgen sind ziemlich breit, um Überraschungen beim Einbau vorzubeugen.
So wird vermieden, dass ein Reifen an den Hinterbaustreben klemmt. In der Praxis wird er oft auf schmaleren Felgen gefahren, sodass die Reifen oft schmaler erscheinen. Der Reifensitz ist wie im Beispiel der Felgenbezeichnung 559 mm. Der Reifen lässt sich also auf der obigen Felge montieren.
Zulässige Reifen- / Felgenkombinationen nach DIN 7800
Die spannende Frage ist, ob das eine zulässige Kombination ist. Zugelassene Kombinationen sind zuverlässiger. Bei PKWs stehen zulässige Reifen und die jeweils dazugehörigen Felgen im Fahrzeugbrief. Jeder Händler und jede Werkstatt hält sich dran. Bei Fahrrädern steht es in der DIN 7800. Für jede Maulweite der Felge sind die zulässigen Reifenbreiten festgelegt.
Die meisten Händler kennen die DIN 7800 nicht, deshalb muss leider der Kunde drauf achten. Die meisten Reifenprobleme kenne ich von 559er (26″ MTB) Rädern. Hier werden Reifen und Felgen am seltensten nach DIN 7800 kombiniert.
Reifenbreite | Zulässige Felgen | ||
---|---|---|---|
Tiefbettfelge | Hakenfelge | Messfelge | |
18 – | 13C | 13C | |
20 – | 13C | 13C | |
23 | 16 | 13C-15C | 15 |
25 | 16–18 | 13C-17C | 16 |
28–32 | 16–20 | 15C-19C | 18 |
37 | 18–22 | 17C-21C | 20 |
40 | 20–24 | 19C-23C | 22 |
44 | 20–27 | 19C-25C | 24 |
47 | 22–27 | 19C-25C | 27 |
50 | 24–30,5 | 21C-25C | 27 |
54 | 27–30,5 | 25C | 27 |
57 | 27–30,5 | 25C | 30,5 |
62 | 27–30,5 | - | 30,5 |
Bei Verhandlungen zwischen zwei Parteien kommt es manchmal zu Kompromissen. Die Kombination von 47er Reifen mit Felgen 19C ist ein solcher Kompromiss. Zwei deutsche Reifenhersteller sagten, dass diese Kombination technisch nicht sinnvoll ist, schon gar nicht für stark belastete Fahrräder, wie Tandems und Reiseräder.
Die Tabelle lässt sich mit einer sinnvollen Faustregel zusammenfassen: Der Reifen sollte etwa doppelt so dick sein, wie die Maulweite der Felge.
Welche Folgen hat die Nichtbeachtung der DIN 7800?
Nichtbeachtung der E DIN 7800 : 1996-06 hat Folgen. Ich fing an, mich mit dem Problem zu beschäftigen, weil die Reifen des neuen teuren Tandems nur 100 bis 1000 km hielten. Sehr viele Tandempaare mit 559er Reifen (26” MTB) berichteten über ähnliche massive Probleme.
Auf einer Fahrt von Darmstadt nach Leipzig brauchten wir 4 neue Reifen. Vom Eigenbautandem war ich knapp 10.000 km gewohnt. Da musste es einen Systemfehler geben. Es dauerte ein Weilchen, aber ich fand ihn. Die DIN 7800 wurde nicht eingehalten. Die Originalfelgen waren für die Originalreifen zu schmal. Die Walkarbeit war dadurch zu hoch und der Reifen wurde entlang der Felgenkante geschwächt.
Das Schadensbild ist sehr ähnlich dem, das durch falsch sitzende Bremsgummis entsteht. Die äußere Fadenschicht reißt. Je nach Luftdruck und Reifenqualität gibt es einen unterschiedlichen Schadensverlauf. Entweder kann die innere Fadenschicht den Schlauch noch bändigen, dann gibt es eine Beule. Oder der Reifen platzt gleich.
Dann hält die innere Fadenschicht nicht dem Druck stand. Der Reifen reißt entlang der Felge. Durch den Luftdruck wird ein Streifen des Schlauchs ausgestanzt. Der Reifen verliert schlagartig die Luft (erlebt bei 50 km/h).
Seit der Reise nach Leipzig hat sich etwas verbessert. Zumindest bei Tandems werden nur noch selten Reifen 50-559 mit Felgen 559x17C kombiniert. Die Erfahrung zeigt inzwischen eindeutig: Mit den 559x17C Standardfelgen ist bei Reifen ab 47 mm Flankenbruch der häufigste Reifenschaden. Mit passenden Felgen ist Flankenbruch eine seltene Ausnahme.
Bei wenig belasteten Reifen ist ein Verlassen der DIN 7800 durchaus legitim. Man spart Gewicht und hat angeblich weniger Schlangenbisse (Quetschlöcher). Man sollte nur wissen, was man tut. Denn dieser Vorteil wird mit Nachteilen erkauft. Auf schmalen Reifen kippt der Reifen schneller seitlich weg, spürbar z.B, wenn man zur Steigerung von Traktion auf losem Untergrund den Luftdruck besonders niedrig hat und eine Kurve fährt. Das Fahrverhalten in Kurven ist mit breiteren Felgen besser. Breitere Felgen für den MTB-Sport werden auch so beworben.
Da eine gute Felge auch nicht viel mehr kostet, als ein guter Reifen, sollte der Radler bei Reifenproblemen die Felge tauschen. Wenn die Reifen dreimal so lange halten, lohnt sich der Felgenwechsel sehr schnell. Das gilt nicht nur fürs Konto sondern auch für die Umwelt und ganz besonders auch für den Spaß unterwegs. Beim Neukauf eines Rades, das durch Fahrer und/oder Gepäck schwerer belastet werden wird, muss der Käufer zur Zeit selbst darauf achten, dass die richtigen Felgen montiert sind.
Bei Solos wird hier noch viel falsch gemacht. Die Überraschung gibt es dann im Urlaub mit viel Gepäck. Wenn zufällig ein Reifen bei einer Abfahrt platzt, kann es eine böse Überraschung werden. Bei Tandems ist die Maulweite der Felge aber auch immer noch eine Kontrolle wert.
Beschaffungsprobleme
Es ist jedoch nicht immer einfach, Felgen der gewünschten Maulweite zu beschaffen. Probleme die richtigen Felgen für die gewünschten Reifen zu finden gibt es besonders bei 559er Laufrädern. Im MTB-Bereich hat sich eine Einheitsfelgengröße mit einer Maulweite von 17 mm durchgesetzt. Einer der bekanntesten Hersteller baut keine Felgen mit Bremsflächen, die für Reifen breiter 50 mm geeignet sind.
Im Downhillbereich bietet er verstärkt wieder breitere Felgen an. Für sie wird völlig korrekt mit besserem Handling und besserer Spurtreue geworben. Doch »Downhill«-Felgen gibt es nicht immer in der gewünschten Lochzahl und die Bremsflanke wird weggelassen, weil Downhill-Räder ja immer eine Scheibenbremse haben.
Felgennachbearbeitung
Auch gute und passende Felgen erfordern oft Nacharbeit mit Schmirgelpapier. Bei manchen Felgen ist der Felgenstoß geschweißt und die Bremsflächen werden abgedreht. Dadurch kann es zu recht scharfen Kanten auf der Felgenhornoberkante außen und im Bereich des Felgenstoßes kommen. Reifenausfälle über dem Felgenhorn entstehen im Betrieb durch Reifenverformungen (Walkarbeit durch zu schmale Felgen und zu niedrigem Luftdruck) und beginnen zuerst an Stellen mit kleinen Beschädigungen, die z. B. durch die Montage entstehen können (keine scharfkantigen Gegenstände benutzen).
Die Montage ist für viele Ursprungsverletzungen verantwortlich, wenn der Reifen über ein scharfkantiges Felgenhorn gedrückt wird. Bei neuen Felgen ist also eine sorgfältige Überprüfung des Felgenhornes nach dem Einspeichen zu empfehlen, bei der das Felgenhorn mit feinem Schleifpapier entgratet bzw. auch auf der Außenseite schön rund geschliffen wird.
Die Ursprungsverletzungen werden zusätzlich vermieden, wenn die Felgen eine leichte Reifenmontage erlauben. Deshalb empfiehlt sich ein tiefgezogenes Felgenbett. Mit z. B. einer Alesa 9021 kann man Mantelheber getrost zuhause lassen.
Tragfähigkeit des Reifens
Für Tandems und Reiseräder interessiert die Tragfähigkeit des Reifens. Je höher der Luftdruck ist, desto höher ist die Tragfähigkeit eines Reifens. Je breiter der Reifen ist, desto höher ist die Tragfähigkeit (auf passender Felge). Je breiter die Felge ist, desto höher ist die Tragfähigkeit des Reifens.
Das heißt, bei gleichem Modell ist der breitere Reifen tragfähiger, wenn er auf der passenden Felge montiert wird.
Ein Reifen 50-559 auf einer Felge 559-25C ist bei maximalem Luftdruck also tragfähiger, als ein Reifen 37-559 auf einer Felge 559-17C. Wird der 50er Reifen aber auf der 17er Felge montiert, wird er hinter den 37er zurückfallen.
Wenn die Tragfähigkeit eines Reifens irgendwo angegeben ist, dann immer für die breiteste Felge und den höchsten erlaubten Luftdruck. Besser ein halbes bar zuviel aufpumpen, als ein halbes bar zuwenig! Nach Aussage von mehreren Reifenherstellern gilt die Faustformel: der halbe Luftdruck ergibt nur noch die halbe Tragfähigkeit!
Zu niedriger Luftdruck ist nach der falschen Felge die Hauptursache für Flankenbruch! Je geringer die Fadendichte, desto geringer ist der maximale Luftdruck eines Reifens. Wenn zwei Reifen zur Auswahl stehen, empfiehlt sich der Reifen, auf dem der höhere Druck gefahren werden kann! Ein guter 50-559 Reifen z. B. ist für 5 bar zugelassen.
Wenn ein guter Reifen jetzt auf der richtigen Felge montiert wird und mit dem maximalen Druck aufgepumpt wird, ist der Flankenbruch auch auf dem Tandem so unwahrscheinlich wie ein Bruch der Vorderradachse. Und wer hat je von größeren Problemen mit gebrochenen Vorderachsen gehört?
Zum Autor
Georg Böger, Technischer Redakteur im Bereich Maschinenbau, radelt im Alltag und auf Reisen viel mit Familie, baute ein Tandem und mehrere Fahrradanhänger und legt besonders bei Familienrädern wert auf Zuverlässigkeit.