Ausgabe 2 · Juli 2006

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Radfahren neben Radwegen

Horst Basler

Nach einer Untersuchung der Berliner Polizei finden 81 % aller schweren und tödlichen Fahrradunfälle auf Radwegen statt und zwar in Kreuzungsbereichen. Dies, obwohl nur bei 10 % der Berliner Straßen ein Radweg überhaupt vorhanden ist. Hauptunfallursache sind fehlende Sichtbeziehungen im Kreuzungsbereich [Radzeit 2005a]. Bereits vorher unternommene Untersuchungen u. a. der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigten ähnliche Ergebnisse.

Die StVO-Novelle von 1997 – unbekannt und unberücksichtigt

Die 24. Novelle zur StVO vom 23.05.1997 zog aus der Gefährdung von Radfahrern auf Radwegen eine logische und nachvollziehbare Konsequenz: Radverkehr muss im Sichtfeld der Autofahrer geführt werden. Am 01.10.1998 wurde deshalb die generelle Benutzungspflicht für Radwege in Deutschland aufgehoben. Soll ein Radweg weiterhin benutzungspflichtig sein, muß er an jeder Kreuzung oder Einmündung mit einem blauen Radwegschild gekennzeichnet sein. In Berlin sind nur noch wenige der vielen Radwege im Bürgersteigbereich benutzungspflichtig.

Änderungen der StVO werden üblicherweise nicht nur im Bundesgesetzblatt veröffentlicht um einem ausgewählten juristischen Personenkreis vorbehalten zu bleiben. Sie werden vielmehr denjenigen Bürgern, die davon betroffen sind, in den Medien, d. h. Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, z. B. immer im auflagenstarksten Periodikum Deutschlands der »ADAC-Motorwelt« bekannt gemacht und besprochen. Dies geschah jedoch nicht bei der Aufhebung der allgemeinen Radwegbenutzungspflicht. Im Gegenteil. So schreibt die »ADAC-Motorwelt« noch im Mai 2005: »Falls ein Fahrradweg vorhanden ist, müssen Sie diesen immer benutzen«. Die Motorwelt befindet sich in guter Gesellschaft: In der Süddeutschen Zeitung z. B. wird 2002 in einem Artikel (»Bescheid wissen, Nachteile vermeiden, Recht für Radfahrer«) behauptet, dass alle Radwege benutzungspflichtig sind. Klarstellende Leserbriefe wurden jeweils nicht veröffentlicht bzw. ignoriert. Auch Verkehrspolizisten ist der Sachverhalt häufig unbekannt.

Radfahrer, die von ihrem Recht, mit ihrem Fahrzeug die Fahrbahn zu benutzen, Gebrauch machen, können ihr blaues Wunder täglich erleben. Denn in Deutschland wird auch ohne Polizei von Autofahrern selbst wirkungsvoll für Recht und Ordnung gesorgt.

206 Vorfälle in 12 Monaten

Nachdem ich im Jahr 2001 acht Monate lang eine Strichliste über die rituell sich wiederholenden Strafaktionen von Autofahrern geführt hatte [Radzeit 2002], habe ich auch im Jahr 2005 noch nicht den Eindruck, dass bei Autofahrern einschlägige Kenntnisse der StVO vorhanden wären.

Das hat mich veranlasst, eine neue Strichliste anzufertigen und zwar über zwölf Monate vom 14.05.2004 bis 13.05.2005.

Meine Kilometerleistung mit dem Fahrrad betrug in diesen zwölf Monaten 3606 km, davon 3186 km im Berliner Stadtverkehr und 420 km in Großbritannien (dort ohne einen einzigen Konflikt mit Autofahrern). Mein täglicher Arbeitsweg mit dem Rad beträgt in einer Richtung 9 km. Auf einer Länge von 5,5 km befinden sich dort überwiegend nicht benutzungspflichtige Radwege, 3,5 km haben keinen Radweg. Morgens lege ich den Weg im Berufsverkehr zurück, abends nach dem Berufsverkehr. Bei der gesamten gefahrenen Strecke wurden also 1947 km neben nicht benutzungspflichtigen Radwegen zurückgelegt, 1239 km auf Fahrbahnen ohne Radweg.

Die folgende »Statistik« könnte freundlicher ausgefallen sein, hätte es nicht zwei auffällige Häufungen an einschlägigen Vorfällen gegeben: Unmittelbar vor Beginn meiner Aufzeichnungen war in der »ADAC-Motorwelt« ein Artikel erschienen: »Radfahrer so nicht – Rote Karte für die Rambos«. In der Folgezeit erlebte ich ein wahres Feuerwerk an roten Karten in Form der unten aufgeführten Vorfälle. Das zeigt mir dass die »Motorwelt« nicht nur die auflagenstärkste Zeitschrift Deutschlands ist, sondern dass sie auch fleissig gelesen wird.

Auch später schreibt die »Motorwelt« von »Fahrrad-Rambos« und »Pedalrittern«. Von der Berliner Morgenpost ist der Ausdruck »Pedal-Terroristen« bekannt. Aber auch eine seriösere Tageszeitung wie die Süddeutsche Zeitung tituliert uns als Rambos. Dergleichen Prädikate sind mir in Bezug auf Autofahrer nie zu Ohren gekommen. Nach meinem Eindruck (siehe unten) sind »die Autofahrer« alles andere als rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer. Im Gegenteil. Allein aufgrund der deutlich höheren Anzahl von PKW dürften dort wesentlich mehr »Rambos« zu finden sein.

Eine zweite Häufung einschlägiger Vorfälle gab es in der Weihnachtszeit also in den Wochen bis zum 23. Dezember. Am 24. Dezember waren dann sämtliche »Autorambos« wie vom Erdboden verschluckt. Trotz hohen Verkehrsaufkommens gab es nur liebenswürdige Verkehrspartner auf den Straßen.

Mein einziges »Delikt« bestand darin, den äußersten rechten Fahrbahnrand mit dem Rad zu benutzen, und zwar auch dort, wo sich nichtbenutzungspflichtige Radwege im Bürgersteigbereich befanden. Die wenigen benutzungspflichtigen Radwege habe ich natürlich benützt und auch sonst penibel darauf geachtet alle Regeln einzuhalten und mich möglichst unauffällig zu verhalten, da ich keinen zusätzlichen Anlass zur Provokation bieten wollte.

Es kam zu 206 Vorfällen, die sich folgendermaßen aufteilten (die Summe ist größer als 206, nämlich 259, da viele Autofahrer es nicht beim Anhupen belassen, sondern zusätzlich auch abdrängen und/oder beschimpfen):

anhupen 143 Mal
abdrängen 44 Mal
anmachen (meist anbrüllen) 70 Mal
Bild 1: Radfahrer auf der Fahrbahn.
Von: Rainer Mai, Montage: Bernd Sluka

Angriffe und Drohungen

Bedroht fühlte ich mich 3 Mal, 1 Mal wurde ich tätlich angegriffen. Den Titel »Arschloch« erhielt ich 2 Mal. »Du bist wohl lebensmüde«: 2 Mal. Von den 354 gefahrenen Strecken erlebte ich 138 mit Vorfällen und 216 ohne Vorfälle.

4 Mal handelte es sich um Taxifahrer und 15 Mal um Fahrer der Berliner Verkehrsbetriebe BVG, wobei es sich jedoch nur um 12 verschiedene BVG-Fahrer handelte, bei einem hatte ich nämlich 4 Mal das Vergnügen beim jeweils gegenseitigen Überholen wiederholt von seinem Doppeldeckerbus bedrängt zu werden. Ich kann mich nur an ein einziges Mal erinnern, bei dem mich ein Autofahrer in einer normalen freundlichen Art auf mein »Fehlverhalten« hinwies, wofür ich mich spontan bedankte. Kein einziges Mal wurde ich gesiezt, das vertrauensvolle »Du« ist üblich.

43 Mal gelang es mir, die Informationsschrift des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC »Hup mich nicht an« an den Mann zu bringen. Auf ihr wird kurz, verständlich und freundlich auf die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht seit 1998 hingewiesen. 16 Mal wurde dieser Zettel jedoch unter fortgesetztem Schimpfen ungelesen weggeworfen, 27 Mal gelesen. Die häufigste Anmachfrequenz betrug 6 Mal auf einer Strecke (dies unmittelbar nach erscheinen des Artikels »Rote Karte für die Rambos«).

Von der Gesamtzahl an 206 Vorfällen ereigneten sich übrigens nur 5 auf denjenigen Fahrbahnen, die keinen Radweg besitzen, die Masse der Vorfälle jedoch auf Fahrbahnen die einen (nichtbenutzungspflichtigen) Radweg im Bürgersteigbereich besitzen. Somit konnte ich neben diesen Radwegen im Durchschnitt 7,5 km bist zur nächsten »Anmache« fahren, wenn kein Radweg vorhanden war, im Durchschnitt jedoch stolze 248 km! Nach meinen Eindruck haben Radfahrer mit sportlichen Rennraddress nicht solche Probleme; ich selbst fahre in sehr gewöhnlicher Kleidung, nichtsdestoweniger relativ schnell.

Vergleich mit den Aufzeichnungen von 2001

Unter Berücksichtigung der Tatsache dass ich damals nur 8 Monate Strichliste führte mit einer geringeren Gesamtstrecke von 2925 km, zeigt sich eine leichte Besserung der Situation. Schön wäre es anzunehmen, Autofahrer wüssten inzwischen über die StVO bescheid. Die Verbesserung kann jedoch auch zwei andere Ursachen haben: Seinerzeit gab es in 8 Monaten alleine 36 Vorfälle mit Bussen der BVG diesmal in 12 Monaten nur 15 bzw. 12. Der seinerzeitige Direktor des Unternehmensbereichs Omnibus sagte mir in einem Telefongespräch offen, dass er von der neuen Regelung gar nichts halte und sich dafür einsetzte, die Radwegbenutzungspflicht wieder einzuführen.

Der neue BVG-Ausbildungsleiter sieht dies anders und sorgt für eine entsprechende Schulung der Fahrer. Prompt ist der Erfolg auf der Straße zu spüren. Nicht nur dass es weniger Konfliktfälle mit den städtischen Busfahrern gibt, der Abstand den die mächtigen Doppeldeckerbusse beim Überholen von Radfahrern einhalten ist ebenfalls deutlich angenehmer geworden. Offensichtlich war so manches zentimetergenaue Überholen früher wohl auch eine Art Strafaktion gewesen. Abstandhalten beim Überholen von Radfahrern ist übrigens auch ein unangenehmes Thema. (Vom vorgeschriebenen »ausreichenden« Abstand, das heißt in der Praxis mindestens 1,5 Meter kann man in der Regel nur träumen.)

Der zweite Grund weshalb ich weniger Strafaktionen erfuhr dürfte darin liegen dass ich mir, entnervt von der lästigen Anhuperei, angewöhnt habe, ohne Sicherheitsabstand knapp an den parkenden Autos vorbeizufahren. Mir ist es noch nie passiert, dass ich durch eine plötzlich geöffnete Autotür zu Fall gekommen wäre, aber es ist mir sehr wohl passiert von einem Doppeldeckerbus-Fahrer nach einem Hupkonzert beim Überholen angefahren worden zu sein (der Vorfall ereignete sich schon 2002, ich blieb unverletzt).

Interessante Zitate und Erlebnisse

  • Wozu zahlen wir Steuern für die Radwege, wenn du uns doch auf der Straße gefährdest?
  • Wenn du hier nicht abhaust haue ich dir eine in die Fresse!
  • Nach dem überreichen des Zettels »Hup mich nicht an«: Du bist wohl auch so ein Grüner, die habe ich gefressen!
  • Mehrmals: Willst du eine Anzeige? Oder: Ich hole die Polizei!

Ein der StVO unkundiger Polizeibeamter in Uniform bedrängte und beschimpfte mich in einer Weise die gerichtswürdig war. Er wurde zu einer Geldbuße von 2000 € verurteilt. Gegen den Fahrer des Doppeldeckerbus, der mich nach dem Hupkonzert angefahren hatte, wurde das Verfahren nach meiner Anzeige eingestellt. Nach meiner Beschwerde gegen die Einstellung wurde das Verfahren wiederum vom Staatsanwalt eingestellt. In der Begründung hieß es wörtlich: »Letztlich ist kein Schaden entstanden«. Danach habe ich es mir verkniffen, nochmals irgendeine Anzeige zu erstatten.

Samstagmorgen: Eine in jeder Richtung doppelspurige Fahrbahn mit Grünstreifen in der Mitte, praktisch kein Verkehr. Von weitem kommt mir ein Autofahrer entgegen der bei einer Straßenpforte nach links blinkt um offensichtlich in meiner Richtung weiter zu fahren. Er wartet eine erkleckliche Weile bis ich auf seiner Höhe bin, drängt mich bei seiner 180°-Kurve an den Fahrbahnrand, hupt und fährt weiter.

Ebenfalls Samstagmorgen: Kein Verkehr, 3 spurige Straße. Ein LKW-Fahrer drängt mich auf der rechten Fahrbahn zur Seite ab und hupt, um dann auf der mittleren Fahrbahn weiterzufahren.

Ein Erlebnis meiner Ehefrau: Ein Doppeldeckerbus mit Fahrgästen bleibt im Bereich zwischen zwei Haltestellen auf der Straße stehen und der Fahrer beschimpft meine Frau, als sie ihn mit dem Fahrrad überholt. Dies wiederholt sich. Beim dritten Mal bekommt es meiner Frau mit der Angst zu tun und fährt ohne den Bus zu überholen brav auf dem nicht benutzungspflichtigen Radweg weiter. Bei der nächsten Ampel quittiert der Fahrer ihr Verhalten durch wohlwollendes Nicken.

Einige meiner Verhaltensweisen wurden von Autofahrern offensichtlich als besonders provozierend empfunden und entsprechend geahndet. So z. B. folgende: rechts der Radweg im Bürgersteigbereich, links daneben die Rechtsabbiegerspur und links davon die Geradeausspur, die ich als Nichtkraftfahrer die Dreistigkeit habe zu benutzen.

Ein anderes schlimmes »Delikt«: Radweg an einer Bushaltestelle an der Fahrgäste aus- und einsteigen. Da ich den Radweg ohnehin nicht benutze, fahre ich links an dem haltenden Bus vorbei. Strafaktionen sind bei diesen beiden »Delikten« besonders häufig. Interessant ist auch die Beobachtung, dass man manchmal von 2, 3, oder 4 hintereinander fahrenden Autolenkern nacheinander angehupt wird, wenn nur einer mal den Anfang gemacht hat.

Bild 2: Radfahrer auf der Fahrbahn.
Von: Christof Beschorner

Nochmal zur Fahrschule?

Anfänglich habe ich mir manchmal erlaubt, einen Autofahrer nach einer erfolgten Strafaktion zu bitten, nochmal zur Fahrschule zu gehen. Das habe ich sehr schnell wieder eingestellt, da es erstens als beleidigend empfunden wurde, zum anderen habe ich festgestellt, dass die aufgehobene Radwegbenutzungspflicht in den Fahrschulen offensichtlich nicht nur kein Thema ist, sondern dort auch unbekannt ist: Eine Angehörige von mir besuchte eine Veranstaltung für ältere Verkehrsteilnehmer zum Auffrischen der Verkehrsregeln.

Organisiert wurde diese Schulung von einer Fahrschule und dem ADAC. Auf einen Hinweis meiner Angehörigen, dass es die Radwegbenutzungspflicht seit Jahren schon nicht mehr gäbe, wurde ihr übereinstimmend vom Fahrschulbesitzer und vom Referenten des ADAC versichert, das dies ein Irrtum sei, wenn ein Radweg vorhanden sei dann müsse dieser immer benutzt werden.

Daraufhin habe ich zwei Fahrschulen in meiner Nähe aufgesucht und beide Male die Fahrlehrer (gleichzeitig Besitzer der Fahrschule) nach dem Sachverhalt gefragt. In der ersten Fahrschule erhielt ich die Auskunft: »Alle Radwege müssen benützt werden«. Als ich dem Fahrlehrer sagte, dass nur die Radwege mit dem blauen Gebotsschild benutzt werden müssen, sagte er mir, dass deshalb ja auch alle Radwege mit diesem blauem Schild ausgestatten seien …

Direkt vor dieser Fahrschule befindet sich übrigens ein nichtbenutzungspflichtiger Radweg (natürlich ohne entsprechendes Schild). Fahrlehrer dazu: »Dann ist das vergessen worden«. Außerdem würden Radfahrer in der Fahrschule behandelt wie heilige Kühe, obwohl sie sich im Verkehr verhielten wie die Rüpel. Schließlich schenkte er mir ein Lehrbuch für Fahrschüler, wo ich (Unwissender) nachlesen könne.

Titel des Lehrbuchs: »Fahren lernen B«, Auflage 9/2002. Ich bedankte mich und hoffte den tatsächlichen Sachverhalt dort aufgeführt zu finden. Fehlanzeige: Eine Menge Stoff über Radfahrer, aber kein Wort über das Ja oder Nein zur Radwegbenutzungspflicht. Einschlägige Fragebögen zu diesem Thema gebe es nicht.

Zur nächsten Fahrschule: Dieser Fahrlehrer wusste bescheid! Ob das denn auch bei den umfangreichen Fragebögen, welche die Fahrschüler durcharbeiten und bei der Prüfung bearbeiten müssten, thematisiert sei? »Selbstverständlich, das kann ich ihnen zeigen«. Er holte einige Bögen hervor, fand aber nichts entsprechendes; schließlich holte er einen ganzen Packen hervor und fand auch da nichts einschlägiges. Dann gab er mir eine Sammlung aller Fragebögen leihweise mit, ich hätte wohl mehr Zeit als er und ich würde das sicher finden. Jeden einzelnen Fragebogen habe ich durchgesehen: Fehlanzeige.

Und was macht die Polizei?

Kein Wunder also, dass sich auch junge Autofahrer, die erst nach 1998 den Führerschein erworben haben, fleißig an den Strafaktionen beteiligen. Oft frage ich mich, weshalb das Image »der Radfahrer« in den Zeitungen so schlecht ist (übrigens nach meinem Eindruck nicht im Fernsehen oder im Rundfunk oder in der Bevölkerung). Nach meiner Beobachtung verhalten sich »die Radfahrer« nicht rüpelhafter als »die Autofahrer«. Aber Rambos? Liegt es an gezinkten Unfallstatistiken? Nach [Radzeit 2005b] veröffentlichte die Polizei Statistiken über die Verursacher von Straßenverkehrsunfällen, aufgeteilt in Kraftfahrzeugführer, Fußgänger und Radfahrer. Bei Kraftfahrzeugführern und Fußgängern bezogen sich die Zahlen auf die verursachten Unfälle, bei den Radfahrern jedoch auf die Summe von verursachten und mitverursachten Unfällen,was alleine bei dieser Gruppe die Zahlen stark nach oben verschiebt. [Anm. der Red.: Ein auch anderswo übliches Verhalten der Polizei. Würde man es auf Autofahrer anwenden, läge der Anteil der von ihnen »verursachten« Unfälle bei rund 85 %. Siehe auch den »Automatischen Schuldzuweiser«]

Im Jahr 2004 wurden in Berlin gerade mal 2,3 % aller Unfälle von Radfahrern verursacht und das, obwohl der Radverkehrsanteil mit 10 % mehr als 4 Mal so hoch ist! [Radzeit 2005c]

Vom Umgang mit Radfahrern

Warum unterläuft der Polizei ein solches »Versehen« mit nicht vergleichbaren statistischen Zahlen? Warum können in der Presse Radfahrer pauschal als Rambos etc. betitelt werden, nicht jedoch Autofahrer? Warum wird geduldig gewartet wenn z. B. ein LKW-Fahrer den Verkehr behindert und warum wird gehupt etc., wenn eine wesentlich geringere Behinderung von einem Radfahrer ausgeht?

Warum zeigen sich bei einem so geringfügigen »Delikt«, wie dem Befahren der Fahrbahn durch einen Radfahrer so heftige Aggressionen und warum wird man nicht auf eine einigermaßen zivilisierte Art auf sein vermeintliches Fehlverhalten aufmerksam gemacht?

Warum werden bei diesem »Delikt« selbst Hausfrauen mit Kindern zu feuerspeienden Drachen? Warum wird bei dem Hinweis auf das vermeintliche Fehlverhalten des Radfahrers grundsätzlich geduzt? Warum erlebe ich als Autofahrer (mit ebenfalls nicht geringer Kilometerleistung), ein in der Regel zuvorkommendes Miteinander auf der Straße?

Warum werden Weihnachtsbäume Ende Dezember und im Januar zur Abholung durch die Müllabfuhr vorwiegend auf Radwegen entsorgt, nicht jedoch auf der Fahrbahn oder auf dem Gehsteig, wo hier doch wesentlich mehr Platz zur Verfügung stünde?

Warum werden bei Schnee Fahrbahnen und Gehwege geräumt, nicht jedoch die Radwege, obwohl dies leichter möglich wäre als die Räumung von Fahrbahnen und Gehsteigen? Im Gegenteil: Schnee wird wie selbstverständlich auf die Radwege geräumt.

Warum ist die Aufhebung der allgemeinen Radwegbenutzungspflicht in der Öffentlichkeit (außer im Bundesgesetzblatt) nie bekannt gemacht worden und statt dessen immer wieder die alte, seit 1998 nicht mehr gültige Regelung beschrieben? Warum wird der Sachverhalt in Fahrschulen nicht gelehrt und warum ist er dort weitgehend unbekannt? Warum ist es nicht möglich, in Großbritannien solche Szenen zu erleben wie bei uns?

Des täglichen Spießrutenlaufens überdrüssig überlege ich natürlich, wie viele Radfahrer, mich mit meinen Rad ADAC-konform wieder auf den Radweg zu begeben. Sicher wird man auf der Fahrbahn von Autofahrern besser wahrgenommen als auf dem Radweg, aber man wird offensichtlich als Feind wahrgenommen. Auf den Radwegen mag es mehr schwere und tödliche Unfälle geben als auf der Fahrbahn im Sichtbereich der Autofahrer. Nur läuft man hier Gefahr exekutiert zu werden. Darüber sagen die Statistiken noch nichts aus.

Zum Autor

Dr. Horst Basler ist niedergelassener Arzt für Allgemein-, Betriebs- und Flugmedizin in Berlin. Er fährt ganzjährig 9 km zur Arbeit. Über seine Erfahrungen mit den weniger umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmern gab es seit 2002 mehrere Berichte in der Berliner Radzeit.

Literatur

Radzeit 2002
Radzeit, 2002, Nr. 1. S. 20
Radzeit 2005a
Radzeit, 2005, Nr. 1. S. 17
Radzeit 2005b
Radzeit, 2005, Nr. 4. S. 22 ff.
Radzeit 2005c
Radzeit, 2005, Nr. 4. S. 23