Ausgabe 8 · März 2009

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Babytransport auf dem Fahrrad mit dem BabyBiker – ein Produkt in Entwicklung

von Nina Maria Nadolny

Schwierigkeiten beim Babytransport mit dem Fahrrad

Für Babys bis zum 9. Lebensmonat gibt es keine zufriedenstellende Transportmöglichkeit auf dem Fahrrad: Der Säugling kann nicht in einem herkömmlichen Fahrradsitz transportiert werden, da er noch nicht sitzen kann und die Sitzposition seinen Rücken schädigen würde. Einen Transport im Tragetuch oder -beutel ziehen die meisten Eltern aus Sicherheitsgründen gar nicht in Erwägung – in Deutschland ist diese Möglichkeit auch verboten.

Und die Möglichkeit, Säuglinge in einer Liegeschale im Fahrradanhänger zu transportieren, ist für viele nicht zufriedenstellend, weil sie ein so kleines Kind mehr im Blick haben wollen (bzw. das Baby seine Bezugsperson). Bei einer optimalen Lösung sollte bei größter Sicherheit für das Baby der Blickkontakt zwischen Fahrer und Kind möglich sein.

Bild 1

Eine Lösung für dieses Problem ist der BabyBiker: Diese Baby-Liegeschale ist vor dem Lenker und etwas unterhalb positioniert, sodass der Erwachsene das Kind immer im Blick hat und der Säugling die beruhigende Anwesenheit des Erwachsenen erfährt.

Die Beine des Babys werden im BabyBiker um das Steuerrohr herumgeführt, dadurch kann der BabyBiker mit der Spitze des Vorderrades abschließen. Der BabyBiker ist am Steuerrohr befestigt, sodass er nicht mitgelenkt wird.

Sicherheit

Die stoßfeste Schale umhüllt den ganzen Körper des Kindes. Der Kopf wird zusätzlich durch ein Kopfschutzpolster geschützt, da ein Baby im Liegen keinen Helm tragen kann.
Um das Kind vor Herausfallen bei einem Unfall oder durch seine eigenen Bewegungen zu schützen, wird es mit einem 3-Punkt-Gurt angeschnallt sowie bei Bedarf zusätzlich mit zwei Fußgurten.

Durch die Befestigung des BabyBikers am Rahmen des Fahrrads behält dieses ein stabiles Fahrverhalten – vergleichbar mit dem eines Lastenfahrrades, bei dem der vordere Gepäckträger fest am Rahmen montiert ist.

Größenanpassung

Von der Geburt bis zum Krabbelalter (mit etwa 9 Monaten), in dem die Kinder dann auch im Standard-Fahrradsitz sitzen können, wachsen sie 15 bis 20 Zentimeter.

Durch eine längen- und winkelverstellbare Liegefläche können Kinder von 1 bis ca. 12–15 Monaten in der Fahrradschale transportiert werden.

Alltagstauglichkeit

Die Babyschale lässt sich vom Fahrrad mit einfachen Handgriffen lösen. Ein Sonnensegel und ein Wetterdach mit einer Wetterdecke schützen bei Bedarf das Kind im BabyBiker gegen Sonne, Wind und Regen.

Eine optionale Babytrage, der SleepyJumper, ermöglicht es, auch ein schlafendes Kind aus der Schale zu nehmen und zu Fuß weiter zu transportieren (siehe Ende des Artikels).

Testfahrt mit Versuchsmodell

Mit einem tourentauglichem Versuchsmodell des BabyBiker wurde eine 14-tägige Testtour auf dem Weserradweg durchgeführt:

Zwei Erwachsene und drei Kinder (im Alter von 5 Monaten, 3 und 7 Jahren) bei Hitze und Regen mit 4 Fahrrädern, Anhänger und Zelt von Trendelburg bei Kassel bis nach Cuxhaven an der Nordsee.

Bild 2–3
Bild 4

Das »Test«-Baby lag gerne im BabyBiker und schlief während der Fahrt oft ein. Immer wieder kamen Nachfragen von anderen Radfahrern: »Das hab’ ich ja noch nie gesehen, woher kann ich das bekommen?« So ist die Grundidee eindrucksvoll bestätigt worden.

Weiterentwicklung und Stand der Dinge

Nachdem der BabyBiker zunächst im Rahmen einer Diplomarbeit entwickelt worden war, konnte er im Rahmen einer Unternehmensgründungsförderung (ExistSeed) und durch die dann gegründete BEN GbR weiterentwickelt und zum Patent angemeldet werden.

Im Herbst 2008 waren ein Prototyp des BabyBikers und der neueste SleepyJumper gemeinsam mit dem Fahrradanhänger Flip des ExistSeed-Projektes Vindberg (siehe anderer Artikel) auf der IFMA Fahrradmesse in Köln ausgestellt. Auf der Fahrradmesse konnten viele Kontakte geknüpft werden, sodass zu hoffen ist, dass der BabyBiker bald im Laden gekauft werden kann.

Bild 5: Prototyp des BabyBiker auf der Fahrradmesse in Köln, Herbst 2008

Interview zum BabyBiker

Die Fragen stellte die Redaktion. Geantwortet hat Nina Maria Nadolny.

Wie kam die Idee zustande?

Ich komme aus der Fahrradfahrerstadt Bremen und bin mein Leben lang immer Fahrrad gefahren, auch in Kassel bin ich weitergefahren.; ) Als ich mein erstes Kind bekommen habe, war ich doch sehr frustriert, im ersten Lebensjahr des Kindes nicht mehr Fahrradfahren zu können und auf den ÖPNV angewiesen zu sein. Langsam reifte die Idee, erste Modelle entstanden und ich bearbeitete dieses Thema im Produktdesign als Diplomthema. Und meine Tochter durfte dann den BabyBiker auf dem Weserradweg von Trendelburg bis Cuxhaven Probe fahren.

Wie wurde ein halbwegs taugliches Produkt daraus?

Ich beantragte zusammen mit meinem ehemaligen Kommilitonen Breido Botkus ExistSeed über die Uni Kassel. Wir bekamen die Förderung und hatten ein Jahr Zeit und Sachmittel, die Idee weiter voran zubringen. In der 2008 gegründeten GbR wurde der jetzige Prototyp gebaut.

Wo mussten Kompromisse eingegangen werden, weil eine Idee nicht realisierbar war?

Bei dem Funktionsmodell, mit dem auch die Testtour stattgefunden hat, gab es ein schlagfestes, transparentes Visier, welches höhenverstellbar war, um den BabyBiker nicht so hoch konzipieren zu müssen. Das erschien aber in der wirtschaftlichen Planung als sehr teuer und aufwändig und wurde erstmal weggelassen. Aus gleichem Grund ist der BabyBiker inzwischen nur noch samt Trägerbügel vom Gepäckträger abnehmbar.

Eigentlich geplant war, dass er per Klicksystem vom einem Gepäckträger abzunehmen wäre, der am Fahrrad verbleibt. Dies ist für eine Kleinserie zu aufwendig und teuer, wäre aber bei größerer Auflage wieder sinnvoll.

Hat das schwingend gelagerte Gewicht vor dem Lenker negative Einflüsse auf das Fahrverhalten?

Unserer Testtourerfahrung nach hatte der BabyBiker, der fest am Rahmen befestigt ist und nicht mitlenkt, samt Kind keine negativen Einflüsse auf das Fahrverhalten. Es fährt sich wie ein (nicht mitlenkendes!) Postlastenfahrrad, und da es ja fest mit dem Rahmen verbunden ist hat es nicht die Problematik, die ein voll beladener Vorderradgepäckträger hat, etwa dass er einen in die Kurven zieht.

Wie wurden die Prototypen gefertigt?

Der Prototyp ist sauber handlaminiert und dadurch zwar extrem stabil, aber zu teuer. Für die Serienproduktion ist es sinnvoll, dass der BabyBiker aus einem ABS-Kunststoff mit Kautschukanteil tiefgezogen oder spritzgegossen wird.

Was wurden beim ersten Testen für Probleme gefunden und dann verbessert?

Es gab im Diplom einen Testworkshop mit Eltern und ihren Kindern. An das ungewöhnliche Fahrverhalten, dass der BabyBiker nicht mitlenkt, haben sich die Eltern sehr schnell gewöhnt und das Fahrverhalten als gut empfunden. Als unzureichend hat sich der damalige Kopfschutz des Kindes erwiesen, der nur eine einfache Isomatte war. Inzwischen gibt es ein dickes Kopfschutzpolster, welches in Kombination mit der Schale den Helm ersetzt.

Wo sehen die Entwickler selbst noch Schwächen? Lassen diese sich beseitigen?

Der BabyBiker sollte noch besser gefedert werden. Das ließe sich über die Liegefläche des BabyBiker und eine Federgabel realisieren.

Die Babytrage SleepyJumper als sinnvolle Ergänzung

Zusammen mit dem BabyBiker wurde die Babytrage SleepyJumper entwickelt.

Bei einer Fahrt mit den BabyBiker tritt oft folgendes Problem auf: Das Baby ist endlich mal eingeschlafen. Die Fahrradfahrt hat es schön ins Traumland geschuckelt. Und nun möchten die Eltern, eigentlich die Fahrräder abstellen und ins Café gehen. Was macht man nun? Kind wecken? Den ganzen BabyBiker mitnehmen, der schwer und sperrig, wie ein Babyautoschale ist ?

Bild 6–8

Der SleepyJumper ist der passende, wärmende Schlafsack. Er wird zur Tragetasche oder Babytrage, wenn man ihn samt Kind aus dem BabyBiker nimmt und zu Fuß weitergeht.

Das Baby kann im SleepyJumper ergonomisch korrekt vor dem Bauch, auf dem Rücken oder als Tasche (ab dem 1. Lebensmonat) getragen werden. Der SleepyJumper funktioniert natürlich im BabyBiker, aber solange dieser noch nicht zu kaufen ist, kann der SleepyJumper auch in der Liegeschale im Fahrradanhänger verwendet werden und als Bauch- und Rückentrage, im Kinderwagen und Autositz.

Bild 9: Baby im SleepyJumper in der Liegeschale von Weber für den Gebrauch im Fahrradanhänger

Zur Autorin

Nina Maria Nadolny: Produktdesignerin; in der Fahrradfahrerstadt Bremen geboren; wohnt in Trendelburg/ Nordhessen oben auf dem Berg; gibt es nicht auf, trotzdem auch ohne Auto mobil sein zu können: momentan mit einem Elektrofahrrad, um samt Kindern den Berg hoch zu kommen. Vision: Mit Ihren Ideen möglichst viele Menschen begeistern zu können; nadolny@littleBen.de | littleBen.de

Anmerkungen der Redaktion

Als Entwicklerin der vorgestellten Produkte mit dem Ziel der kommerziellen Vermarktung vertritt Nina Maria Nadolnys Artikel verständlicherweise keine neutrale Position. Das Redaktionsteam teilt einige Grundannahmen der Autorin nicht:

  1. Das Baby immer im Blick zu haben ist ein nettes, aber nicht zwingend notwendiges Feature. Lösungen mit Babyschale auf dem Gepäckträger sind in Holland recht verbreitet und auch Kleinkind-Transport im Hänger ist nichts problematisches. Beim Transport im Pkw ist der Säugling ebenfalls nicht immer im Blick.
  2. Dass Kindermitnahme im Tragetuch verboten sei, ist nicht eindeutig. Basis ist die Straßenverkehrsordnung. Zitat:

    § 21 (3) StVO: Auf Fahrrädern dürfen nur Kinder unter 7 Jahren von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden, wenn für die Kinder besondere Sitze vorhanden sind und durch die Radverkleidung oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können.

    Aber: Was ist ein »besonderer Sitz«? Ein Tragetuch ist auch speziell für den Transport von Kindern gemacht. Die wirksame Vorrichtung, damit die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten, heißt bei dieser Variante »Abstand«. Zudem: Ein Kind im Tragetuch wird nicht direkt »auf dem Fahrrad« mitgenommen. Hier dürfte ähnliches gelten wie für die Beleuchtung: Am Fahrrad selbst angebracht ist nur bauartgeprüftes Dynamolicht erlaubt. An Körper oder Taschen befestigte Leuchten fallen hingegen nicht unter die Vorschriften der StVZO. Ein dazu befragter Verkehrsrechts-Anwalt unterstützt diese Deutung. Urteile dazu gibt es aber wohl nicht.
  3. Auch die implizit geäußerte Vermutung, Mitnahme im Tragetuch sei automatisch gefährlich, möchten wir nicht unwidersprochen lassen. Es gibt aus unserer Sicht keine Beweise dafür.

Diese Einwände stellen aber nicht infrage, dass der BabyBiker eine attraktive Lösung darstellen könnte, die es gerade ängstlichen, frischgebackenen Eltern leicht macht, dem Fahrrad treu zu bleiben.