Ausgabe 24 · April 2017
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Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
an mein erstes Kinderrad kann ich mich kaum erinnern. Es muss irgendein Gefährt mit Stützrädern gewesen sein, denn das Knirschen und Rattern der Vollplastikradscheiben auf dem Pflaster habe ich noch in den Ohren, ebenso wie das Hin- und Herkippen zwischen den beiden stabilen Zuständen auf dem rechtem und linken Stützrad. Ein alter Nachbar hat dann mit der Methode »ich-lasse-los-und-du-merkst-gar-nicht-dass-du-alleine-fährst« dafür gesorgt, dass ich stolzer Radfahrer wurde.
Alleine fahren durfte ich ausschließlich in der Straße, in der wir damals wohnten. Diese war zum Glück ausgesprochen lang und Heimat mehrerer gleichaltriger Kinder, die zu Rennen und Geschicklichkeitsfahrten heraus gefordert und herausgefordert werden konnten. Damals waren auf dieser Straße Tempo 50 erlaubt, dank dichtem beidseitigem Parkbestand (an Autos, nicht an Bäumen) ließ sich diese Geschwindigkeit aber weder mit dem KFZ noch auf den klapprigen Ein- und Dreigang-Kinderrädern erreichen. Was für ein Gefühl …
Nach einem Umzug mussten zwar immer noch alle Schul- und Alltagswege zu Fuß zurückgelegt werden, aber vom Wald und damit vom Abenteuer waren wir nur noch durch Bahngleise getrennt – und dorthin durften die Räder mit. Das ungeliebte rote 24-Zoll-Eingangrad mit den verchromten Schutzblechen und der unzuverlässigen Beleuchtung wurde zum Mountainbike umfunktioniert. Die Federklappe des Gepäckträgers hielt wundersamer Weise riesige versteinerte Saurierknochen fest, die sich Zuhause angekommen doch nur als unspektakuläre Steinbrocken herausstellten. Freiheit pur. Wurde dieses Gefühl übertroffen von der ersten Fahrt zur Schule? Endlich nicht mehr angewiesen auf den vollen, verspäteten Schulbus! Zehn Minuten länger schlafen und flexibel sein bei der Gestaltung des Nachhausewegs …
Auf einfachstem Rad und (soweit ich mich erinnere) ohne planmäßige Verkehrserziehung? Wie konnte das damals gut gehen? Das haben wir uns auch gefragt und bringen dazu im Rahmen eines Schwerpunkts gleich 3 Artikel zum Radfahren-Lernen, zur Kinderverkehrserziehung, dem »richtigen« Kinderrad und der Radnutzung von Kindern.
Aber damit ist dieses Heft noch lange nicht am Ende: Ganz handwerklich geht es um ein praktisches Accessoire mit hohem Hippness-Faktor durch Upcycling: Den Reifengürtel. Zum Thema Radverkehr fasst Carmen Hagemeister Studienergebnisse zur Einführung der Londoner Cycle Superhighways zusammen. Nicht ganz alltäglich geht es außerdem noch um ein gleichermaßen spezielles wie leistungsfähiges Rad: das Zaphod-Stufentandem mit Knicklenkung.
Viele neue Einsichten und nicht zuletzt viel Spaß mit dem neuen Heft wünscht Euch und Ihnen für die Redaktion der Fahrradzukunft
Wolfram Steinmetz