Ausgabe 28 · April 2019

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Mit Hund und Falt-Bäckerrad Samson reisen

von Andreas Oehler

Schon länger trugen wir uns mit dem Gedanken, einen Hund anzuschaffen. Wichtig war uns dabei aber, dass wir auch mit dem Tier weiterhin kleinere und größere Radreisen unternehmen können. Wir suchten deshalb nach einem sportlichen Hund mit Spaß am Laufen, der aber so klein ist, dass er gerade noch in einem Fahrradkorb passt und den die Deutsche Bahn AG ohne Probleme mit in ihre Züge nimmt. Für letzteres wird im Bahn-Tarif »nicht größer als eine Hauskatze« genannt.

Bild 1: Auf Radtour braucht der Hund einen bequemen Platz am Rad, ohne dass das Fahrverhalten leidet

Es ist letztlich ein Terrier-Mischling aus dem Tierheim geworden, der durchaus mal 20 km zügig läuft – wenn denn die Motivation stimmt. Er ist 7 kg schwer und damit noch leicht hochzuheben. Gängige Hunde-Lenkerkörbe sind mit zappeligen 7 kg aber überlastet und beeinträchtigen das Fahrverhalten zu stark. Auf dem hinteren Gepäckträger eines normalen Fahrrad ließe sich eine geeignete Box unterbringen, der Hund ist dort aber nicht im Blick. Zudem stört er dort die Beladung mit normalem Reisegepäck. Interessant erschien uns eine Lösung im Stile eines Bäckerrad, also ein Fahrrad mit kleinem Vorderrad und darüber angebrachtem großen Lastenabteil. Dort wäre der Hund gut aufzuladen, stets im Blick und das Fahrverhalten wenig durch den Hund beeinträchtigt. Wünschenswert wären zudem kräftige Bremsen, eine reisetaugliche Übersetzung und eine schnelle Verstellung der Sattelhöhe.

Um diese Idee zu prüfen, liehen wir uns ein I:sy-Kompaktrad aus. Diese Fahrzeuge werden von VSF-Radläden als »Serviceräder« zum Verleihen an Kunden genutzt und sind deshalb sehr gutmütig in ihrem Fahrverhalten. Am Steuerrohr hat das Rad seitlich Gewindeanlötteile die es ermöglichen, verschiedene rahmenfeste Gepäckträger vorne zu montieren.

Bild 2: I:sy-Kompaktrad mit Frontgepäckträger. Für erste Versuche, auch mit Hund, diente ein festgeschnallter Pappkarton

Das I:sy bewährte sich hervorragend – auch wenn die Nexus-8-Getriebenabe sich als nicht reisetauglich herausstellte. Nach einigen Wochen, in denen der müde Hund in einem Karton vorne mitfahren durfte, wurden an eine Kunststoffbox (Scuba Box M) Aluprofile angenietet um auf den schweren, raumgreifenden Gepäckträger verzichten zu können. Mit Lösen der vier Schrauben lässt sich die Box schnell abnehmen. An der Hinterkante der Box wurde ein kurzes Stück Leine mit Karabiner befestigt, um den Hund zuverlässig am Herausspringen zu hindern.

Bild 3: Vier M6-Schrauben halten die an die Kunststoffbox genieteten Aluprofile. Zum Abnehmen der Box müssen die Schrauben nur leicht gelöst werden.

Als ultimatives Hunde-Reiserad fehlten eine bessere Schaltung, Scheibenbremsen und die Möglichkeit, das Rad für die Mitnahme in TGV oder ICE falten zu können. Hier bot sich das robuste Stahl-Faltrad Samson von Urban Fahrradbau als Basis an. Die Geometrie des Samson ist sehr ähnlich zum I:sy. Der Rahmen ist aber noch etwas steifer. Alexander Urban von Urban Fahrradbau in Ergenzingen fertigte uns einen Samson-Rahmen mit Anlötteilen vergleichbar dem I:sy. Parallel wurde die Hunde-Box noch mit einem Trageriemen und einem Cabrio-Faltverdeck aus Aluminiumstreben und Nylongurten ergänzt. Dazu kommt ein Überzug aus silikonisiertem Nylon mit Fenstern. So bleibt der Hund bei Regen trocken, im Winter warm und im Zug ist er geeignet gesichert, wenn ein Schaffner es genau nehmen sollte.

Bild 4: Samson von Urban Fahrradbau mit HundeBox
Bild 5: Gefaltet und mit gelöstem Lenker ist das Samson wesentlich sperriger als ein Brompton. Zum Falten braucht es einen Torx-Schlüssel, um insgesamt sechs Schrauben zu lösen. Die Ezy-Steckpedale von MKS lassen sich werkzeuglos abnehmen – seien es Plattform- oder Klickpedal. Der Chainglider verhindert Kettenschmutz an der Hose beim Tragen.
Bild 6: Cabrio-Verdeck-Gestell aus Alustreben, Nylongurten und selbstklebendem Klettband. Bei abgenommener Box hat man so eine Bahn-konforme Transportlösung. Der Hund erträgt den »Knast« aber ungern.
Bild 7: Das Verdeck aus silikonisiertem Nylon hat vorn und hinten ein Fenster eingenäht. Viel Arbeit und gut wirksam gegen Regen und Frost, aber der Hund liebt es nicht von der Umwelt und seinen Menschen abgeschottet zu sein.

Nun soll der Hund ja aber, wann immer er will, selbst laufen können. Im Idealfall läuft er unbeeindruckt von allem dicht neben dem Rad – real muss er aber doch öfter angeleint sein. Mit der Leine in der rechten Hand sind Bedienelemente auf der rechten Lenkerseite nicht immer nutzbar. Von daher haben wir beide Bremshebel und den Drehschaltgriff der Rohloff Speedhub auf die linke Seite verlegt. Die Bremshebel wurden auf der Drehbank nachgearbeitet, sodass sie sich sehr dicht nebeneinander positionieren lassen und sich am Drehgriff zusätzlich abstützen. Mit der linken Hand lassen sich so beide Bremsen (auch gleichzeitig) betätigen. Wichtig war dafür die Auswahl eines geraden »Besenstil«-Lenkers mit möglichst schmalem aufgeweiteten Mittelteil. So kann man beide Bremsgriffe und den Drehschaltgriff montierten und dabei aber noch relativ dicht am Vorbau greifen, um beim starken Bremsen mit nur einer Hand am Lenker das Rad gut kontrollieren zu können. Zudem wurden spezielle »Drop Bar«-Hörnchen an den Lenkerenden montiert, um den Unterarm dagegen abstützen und den Lenker so noch besser einarmig kontrollieren zu können. Die Hörnchen bieten zudem die Möglichkeit, eine zusätzliche, sehr aufrechte Sitzposition einzunehmen, wenn der Hund mal eher gemütlich unterwegs ist.

Erfahrungen aus der Praxis

Ursprünglich entwickelt wurde das gezeigte Lenker-Setup für eine behinderte Radfahrerin mit nur einem Arm. Auf über 50.000km im Alltag und auf Reisen hat sich gezeigt, dass so auch ein schwer beladenes Rad in allen Fahrsituationen »mit links« zu beherrschen ist. Die Erfahrungen konnten nun auf das Hunde-Rad übertragen werden.

Das Samson fährt sich sehr ruhig, selbst freihändig mit zappelndem Hund. Die Avid BB7 mit 160 mm großen Bremsscheiben erlauben dank der kleinen Räder problemlos Vollbremsungen mit nur je einem Finger pro Bremshebel. Der Hund fühlt sich in der Box wohl und bleibt auch bei Etappen im Zug gerne darin sitzen oder rollt sich dort zum Schlafen ein. Das »Cabrio-Verdeck« mag er aber nicht, weshalb wir einen Poncho aus beschichtetem Nylon mit einer Kopföffnung und Klettverschluss sowie Gummizug außen am Rand genäht haben. Das hält den Hund im Winter warm und bei leichtem Regen bleibt er ausreichend trocken. Radtouren bis 80 km am Tag (mit in Summe 25–30 km laufendem Hund) waren kein Problem für alle Beteiligten.

Bild 8: Der Hunde-Poncho ist die bessere Lösung um den Hund trocken und warm zu halten. Leicht, einfach zu nähen und der Hund fühlt sich nicht eingeschränkt.

Erstaunlich war, das trotz munter voran rennendem Hund aus Pkws heraus »Tierquälerei« gerufen wurde. Menschen die ihren Hund dick füttern und regelmäßig per Auto zum »Gassi-Gehen« fahren können scheinbar nicht verstehen, dass auch kleine Hunde schlicht Spaß am Laufen haben.

Bild 9: Die meisten Hunde haben von Natur aus Spaß an sportlicher Bewegung.

Zum Autor

Andreas Oehler (Jg. 1966) arbeitet als Maschinenbauingenieur beim Fahrradbeleuchtungshersteller Schmidt Maschinenbau.