Ausgabe 16 · September 2013

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Trommelbremsen-Montage an Federgabel mit Disk-Aufnahme

von Rainer Wingender

Bei meinem Winterrad wollte ich die vordere V-Brake durch eine Trommelbremse ersetzen. Der Sinn erschließt sich spätestens dann, wenn man, wie ich, öfters in tieferem Schnee fährt und schon mal das völlige Versagen einer V-Brake durch verdichtete/vereiste Schneeklumpen erlebt hat. Außerdem ist die Bremswirkung einer Felgenbremse unter wechselnden Bedingungen weit davon entfernt, konstant zu sein. Trommelbremsen haben eine etwas gemächlichere Bremswirkung und leiden unter nachlassender Bremswirkung bei längeren Bergabfahrten. Da ich aber im Winter hauptsächlich in den Donauniederungen fahre (täglich 17 km zum Büro und abends zurück), ist das mit den Bergen nicht so das Thema. Darüber hinaus ist eine Trommelbremse recht gut gegen Schnee geschützt, sodass die Bremswirkung recht konstant bleibt.

Eine 90-mm-Trommelbremse mit integriertem Nabendynamo gibt es von Sturmey-Archer. Das Teil war schnell geordert. Doch muss eine Trommelbremse ein nicht unerhebliches Drehmoment abstützen. Dafür hat sie einen langen festgenieteten Hebel, der mit einer mitgelieferten Schelle aus »Trompetenblech« an nicht zu dicken ungefederten Gabeln befestigt werden kann. Das Blech passt aber nunmal nicht um eine Federgabel. Nun wäre es ein leichtes, ein eigenes Stückchen Blech zu dengeln, das passend wäre. Aber dieses Blech ist in der gelieferten Ausführung schon alles andere, als vertrauenserweckend, so wollte ich dies nicht noch mit einer unprofessionellen Blechschelle an einer Federgabel toppen.

Federgabeln üblicher Bauart verfügen aber üblicherweise über eine Befestigungsmöglichkeit für Scheibenbemssättel gem. IS2000. Daraus kann man folgendes ableiten:

  1. Die Gabelkonstruktion ist generell in der Lage, Bremsmomente einer Maximalbremsung aufzunehmen.
  2. Es gibt Punkte, die für eine Krafteinleitung geeignet sind.

Daraus folgt, das man in so einer Federgabel jederzeit eine Trommelbremse verbauen kann, wenn es gelingt, das Bremsmoment sinnvoll abzustützen.

Benötigtes Material

Edelstahl-Flachmaterial, hier ungefähr 40 mm × 4 mm, ca. 150 mm lang (kann auch schwarzes Material sein, sollte dann aber hinterher beispielsweise mit langöliger Eisenglimmerfarbe mit Eisenmennige-Grundierung behandelt werden)

Edelstahlschrauben DIN 931 in A4-70 oder A4-80, alternativ Maschinenschrauben DIN 931 in Stahl 8.8

Anleitung

Zuerst bauen wir das fertige Rad in die Gabel ein. Meines habe ich selbst gebaut, mit 2,33mm dicken Speichen eingespeicht. Ich wählte eine zweifach gekreuzte Speichung, sie bildete einen guten Kompromiss zwischen Steifheit und Drehmomentübertragung.

Nun brauchen wir das Flachmaterial. Es wird um 90° abgewinkelt, sodass es einen langen und einen kurzen Schenkel ergibt. Nun drehen wir erst einmal die Drehmomentstütze des Bremsträgers etwas nach hinten (dazu lösen wir selbstverständlich etwas sie Achsmuttern!), um Platz für eine »Anprobe« des VA-Teils zu erhalten. Dieses halten wir so an die Gabel, dass der kurze, abgewinkelte Teil am Gabelstandrohr und gleichzeitig der lange Teil hinter der IS2000 Bremssattelbefestigung anliegt. Dann wird die Lage der Ausnehmung für die Bremsmomentstütze markiert.

Nun kommt eine elektrische Ständerbohrmaschine (oder Bohrständer mit elektrischer Handbohrmaschine) zum Einsatz und es werden zwei kleine Löcher gebohrt, der Abstand + Durchmesser darf nicht größer sein, als die fertige Ausnehmung (Siehe D in Bild 1) lang werden soll, besser etwas weniger. Danach kommen Schraubstock und Schlüsselfeilen zum Einsatz. Da das VA-Material vergleichsweise hart ist, sollten die Schlüsselfeilen Handwerkerqualität haben und der Feilende über ein gehöriges Maß an Langmut verfügen. Um das Ganze spielfrei hinzukriegen heißt es feilen, probieren, feilen, probieren, etc. (lieber einmal mehr probieren, als zu groß gefeilt.)

Passt es, wird wieder probiert und die Höhenlage festgelegt. Es ist darauf zu achten, dass der obere Teil (siehe B in Bild 1) am Standrohr anliegt. Dann wird die Lage des Loches für die obere Befestigungsschraube (Siehe B in Bild 1) gekennzeichnet, mit 6,1 mm Durchmesser gebohrt und entgratet.

Anschließend wieder probieren und Schraube B anbringen. Danach Bremse festsetzen und Rad nach vorne drücken, um Last auf die Halterung zu bringen. Gleichzeitig die Lage der unteren Befestigungsschraube (siehe C in Bild 1) markieren. So sollte alles spielfrei werden. Unteres Loch bohren und entgraten.

Nun werden die zwei Enden des Teils noch auf die passende Länge gekürzt: Unter der unteren Befestigungsschraube C sollte noch 5 mm Fleisch bleiben, oben sollte so weit gekürzt werden, dass ein paar Millimeter Abstand zu den Speichen eingehalten werden. Die Enden werden noch mittels Feile und Schraubstock abgerundet und entgratet. Diesmal darf man ruhig mit einer großen Schrupp- bzw. Schlichtfeile arbeiten. Das Abrunden mit einem Schleifbock ist nicht angesagt, erhitzt doch, wenn man nicht aufpasst, das Material lokal zu stark – und vorbei ist es mit »rostfrei«. In so einem Fall müsste man das Material mit Edelstahlbeize behandeln.

Jetzt kann die Konstruktion verschraubt werden. Ich bevorzuge trotz der etwas geringeren Festigkeit V4A-Schrauben mit selbstsichernden Muttern. Alternativ kann man auch gute Schrauben (Festigkeitsklasse mindestens 8.8) aus schwarzem Stahl nehmen (es gibt auch geschmiedete Aluschrauben, die die Festigkeit von 800 N/mm2 erreichen)

Bild 1
Bild 2

Der Bowdenzug passt gerade noch zwischen angefertigtem Teil und Aufnahme durch. Ggf. muss man den Nippel, der die Gewindehülse des Bowdenzuges aufnimmt, links etwas abfeilen. Ein Millimeter ist so ohne Stabilitätsverlust noch zu sparen.

Bild 3

Schließlich fertigt man noch aus einer alten Speiche eine Führungsöse für den Bowdenzug, damit der Austrittswinkel des Zuges zur Hülle fixiert ist.

Bild 4

Abschließend noch mal die Ansicht der Rückseite

Hinweis

Berechnet habe ich diese Konstruktion nicht, allerdings ist sie weitaus stabiler als die serienmäßigen Schellen, Sturmey-Archer-Teilenummer HSL 702 bzw. HSL 703.

Fazit

Da ich weniger auf das Gewicht schaue, habe ich die Konstruktion aus rostfreiem Edelstahl gefertigt, dessen Festigkeit die von Aluminium mehrfach übertrifft. Auch die Empfindlichkeit gegenüber Streusalz ist nahe Null. Und ja, die Bremswirkung einer Trommelbremse entfaltet sich anders als eine V-Brake oder Scheibe: Die Bremswirkung ist nicht so bissig. Allerdings würde ich mit so einer Bremse auch keine Bergtouren fahren.

Info

VA ist eine frühere Materialbezeichnung von Krupp, die umgangssprachlich für rostfreie (austenitische) kaltverfestigte Stähle verwendet wird.

V2A entspricht Werkstoff-Nr 1.4301 und V4A entspricht Werkstoff-Nr 1.4571. Für Edelstahlschrauben sollte V4A-70 (kaltverfestigt) verwendet werden, da es eine Zugfestigkeit von 700 N/mm2 aufweist, also etwas weniger als die 800 N/mm2 Zugfestigkeit einer schwarzen Schraube in der Festigkeitsklasse 8.8.

Im Übrigen: Die Bezeichnung V4A, bzw. 8.8 ist in der Regel auf dem Schraubenkopf aufgebracht. Verzinkte Baumarktschrauben (und andere) ohne Kennzeichnung sind in der Regel Festigkeitsklasse 4.6, das bedeutet, dass sie nur 400 N/mm2 Zugfestigkeit aufweisen, also schlicht die Hälfte. Solche Schrauben würde ich für anspruchsvolle Zwecke schlicht nicht verwenden wollen!

Tipps

Schlüsselfeilen gibt es mit Holz/Kunststoffheft, aber auch in langer Ausführung mit dünnem »Stahlheft«. Obwohl ich die mit Stahlheft bevorzuge, ist für weniger Geübte ein Kunststoffheft leichter zu bedienen. Holzhefte neigen bei ungeübter Handhabung zum Lösen und man kann sich die Feilenangel in die Hand rammen!

Beim Feilen von VA ist viel Geduld und Ausdauer erforderlich!

Man kann natürlich auch ohne Bohrmaschinenständer oder Ständerbohrmaschine nur mit einer elektrischen Handbohrmaschine arbeiten. Allerdings ist es dann sinnvoll, mit kleinem Bohrer vorzubohren, der mindestens den Durchmesser der Querschneide des großen Bohrers aufweist.

Vor dem Bohren die zukünftige Lochmitte kräftig ankörnen, das verhindert ein Verlaufen des Bohrers.

Unter dem Achsmuttern liegen passende Scheiben und sichern formschlüssig gegen das Herausfallen des Rades, falls sich die Radmuttern lösen sollten(was mir noch nie passiert ist)!

Zum Autor

Rainer Wingender, Betriebswirt d. H., gelernter Feinmechaniker und Zweiradmechanikermeister, heute selbstständig tätig als Planer, Scheduler und Koordinator in der erdölverarbeitenden Industrie.