Ausgabe 5 · April 2008

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Reifenabschäler

Felge zu klein oder Reifen zu groß?

Im Zusammenhang mit den Artikeln über den ETRTO-Standard in Ausgabe 4 und über Reifenprobleme durch die Wärmeentwicklung beim Bremsen in Ausgabe 3 hat uns unser Leser Uwe Dieckmann über seine Probleme mit dem Marathon Plus von Schwalbe berichtet:

Meinen ersten Satz Marathon Plus (mit rotem Aufdruck) habe ich fast zwei Jahre gefahren und war überaus zufrieden. Über die absolute Pannensicherheit und den geringen Verschleiß war ich des Lobes voll bis zu dem Tag als ich die vielen Risse bemerkte.

Bei beiden Reifen war fast über den gesamten Umfang die schwarze Lauffläche entlang der Profillinien eingerissen. Mein Händler hat dann anstandslos zwei neue Reifen auf den Tisch gelegt und ich habe ihm nach dem Auswechseln die alten zurückgegeben. Dann fing jedoch der Ärger an.

Auffällig war, das die alten Reifen (roter Aufdruck) sehr stramm auf der Felge saßen, während die neuen (blauer Aufdruck) extrem locker waren. Das führte dazu, dass ich beim Hinterreifen erstmalig nicht in der Lage war, den Reifen aufzuziehen. Durch die Schaumeinlage ist der Reifen in Querrichtung sehr steif, wodurch das Aufziehen sowieso schon schwerer fällt als bei anderen Reifen. Nun kam noch dazu, dass bei den Versuchen die zweite Reifenseite über das Felgenhorn zu heben, die erste Reifenseite immer wieder wegrutschte. Ich musste dann einen Mitarbeiter meines Händlers bitten, den Reifen aufziehen zu helfen (der hatte den Trick raus mit Händen, Knien und Füßen).

Ich fuhr dann die Reifen etwa 4 Wochen lang mit 6 bar (übrigens, der Verschleiß ist jetzt deutlich höher als bei den Reifen mit rotem Aufdruck!). Dann ging es auf die Alpentour. Hier waren die Reifen natürlich auf die maximal erlaubten 8 bar aufgepumpt. Außerdem hatte ich rund 10 Kilogramm Gepäck auf dem Gepäckträger. Am siebenten Tag hatte ich mit einer kleinen Reiseluftpumpe die Reifen nachgepumpt. Das könnte bedeuten, dass der Druck im Reifen leicht höher war als 8 bar.

Kurz darauf bemerkte ich dann bei einer Passauffahrt, dass das hintere Rad eine Unwucht hatte. Der Grund war, dass der Reifen an einer Stelle, auf nur einer Seite leicht aus der Felge gerutscht war. Ich vermutete ein Karkassenschaden, den ich als nicht unmittelbar gefährlich einschätzte. Kurz danach, auf der Abfahrt, sprang der Reifen jedoch vollständig von der Felge. Zu dem Zeitpunkt hatte ich den Reifen erst etwa 1.000 Kilometer gefahren. Ich habe dann einen neuen Schlauch eingelegt und bin mit weniger Reifendruck weiter gefahren. Es gab dadurch keine neuen Probleme.

Es blieb jedoch ein ständiges Misstrauen, was mir das Vergnügen an den Abfahrten verdarb.

Zurück zu Hause habe ich einige Vergleiche angestellt: Alle Marathon Plus, die ich habe, sind locker über das Felgenhorn zu heben, während alle anderen Reifen so stramm sitzen, wie man das gewohnt ist. Mit dem Hinterrad und den Reifen war ich dann gestern bei meinem Händler. Dort stellte sich heraus, dass auch der normale Marathon so locker sitzt.

Mein Händler meinte: »Dann darf man eben diese Reifen nicht für Rennradfelgen verkaufen.«

Nun frage ich mich, für welche Felgen sind sie dann geeignet? Nach meinen technischen Handbüchern ist die Reifengröße 25–622 auf jeden Fall für Felgen mit 14 Millimeter Innenmaß (Rennradfelgen) geeignet. In meinen Augen haben die Marathon Plus der Größe 25–622 unzulässiges Übermaß. Es ist sogar leicht möglich den vollständig montierten Reifen über die Felgenhörner zu heben (siehe Fotos).

Bild 1
Von: Uwe Dieckmann
Bild 2
Von: Uwe Dieckmann
Bild 3
Von: Uwe Dieckmann

Der Händler hat Reifen samt Felge an den Hersteller des Reifens, Ralf Bohle GmbH, geschickt, um den Sachverhalt zu klären.

Die Antwort lautete:

Sehr geehrter Herr Dieckmann,

wir haben Ihr Laufrad samt Reifen in der Zwischenzeit über Ihren Händler erhalten und geprüft.

Dabei haben wir festgestellt, dass der Innenumfang des Reifens unserem Standard entspricht. Hier richten wir uns nach der DIN und ETRTO-Norm (European Technical Rim and Tire Organisation). Bei der Messung Ihres Laufrades fiel allerdings auf, dass dieses im Schulterdurchmesser zu klein ausfällt (Ist 620,52 – Soll 621,95 ±0,5mm), und damit 4,5mm im Umfang vom Standard abweicht. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass der Reifen durch hohen Druck und Belastung von der Felge sprang.

Aufgrund unterschiedlicher Felgenbettprofile lassen sich Reifen unterschiedlich leicht bzw. schwer montieren, wie in unserer vorangegangenen Mail erklärt. Mit den Abmessungen bei Schwalbe Reifen richten wir uns nach der oben genannten Norm, da wir so eine kundenfreundliche Montage mit einem guten und sicheren Reifensitz ohne großen Zentrierungsaufwand auf möglichst allen in Markt befindlichen Felgen gewährleisten können.

Reifen von Mitbewerbern fallen zwar im Einzelfall etwas kleiner aus, jedoch kann man auch hier zwischen Reifen und Felge »durchschauen«. Bild anbei. Dies beruht vor allem auf der Ausprägung des Felgentiefbetts.

Bild 4
Von: SCHWALBE – Ralf Bohle GmbH

Wir haben zwischenzeitlich Ihr Laufrad an Ihren Händler geschickt und auf dem Kulanzwege einen neuen Reifen sowie Schlauch und Felgenband beigelegt. Wahrscheinlich ist diese Reifen-Felgenkombination mit einem niedrigeren Luftdruck (zwischen 5–6 bar) ohne Probleme fahrbar. Eine Garantie hierfür können wir bei einer derart untermaßigen Felge jedoch nicht geben. Wir empfehlen Ihnen, die untermaßige Felge durch eine normgerechte zu ersetzen.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Informationen geholfen haben und stehen bei Rückfragen gern zu Ihrer Verfügung.

Freundliche Grüße

(Unterschrift)

Kundenservice

SCHWALBE – Ralf Bohle GmbH
Otto-Hahn-Str. 1
51580 Reichshof

Probleme mit unpassenden Reifen-Felgen-Kombinationen scheinen nicht selten zu zu sein. Wer Erfahrungen mit Reifen-Abschälern oder unmontierbaren Reifen gemacht hat und seine Beobachtungen präzise beschreiben kann, gerne mit Fotos: Schreibt uns!
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