Ausgabe 31 · März 2021

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Große Gepäcktaschen am Faltrad Brompton

von Olaf Schultz

Ja, man kann mit dem Brompton auf Reisen gehen und viel mehr mitnehmen, als der unschuldige Anschein des Faltrades trügt.

In Sartène auf Korsika haben wir mal einen Engländer gesehen, der hatte von der Einkaufstasche nur das Gestell (hier 682 g) mit und einfach darauf quer zwei Packsäcke geschnallt. Das ist die einfache Variante. Zur Verdeutlichung möge Bild 1 dienen.

Bild 1: Einkaufstaschengestell als Kraxe am Brompton

1 Eigenbau-Gepäckträger

Wir hatten mit Kinderanhänger, Kleinkind und Bahn nach/in Dänemark den Bedarf für große Gepäcktaschen.

Bild 2: Gepäckträger mit Tasche und Hackenfreiheit

Die Hackenfreiheit ist gewährleistet. Die Taschen setzen nicht auf der Anhängerdeichsel auf. Die hier vorgestellte Lösung wiegt 482 g für den Gepäckträger selber und 82 g für die Taschenabweiser am Brompton-Träger (Bild 10).

Bild 3: Gepäckträger ausgefaltet

Was man dann aber auch gleich haben wollen wird: einen Ständer am Fahrrad. Denn die normale Abstellmethode vom Brompton durch Einfalten des Hinterbaus funktioniert nicht mehr. Gut, der Ständer war hier schon vorher dran, da mit Kinderanhänger das Einfalten ja auch nicht mehr funktioniert.

Bild 4: Gepäckträger eingefaltet

Die Montage, Demontage, Faltung und Entfaltung des hier vorgestellten Gepäckträgers funktioniert werkzeuglos und ohne Hast innerhalb weniger Minuten.

1.1 Entfalten

Dafür sorgen, dass die Sattelklemmung und die Schelle vom Gepäckträger »bombenfest« angezogen sind. Mit dem Schnellspanner ist das machbar. Ansonsten zieht sich die Schelle nach oben. Dann kommt die Verdrehsicherungsschraube aus dem Schlitz der Sattelklemmung frei und der Gepäckträger schwenkt zur Seite aus.

1.2 Einfalten

Zum Einfalten wird der Schnellspanner gelöst und der Druckstab losgeschraubt. Der »Gittermastausleger« wird nach vorne gedreht und auf dem Oberrohr abgelegt. Die Taschenabweiser werden im Überzieherbeutel am Sattel verstaut. Die Druckstange kann im Gepäck verstaut werden oder locker angeschraubt am Gepäckträger verbleiben (der dann aber leicht seitlich zu liegen kommt (Bild 4).

2 Bauausführung

Die Details werden im Folgenden vorgestellt.

2.1 Gitterrohrausleger

Über den Gitterrohrausleger (Bild 11) ist wenig zu schreiben. Die Terminals sind aus 10-mm-Quadratstahl hergestellt und ragen ca. 5 mm in das Rohr rein. Offene Rohrabschlüsse verfüllt der Autor am liebsten mit M5-(oder abgedrehten M6-)Muttern DIN 934 aus nicht rostendem Stahl (Bild 5).

Bild 5: Rohrabschluss mit M5-Mutter
  1. Man kann dann gut noch etwas anschrauben.
  2. Falls am Ende die Farbe abplatzt, ist dadrunter nicht rostendes Material.
  3. Für Verzinkungen, Rostschutz etc. ist das Rohrinnere noch zugänglich.
  4. Last but not least: Es gibt weniger hässliche Verletzungsmöglichkeiten. Für 10 × 0,5 mm sind M5-Muttern schon fast zu klein, die kippen beim Löten gelegentlich weg.

Wer keine Drehbank hat und M6-Muttern passend arbeiten will: M6-Schraube mit dem Kopf in die Bohrmaschine einspannen, M6-Mutter darauf schrauben und der Einhandwinkelschleifer mit Fächerschleifscheibe macht das dann passend.

2.2 Widerlager am Schwingenlager

Die Widerlagerschraube am Schwingenlager (DIN 912-M6x20) lässt sich am besten schweißen. Dies ist die einzige Verbindung, wo der Autor Schweißen empfiehlt. Beim Löten dürfte in die Lager zu viel Wärme eingetragen werden. Eine »pfuschende« Alternative wäre wohl, einen Punkt etwas weiter vorne durch die beiden Blechteile zu suchen und dort eine längere Schraube durchzustecken und mit Muttern zu sichern.

Bild 6: Widerlager am Schwingenlager

Wie man in Bild 6 am Tretlagergehäuse sieht: Der Autor ist seit einigen Tretbooterfahrungen ein Fan von Schrauben mit teilweise abgedrehtem Gewinde. Das erleichtert die Montage und vermeidet Ploppeffekte (»Mist, schon wieder eine Flügelmutter versenkt«). Hier erlaubt es das einfache Aufstecken und Anschrauben des Druckstabs.

2.3 Schelle

Das wohl einzige Spezialteil, bei dem es auf eine Passung ankommt, ist der Klemmblock für die Sattelkerze (Bild 7).

Bild 7: Skizze Schelle

Für die Schelle (Bild 7) ist eine Drehbank oder Fräse oder jemand mit der Brompton-Reibahle für die Kunststoffbuchsen (Durchmesser 32 H7) hilfreich.

Die Schelle wird als ein Block hergestellt. Das Loch für die Sattelkerze hat 31,875 mm (1 1/4″) Durchmesser und wird erst hinterher aufgesägt.

Bild 8: Schelle montiert

Die Schraube für den Schwenkbolzen DIN 912-M5 × 35 oder × 40 sollte einen Schaft haben. Sonst drückt das Terminal vom Gitterausleger das Gewinde platt und es entsteht zu viel Spiel. Nach DIN 912 wäre für die notwendige Schaftlänge eine Gesamtlänge von 35 mm oder 40 mm notwendig. Bei 40 mm ist der Schaft etwas länger, dann muss das Innengewinde im Klemmblock etwas ausgebohrt werden. In beiden Fällen muss die Schraube auf ca. 25 mm etwas gekürzt werden. Diese Schrauben werden leicht stramm angezogen und dann gegen Lösen mit Madenschrauben M4 von hinten gesichert.

2.3.1 Ausschwenksicherung

Die Schraube für die Ausschwenksicherung (Bild 9 rechts) muss u. U. einen kleineren oder größeren Kopf»durchmesser« erhalten. Je nach Verschleißzustand der Kunststoffbuchse der Sattelklemmung ist der Spalt der Sattelrohrschelle am Brompton unterschiedlich weit und maßgeblich für den Kopfdurchmesser dieser Schraube. Hier kann es sinnvoll sein, DIN 912-M5 oder -M6 zu nutzen.

Bild 9: Schelle von unten

2.4 Schwingeneinfaltsicherung

Eine Einfaltsicherung der Schwinge ist notwendig. Sonst verbiegt man sich aus bloßer Gewohnheit beim Absteigen schnell die Druckstange. Zum Beispiel nutzt man den inzwischen als Zubehör erhältlichen Haken. Alternativ (und sicherer) ist ein überzähliger Pedalriemen, der um den Hinterbau und das T-Sattelrohr gelegt wird. Dafür sind die lang genug.

2.5 Taschenabweiser

Die Taschenabweiser sind hier aus PE-Blöcken grob »zurechtgeschnitzt«. Sie werden mit den Flügelschrauben und einer Lasche auf dem Gepäckträger fixiert. Zumindest bei den hier verwendeten Ortlieb-Taschen sind sie sinnvoll, da die unteren Taschenanbauten sich sonst gerne mit dem eckigen Brompton-Träger verhaken.

Bild 10: Taschenabweiser für den Brompton-Gepäckträger

3 Skizzen

Der Träger ist für die alten, kurzen Brompton-Rahmen gebaut. Die neuen Rahmen sind etwas länger; das stellt also kein Problem dar.

Bild 11: Skizze Rohrbau

Eine detaillierte Stückliste gibt es nicht. Wesentliche Punkte:

  • 2-m-Rohr mit 10 mm Durchmesser
  • Aluklotz 15 mm × 55 mm × 60 mm für die Schelle
  • zwei PE/PA-Klötze mit 14 mm × 30 mm × 35 mm für die Taschenabweiser
  • ein Schnellspanner

Der Rest ist Kleinkram (Schrauben, Muttern etc.).

Alternativen für Sonderteile, z. B. Schrauben mit großem Kopf:

  • DIN-912-Schraube und eine Rändelmutter DIN 466 oder Flügelmutter DIN 315 hart auflöten
  • Flügelmutter DIN 315-M5-mg und etwas Gewindestange/Schraubenreste M5 aus Messing verlöten (weichlöten reicht).
  • Rohre: Hier wird vor über 20 Jahren gehamstertes 10 × 0,5 mm 25CrMo4 verbaut. Die damalige Quelle sprudelt leider nicht mehr. Als Alternative wäre sicherlich auch 10 × 0,8 mm oder 10 × 1 mm verwendbar. Zwei aktuelle Quellen wären:

Aus Erfahrung ist 10 × 0,5 mm in VA zu weich und Hartlötungen mit Niro sind sehr sorgfältig auszuführen, ansonsten gibt es gerne nach unbestimmter Zeit ein plötzliches Versagen der Grenzschicht Lot – Rohrmaterial.

Verbrauchsmaterial: weniger als eine halbe Stange Silberlot, hier UTP 3040M.

4 Vorsorgliche Bemerkungen

Da jetzt garantiert jemand kommt und sagt:

  • »Bei den Anbauteilen und Zugmassen reichen die Brompton-Bremsen nie nicht!« Ja, die Originale an den hier verwendeten alten Bromptons taten es nicht. Sie sind vorne durch angelötete Maguras ersetzt worden. Auf der Rückseite der Gabelscheiden sind sie mit den Magura-Anlötern (nicht Cantisockel) befestigt.
  • »Die Hinterschwinge ist dafür nicht ausgelegt!« Ja, da gelegentlich die Querstege durchrosten oder Ermüdungsrisse auftreten und die Lager ausschlagen, hat der Autor eh eine Reserveschwinge, Buchsen, Reibahle etc. auf Lager ;-)
  • Jemand kommt jetzt auf die Idee: »Der Träger besteht ja im Wesentlichen aus Druck-Zug-Stäben, man könnte ihn aus Kohlefaserrohren mit Wickelknoten (siehe Bamboo Bike) nachbauen«. Ja, aber die normalen Kohlefaserrohre haben einen undirektionalen Lagenaufbau können daher keine wesentlichen Torsionslasten übertragen. Torsionsmomente können bei diesem Träger durchaus auftreten.
  • »Man könnte ja bei Tubus anfragen.« Ja, auf die Idee ist der Autor beim Schreiben dieses Artikels auch schon gekommen. Das hat die Liste der potenziellen Quellen für Rohre in 10 × 0,5 25CrMo4 leider nicht erweitert.

5 Schlusswort

Viel Spaß beim Nachbauen, Verbessern und Nutzen.

Zum Autor

Olaf Schultz, Maschinenbauingenieur, Hamburg-Harburg, »kauziger« Großstadtalltags- und Reiseradler mit latentem Hang zu Sandalenfahrten bei jeder Wetterlage, Gründungsmitglied der Fahrrad-AG der TUHH, Selbstbau von mehreren Liegerädern und einem lang anhaltenden Steckenpferd: Fahrradbeleuchtung.