Ausgabe 24 · April 2017

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Gelesen

Unfälle auf Londons Cycle Superhighways

Rezensentin: Carmen Hagemeister

Haojie Li; Daniel J. Graham; Pan Liu:
Safety effects of the London cycle superhighways on cycle collisions.
In: Accident Analysis and Prevention, 2017, Volume 99.
Pages 90–101.
ISSN 0001-4575

Kürzestzusammenfassung

Weder Verschlechterung noch Verbesserung der Sicherheit Radfahrender

Zielsetzung

Ziel der Untersuchung war zu ermitteln, welchen Effekt die Cycle Superhighways (CS) in London auf Zusammenstöße von Radfahrenden haben. Cycle Superhighways sind ein Netz von Radschnellwegen, welche die Außenbezirke von London mit dem Zentrum verbinden. Sie bestehen aus blau markierten, stellenweise baulich separierten Radfahrstreifen. Die CS sollten sicherere, schnellere und direktere Wege mit dem Rad erlauben.

Bild 1: Cycle Superhighway 2.
Von: Cmglee, Lizenz: CC BY-SA 3.0, bearbeitet

Die Einrichtung der CS hat dazu geführt, dass auf diesen Strecken viel mehr Radfahrende unterwegs sind als zuvor. Umstritten ist dabei, welchen Effekt diese Zunahme an Radfahrenden auf die Zahl der Unfälle hat. Die Meinungen reichen von der Vorstellung, dass Kraftfahrende mehr auf Radfahrende achten, weil nun mehr Personen Rad fahren, bis zur Meinung, dass die CS nur Streifen mit blauer Farbe sind, durch die Radfahrende nicht geschützt werden.

Vorgehensweise

Bild 2: Cycle Superhighway, baulich separiert, Vorbeileitung an Bushaltestelle.

Grundlage der Untersuchung bilden die Unfalldaten von 2007 bis 2014. So waren Daten aus drei Jahren vor und drei Jahren nach der Einrichtung der CS vorhanden. Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 33.886 Unfälle mit Radfahrenden in London von der Polizei registriert. Es ist klar, dass nicht alle Unfälle aufgenommen wurden, vor allem Unfälle mit geringen Verletzungen können fehlen. Von jedem aufgenommenen Unfall ist bekannt, wo er stattgefunden hat, Datum und Uhrzeit, Unfallschwere und Art der am Unfall beteiligten Fahrzeuge.

Man kann nicht nur den Zeitverlauf auf den CS betrachten, weil es im Untersuchungszeitraum darüber hinaus gehende Veränderungen in ganz London geben könnte, z.B. mehr Radverkehr, mehr/weniger Polizeikontrollen oder Verkehrssicherheitskampagnen. Um diese Zeiteffekte herauszurechnen werden Abschnitte der CS und Kontrollabschnitte verglichen. Ohne diese Kontrollabschnitte würde man Veränderungen fälschlicherweise auf die CS zurückführen. Um in ganz London auftretende Effekte von Effekten der CS zu trennen, werden die Unfälle auf den CS-Abschnitten und auf den Kontrollabschnitten vor und nach der Einführung der CS verglichen. Was ganz London betrifft, zeigt sich sowohl auf den CS- als auch den Kontrollabschnitten. Was spezifisch für die CS ist, zeigt sich nur dort.

Die Gesamtlänge der CS betrug ca. 40 km, aufgeteilt in 45 Segmente. Für die Kontroll-Abschnitte standen 375 Segmente zur Verfügung. Sie wurden zufällig aus Hauptkorridoren ausgewählt, die vom Außenbereich Londons in den Innenbereich oder durch das Stadtzentrum verlaufen.

Die Anzahl der Radfahrenden wurde der Straßenverkehrs-Statistik entnommen. 2015 waren vier der zwölf geplanten CS-Routen in Betrieb. Die Schätzmethode wird im Artikel ausführlich begründet und erläutert.

Ergebnisse

Veränderungen in der Zahl Radfahrender

Auf den CS fahren mehr Personen Rad, als vorher auf diesen Strecken gefahren sind (+19,6 %), auf den Kontrollabschnitten hat das Verkehrsaufkommen nur leicht zugenommen (+2,5 %). Aus zwei Gründen sind also auf den CS mehr Radverkehrsunfälle zu erwarten:

  1. Es wird mehr Rad gefahren.
  2. Die CS ziehen auch Personen an, die wenig Erfahrung im Radfahren haben.
Bild 3: Baulich getrennter Cycle Superhighway.

Effekt der CS auf die Zahl von Zusammenstößen von Radfahrenden

Die Zahl der Unfälle mit Radfahrenden hat auf den CS signifikant zugenommen, nicht jedoch die Zahl der Unfälle mit getöteten oder schwer verletzten Radfahrenden.

Auf Abschnitten mit mehr Kreuzungen kommt es zu mehr Unfällen als auf Abschnitten mit weniger Kreuzungen.

Erwartet wurde, dass auch die Dichte der Bushaltestellen mit Unfällen zusammenhängt. Diesen Zusammenhang konnte man nicht finden.

Es gab weniger (!) Unfälle auf den Abschnitten, in denen schneller als 30 km/h gefahren werden durfte. Mögliche Erklärungen sind: In diesen Abschnitten ist der Radverkehr weniger dicht (das konnte in den Daten gefunden werden). Möglicherweise passen Rad- und Kfz-Fahrende auch mehr auf, wenn höhere Geschwindigkeiten erlaubt sind. Es gibt auch Zusammenhänge mit der sozioökonomischen Situation: Unfälle waren häufiger in Gebieten mit mehr Geschäften und Büros und in Gebieten, die sozial benachteiligt sind.

Effekt der CS auf die Unfallrate Radfahrender

Wenn man das Volumen des Radverkehrs berücksichtigt, gibt es keinen Unterschied zwischen den CS- und den Kontrollabschnitten. Auch Vergleiche der Sicherheit zwischen den verschiedenen Routen ergaben keine signifikanten Unterschiede.

Fazit

Die Schlussfolgerung der Autoren ist: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen den CS- und den Kontrollabschnitten, wenn man die Zahl Radfahrender berücksichtigt. Die Cycle Superhighways sind also weder gefährlicher noch sicherer als andere Straßen. Das Ziel, sicherere Wege anzubieten wurde damit nicht erreicht.

Zur Rezensentin

Carmen Hagemeister arbeitet an der TU Dresden in der Psychologie und liest u. a. Literatur mit politischen und planerischen Themen mit Fahrradbezug, die vielleicht auch für andere Fahrradzukunft-LeserInnen interessant ist.